Interview mit Anneke van Giersbergen von Vuur

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Nachdem Anneke van Giersbergen einige Jahre lang nur durch ihre Kollaborationen mit anderen Musikern wie Devin Townsend im Metal aktiv war, gibt es mit VUUR nun wieder ein Projekt von ihr, das den härteren Klängen frönt. Wir haben die charismatische Sängerin nun unter anderem zu den lyrischen Hintergründen ihres Debüts „In This Moment We Are Free – Cities“, den unüberhörbaren Einflüssen ihrer Mitmusiker und ihrer Meinung zur #metoo-Debatte befragt.

VUUR wurden gegründet, weil du wieder härtere Musik machen wolltest, während du dich in deiner Soloarbeit sanfteren Klängen widmest. Woher kam dieser Drang zurück zum Metal?
Ich war schon immer in der Heavy-Szene tätig, aber in den zehn Jahren, in denen ich solo gearbeitet habe, hatte ich auch viel mit anderer Musik zu tun. Ich liebe es, in verschiedenen Genres zu singen, ich lerne dabei viel und bleibe dadurch inspiriert. In der Zwischenzeit habe ich mit Künstlern wie Devin Townsend und Arjen Lucassen sowie mit Moonspell, Within Temptation und anderen zusammengearbeitet. Ich habe jedoch nie meine eigene harte Band gegründet und bekam das Gefühl, dass es dafür an der Zeit war. Mit Arjen Lucassen hatte ich bereits ein Projekt gegründet, The Gentle Storm, und es fühlte sich so gut an, dieses Album zu kreieren und aufzuführen, dass ich sofort damit angefangen habe, an der Gründung einer Band zu arbeiten, die länger bestehen sollte. Ich habe mich in die Live-Band von The Gentle Storm verliebt und habe sie deswegen gefragt, ob sie Teil meiner neuen Band sein wollten und so ziemlich alle haben ja gesagt! Und da sind wir nun!

Warum eignete sich eine neue Band besser zur Umsetzung als das Soloprojekt?
Man könnte sagen, dass das neue Album Teil meiner Solo-Karriere ist, ich habe der Band nur einen Namen gegeben, damit die Leute wissen, dass es mehr ist als nur ein einmaliges Projekt. Die Band soll länger bestehen bleiben. Und die Bandmitglieder sind fantastisch, sie alle haben so viel Charakter und Charisma und sind auch noch sehr geübte Musiker. Aufgrund dieser Punkte brauchte es einen Bandnamen und auch eher den Geist einer Band als es bei meinen früheren Solo-Alben der Fall war.

Denkst du, die musikalische Ausrichtung von VUUR wäre eine andere, wenn du zuvor nicht so viel mit Devin Townsend gearbeitet hättest?
Ja, ich denke schon. Devin, aber auch Arjen Lucassen, mit denen ich sehr eng zusammenarbeite, inspirieren mich in großem Maß.

Eure Musik kann man zwar grob als Progressive Metal bezeichnen, aber eure Songs sind sehr vielfältig. Was ist deiner Meinung nach das hervorstechendste Merkmal von VUUR?
Ich denke, wir sind immer noch dabei, unseren Sound feiner abzustimmen, aber es gefällt mir, die Musik im Allgemeinen maskulin und der Gesang und die Melodien feminin sind. Mit The Gathering oder irgendwelchen Symphonic-Bands hat das aber nicht viel zu tun. Es ist einfach geradeheraus heavy mit einer großen Portion Schönheit.

Auch die anderen beteiligten Musiker haben sich im Metal bereits einen Namen gemacht, zum Beispiel bei Hail Of Bullets oder Stream Of Passion. Wie habt ihr euch kennengelernt und warum habt ihr beschlossen, gerade in dieser Konstellation zusammen eine neue Band zu gründen?
Ich bin wirklich glücklich mit all den wundervollen Musikern in VUUR. Es ist wirklich ein Segen, mit den Jungs zusammen zu spielen, sie sind ein paar der besten Metal-Künstler, die es gibt! Arjen und ich haben eine Live-Band für The Gentle Storm geformt, damit wir touren konnten, nachdem wir das Album vervollständigt hatten und die Band, die dabei herauskam, war einfach so gut.
Als es dann an der Zeit war, dass Arjen und ich nach The Gentle Storm unsere eigenen Alben schaffen, wusste ich, dass ich die Band einfach fragen musste, ob sie mich in VUUR begleiten wollte. Sie arbeiten auch mit Arjen an seinen zukünftigen Live-Projekten.

