Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2010

12.08.2010 - 14.08.2010 Jesefov, Tschechien

Jesefov – ein Ortsname, der es wohl nicht bei jedem sofort klingeln lässt – und doch ein Name, den der Metaller sich merken sollte, findet in diesem Ort in Tschechien doch alljährlich das BRUTAL ASSAULT Festival statt, welches gleich in mehrfacher Hinsicht von sich reden macht: Neben dem Billing, das sich für ein Festival dieser Größe (Besucherzahl ca 17.000) wahrlich nicht zu verstecken braucht, locken gemessen am europäischen Durchschnitt ausserordentlich billige Ticketpreis (rund 50€) sowie die niedrigen Lebens- und Alkoholpegelhaltungskosten (Bier 0.5l umgerechnet ca. 1,10€, reichliches Essensangebot zu ebenso günstigen Konditionen) den Festival-Fan. Ein wahrlich interessanter Aufsteiger in der Festival-Szene also, der den Rahmenbedingungen nach zu Urteilen sicherlich das Potential hat, in den nächsten Jahren einiges an Popularität zuzulengen. 

12.08.10

Der erste Konzerttag beginnt mit einem ganzen Rudel lokaler Bands, bevor es mit den Intern DEMONIC RESURRECTION, ROTTEN SOUND und den griechischen Thrashern SUICIDAL ANGELS langsam international wird. Doch auch, wenn mit THE BLACK DAHLIA MURDER, OBITUARY und ENSIFERUM durchaus schon einige Größen aufspielen, wissen mich erst GOJIRA mit ihrem intensiven, energiegeladenen Gig vor der Bühne zu halten.

Nach dem gelungenen Auftritt von GOJIRA wäre nun eigentlich das All-Star-Projekt LOCKUP an der Reihe – statt dessen haben nach einer Spielplanänderun jedoch SEPULTURA die dankbare Aufgabe, den begehrten Slot um 20:45 Uhr zu füllen. Wer die Männer um Front-Hühne Green auf iher aktuellen Tour bereits live erleben durfte, weiß, was ihn erwartet: Die Band ist derzeit in ihrer wohl besten Form seit dem Ausstieg von Max Cavalera – und so braucht es auch nicht lange, bis die Brasilianer das Publikum für sich gewonnen haben. Dabei sind es jedoch wie gewohnt vor allem die alten Hits, die der Truppe Applaus einbringen: Egal, ob „Arise“, „Refuse, Resist“, „Inner Self“ oder „Troops Of Doom“ vom allerersten Album – dankbar nimmt das Publikum jede dieser Oldschool-Perlen auf, bieten diese doch auch schlicht und ergreifend mehr Möglichkeiten zum Abfeiern als das hardcorelastige neue Material. Nach einer knappen Stunde ist nach einem Tribaljam, wie man ihn seit dem Ausstieg von Max eigentlich nurnoch von Soulfly kannte, sowie dem obligatorischen „Roots Bloody Roots“schon wieder Schicht im Schacht und die, wie böse Zungen sie manchmal nennen, „beste Coverband der Welt“ verlässt sichtlich zufrieden die Bühne.

Nachdem als nächstes die für meinen Geschmack reichlich überbewerteten FEAR FACTORY mit einem eher mäßig spannenenden bis todlangweiligen Gig ihren Beitrag zum 15. Brutal Assault geleistet haben, steht mit CHILDREN OF BODOM die Metal-Boygroup auf dem Programm. Wie sehr man sich davon beeindrucken lässt, wenn jedes zweite Wort „fuck“ lautet, muss jeder selbst beurteilen, dass sich daraus jedoch der Löwenanteil einer CHILDREN OF BODOM-Show zusammensetzt, ist dabei aber nichts Neues. Ob es dabei am Alkoholpegel oder schlicht der Tatsache, dass auch die Gitarristen von COB nur Menschen sind, geschuldet ist, dass heute auch das ein oder andere Solo danebengeht und aus der Time rutscht, sei dahingestellt – sicher ist, dass man CHILDREN OF BODOM schon besser, aber auch schon schlechter gesehen hat.

