Konzertbericht: AC/DC w/ The Pretty Reckless

12.06.2024 München, Olympiastadion

 

Neun Jahre nach ihrem letzten Gastspiel kehren AC/DC 2024 erneut für zwei Shows in das altehrwürdige Münchener Olympiastadion zurück. Mit dabei haben sie neben vielen, wenn nicht allen Klassikern auch ihr letztes Studiowerk „Power Up“, nach dem die „PWR UP“-Tour leicht abgewandelt benannt ist – vier Jahre nach dessen Veröffentlichung. So richtig wichtig ist das allerdings nicht, denn der Erfolg von AC/DC begründet sich weniger in Variabilität, sondern in einer beeindruckenden Form von Konsequenz.

Mit THE PRETTY RECKLESS haben sich AC/DC auf dieser Tour namhafteren Support gesucht als in der Vergangenheit. Und die Combo rund um Frontfrau Taylor Momsen macht einen guten Job: Mit 55 Minuten bekommen die US-Amerikaner auch ordentlich Zeit, um ihren Alternative Rock in seiner gesamten Bandbreite zu präsentieren, wenngleich diese ähnlich wie beim späteren Haupt-Act übersichtlich ausfällt. Mit „Loud Love“ mischt sich in die Songauswahl auch ein Soundgarden-Cover, ohne dass die Band groß darauf eingeht. In Sachen Eingängigkeit überzeugt besonders „Make Me Wanna Die“ in der zweiten Hälfte. Angenehmerweise ist der Sound bereits jetzt ordentlich, sowohl qualitativ als auch von der Lautstärke. Lediglich der Steg, der von der Bühne in die ersten Reihen reicht, scheint für den Support tabu zu sein. Am Ende ernten THE PRETTY RECKLESS ordentliche Reaktionen und verabschieden sich sichtlich gut gelaunt.

Hinter AC/DC liegen seit ihrer letzten München-Show (wieder einmal) bewegte Zeiten: Angus Young verlor direkt zwei Brüder, bei Brian Johnson war lange Zeit unklar, ob er weiter als Sänger agieren kann, und bei Cliff Williams war lange Zeit unklar, ob er weiter als Bassist fungieren will. Letztlich entschied er sich nach einem kurzen Comeback doch für den Ruhestand. Seinen Platz nimmt schlussendlich Chris Chaney ein, der zusammen mit Matt Laug am Schlagzeug die Band komplettiert. Ähnlich wie Stevie Young an der Rhythmusgitarre sind die beiden neuesten Mitglieder allerdings mehr schmuckes Beiwerk, wenngleich mitentscheidend für den satten Klang: Im Zentrum der Performance stehen eindeutig Brian Johnson und besonders Angus Young, die auch die einzigen beiden Bandmitglieder sind, die man auf den Leinwänden sieht. Ihr Alter merkt man den beiden Legenden in den über zwei Stunden durchaus an dem agilen Young in seiner Schuluniform allerdings weniger deutlich als Johnson, der ab und an aus der Puste wirkt. Mit „Back In Black“ gibt es den ersten Klassiker bereits an zweiter Stelle zu hören und die Menge ist sofort da, „Thunderstruck“ und „Hells Bells“ folgen nur wenig später. Die Inszenierung mit der sich über der Bühne senkenden Glocke leidet etwas unter dem Tageslicht und auch gesanglich hat Johnson an diesem Abend bessere Momente als in diesem Song, beispielsweise wenig später bei „Stiff Upper Lip“.

Wie wichtig die neueste Platte und allgemein die letzten Veröffentlichungen für AC/DC sind, macht die Songauswahl offenkundig: Mit „Demon Fire“ und „Shot In The Dark“ schaffen es ganze zwei Songs von „Power Up“ in die aktuelle Setliste. Unterboten wird dies noch vom Vorgänger „Rock Or Bust“, der anno 2024 keinerlei Rolle spielt. Für dieses Material sind allerdings auch die Allerwenigsten, wenn überhaupt irgendjemand in das Olympiastadion gekommen, sodass unter anderem die bekannten „Rock ’n’ Roll Train“ oder „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ ihren Zweck wunderbar erfüllen. Mit beeindruckender Konsequenz rocken sich die Altmeister durch ihr Set, ohne auf Quotenballaden oder andere Unterbrechungen zurückzugreifen. Das gilt leider auch für Ansagen oder andere Formen der Interaktion, was das Konzerterlebnis durchaus schmälert. Gefühlt gibt es nur eine Marschrichtung: nach jedem einzelnen Song eine kurze Pause, dann immer ordentlich drauf und wieder von vorne. Der klassische Stadion-Rock scheint in dieser Form, ohne „volkstümliche Elemente“ eines gewissen Österreichers, heutzutage vom Aussterben bedroht zu sein, umso beeindruckender ist es, wie gut er an diesem Mittwochabend in München funktioniert. Dass der Sound insgesamt besser sein könnte, ist mehr eine Randnotiz. Wer AC/DC wollte, bekam AC/DC über zwei Stunden lang. Inklusive des zu erwartenden Hitfeuerwerks am Ende.

Über „You Shook Me All Night Long“ oder „Highway To Hell“ muss man ebenso wenige Worte verlieren wie über die blinkenden Teufelshörner in der Menge, beides gehört dazu. Bei „Whole Lotta Rosie“ fehlt dieses Mal die aufblasbare Puppe, dafür dreht Angus Young am Ende von „Let There Be Rock“ annähernd 20 (!) Minuten lang richtig auf: Mit einem beeindruckend starken Solo beendet er das reguläre Set, duckwalkt über die komplette Stage, geht dabei auf Tuchfühlung mit der Menge und badet liegend auf einem Podest im Konfettiregen. Hier gelingt den Altmeistern gefühlt für alle Fans ein besonderer Moment. Nach „T.N.T.“ läutet „For Those About To Rock (We Salute You)“ schließlich erwartungsgemäß die finalen Akkorde ein; die Kanonen werden aufgefahren und mehrfach gezündet. Abgerundert durch ein Feuerwerk knallt es am Ende noch einmal richtig, dieses Mal allerdings nicht primär musikalisch.

    1. Power Up
    2. If You Want Blood (You’ve Got It)
    3. Back in Black
    4. Demon Fire
    5. Shot Down in Flames
    6. Thunderstruck
    7. Have a Drink on Me
    8. Hells Bells
    9. Shot in the Dark
    10. Stiff Upper Lip
    11. Shoot to Thrill
    12. Sin City
    13. Rock ’n‘ Roll Train
    14. Dirty Deeds Done Dirt Cheap
    15. High Voltage
    16. Riff Raff
    17. You Shook Me All Night Long
    18. Highway to Hell
    19. Whole Lotta Rosie
    20. Let There Be Rock
    21. T.N.T.
    22. For Those About to Rock (We Salute You)

Natürlich sind Johnson und Young nicht mehr die Jüngsten. Und vielleicht sollten sie auch in weiteren neun Jahren keine Shows mehr spielen. Doch für das, was realistischerweise unter dem Banner AC/DC noch möglich ist, haben die beiden Altmeister zusammen mit ihren sehr fähigen Mitstreitern im Hintergrund einiges herausgeholt. Dass das nicht mehr das Level der früheren Jahre ist, sollte selbstverständlich sein. Wer diesen Maßstab anlegt, der genießt AC/DC vermutlich lieber auf Vinyl in den eigenen vier Wänden und nicht mehr live.

 

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert