Interview mit Sascha Latman von Winterhorde

Metalbands aus Israel gibt es wahrlich nicht häufig. WINTERHORDE jedoch sichern sich ihren Exotenstatus nicht nur durch ihre Herkunft, sondern vor allem durch ihre vielseitige Musik. In diesem Interview klärt Sascha Latman, Bassist, Songwriter und Texteschreiber der Band, unter anderem die Fragen, worum es in ihrem neuen Konzeptalbum „Maestro“ geht, mit welchen Problemen eine Metalband aus Israel beim Touren zu kämpfen hat und warum ein Song manchmal einfach einen Walzer verlangt.


Ich vermute, die meisten unserer Leser kennen euch noch nicht. Wie würdet ihr diesen Leuten eure Musik oder eure Idee dahinter beschreiben? Warum habt ihr für eure Band den Namen WINTERHORDE gewählt?
Wir sind eine Extreme-Metal-Band aus Israel. Uns gibt es seit 2001 und wir haben inzwischen drei Studioalben. Unsere Alben sind Konzeptalben, aber die Handlungen werden von mir geschrieben. Es ist also alles original. Wir kombinieren mehr als ein Genre in unserer Musik, deswegen fällt es vielen Hörern schwer, unsere Musik unter einem bestimmten Begriff einzuordnen. Aber wir sind ja nicht hier, damit wir uns einordnen, sondern für die Musik, die direkt aus unseren Herzen kommt. Was den Bandnamen angeht, der kam irgendwie automatisch, nachdem wir uns von Autumn Palace umbenannt haben. Wir wollten einfach härtere Musik spielen und der vorherige Name passte nicht mehr zu unseren Visionen. Darüber hinaus mögen wir den Winter und wollten, dass unsere Musik genau so klingt – rau, aber wunderschön.

Ihr habt im Mai euer drittes Album „Maestro“ veröffentlicht. Seid ihr persönlich zufrieden mit der Veröffentlichung und den Rückmeldungen, die ihr bekommen habt und ist solches Feedback, auch negatives, wichtig für euch?
Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich persönlich höre es immer noch gern, dennoch ist es sehr schwierig seine eigene Musik anzuhören, nachdem man nach so langer Zeit endlich damit fertig ist an ihr zu arbeiten. Die Rückmeldungen seitens der Fans und der Presse waren sehr positiv. Viele großartige Reviews, viel besser als wir dachten. Negatives Feedback ist sehr wichtig für uns. Wenn es richtig geschrieben ist und du von diesem Feedback etwas lernen kannst, kannst du nur gewinnen. Aber im Falle dieses Albums habe ich bisher kein normales negatives Feedback erhalten. Leute haben nur dummes Zeug geschrieben, ohne ihre Hausaufgaben richtig gemacht zu haben. Das ist einfach unprofessionell. Manchmal können Leute einfach nicht zwischen ihrem eigenen Musikgeschmack und Kritik unterscheiden. Aber trotzdem, es gab nicht wirklich viel negatives Feedback für „Maestro“, also ist das die Aufmerksamkeit nicht wert.

Warum habt ihr euch für den Titel „Maestro“ entschieden? Könntest du kurz erklären, wovon der Titel und die Texte des Albums handeln?
Es ist eine Geschichte über einen geistig kranken Geiger, der der Welt beweisen wollte, dass er ein Genie ist, aber in der Realität war genau das Gegenteil der Fall. Letztlich helfen ihm seine „inneren Stimmen“, dieses Ziel zu erreichen. Das ist soweit alles, was ich darüber erzählen kann. Ich will die Geschichte nicht für diejenigen ruinieren, die das Album noch nicht zusammen mit den Texten gehört haben. Viele Leute schrieben uns ihre eigenen Interpretationen der Geschichte unseres Vorgängeralbums „Underwatermoon“. Ich kann es kaum erwarten, zu hören, was sie jetzt zu sagen haben. Das ist die größte Befriedigung für mich als Texter und Komponist: Über die Musik mit unseren Fans zu diskutieren. Das ist unbezahlbar.