Nach den Kindern vom Bodom-See steht mit GORGOROTH nun der erste schwarzmetallene Auftritt des Brutal Assault 2010 bevor – da es eine der ersten Gelegenheiten ist, die Band im von Infernus runderneuerten Lineup zu erleben, wohl für viele ein lange herbeigesehnter Augenblick.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt:
Konnte die Band auf ihrem Album „Quantos Possung Ad Satanitatem Trahunt“ noch vollends überzeugen, ist das, was sich hier auf der Metalshop-Stage des 15. Brutal Assault abspielt, das reinste Trauerspiel, stimmt hier doch von Sound bis zur Performance so ziemlich garnichts. Das Soundproblem ist dabei eher ein generelles des Brutal Assaults: Während man auf der Naturtribühne, die mit eigenen Boxen ausgestattet ist, von ständigen Wacklern und Aussetzern genervt wird, passt unten der Sound nur in direkter Umgebung des Mischpults – näher an der Bühne verschwindet bis auf das Schlagzeug und die Gitarre, vor deren Box man gerade steht, nahezu alles, wurde auf Extraboxen, die die ersten Reihen beschallen, die sich im toten Winkel der großen Soundanlage befinden, gänzlich verzichtet.
So wird die Freude über den hart erkämpften Platz in der ersten Reihe schnell getrübt… doch auch ein Rückzug in die hinteren Reihen bringt nur in Maßen die erhoffte Besserung: Zwar ist der Sound dort merklich besser, jedoch entlarvt das wiederum nur die spielerischen Mängel des Auftritts: Unsauber heruntergerotzte Riffs, mäßig gutes Zusammenspiel der Musiker und uninspiriertes bis lustloses Stageacting lassen das Gefühl aufkommen, dass GORGOROTH nicht nur nicht wollen, sondern schlicht nicht besser können. Denn wo die Band unter Charismatiker Ghaal vielleicht nicht für ihr lebhaftes Stageacting, dafür jedoch für Atmosphäre und Präzision bekannt war, wirkt sie unter dem hektisch, jedoch vollkommen ausdruckslos agierenden Pest orientierungslos und zerfahren. Hatte King Ov Hell noch eine einnehmende Bühnenpräsenz, wirkt die Band heute mehr wie eine unsichere Schülerband mit lächerlicher Kriegsbemahlung. Corpsepaint alleine macht eben noch keinen Black Metaller – auch nicht aus Obituary-Bassist Frank Watkins. Gleiches gilt für Session-Drummer Vyl, der den Stil, den Dissection-Drummer Tomas Asklund den Stücken im Studio eingehaucht hat, nicht im Ansatz aufleben lassen kann und, verglichen dazu, vollkommen gefühllos auf seine Trommeln haut.
Hier stimmt einfach garnichts, weder in der Einzelwertung noch mit der Gesamtleistung kann man punkten, so dass der Auftritt im Vergleich zu der beeindruckenden Show 2007 auf dem Party.San die reinste Farce ist. Da man zudem auf jegliche Effekte wie Pyrotechnik oder Bühnendeko verzichtet hat, bietet der Auftritt nichteinmal optisch seine Reize – es erwartet ja keiner, dass man es gleich so pompös gestaltet wie WATAIN zwei Tage später… aber die ein oder andere Fackel hätte das Budget wohl nicht gesprengt.
Dass GORGOROTH für diese Darbietung, für die wohl jede unbekanntere Band mit Schimpf und Schande davongejagt worden wäre, auch noch Applaus bekommen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Man darf gespannt sein, ob GORGOROTH auf dem Summer-Breeze beweisen können, dass das hier nur ein Tagestief war…

13.08.10

Nach der obligatorischen Taschenkontrolle, die hier nach dem Prinzip: „Mal schauen, ob er was in den Taschen hat – ah, gut, vollgestopft, dann is ja alles ok – weitergehen!“abläuft, beginnt der Tag für mich mit den letzten Takten der US-Hardcoreler GAZA, die nach getaner Arbeit ihre Instrumente sehr medienwirksam auf die Bühne schmeißen… Grund für meine frühe Anwesenheit vor den Bühnen sind jedoch die Polen PROGHMA C, die das Brutal Assault eine halbe Stunde lang mit ihrem etwas gewöhungsbedürftigen Stilmix, der sich wohl am besten als Progressive/Experimental Metal beschreiben lässt, zu beeindrucken versuchen. Ganz gelingt ihnen das jedoch zumindest bei mir nicht, sind die Stilwechsel bisweilen zu verquer, die Songs zu konfus und das Resultat etwas zu zerfahren für meinen Geschmack.

