Nachdem der erste Festival-Tag mit Vollbard noch etwas traurig begann, entwickelt sich an Tag 2 bei DIE HABENICHTSE eine gänzlich andere Dynamik. Auf Grund von Corona und anderer Schwierigkeiten haben lediglich zwei der fünf Musiker die Reise nach Wunsiedel angetreten. Das fällt allerdings nicht auf, denn auch zu zweit geben Diego und Flausi ordentlich Gas und erreichen mit launigen Nummern wie „Gierig und faul“ ihre Zuhörer. Neben Originellem wie „Herr Manneligs Sohn“ und einigen erwartbaren Trinkliedern entwickelt sich das fast siebenminütige „Die schönste Schankmaid der Welt“ zum Stimmungshighlight der frühen Folksession. Kein Wunder, dass DIE HABENICHTSE – dann wieder in voller Besetzung – alsbald als Support für Mr. Hurley und die Pulveraffen unterwegs sein werden.
Deutlich ruhigere und melancholischere Töne schlagen WALDKAUZ an. Die Hildesheimer haben kurz vor Veröffentlichung ihres Albums „Labyrinth“ sowohl neues Liedgut als auch neue Bandmitglieder mitgebracht. Alana und Diana ergänzen die Pagan-Folker musikalisch wie optisch passend. Leichte technische Probleme überwinden Niklas, Nina und Co. im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch, so dass es neben eines instrumentalen Andros und Altbekanntem wie „Baba Yaga“ oder „Mond & Sonne“ auch gelungene Live-Debüts, unter anderem von „Danse Macabre“ oder „Schwingen“, zu sehen und zu hören gibt. Auf „Kein rechter Weg“, ihre stärkste und deutlichste politische Botschaft, verzichten die Käuze im Festival-Kontext – ein Grund, um WALDKAUZ bald wieder nach Wunsiedel oder auch zum Festival-Mediaval zu holen. Genau wie bei Die Habenichtse fallen die Publikumsreaktionen äußerst wohlwollend aus.
Mit TOTUS GAUDEO und THE BLACKBEERS wird die Stimmung auf dem Festival-Gelände wieder ausgelassener und das Liedgut teils derber. Beide Bands sind alte Bekannte im Kontext des Festival-Mediavals und wissen demnach einerseits, was sie erwartet – und andererseits was die Menge hören möchte. Während die Piraten nahe ihrer Heimat neben Neuinterpretationen bekannter Szenehits auch vermehrt eigenes Liedgut zum Besten geben, spielen TOTUS GAUDEO auf markterprobte Weise auf – wobei besonders Geigerin Ekatarina wieder einmal ihre Akzente setzt. THE BLACKBEERS überzeugen dafür durch eine gewisse Rohheit, bei der vielleicht nicht jeder Ton sitzt, dafür eine Menge Herzblut zu spüren ist.
Eben jenes gilt auch für die Schweizer KOENIX, die noch einmal marktaffiner als die beiden letzten Bands ihr Liedgut zum Besten geben. Den Schweizern merkt man in ihrer Ausrichtung zunehmend an, dass sie nach Mitteln und Wegen suchen, um ihr mittelalterliches Liedgut in die Moderne zu transportieren. Gerade auf kleineren Festivalbühnen gelingt ihnen dies richtig gut. Hierzulande sind KOENIX zudem noch frisch und neu genug, um mit ihren Melodieführungen immer wieder zu überraschen und zu unterhalten. Vielen anderen Marktbands fehlt diese Gabe.
Als Headliner fungieren FAUN in leicht abgewandelter Besetzung. Sängerin Laura kann die Reise nach Wunsiedel kurzfristig nicht antreten, so dass die Pagan-Folker einige Anpassungen an ihrem Set vornehmen und Adaja als einzige weibliche Stimme zu hören ist. Gerade für eingefleischte Fans dürfte die Show etwas Besonderes sein, da die beiden Frauenstimmen oftmals prägend für den Klang von FAUN sind und Oliver Satyr zusammen mit den verbliebenen Musikern allerhand aufbietet, um den Ausfall von Laura zu kompensieren – gerade im instrumentalen Bereich. Für Songs wie „Feuer“, die primär auf Lauras Stimme zugeschnitten sind, reicht es verständlicherweise nicht. Dafür entschädigen unter anderem „Rhiannon“, „Wind und Geige“ und „Pearl“. Insgesamt spielen FAUN ein Abendkonzert, das ganz und gar nach FAUN klingt, aber keine gewöhnliche Festival-Show ist.
Als heiterer Rausschmeißer fungieren HEITER BIS FOLKIG, die das wundervolle „Loch Lomond“ covern und anschließend wahlweise entweder den Tod oder die „Sonnenseiten des Lebens“ besingen. Zu diesen Sonnenseiten gehört bei der trinkfesten Spielmannscombo auch „Saufen für den Weltfrieden“, bei dem selbst zu vorgerückter Stünde noch fleißig die Gläser gen Nachthimmel gestreckt werden.
So neigt sich ein erneut gelungener Festival-Samstag dem Ende, der über den gesamten Tag verteilt mit unterschiedlichen Highlights glänzen konnte. Abgerundet wurden die Auftritte der einzelnen Bands von Captain Jack, der mit seiner Zaubershow und als Walking Act für gute Laune in den Spielpausen sorgte, sowie von Kerry Balder und Kahira mit kleinen Jonglier- bzw. Feuereinlagen auf einer kleinen Nebenbühne.