Konzertbericht: Amon Amarth w/ Insomnium, Kanonenfieber

20.08.2024 Innsbruck, Congress (Saal Dogana)

Wer jenseits von Power Metal die große Show sucht, ist seit Jahren bei AMON AMARTH richtig: Wie kaum eine andere Band aus den eher extremen Gefilden des Metal wissen die Schweden ihr Wikinger-Konzept live bildgewaltig umzusetzen. Für ihre „Heidrun Over Europe 2024“-Tour haben AMON AMARTH das deutsche Pendant KANONENFIEBER an Bord genommen – und zwischen all den Bombast mit INSOMNIUM eine stabile Größe des finnischen Melodic Death Metal gesetzt.

In Innsbruck macht der Tourtross im Congress halt – mit dem unvermeidlichen, sterilen Messe-Flair in den Vorräumen, aber auch toller Atmosphäre im Konzertsaal: Der Saal Dogana mit seinen seitlichen, stimmungsvoll ausgeleuchteten Bögen und der hohen Decke macht schon für sich genommen einiges her.

KANONENFIEBER 2024 in InnsbruckDass am Kopfende der Halle für KANONENFIEBER bereits ein halbes Schlachtfeld aufgebaut ist, steigert die Spannung. Die wird zu „Kriegsbeginn“ um 19:00 Uhr leider direkt durch den Sound zunichtegemacht, da fast ausschließlich die Schlagzeugsalven von Drummer Hans sowie der Gesang von Fronter Noise zu hören sind. In der Folge ist die Darbietung – rein musikalisch betrachtet – ziemlich stumpf. Doch bekanntlich ziehen KANONENFIEBER ihre Stärke eh nicht aus dem Facettenreichtum, sondern der Wucht ihrer Songs und der imposanten Inszenierung. Beides greift auch heute Hand in Hand: Zwischen Sandsäcken, Stacheldraht und dem riesigen Hindenburg-Backdrop kämpfen KANONENFIEBER eine dreckige Schlacht. Feuersäulen steigen auf, die Musiker, als Matrosen, mit den zwei „U-Bootsmann“-Songs in blaugrüne Tiefen ab – und um dem Feind ein für allemal den Garaus zu machen, greift Noise dann auch noch zum Flammenwerfer. Die kraftvollen „Ahoi“-Rufe („Die Havarie“) wie auch die imposante Wall Of Death beim finalen „Yankee Division“ sprechen für sich: KANONENFIEBER treffen mit ihrer Show ins Schwarze.

  1. Grossmachtfantasie
  2. Menschenmühle
  3. Dicke Bertha
  4. Kampf Und Sturm
  5. Die Havarie
  6. The Yankee Division March

Während der Sound bei INSOMNIUM von Anbeginn an deutlich besser ist, haben die Finnen mit anderen Herausforderungen zu kämpfen. Ganz banal wäre da zunächst die Beleuchtung: Wohl versehentlich bleiben Bühne und erste Reihen die gesamte Show über von acht grellweißen Strahlern taghell erleuchtet – der düsteren Stimmung der melancholischen Musik kommt das nicht eben zugute. Leider wirkt aber auch die Performance der Finnen etwas lahm. Das liegt natürlich nicht zuletzt daran, dass INSOMNIUM die einzige Band im Billing sind, die sich showmäßig darauf beschränken, ihre Songs zu spielen. Enttäuschenderweise gehen die Finnen die Sache aber auch arg routiniert an: Die Ansagen von Fronter Niilo Sevänen etwa („Bitteschön, danke schön, wunderschön“) kann jeder, der die Band auch nur einmal gesehen hat, mitsprechen. Und dann wären da noch die Songs: Dass ein 45-Minuten-Set keine Zeit für Überraschungen lässt, ist klar. Mit fünf Songs von den letzten beiden Alben – darunter das fast neunminütige „Pale Morning Star“ – bleibt für Klassiker fast keine Zeit: Am Ende bleibt es an „While We Sleep“ („Shadows Of The Dying Sun“) und „Unsung“ („One For Sorrow“), das tendenziell stärkere Frühwerk der Band zu repräsentieren.