Auf diesen bisweilen etwas anstrengenden Gig folgt mit dem Auftritt von BONDED BY BLOOD, welche statt den gecancelten ALKONOST nun an der Reihe sind, unverfälschter Thrash Metal der alten Schule: Riffs mit Arschtritt, furiose Soli und die trockene Stimme von Jose „Aladdin“ Barrales halten sich an altbewährtes Konzept, so dass man durchaus das Gefühl hat, der Bandname käme nicht von Ungefähr. Zwar verdecken mittlerweile einige Wolken die Sonne, die bislang erbarmungslos auf die Festivalarea heruntergebrannt hatte, jedoch fällt bislang kein Regen – eigentlich perfektes Festivalwetter also.
Nach dem finalen „Feed The Beast“ ist dann jedoch nach wiederum nur 30 Minuten Spielzeit Schluss, sind die Spielzeiten auf dem Brutal Assault doch allgemein eher kurz gehalten.

Sind die lokalen Bands aus Tschechien sonst nur auf der Warmup-Party und den frühen Slots vertreten, haben HYPNOS mit ihrem Platz um halb sieben einen vergleichsweise guten Platz in der Runningorder ergattern können. Ob zu Recht oder doch eher durch Vetternwirtschaft, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass das Gespann um den ganz in Weiß gekleideten Sänger Bronislav „Bruno“ Kovarik relativ durchschnittlichen Melo-Deathmetal abliefert – womit man, bekanntermaßen, generell nicht viel falsch machen kann. So geht das Konzept der Band alles in allem gut auf und man vermag eine erstaunlich große Menschentraube vor der Bühne zu versammeln… aber Familien sind in Osteuropa ja auch bekanntermaßen verhältnismäßig groß.

Nachdem die Auftritte von DEVIN TOWNSEND und CANNIBAL CORPSE ob eines überraschend einsetzenden Sturzregens und meiner daraus resultierenden Flucht vor dem unfreiwilligen Wet-Tshirt-Contest für mich im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen waren, steht nun mit dem Auftritt des Emperor-Fronters IHSAHN wohl für so manchen Besucher ein, wenn nicht der Höhepunkt des Festivals bevor. In trockenen Kleidern und mit (wie sich mit der Zeit herausstellt vollkommen überflüssiger) Regenmontur ausgestattet und so zumindest denjenigen gegenüber im Vorteil, die sich TOWNSEND nicht vom Wetter haben vermiesen lassen, sieht die Welt gleich wieder viel besser aus als noch nur Stunden zuvor, als das Brutal Assault in Wassermassen zu versinken drohte und mein Kopfkino mir den IHSAHN-Gig in Endlosschleife im Monsun untergehen ließ.
Und diesmal sollten meine hohen Erwartungen an ein „besonderes“ Konzert nicht (wie bei GORGOROTH) enttäuscht werden: Pünktlich auf die Minute betritt die Black Metal-Legende mit seiner Begleit-Band Leprous die Bühne, um mit „The Barren Lands“ sein Set zu beginnen.
Und hier stimmt von der ersten Minute an schlichtweg alles: Der Sound glasklar, die Musiker, perfekt aufeinander eingespielt, und Perfektionist IHSAHN offensichtlich rundum zufrieden. Weiter geht es gerecht aufgeteilt durch alle drei Alben der Diskographie, bis es am Ende zwei Songs von jedem Album in die Setlist geschafft haben.
Der Spirit von Emperor – natürlich vorhanden. Dabei bleibt es dann jedoch auch, hat sich der Ausnahmemusiker diesmal gegen die Darbietung eines Stückes seiner alten Band entschieden. Dies mag für den ein oder anderen Fan der Frühwerke des für seine Leistungen verhältnismäßig jungen Meisters herb enttäuschen, ist bei der ihm zugestandenen Spielzeit von lediglich 40 Minuten jedoch eine nachvollziehbare Entscheidung.
Und so offenbart sich auch hier wieder die Zweischneidigkeit der extrem knapp bemessenen Spielzeiten der Bands auf dem Brutal Assault: Bei kleinen Bands oder solchen, die man vorher garnicht kannte, sind kurze Spielzeiten von 30 Minuten oft wirklich angenehm, da die Band wirklich nur die Hits abliefert und man sich ein gutes Bild von deren Schaffen machen kann, ohne sich zu langweilen, wenn der Auftritt nicht restlos begeistert. Bei Live-Raritäten wie einem IHSAHN-Gig hingegen ist es nur schwer nachvollziehbar, warum man bei der Spielzeitvergabe so knausrig war (nicht einmal die Headliner bekommen mehr als eine Stunde) – schließlich reisen die Leute ja zum großteil genau wegen dieser Bands an, und nicht wegen der 100 kleinen Bands. Zwei Bands am Tag weniger, dafür etwas mehr Spielzeit für die (Co-)Headliner hätte hier wohl niemand beklagt…

Setlist IHSAHN:
01. The Barren Lands
02. Scarab
03. Invocation
04. Called By The Fire
05. Unhealer
06. Frozen Lakes On Mars

Auch die Runningorder folgt nicht immer nachvollziehbaren Regeln: So folgen mit HYPNOS, ILL NINO, MNEMIC, CONVERGE und LOCKUP gleich sechs Knüppelbands aufeinander, wohingegen sich mit DEVIN TOWNSEND, CANNIBAL CORPSE, IHSAHN und NAPALM DEATH so ziemlich die konträrsten Bands des Festivals abwechseln – dürfte die Schnittmenge der gemeinsamen Fans beider je aufeinander folgenden Bands hier doch gegen Null gehen.
Nachdem NAPALM DEATH mich noch nie zu berühren vermochten, ist der einzige Grund, warum ich nicht nach IHSAHN bereits den Zeltplatz aufsuche, der Auftritt von AURA NOIR, die den zweiten Konzerttag beschließen:
Der Auftritt der Black-Thrasher um Immortal-Bassist Apollyon sowie Ex-Mayhem-Gitarrist Blasphemer scheint jedoch, auch, wenn dies ob des bedeckten Himmels nur eine These ist, unter keinem guten Stern zu stehen: Zunächst überziehen NAPALM DEATH um zehn Minuten und gefühlt ebensoviele Songs, was sich bei den in die Runningorder eingebauten „Puffern“ von satten fünf Minuten zwischen den Bands direkt auf das Set von AURA NOIR auswirkt. Als diese dann schließlich beginnen können, taucht das Soundproblem, mit dem noch einige Bands auf diesem Festival zu kämpfen haben, wieder auf: Sowohl der Bühnensound, als auch der für das Publikum sind alles andere als zufriedenstellend – klingt das, was da aus den Boxen „schallt“, doch eher nach Soundcheck-Lautstärke, denn nach voll ausgelasteten Boxen. Doch damit nicht genug… keine zehn Minuten sind gespielt, da gibt der Gitarren-Verstärker den Geist auf – da hilft auch kein hektischer Gitarren oder Kabelwechsel. Bis ein neuer Amp aufgestellt ist, vergehen weitere zehn Minuten – die Band nimmts verhältnismäßig cool und entschuldigt sich herzlich für den „worst gig ever“.Gar so tief bräuchten die Norweger dabei jedoch eigentlich garnicht zu stapeln – denn wo man sie lässt, beziehungsweise sie nicht von technischen Mängeln am Leihequipment verhindert werden, liefern die drei Mann einen wirklich mitreißenden Gig ab.Mit „Unleash The Demon“, „Black Emperor“, „South American Death“ und „Condor“ finden dabei fast nur Hits ihren Weg in das Set, dessen Höhepunkt jedoch noch bevorsteht: Zum finalen „Sons Of Hades“ betritt Carl-Michael Eide alias Aggressor zum ersten Mal seit seinem Sturz aus dem 4. Stock eines Gebäudes vor fünf Jahren wieder die Bühne. Auf Krücken geht er zum Mikro und liefert eine beeindruckende Gesangsperformance ab – von der Live-Verdrossenheit des ehemaligen Dødheimsgard-Drummers keine Spur. Nach alles in allem knappen 50 Minuten ist hier trotz aller Verzögerungen jedoch auch wieder Schluss und der zweite Konzerttag des 15. Brutal Assaults Geschichte.

