Vor einigen Jahren war es noch eine Seltenheit AGALLOCH auf unseren Bühnen zu sehen. Nun haben sie nur knapp zwölf Monate nach ihrer letzten Europatour wieder den Atlantik überquert, um live vor ihren Fans zu spielen. Die Anhänger kommen von jung bis alt aus allen metallischen Lagern, meistens aber aus dem Black-Metal-Umfeld. Hier ist jeder dabei, um sich der Atmosphäre AGALLOCHs hinzugeben. Irgendwo zwischen atmosphärischen Black Metal, Folk und Doom entfalten sich die Songs der Amis. Die Londoner Post/Black Metal-Band FEN, die bei Metal1 dieses Jahr den Album-Des-Monats-Titel abräumen konnte, soll als Vorband dafür sorgen, dass das Kopfkino schon mal warmläuft.
Die Aufgabe, den Abend zu eröffnen, liegt eigentlich bei der lokalen Band ABANDONED DREAMS. Weil aber die Zeitangaben im Internet und die tatsächlichen Spielzeiten knapp vierzig Minuten auseinanderliegen, verpassen wir die Münchner Truppe leider komplett.
Als FEN auf die Bühne steigen, hofft jeder, die Band schafft es, die Atmosphäre vom Album auch live zu entfalten. Was die nächste drei viertel Stunde folgt, ist leider nichts anderes als ein absoluter Reinfall. Allen voran der Sound hinterlässt mehr Fragen als Antworten. Bassist Grungyn spielt keine Melodien oder sonstige Töne, sondern brummt in unterschiedlicher Intensität so laut, dass nur absolute FEN-Experten vereinzelt Riffs erraten können. Dazu eine lächerlich laute Bassdrum, die den ganzen Sound-Matsch noch schlimmer macht. Selbst die leisen und verträumten, an Alcest erinnernden Parts werden vom getriggerten Schlagzeug mit voller Wucht maßlos übertönt. So eine Anti-Dynamik erstickt jede Atmosphäre bereits im Aufkeimen. Mit fortlaufender Spieldauer bessert sich das Ganze zwar ein wenig, retten kann die Band dabei aber noch kaum etwas.
Mag die Mischung aus atmosphärischem Black Metal und Post Rock von FEN auf Konserve vielleicht funktionieren, live ist das einfach gar nichts. Der miese Sound lässt keine träumerische Stimmung aufkommen, für Black Metal ist das viel zu brav und mutlos und Post Rock braucht mehr Kreativität und Ideen. Mit dem letzen Song, „The Gales Scream of Loss“, aus der ganz frühen Phase der Band hat das Trauerspiel endlich sein Ende.
Setlist Fen:
01. Hands Of Dust
02. As Buried Spirits Stir
03. Ghosts Of The Flood
04. Consequence
05. Exiles Journey
06. The Gales Scream Of Loss
Zum Glück wird danach alles besser. AGALLOCH lassen sich viel Zeit, bevor sie sich nacheinander Richtung Bühne bewegen. Der Soundtechnik ist im Vergleich zu Fen ein Quantensprung gelungen. Zwar geht im ersten Song zunächst die Gitarre etwas unter, insgesamt schallt es zum Wohle alle aber mit viel mehr Druck aus den Boxen. Auch auf spielerischer Ebene zeigen die Amis von ihren verschiedensten Seiten: Das Wechselspiel zwischen dem typischen US-Black-Metal und den melancholischen Folk Passagen funktioniert prächtig. Neu ist, dass die Band die Noise- und Drone-Elemente von „Ashes Against The Grain“ auch live interpretiert. Dass vom 2010er Werk „Marrow Of The Spirit“ mit „Ghost Of The Midwinter Fires“ nur ein Song in der Setlist steht, ist mehr als schade. Denn gerade dieser Song stellt das Highlight der ganzen 120 Minuten dar. Bei der langen Spielzeit widmen sich AGALLOCH sogar der zwanzig minütigen Ein-Track-EP „Faustian Echoes“ – weshalb wir uns, laut Sänger John Haughm, glücklich schätzen sollen. Sie wollen den Song nach der Tour nie wieder spielen.
John Haughm keift zunächst nur bösartig in sein Mikro und lässt mit klarem Gesang lange auf sich warten. Als es dann aber dazu kommt, sind Gänsehautmomente Dauerzustand. Sei es beim überlangen und vielleicht besten Song der Band „In The Shadow Of Our Pale Companion“ oder dem genialen Sol-Invictus-Cover „Kneel To The Cross“. Die Meister der Melancholie bringen den Zauber der Alben auch auf der Bühne voll zur Geltung. Gänsehautmomente. Das richtige Feuerwerk zünden die schlicht gekleideten Männer aus Portland, Oregon, aber erst nachdem sie den Zugabebitten folgen und nach kurzer Verschnaufpause wieder zurückkommen. Das Ende des „Ashes Against The Grain“-Albums, der zum Teil undurchschaubare Geräuschcocktail, wird mit ohrenbetäubender Lautstärke und in perversen Tonfrequenzen bis zur Schmerzgrenze zelebriert. Wie in Ekstase malträtieren sie ihre Gitarren, um mit einem Schlag zur Stille überzugehen und ohne Worte die Bühne verlassen.
Setlist Agalloch:
01. Limbs
02. Ghosts of the Midwinter Fires
03. Falling Snow
04. Faustian Echoes
05. The Melancholy Spirit
06. You Were But a Ghost in My Arms
07. In the Shadow of Our Pale Companion
08. Kneel to the Cross (Sol Invictus Cover)
09. Our Fortress Is Burning… I
10. Our Fortress Is Burning… II: Bloodbirds
11. Our Fortress is Burning… III: The Grain
Fazit: Während die Vorband FEN ein Totalausfall war, machten AGALLOCH alles richtig. Die lange Spieldauer von zwei Stunden nutzte die Band sehr klug. Erstens kamen auch die frühen Werke zur Geltung, zweitens schöpften AGALLOCH auch all ihre stilistischen und emotionalen Facetten aus. Dazu kommt noch das absolut unerwartete Finale, mit dem die Truppe den Auftritt beendete. Das schwirrte wohl noch so manchen Konzertbesucher den Abend über im Kopf herum. Ein voller Erfolg also.