  1. 1696
  2. Valediction
  3. White Christ
  4. Pale Morning Star
  5. Lilian
  6. Unsung
  7. While We Sleep

Dass nun ein Vorhang vor die Bühne gezogen wird, verwundert nicht weiter – haben AMON AMARTH doch bekanntermaßen viel Brimborium aufzubauen. Allerdings geht es wohl eher um den Effekt zu Showbeginn, denn um „Geheimhaltung“ … kennt man sämtliche Utensilien und Effekte, die AMON AMARTH heute mitgebracht haben (und damit einen Großteil der dazugehörigen Songs), doch bereits von den vergangenen Touren: Den Bühnenhintergrund zieren der Reihe nach zwei Wikingerstatuen, zwei Drachenboote und ein Drache, zwischen den Musikern treiben Statisten als Loki („Deciever Of The Gods“) und Wikinger ihr Unwesen, dazwischen reckt Hegg mal sein gigantisches Trinkhorn, mal den mächtigen Mjölnir, mit dem er schlussendlich den erwähnten Drachen tötet („Twilight Of The Thundergod“).

Trotzdem gelingt AMON AMARTH eine beeindruckende Show. Das liegt nicht zuletzt am massiven Einsatz von Pyrotechnik: Mit beachtlichen Flammenbällen, die in rascher Abfolge aus den Düsen schießen, heizen AMON AMARTH den Fans in den ersten Reihen gewaltig ein. Vor allem aber schafft es Johann Hegg, mit seiner guten Laune für beste Stimmung zu sorgen: Während seine Mitstreiter eher an redliche Handwerker erinnern, die gewissenhaft, aber eben auch völlig routiniert performen, wirkt Hegg von seinem Job und der Gesamtsituation nach wie vor kindlich begeistert: So zieht der längst ergraute Nordmann Grimassen, bedankt sich strahlend beim Publikum und freut sich sichtlich über die Möglichkeit, den Fans (rudimentäre) Kenntnisse in Sachen nordischer Mythologie vermitteln zu können. Gemeinsam mit ein paar tatsächlich länger nicht gehörten Songs („As Loke Falls“, „Under The Northern Star“ und „Tattered Banners And Bloody Flags“) reicht das, um rund 90 Minuten lang für beste Stimmung zu sorgen.

  1. Raven’s Flight
  2. Guardians Of Asgaard
  3. The Pursuit Of Vikings
  4. Deceiver Of The Gods
  5. As Loke Falls
  6. Tattered Banners And Bloody Flags
  7. Heidrun
  8. War Of The Gods
  9. Put Your Back Into The Oar
  10. The Way Of Vikings
  11. Under The Northern Star
  12. First Kill
  13. Shield Wall
  14. Raise Your Horns
  15. Crack The Sky
  16. Twilight Of The Thunder God

Wer AMON AMARTH in den letzten Jahren bereits live gesehen hat, weiß leider schon ziemlich genau, was ihn bei dieser Tour erwartet – sowohl in Sachen Setlist, als auch hinsichtlich der Showelemente. Zumindest letzteres ist insofern nachvollziehbar, als all diese Gimmicks viel Geld kosten, zeigt aber zugleich, wo das Problem derartiger Inszenierungen liegt: Wer damit anfängt, muss auch weitermachen, um nicht das ewig gleiche Theaterstück aufzuführen. Rein von der Performance, dem Sound und auch der (vielfach erprobten) Songauswahl her wissen AMON AMARTH jedoch auch heute zu überzeugen. Außerdem: Feuer! Dass KANONENFIEBER dagegen mit trotz widriger Umstände als Opener nicht abschmieren, verdient Respekt. Die Opfer der Inszenierungswut sind einzig INSOMNIUM, die in diesem Kontext einfach zu brav und, leider, langweilig rüberkommen.

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