14.08.10

„Morgenstund hat Gold im Mund“, oder, wie es im Volksmund heißt: „Der frühe Vogel fängt den (frühen) Wurm“.
Der Wurm sind in diesem Fall RAGNAROK, die nach dem GORGOROTH-Desaster die Ehre des Norwegischen Black Metal zu retten haben, und früh ist 10:35.
Doch auch, wenn Black Metal-Frühschoppen vielleicht nicht die der Atmosphäre dieser Musik angemessendste Art des Genusses ist, so funktionieren RAGNAROK selbst um diese Uhrzeit überraschend gut: Mag es an den dichten Wolken über Jaromer liegen oder an der Band selbst – die Band um Svartjern-Sänger HansFyrste beweist jedenfalls souverän, dass man auch mit trvem Helnorsk Svartmetall bereits Vormittags punkten kann. Souverän, spielfreudig, aufeinander eingespielt und auch sonst alles, was GORGOROTH nicht waren, halten die Herren, getrieben von Drummer Jontho, hier die Fahne des traditionellen Black Metals hoch – eine Leistung, die vom für die frühe Stunde überraschend zahlreichen Publikum entsprechend gewürdigt wird und auch vom Himmel mit ausbleibendem Regen belohnt wird. Erst beim finalen „Blackdoor Miracle“ setzt erneut leichter Nieselregen ein – jedoch zu spät, um RAGNAROK noch Publikum abzuringen.

Nachdem sich der Nieselregen bei den darauffolgenden LOST SOUL zu einem ausgiebigen Regenguss verstärkt, welcher in der Festungsbar, einer in den Gewölben der Festungsmauer eingerichteten Bar mit gemütlicher Sitzgelegenheit, abgewartet wird, geht der Konzerttag für mich erst mit SADIST weiter.Den Prog-Death/Thrashern aus Italien scheint der Regen, der immernoch nicht gänzlich aufgehört hat, jedoch nicht zu reichen, und so wird das Publikum vor Gigbeginn ersteinmal kräftig mit Kunstschnee beschossen. Danach legen die vier Herren vor dem Artwork-Backdrop zu ihrem aktuellen Album „Season In Silence“ richtig los und präsentieren sich in Top-Form. Mit 13Saiten auf zwei Instrumenten (6Saiter-Bass und 7Saiter-Gitarre) amtlich ausgestattet, zockt sich der Vierer durch seine langjährige Diskographie. Beeindruckend dabei vor Allem das Doppelengagement von Gitarrist Tommy, der seine Gitarre streckenweise einhändig bedient und mit der anderen Keyboard spielt, beziehungsweise ansonsten im fliegenden Wechsel zwischen beiden Instrumenten switcht.
Trotz des nicht gerade idealen Wetters ein Leckerbissen, den sich viele nicht entgehen lassen wollen, so dass SADIST dennoch eine anständige Publikumsmenge bespielen können.

