Interview mit Niklas Agalstra von Waldkauz

WALDKAUZ haben in der Pandemie keine Pause gemacht und fleißig ein weiteres Studioalbum produziert. Mit „Labyrinth“ haben sie nicht nur ihr musikalisches Spektrum erweitert, sondern sie sind auch bei der Produktion keine Kompromisse eingegangen. Sänger Niklas spricht mit uns ausfürhlich über die neuen Songs, die talentierten Neuzugänge und warum nicht nur ihre Musik immer auch politisch ist.

Das Logo der Band Waldkauz

Hallo Niklas! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für unsere Fragen nimmst. Wie geht es dir aktuell?
Hallo Sigi, der Herbst zieht langsam ins Land und nach diesem durchwachsenen Sommer bin ich mir noch nicht sicher, wie gut mir das gefällt. Aber ansonsten sind es vorsichtig optimistische und generell recht beschäftigte Zeiten!

Euer neues Album „Labyrinth“ wird demnächst veröffentlicht. Wie fühlst du dich? Bist du zufrieden?
Ich, wir alle eigentlich, sind jetzt so kurz vor dem Release sehr gespannt und natürlich laufen auch noch diverse Dinge, um die wir uns vorher kümmern müssen. Insgesamt aber natürlich alles sehr spannend! Ich selbst bin sehr zufrieden, ich glaube, das Album ist ein weiterer Schritt in die Richtung uns noch mehr als eigenständigen Act zu etablieren und uns noch etwas salon-fähiger zu machen für Bühnen jenseits der Mittelalter-Szene.

„Es gibt bisher einen vagen Konsens, dass das Album sich wie eine logische Weiterentwicklung anfühlt.“

Wie war die Resonanz bisher?
Außer einigen befreundeten Bands und Leuten aus unserem persönlichen Umfeld haben noch gar nicht so Viele das Album gehört, aber da war die Resonanz sehr positiv. Es gibt bisher einen vagen Konsens, dass das Album sich wie eine logische Weiterentwicklung anfühlt, der Gedanke gefällt mir.

Das Cover von "Mythos" von WaldkauzWo liegen die größten Unterschiede zum Vorgänger „Mythos“? Wie habt ihr euch weiterentwickelt?
Ich denke einer der größten Unterschiede ist, dass wir uns dieses Mal noch weniger Gedanken gemacht haben, ob etwas genug nach ‚Pagan Folk‘ klingt sondern einfach zusammen die Songs geschrieben haben, die wir wollten und die sich gut angefühlt haben. Zudem haben wir uns natürlich auch generell als Songwriter weiterentwickelt und mehr an Selbstbewusstsein gewonnen.
Abgesehen davon haben wir natürlich auch durch die personellen Veränderungen neue Einflüsse dabei. Abseits von unseren ganz neuen Zugängen Alana und Diana ist es ja auch das erste Material mit unserem Bassisten Andi, das heißt die neuen Songs haben den Bass bereits mit im Songwriting eingeplant anstatt wie bisher im Nachhinein.

Ihr habt „Labyrinth“ mit Hilfe von Crowdfunding über Startnext finanziert. Wie waren eure Erfahrungen damit?
Die Entscheidung für Startnext war ehrlich gesagt nicht unbedingt ideal und entstand eher aus der Notlage heraus, nach über einem Jahr ohne Einnahmen durch Konzerte schlicht nicht die Mittel zu haben für das Projekt. Und da wir ungern irgendwelche Kompromisse eingehen wollten was die Qualität angeht haben wir uns für diesen Schritt entschieden.
Dafür war es dann umso schöner zu sehen, dass sich immer noch so viele Leute für das interessieren, was wir machen und uns unterstützen wollen!

Mit Alana und Diana habt ihr zwei neue Mitglieder bei WALDKAUZ aufgenommen. Wie ist der Kontakt zu den beiden entstanden und wie haben sie bereits an „Labyrinth“ mitgewirkt?
Wir hatten Anfang 2019 nach neuen Musiker*innen gesucht und dies auch öffentlich kundgetan. Daraufhin hatte sich dann Alana bei uns gemeldet, die zu dem Zeitpunkt in England gelebt hat. Ihre erste Nachricht begann mit „Ich weiß ich bin nicht die offensichtlichste Kandidatin, aber…“. Nach einigen Flügen und Treffen war dann aber klar, dass sie perfekt zu uns passt.
Diana kam zu uns über die Empfehlung eines befreundeten Tontechnikers, der sie einfach ganz mundan unter einem Facebook-Post verlinkt hatte. Und auch bei ihr waren wir dann sehr schnell angetan!