Was würdest du sagen sind die größten Unterschiede zwischen „Maestro“ und euren vorherigen Veröffentlichungen?
Zunächst mal sind nur noch zwei Mitglieder von der vorherigen Aufnahmebesetzung übrig. Auf „Maestro“ haben wir fünf neue Musiker, die ihren Teil zum Sound des Albums beigetragen haben. Im Grunde bedeutet schon diese Tatsache eine große Veränderung gegenüber den Vorgängern. Wir haben jetzt zwei Sänger, einen Clean-Sänger und einen für gutturalen Gesang. Die beiden ergänzen sich perfekt und bieten uns für das musikalische Schaffen mehr Möglichkeiten. Wir haben viel mehr Clean-Gesangsparts als auf den Vorgängeralben. In Bezug auf die Musik sind noch immer die gleichen Komponisten in der Band, die auch alle vorherigen Alben geschrieben haben, deshalb ist die typische WINTERHORDE-Stimmung immer noch vorhanden. Wir sind nur als Komponisten sehr gewachsen seit der letzten Scheibe, vielleicht dank des negativen Feedbacks bei den Vorgängeralben? (lacht)
Jedenfalls bleiben wir nie stehen. Wir versuchen unsere Musik weiterzuentwickeln, sie so zu schreiben, dass sie zu unserem eigenen Musikgeschmack passt und sie relevant zu halten. Wir tun es für die Musik selbst, denn diese Musik wird immer mit uns verbunden bleiben. Wir haben nicht die Absicht, alle zwei Jahre das gleiche Album zu veröffentlichen. Wir brauchen das nicht. Ich hoffe unsere Fans auch nicht.

Das Album klingt sehr vielseitig und enthält viele verschiedene Elemente. „Dancing In Flames“ zum Beispiel beginnt mit einem Walzer. Wie wichtig sind euch musikalische Vielfalt und Einzigartigkeit?
Ehrlich gesagt sind uns Genres oder verschiedene Elemente, die wir in unsere Musik packen, egal. Wir wollen einfach, dass es gut klingt. Wenn der Song einen Walzer verlangt, dann bekommt er ihn auch. Die einzige Bedingung ist, es muss verdammt gut in Kombination mit dem Rest des Songs passen. Wir arbeiten sehr viel an der Komposition eines Songs. Die Struktur ist sehr wichtig bei unserer Musik. Die richtige Struktur gibt der Musik ihre Dynamik und das haucht dem Song erst Leben ein. So sehen wir unsere Musik. Wir haben ein Bild im Kopf und wir versuchen dieses dann mit unserer Musik so gut wir es können umzusetzen. Manchmal verlangt das dann eben zu ganz entfernten Ecken unserer Musikwelt gehen.

Die Songs enthalten mehrere zusätzliche Instrumente wie Streicher, Blechbläser, Saxophon oder Chöre. Die klingen alle sehr realistisch. Sind das Samples oder habt ihr dafür Gastmusiker beauftragt?
Die meisten der Instrumente sind echt. Echte Streicher, eingespielt von Yulia Stoller, der Frau unseres Gitarristen, die ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Ich habe das Saxophon eingespielt, die Chöre sind real, eingesungen von unseren Sängern und unserer Freundin Noa Gruman, die für den großartigen weiblichen Gesang auf dem Album verantwortlich ist. Nur die Blechbläser sind Samples, nachdem wir zu unserem Zeitplan passend einfach keine Musiker finden konnten, aber unser Keyboarder Alex Feldman hat sie sehr natürlich hinbekommen, deswegen haben wir uns entschieden, nicht zu viel Zeit deswegen zu verlieren, wenn wir eh schon einen guten Klang haben.

Warum habt ihr euch dazu entschlossen, diese Instrumente einzubauen?
Diese Instrumente hatten wir im Kopf, als wir die Songs zusammen geschrieben haben, also erschien es mehr als natürlich, sie auf dem Album miteinzubinden. Darüber hinaus konnten wir die besten Musiker bekommen, um das so perfekt umzusetzen, wie wir das wollten, also kam alles so zusammen. Ich bin sehr stolz auf diese Aufnahmen. Es hat so viel Spaß gemacht.