MOONSORROW hingegen, die am frühen Nachmittag an der Reihe sind, hat man schon engagierter gesehen: Zwar verkündet die Band, dass dieser Auftritt wegen des anstehenden Studioganges der letzte für längere Zeit werden würde, dass die Band dementsprechend noch einmal alles gibt, ist jedoch eine These, die sich nicht bestätigt. Gelangweilt und unmotiviert zocken die Finnen ihr Set, ohne sich selbst für ihren Auftritt begeistern zu können – eine Stimmung, die sich recht schnell auch auf das Publikum zu übertragen scheint, so dass bis auf die Diehard-Fans in den ersten Reihen wohl keiner all zu betrübt ist, als die kunstblutüberströhmten Pangan-Metaller die Bühne nach einer gefühlten Ewigkeit wieder verlassen. Selten haben sich 40 Minuten so gezogen…

Nach JESU folgt mit den Murder-Metallern MACABRE ein wenig Unterhaltungs-Death. In perfektem Sound und gut gelaunt präsentiert das Trio seine Massenmördergeschichten, Charles Lescewicz zieht seine Grimassen und auch Musikalisch ist alles im grünen Bereich – wer die Band wenig später auf dem Summer Breeze gesehen hat, kann sich ein recht gutes Bild machen, war der Auftritt doch samt der Setlist quasi der Gleiche:

Setlist MACABRE:
01. McMassacre
02. The Wustenfeld Man Eater
03. The Trial
04. Night Stalker
05. The Bloody Benders
06. You’re Dying To Be With Me
07. Hitchhiker
08. Vampire Of Düsseldorf
09. Ed Gein
10. Countess Bathory (Venom-Cover)

Die folgenden DIABLO SWING ORCHESTRA sind hingegen nicht nur eine ganz andere Baustelle, sondern, wie ich recht schnell feststellen muss, auch nicht meine. Sicherlich, schlecht gemacht ist es nicht, was die Dame und Herren hier auf die Bretter zaubern, jedoch allemal sehr speziell…

Mit VOIVOD und TANKARD geht es dafür umso traditioneller weiter, bevor DYING FETUS, die mir bislang nicht wirklich ein Begriff waren, die Bühne zu Kleinholz verarbeiten.Dass sie dabei im Gegensatz zu CANNIBAL CORPSE und Konsorten nicht nur stupides Geballer auf das Publikum loslassen, sondern bisweilen fast schon progressiv zu Werke gehen, weiß zu gefallen.

Stichwort „progressiv“: Um 21:25 steht mit MESHUGGAH ein weiterer Leckerbissen für Fans des Aussergewöhnlichen auf dem Programm. Das Problem ist lediglich, dass es wenig bringt, wenn es nur auf dem Programm steht, dann aber nicht umgesetzt wird. Und so ist der Ärger im Publikum groß, als MESHUGGAH ihren Gig mit über 10Minuten Verspätung beginnen, weil die Techniker den Bühnensound offensichtlich nicht in den Griff bekommen – und, den Gesten von Sänger Jens Kidman nach zu urteilen, auch dann noch nicht in den Griff bekommen hatten.
Doch MESHUGGAH wären nicht MESHUGGAH, würden sie sich durch derartige Widrigkeiten aus dem Konzept bringen lassen – und so liefert der Fünfer aus dem Schwedischen Umeå eine wie gewohnt an maschinenhafte Perfektion grenzende Show ab: Jeder Ton, jeder Drumschlag sitzt zu 100%, und auch, wenn Kidman wohl von allen Anwesenden als einziger Nicht-Instrumentalist in der Lage ist, zu den verschrobenen Machenschaften seiner Band zu headbangen, kennt die Begeisterung des Publikums für Hits wie „Bleed“ keine Grenzen. Ebenfalls keine, oder zumindest kaum Grenzen scheint die Begeisterung des Publikums für grüne Krümel in ihren Zigarretten zu kennen – und so hat man nach dem durch die Verzögerungen am Anfang auf 45 Minuten geschrumpften Set der „Technical Post-Thrash Metal“-Helden, wie Metal-Archives die Musik so umständlich wie passend kategorisiert, fast das Gefühl, einen Holländischen Coffee-Shop zu verlassen…

Ohne Umwege (gehen sie nicht über Los, ziehen sie nicht 4000 ein) geht es vor die zweite Bühne, auf der bereits alles für den Auftritt der Death Metal-Heroen HYPOCRISY bereitet ist – ein gar nicht all zu einfaches Unterfangen, ist der Platz vor dieser Bühne doch bereits gut gefüllt.
Nur wenige Minuten später betreten die drei Schweden um Fronter Peter Tägtgren auch schon die Bühne und beginnen ihr Set mit durch die MESHUGGAH-Verzögerung verschleppter leichter Verspätung. Doch groß ist der Schrecken, als die ersten Töne aus den Boxen schallen – klingt es doch fast so, als hätte jemand vergessen, die Außenlautsprecher der Bühne anzuschalten. Leise und vollkommen drucklos kommen die Songs der Band aus den Boxen – ein Umstand, der sich erst gegen Ende des Konzertes bessert. Doch auch ungeachtet der Soundprobleme ist der Auftritt sicher nicht der Beste, den man von dieser Band hätte erleben können: Hatte sich „Hang Him High“ auf der Tour zum Album bereits früh als der Live-Kracher des neuen Albums herauskristallisiert, fehlt er diesmal komplett in der Setlist, in der das neue Album vollkommen unverständlicher Weise mit lediglich einem Song generell vollkommen unterrepräsentiert ist.
Und auch sonst kann diese nicht vollends überzeugen: Überhit „Eraser“ wird bereits an dritter Stelle verbraten, es folgen diverse ältere bis ganz alte Nummern, die obligatorischen „Let The Knive Do The Talking“ sowie „Warpath“ von „Virus“, und, wie gewohnt, „Roswell 47“ als Rausschmeißer. Sicherlich, jedes Mal die gleiche Setlist wäre auch nichts… aber derartige Experimente macht man doch bitte auf Tour, wo weit mehr Die-Hard-Fans vor der Bühne stehen. Auf einem Festival will ich ein wahres Best-Of hören, und da gehören Hits wie „Scrutinized“ oder eben „Hang Him High“ hinein.

Nach kurzer Verschnaufpause zieht es mich zu SARKE wieder vor die Bühne, wobei mir die Müdigkeit mittlerweile doch merklich in den Füßen steckt…
Diese ist jedoch wie weggewischt, als Bandleader Sarke und Sänger Nocturno Culto die Bühne betreten und zu einem Fest des Black’n’Roll laden. Überraschend dabei, trotz der relativ späten Stunde, wie dünn die Reihen im Publikum stehen – hätte ich doch einen weit größeren Personenkult um Darkthrone-Legende Nocturno Culto erwartet… aber offensichtlich sind deren große Tage auch vergangen.
Unabhängig von der prominenten Besetzung wäre jedoch auch der Auftritt selbst durchaus sehenswert gewesen: Mit kaum zu überbietender Coolness führt Nocturno Culto durch das Set, das sich, wenig überraschend, komplett aus Tracks des ersten und einzigen Albums „Vorunah“ zusammensetzt. In überraschend gutem Sound rocken SARKE so 40 Minuten lang kräftig, um hernach das Publikum zu den darauf folgenden WATAIN zu schicken.

Dieser Bitte komme ich natürlich gerne nach und werde von einer bereits pompös ausstaffierten Bühne erwartet. War das Bühnenbild sämtlicher bislang auf diesem Festival gesehenen Bands doch mit maximal einem Backdrop eher spärlich, fahren WATAIN diesbezühlich ganz andere Geschütze auf: Ein gigantisches Backdrop mit dem genialen Albumcover, sowie ganze vier kleinere Seitenbackdrops bilden die Grundausstattung, dazu folgt eine kaum zu zählende Anzahl an Fackelhaltern, Kerzenständern, Feuerkesseln sowie zwei brennende Dreizacken…
Über den normalen Soundcheck hinaus noch all diese Accessoires auf der Bühne zu drapieren benötigt natürlich auch einige Zeit – so dass es wenig verwunderlich ist, dass die Bühnentechniker erst mit 10 Minuten Verspätung fertig und die Bühne frei ist. Doch man kann sagen, was man will: Der Aufwand hat sich definitiv gelohnt. Spielen andere Bands bisweilen auf Bühnen, die ob herumhängender Kabel, und herumstehenden Equipments eher wie eine Baustelle aussieht, hat die Bühne nun einen fast feierlichen Charakter, der fast vergessen lässt, dass man es hier überhaupt mit einer Bühne zu tun hat.
Vor derart professioneller Kulisse ist es wohl auch weit einfacher, musikalisch zu beeindrucken… und so wundert es wenig, dass WATAIN bereits mit den ersten Takten offene Türen einrennen: War das Publikum bei SARKE noch recht dünn besetzt, zeigt sich jetzt, was man an der großen Zahl an WATAIN-Shirts, die man auf den vergangenen Festivaltagen im Publikum zu sehen bekam, bereits ablesen konnte – dass dieser Auftritt zu einem der heißersehntesten des ganzen Festivals gehört.So ist dann auch niemand darüber entrüstet, dass sich WATAIN die selbstverschuldete Verzögerung auf Kosten der durch die Absage von AHAB und die Verschiebung des BAL SAGOTH-Auftrittes auf diesen undankbaren Slot verfrachteten BARREN EARTH durch Überziehen ihrer Spielzeit wieder hereinholen – auf anderen Festivals undenkbar, scheint dies hier kein größeres Problem darzustellen.
Nach diesem Meisterstück in Inszenierung und musikalischer Darbietung, von dem sich GORGOROTH durchaus etwas abschauen dürften, ist das Brutal Assault 2015 für mich beendet, fällt der Auftritt von BARREN EARTH doch dem anstehenden nächtlichen Zeltlager-Abbau zum Opfer.

Und so endet das 15. Brutal Assault mit einer Zugfahrt, die dank einer Zugteilung an der deutschen Grenze und entsprechend doppelter Zugfülle nicht gerade als bequem zu bezeichnen ist… doch welche Festival-Heimreise ist schon entspannend? Unabhängig davon ist der Eindruck, den das Brutal Assault bei mir nach meinem ersten Besuch dort hinterlassen hat, durchaus ein guter: Die in einer alten Festungsanlage gelegene Bühnen/Metalmarkt-Area ist bezüglich der Atmopshäre sehr passend gewählt und auch sonst nahezu optimal für ein solches Event geeignet – nicht zuletzt, weil der Boden vor den Bühnen gepflastert und so Wetterbeständig ist. Als besonderes Plus ist hier die „Naturtribühne“, die auf der den Bühnen gegenüberliegenden Festungsanlage mit Bänken und zusätzlichen Boxen eingerichtet wurde, zu nennen: Gerade Bands, die man „nur mal eben mitnehmen“ will, eine korfortable Lösung. Der Zugang zu eben diesem Luxus ist jedoch den Besitzern eines „VIP-Camping“-Bändchens vorbehalten – welches sich nicht nur deshalb trotz des (jedoch geringen) Aufpreises rentiert, bietet es doch vor allem die Camperlaubnis in dem rund um die Uhr beachten und in nummerierte Claims unterteilten Campground. Dies bietet zum einen Schutz vor Diebstahl, welcher unabstreitbar in dieser Gegend ein Problem darstellt, zum anderen nahezu die einzigen becampbaren Flächen: Während die restlichen Zelte an Hängen und in Waldstücken aufgestellt werden, wird hier ein ebenes Stück Rasen geboten.

Gerade bezüglich der Camping-Situation gibt es also noch Verbesserungsbedarf – und auch hinsichtlich der Organisation (lange Schlangen bei der Bändchenausgabe, schlechtes Informationsmanagement bei Running-Order-Changes) ist sicher auch beim 15. Brutal Assault noch nicht alles perfekt. Doch sind wir ehrlich: Bei einem derart hochkarätigen Billing, preiswerter und reichhaltiger Verpflegung (Tipp: Ein Abstecher ins Dorf und die dortigen Läden, die keine „Festival-Preise“ verlangen) und Bierpreise sogar auf dem Gelände von knapp einem Euro verzeiht man so einiges. Gerne wieder, hat Spass gemacht. Nur auf einen Regenguss wie dieses Jahr bei Devin Townsend kann ich gerne verzichten…

Konzertphotos von: Dennis Piller

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