Die Band Waldkauz im Jahr 2021Ihr singt in mehreren Sprachen, nicht nur auf Deutsch oder Englisch. Wie wichtig ist euch diese Vielfalt? Nehmt ihr dafür auch in Kauf, dass zum Beispiel ein Text nur bei einem bestimmten Teil eurer Hörer ankommt?
Diese Vielfalt ist für uns oft eine weitere Facette der Atmosphäre eines Liedes. Oft kann man sich den Klang einer bestimmten Sprache als gut passend vorstellen oder das Thema eines Songs ist inspiriert von einer bestimmten Kultur, deren Sprache wir dann gerne verwenden wollen.
Natürlich ist es im Falle von Alt-Nordisch oder Ukrainisch meist eher unwahrscheinlich, dass der konkrete Inhalt verständlich ist, aber die generelle Stimmung oder Aussage wird meist doch transportiert denke ich.
Und ansonsten findet man in unseren CD-Booklets alle Texte mit Übersetzung und Liner-Notes!

Was entsteht bei euch im Regelfall zuerst: eine Idee, eine Melodie oder ein Songtext?
Wir arbeiten meist ausgehend von Ideen einzelner Leute in der Band, meist ist der Impuls eine Melodie oder ein Text. Oft hat die Person dazu dann auch schon ein paar mehr Ideen und mittlerweile sind wir auch gut darin diese Ideen einigermaßen verständlich zu kommunizieren.
‚Schwingen‘ ist zum Beispiel ein Song, für den ich Text und auch schon die grundlegende Gesangsmelodie und Akkord-Folge geschrieben hatte und das Konzept: ‚Pagan Folk trifft auf Post-Rock‘ in den Raum geworfen hatte. Trotzdem hört man die Einflüsse der Anderen ganz klar heraus, sei das nun Ninas Gefühl für spannende Melodien, Andis aussdrucksstarkes Bassspiel oder auch Dianas Ohr für Gesangs-Harmonien.

„Mit den Jahren lernt man natürlich dazu und entwickelt Vorstellungen wie der ‚Sound‘ so sein soll.“

Die Produktion von „Labyrinth“ klingt sehr ausdifferenziert und klar. Für eine Band eurer Größe keine Selbstverständlichkeit. Habt ihr etwas geändert oder dieses Mal besonderen Wert auf bestimmte Aspekte gelegt?
Die beiden ersten Produktionen war für alle damals beteiligten Bandmitglieder die absolut ersten professionellen Aufnahmen überhaupt, da waren wir noch sehr unerfahren und wussten vielleicht auch nicht so richtig was wir wollen. Mit den Jahren lernt man natürlich dazu und entwickelt Vorstellungen wie der ‚Sound‘ so sein soll. Zudem waren wir damals auch örtlich beschränkt und wollten, beziehungsweise konnten nicht wirklich weit aus Hildesheim heraus.
Da wir aber im Nachhinein nie so ganz zufrieden mit dem Ergebnis waren und als feststand, dass wir ein neues Album aufnehmen werden, wollten wir uns da dieses Mal nicht beschränken. Ich schlug dann Alex Schulz vor, den man vielleicht durch seine Arbeit mit Faun oder Zirp kennt.
Die Zusammenarbeit mit Alex war absolut perfekt, er hat genau verstanden, worum es uns geht und vor allem hat er auch die nötige Erfahrung, Instrumente wie Drehleier und Dudelsack richtig zu recorden und so in den Mix zu setzen, dass ein moderner und doch archaischer Sound entsteht.