Die Stücke auf dem Album sind ziemlich komplexe Arrangements. Schreibt ihr sie zusammen im Proberaum oder gibt es eine Person, die im Grunde alles alleine zu Hause schreibt?
Normalerweise schreiben wir die meiste Musik zu Hause. Wenn der Song so zu etwa 80% fertig ist, schickt der jeweilige Komponist ihn an den Rest und wenn es dann ein paar Ideen gibt, treffen wir uns im Proberaum und schreiben den Song zusammen fertig. Ich denke es ist sehr wichtig dem Komponisten die vollständige Möglichkeit zu geben, sich auszudrücken, bevor die Band übernimmt. Es ist wichtig die ursprüngliche Flamme des Songs am Leben zu erhalten. Aber es gab auch Songs, die wir komplett im Proberaum geschrieben haben und die klingen trotzdem, als hätte sie eine Person alleine geschrieben. Die Distanz zwischen den einzelnen Musikern und die fehlende Zeit zwingt uns allerdings dazu, mehr daheim zu schreiben. Aber das ist keine schlechte Sache und „Maestro“ ist ein guter Beweis dafür.

Kannst du uns ein paar deiner wichtigsten musikalischen Einflüsse nennen? Welche Musik hörst du abgesehen von Metal?
Was Metal angeht würde ich da Emperor, Mercyful Fate und Iron Maiden als Haupteinflüsse nennen. Ich mag auch die Atmosphäre von Old School Death Metal, aber nichts schlägt die gute, alte Melodie. Abgesehen von Metal bin ich auch ein großer Fan von klassischen und progressiven Rockbands wie Queen, Rainbow, Pink Floyd und vielen mehr, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich mag auch Filmmusik, vor allem französische und russische, weil die immer absolut herausragende Melodien und Arrangements haben. Aber meine Leidenschaft ist es, neue Musik zu entdecken. Ich muss immer auf dem neuesten Stand bleiben, was in der Musikwelt da draußen jeden Tag so passiert. Im Zeitalter des Internets ist das sehr einfach, obwohl es dadurch auch schwerer wird, wirklich gutes Zeug zu finden.

Plant ihr eine Tour, vielleicht sogar in Europa?
Ja, wir planen nach Europa zu kommen. Unser Management arbeitet daran, aber bisher ist leider noch nichts bestätigt. Es wäre sehr cool, unser neues Material live zu spielen.

Kulturell ist Israel dafür bekannt recht unbeschränkt zu sein im Vergleich zu den umgebenden Ländern. Wie aufgeschlossen sind die Leute, wenn es um Metal geht, gibt es da eine richtige Szene? Habt ihr jemals negative Erfahrungen gemacht, Zurückweisung erhalten oder sogar konkrete Probleme bekommen?
Wir hatten nie irgendwelche Probleme mit unserer Musik in Israel. Wir haben keine große, aber dafür enthusiastische Metalszene. Es gibt hier Shows, sogar ein paar kleine Festivals. Viele Metaller fliegen für die großen Metalfestivals nach Europa und bringen diese Kultur nach Israel. Wir haben ein paar weltbekannte Bands wie Orphaned Land. Die Leute hier sind sehr aufgeschlossen. Es gibt viele verschiedene Kulturen in Israel und die Leute versuchen in Frieden zu leben, trotz all dem Mist, der im Fernsehen gezeigt wird. Ich hoffe, eines Tages können wir auch in den Nachbarländern touren, aber dort scheint sich die Situation leider nicht zu ändern. Das einzige Problem ist die geographische Isolation. Um in anderen Ländern spielen zu können, müssen wir fliegen. Wir können uns nicht einfach in den Van setzen und für eine Tour durch ein paar Länder fahren, so wie in Europa.

Ich würde das Interview gerne mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden: Ich gebe dir ein paar Stichworte und du schreibst einfach das erste, was dir dazu einfällt.
Orphaned Land oder Melechesh: Orphaned Land
Religion: Nein, danke.
Lieblingsalbum: „Seventh Son Of A Seventh Son“ von Iron Maiden
Winter: Kindheit
Lieblingsfilm: Rockstar

Danke für deine Zeit. Irgendwelche letzten Worte an unsere Leser?
Vielen Dank, dass ich hier erzählen darf. Ich hoffe wir treffen uns eines Tages auf Tour. Passt auf euch auf und hört gute Musik. Peace!

Publiziert am von Simon Bodesheim

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