Konzertbericht: Amenra w/ Hazarder, Livia Sura

02.05.2013 München, Feierwerk (Kranhalle)


Die Münchener Metalheads können sich wahrlich nicht über mangelnde Konzertmöglichkeiten beschweren. Doch heute kommt es für alle Doomster besonders dick: Im Backstage spielt mit Orchid eines der heißesten Newcomereisen und im Hansa 39 sind die Tausendsassa Melvins zu Gast. Wir von Metal1 treiben uns ebenfalls im Feierwerk herum. Obwohl die Entscheidung nicht leicht fällt, jedoch ein Zimmer weiter in der Kranhalle, wo sich mit AMENRA absolute Meister negativer, düsterer und lebensverneinender Musik die Ehre geben. Manche sehen in den Belgiern wegen ihrer intensiven Liveshows und der pechschwarzen „Mass“-Reihe schon die neuen Neurosis – ohne Zweifel eine der Haupteinflüsse auf AMENRA. Die Band hat auf ihrer aktuellen Europatour mit HAZARDER und LIVIA SURA zwei unbekannte osteuropäische Combos aus dem Church-Of-Ra-Umfeld im Gepäck.
[Michael H.]

Nachdem die MVG sich einmal mehr durch eine nicht weiter begründete Verspätung auszeichnen konnte, betreten wir die gut gefüllte Kranhalle erst zur Mitte des Sets der kroatischen Rockband HAZARDER. Die Anzahl der Zuschauer überrascht besonders hinsichtlich der Tatsache, dass im direkt gegenüberliegenden Hansa 39 heute niemand Geringeres als die Melvins auftreten. Während es ein paar Meter entfernt an musikalischen Experimenten also wohl nicht mangelt, bieten die drei Kroaten von HAZARDER in der in rotes Licht getauchten Kranhalle eine relativ unspektakuläre Mischung aus Stoner Rock und Doom, die vor allem in Erinnerung bleibt, da die bewegungslos auf der Bühne verharrende Bassistin ihr Handwerk leider nicht wirklich beherrscht und Sänger und Gitarrist Radivojewitch, mit einer interessanten Vokuhila-Haarpracht aufwartend, das gesamte Konzert über mit nach oben geneigten Kopf in einer Lemmy-Gedächtnishaltung am Mikrophon verbringt. Dennoch fällt der Applaus in der Kranhalle relativ groß aus.

Nach einer Umbaupause, die nicht einmal zehn Minuten in Anspruch nimmt, betreten die Rumänen LIVIA SURA die Bühne, die gemeinsam mit Hazarder kürzlich eine Split-7“ veröffentlicht haben. Die Bandkonstellation fällt hier etwas anders aus, da auf einen Bass verzichtet wird – der Frauenanteil am heutigen Abend wird durch Sängerin Nu allerdings beibehalten. Musikalisch bieten die drei Musiker eine wilde Mischung aus Crust, Black Metal und Punk, welche von rumänischen Texten untermalt wird und trotz dem Verzicht auf den Viersaiter relativ fett aus den Boxen schallt. Die nahezu schüchternen Ansagen von Gitarrist und Sänger Adi lassen vermuten, dass hier inhaltlich eher schwere Kost dargeboten wird – im vollkommenen Widerspruch dazu grinst Sängerin Nu unentwegt und tänzelt regelrecht über die Bühne. Ihr heißeres Organ ist dabei leider zu laut abgemischt, verleiht der Musik aber einen dreckigen Charme, der den ganzen Auftritt über anhält. Insgesamt ist das heutige Vorprogramm eher als Skurrilitätenkabinett als wirklich musikalisch hochwertig zu bewerten, dennoch wussten LIVIA SURA in ihrer musikalischen Naivität durchaus zu gefallen.
[Bernhard Landkammer]


Kurz bevor AMENRA auf die Bühne steigen, bleiben in der Kranhalle nur noch wenige Plätze frei. Düster ist nicht nur die Musik der Belgier, sondern auch das Bühnenbild. Nur sehr wenig bis gar kein Licht trifft die fünf Protagonisten, die sich zu hundert Prozent auf ihr Handwerk konzentrieren. Interaktion mit dem Publikum ist praktisch nicht vorhanden.
Wellen rauschen und Weihrauchdampf zieht sich durch die Halle, kurz bevor AMENRA mit ihrem brachialen Gitarrensound die Menge überrollen. Unterstützt wird die finstere Atmosphäre von tristen, gänzlich in Grau gehaltene Visuals. Aus dem Donnergrollen in Form von wütenden Gitarrenriffs entsteht Soundwand gefolgt von Soundwand, zwischen denen kein Funke Hoffnung mehr Platz hat. Monotone, sich immer wiederholende Passagen erzeugen eine Abwärtsspirale, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Wer einmal diese Naturgewalt live gesehen, kann nachvollziehen, wie die Musik von AMENRA wirkt. Die Songs brodeln lange vor sich hin, um irgendwann in einem Wirbelsturm zu enden. Sänger Colin H. Van Eeckhout schreit sich dabei die Seele aus dem Leib, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Nach vorn gebeugt mit Rücken zum Publikum scheint er in seiner eigenen Welt zu sein, voller Wut und Hass – gehüllt in gespenstisch grauen Nebel. Zwischen den Songs gibt es kurzen Applaus gefolgt von absoluter Stille. Kein Mucks aus der Menge. Drummer Bjorn J. Lebon nimmt zwei Eisenrohre und schlägt sie immer wieder klirrend aneinander, bis seine Kollegen, die mit gesenkten Köpfen bewegungslos dastehen, förmlich explodieren und das nächste Feuerwerk zünden. Die Jungs wirken richtig verschworen, obwohl sie sich kaum von der Stelle bewegen.
Eine ertrunkene Frau, Bilder von alten Ruinen, Hoffnungslosigkeit. Das Kopfkino findet auch auf der Leinwand hinter der Band statt – dennoch stehen viele im Publikum immer wieder mit geschlossenen Augen da. Während dem großartigen „Nowena | 9.10“, reißt sich Sänger Colin H. Van Eeckhout das Shirt vom Leib. Auch wenn dessen Gesang ganz am Anfang einen Tick zu leise war, besserte sich dies im Laufe des Auftritts. Die Show endet mit „Silver Needle. Golden Nail“ in gleißendem Stroboskop-Blitzlicht und lässt einen staunend zurück.
Vorbei. Kein Zeitgefühl mehr dafür, wie viele Minuten vergangen sind. Die Songs zogen alles in ihren Mahlstrom monumentaler, monotoner Sludgeriffs – geschwängert mit unbändigem Hass. Wow.

FAZIT: Während die Vorbands eher merkwürdig waren, lassen AMENRA keine Fragen offen. Jeder, der die Möglichkeit bekommt, dieses Phänomen live zu sehen, sollte sie nutzen. Dazu hatten sie mit der Kranhalle die perfekte Location. Der Sound hier drin ist wirklich fast immer auf höchstem Niveau. So stand den Belgiern nichts mehr im Weg, ihre Wirkung voll zu entfalten. Klasse Band, starker Auftritt, mächtiger Sound. Und das alles fürs kleine Geld. Das nächste Mal definitiv wieder mit uns!

Publiziert am von und Michael

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