Das Cover des Albums "Labyrinth" der Band WaldkauzBei „Far Vel“ wirken Sawulo als Gäste mit. Warum bot sich gerade dieses Lied dafür an und wie ist die Zusammenarbeit entstanden?
Mit wem würdet ihr noch gerne zusammen einen WALDKAUZ-Song aufnehmen?
Die Idee von Far Vel war es einen sehr epischen, trance-artigen Song zu schreiben, der sich inhaltlich und klanglich viel an nordischer Musik und Mythologie orientiert. Dieses, sagen wir mal ‚Mikro-Genre‘, ist momentan ja recht populär durch Bands wir Wardruna oder Heilung. Allerdings gibt es da auch viele, meiner Meinung nach, recht gleichförmige Interpreten, die sich fast wie ‚Wikinger-Fahrstuhlmusik‘ anhören.
Eine große Ausnahme davon ist Sowulo, Faber (der Mastermind der Band) hat ein tolles Gefühl für Melodie und Arrangement und eine sehr aussdrucksstarke Stimme. Zudem kennen wir uns von gemeinsamen Konzerten und Festivals und durch diese persönliche Verbindung hat das ganze noch eine besondere Facette. Hoffentlich gelingt es uns bald, den Song gemeinsam mit ihm zu performen!
So spontan fällt mir da niemand Konkretes ein, mit dem wir etwas aufnehmen wollen würden, aber ich würde es mir spannend vorstellen, mit Interpreten aus gänzlich anderen Genres zu kollaborieren und zu sehen was herauskäme.

Ihr schreibt viele Texte selbst, ab und an verarbeitet ihr aber auch traditionelle Vorlagen wie aktuell das russische „Bayushki Bayu“ oder den „Danse Macabre“. Wie darf man sich den kreativen Prozess rund um diese Stücke bei euch vorstellen? 
Bei Texten, die nicht aus unserer eigenen Feder stammen, geht es oft darum eine bestimmte Atmosphäre oder musikalische Kultur zu emulieren. So ist zum Beispiel ‚Bayushki Bayu‘ halb von uns und halb ein russisches Volkslied über die Gefahren der Nacht. Generell ist die Arbeit an solchen Stücken wesentlich konzeptioneller würde ich sagen.

„Wir sind sehr froh, jetzt über öffentliches Position beziehen hinaus, auch eine künstlerische Form unser anti-faschistischen Haltung im Repertoire zu haben.“

Mit „Kein rechter Weg“ habt ihr ein klares politisches Statement musikalisch vergleichsweise ruhig umgesetzt. Wieso war es euch besonders jetzt wichtig, diesen Song auf diese Art und Weise zu veröffentlichen?
Die Idee für einen solchen Song war für uns schon länger ein Thema und wenn man sich die Welt so anschaut, ist das Thema ja relevanter als je. Die musikalische Umsetzung war zunächst auch etwas anders geplant und sollte einen sehr schnellen und lauten Chorus beinhalten. Letztendlich war uns das dann aber doch ein wenig zu plakativ und die jetzige Form fühlt sich kraftvoller und authentischer an. Wir sind sehr froh, jetzt über öffentliches Position beziehen hinaus, auch eine künstlerische Form unser anti-faschistischen Haltung im Repertoire zu haben.

Waldkauz live 2017Für das Video konntet ihr einige befreundete Künstler gewinnen, alle Einnahmen werden an EXIT Deutschland gespendet. Was erhofft ihr euch davon?
Wir wollten gerne möglichst viele Musiker*innen der Szene dabei haben um zu zeigen, dass wir mit unser Meinung keine Minderheit sind, sondern die meisten Beteiligten der Szene sich mit dieser Aussage identifizieren können. Wir erhoffen uns davon, dass diese öffentliche Haltung immer normaler wird und rechts-extreme Ideologien und Personen weniger und weniger Platz bekommen.
Die Spenden an EXIT sind natürlich im besten Fall ein ganz konkreter Beitrag dazu.

Niklas, du hast über Social Media geäußert, dass jede Form von Musik immer auch politisch ist. Was sind die für dich persönlich wichtigsten Botschaften?
Zunächst möchte ich die Aussage gerne noch etwas mehr spezifizieren: es geht nicht darum, dass jede Form von Musik eine bewusst politische Aussage haben muss beziehungsweise soll. Vielmehr verhält es sich so, dass es unumgänglich ist dass man als Individuum oder Band weltanschauliche Ansichten transportiert und eine Reflektionsfläche schafft, die Hörer dann interpretieren. Das passiert automatisch und ich finde es wichtig, dass Künstler dafür Verantwortung übernehmen und nicht so tun, als existiere ihr Werk getrennt von der Welt.
Was ich persönlich für die wichtigste Botschaften halte würde den Rahmen dieses Interviews vermutlich sprengen, aber wir möchten mit WALDKAUZ immer für eine offene, freie Gesellschaft eintreten, in der jeder Mensch die Freiheit hat sich nach seinen Wünschen zu entfalten, unabhängig von sexueller Identität, Hautfarbe, Herkunft und Klasse. Und am besten überlassen wir nicht dem Kapitalismus die Entscheidung darüber, wie es mit der Welt weitergehen soll.

„Zuweilen hat man schon ein wenig gezweifelt ob es Angesichts all der Krisen und all des Leids wirklich ein neues WALDKAUZ-Album braucht.“

Wie darf man sich euren Bandalltag mit Songwriting, Studioaufnahmen, Videodrehs, gemeinsamen Proben und Co. in Zeiten von Corona vorstellen?
Das war tatsächlich eine Frage, die uns auch lange beschäftigt hat. Die ganze Situation hat uns gerade zu Beginn auch wirklich sehr gelähmt, gerade weil mittlerweile doch eine gewisse räumliche Trennung besteht. Mit der Zeit haben wir dann wieder begonnen vorsichtig zu planen, weil es uns wirklich wichtig war, dieses Album zu machen. Zuweilen hat man schon ein wenig gezweifelt ob es Angesichts all der Krisen und all des Leids wirklich ein neues WALDKAUZ-Album braucht. Aber letztendlich ist Musik machen das was wir können und vielleicht bringt es ein wenig Licht und Fantasie zu den Menschen die es hören.

Habt ihr einen längerfristigen Redaktionsplan beziehungsweise einen Fahrplan für eure Social-Media-Kanäle oder plant ihre eure Postings eher kurzfristig?
Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem? Die Arbeit auf Social-Media wird zunehmend frustrierender, ständig wechselnde Algorithmen und die immer mehr abnehmende Halbwertszeit von Kunst, gerade von Musik, im Netz ist doch recht desillusionierend, wenn man sich darum neben all den anderen Sachen auch noch kümmern muss. Natürlich gibt es auch schöne Momente, gerade die Interaktionen mit Fans sind in Zeiten der Pandemie sehr wohltuend, aber im Allgemeinen ist es eher frustrierend.

Die Band Waldkauz im Jahr 2021Ihr habt mit WALDKAUZ bereits auf vielen großen Festivals gespielt und mit Szenegrößen die Bühne geteilt, national wie international. Was würdet ihr euch als nächsten Schritt für euch und eure Musik wünschen?
Immer weiter so. Mehr Festivals, mehr Clubkonzerte, eine Tour vielleicht? Kein musikalischer Stillstand, neue Leute die unsere Musik mögen, spannende Zusammenarbeit mit tollen Künstler*innen jedweder Art und natürlich der große Traum, nichts nebenbei machen zu müssen.

Wie blickt ihr auf die vergangenen acht Jahre zurück?
Es ist zuweilen fast etwas merkwürdig sich vorzustellen, dass wir mittlerweile nun schon so lange unterwegs sind. Es gibt starke Beständigkeit in einigen Dingen, aber auch immer wieder große Veränderungen und ich bin sehr stolz, dass wir uns nicht beirren haben lassen sondern weiter an die Idee der Band geglaubt haben. Die Band ist zumindest in meinem Fall für zahllose positive Entwicklungen in meinem Leben verantwortlich.
Wir sind gespannt was noch kommen wird.

Was ist das erste, das dir zu den folgenden Begriffen einfällt?
Eulen: Nokturn, mit stillen Schwingen
Impfpflicht: wenn Empathie und Menschenverstand nicht ausreichen vielleicht ein valides Mittel
Bundestagswahl: politische Teilhabe ist wichtig, besonders in dieser Wahl, ich hoffe auf rot-rot-grün
Hannover: besser als sein Ruf
Lieblingsfestival: in Deutschland das Festival-Mediaval und im Ausland das Castlefest
Vergleiche mit Omnia und Faun: sind irgendwie schon ein Kompliment, werden aber zum Glück weniger

Die letzten Worte gehören dir …
Ich übergebe an die geschätzte und leider verstorbene Autorin Ursula K. LeGuin

“Nothing is yours. It is to use. It is to share. If you will not share it, you cannot use it.”
― Ursula K. Le Guin, The Dispossessed

Vielen Dank für deine Zeit und die Antworten auf unsere Fragen!
Vielen Dank an dich für die interessanten Fragen und das allgemeine Interesse an WALDKAUZ, hoffentlich bis ganz bald!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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