Denkst du, dass VUUR zu sehr als deine eigene neue Band wahrgenommen wird und dadurch die anderen Musiker nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekommen?
Nein, das glaube ich nicht. Wie du ja bereits gesagt hast, hat jeder von den Jungs selbst eine reichhaltige Vorgeschichte im Metal. Es mag sein, dass es meine Band und meine Ideen sind, aber ich will, dass die Jungs genau so wahrgenommen werden wie ich. Sie machen die Band erst so besonders!

Wie läuft bei euch das Songwriting ab – wer macht was?
Das Schreiben und die Aufnahmen zu dem Album haben etwa zwei Jahre gebraucht. Ich schrieb die Songs zusammen mit Joost. Außerdem haben meine guten Freunde Mark Holcomb (Periphery), Esa Holopainen (Amorphis), Daniel Cardoso (Anathema) sowie unsere beiden Gitarristen ausgeholfen.
Wir haben die Musik zusammen geschrieben und ich habe all die Texte verfasst. Nach dem Schreibprozess hat die Band die Tracks gelernt und auf das Maximum gesteigert, dann haben wir das Album über etwa zwei Monate hinweg aufgenommen.

Wo siehst du dein persönliches Talent als Musikerin und womit tust du dir eher schwer?
Mein Haupttalent ist sicherlich das Singen. Ich kann auch gut Texte schreiben und auftreten. Ich würde sagen, diese drei Elemente liegen mir am meisten. Abgesehen davon spiele ich Instrumente, schreibe, nehme auf, lasse mir Ideen einfallen etc., aber hierbei brauche ich Unterstützung. Das mag ich eigentlich sogar. Ich lerne viel von anderen Musikern und sogar Geschäftsleuten. Jeden Tag versuche ich, alles, was ich tue, zu verbessern.

Euer Debüt nennt sich „In This Moment We Are Free – Cities“. Als Inspiration dienten einige der Städte, die du bereits bereist hast. Wonach hat sich entschieden, welcher Stadt ein Song gewidmet wird und welcher nicht?
Wie du weißt, reise ich sehr viel. Wir besuchen jedes Jahr so viele Orte auf Tour und mir ist aufgefallen, dass in jeder Stadt eine andere Stimmung und Energie herrscht und dass diese Orte eine große Auswirkung auf meine Gedankenwelt haben. Dadurch war ich oftmals dazu inspiriert, neue Musik und Texte zu schreiben. Schon lange wollte ich Songs über die Städte selbst schreiben und mit der neuen Band hatte ich endlich das Gefühl, dass ich daraus ein Konzeptalbum machen könnte.

Gab es noch Songs zu anderen Städten, die es dann nicht auf „Cities“ geschafft haben?
Nein, es gibt aber zwei Bonus-Tracks: Moskau und Warschau. Die haben wir separat veröffentlicht. Ansonsten haben wir aber keine Songs kreiert, die wir nicht verwendet haben.

Gibt es eine bestimmte Großstadt, die einen besonders starken Eindruck bei dir hinterlassen hat und umgekehrt auch eine, die dir gar nicht oder sogar sehr negativ in Erinnerung geblieben ist?
Jede Stadt hat eine andere Atmosphäre und einen anderen Charakter. Eine meiner Lieblingsstädte ist Rio, obwohl es nicht leicht ist, in dieser Stadt zu sein, geschweige denn, darin zu leben. Dasselbe gilt für Orte wie Moskau. Eine große Stadt, ein anderes Klima und Umwelt und politisch ist es eine große Herausforderung. Aber wenn du diese große Stadt besuchst, macht es etwas mit dir. Es ist in jedenfalls sehr inspirierend.

Kannst du uns anhand eines Beispiels erklären, wie die jeweilige Stadt einen Track musikalisch und lyrisch beeinflusst hat? Manche Songs sind ja sehr erhaben, andere melancholisch oder hoffnungsvoll. Sind das auch die Stimmungen, die diese Städte vermittelt haben?
Jeder Song und jede Stadt hat seine oder ihre Geschichte. Nehmen wir etwa Helsinki als Beispiel. Die Texte sind hier, wie bei den meisten anderen auch, sehr poetisch. Helsinki ist inzwischen eine schöne, friedliche, selbstständige Stadt, doch von der Zeit an, zu der sie gegründet wurde, bis weit ins 20. Jahrhundert hatten die Finnen mit der Besetzung Russlands sowie Bürgerkriegen zu kämpfen.
Ich sehe Helsinki als einen schönen, blassen und großen Mann mit einem reinen Herzen, der sich von den Ketten seiner Vergangenheit befreien will.

Die Textstelle „in this moment we are free“ findet sich im Zuge der Platte immer wieder. Was genau hat es damit auf sich? Kann man sie auch je nach Song anders verstehen?
Der Titel, der in jedem Song vorkommt, bezieht sich darauf, dass wir in einer dualen Welt leben, wir leben mit Dunkelheit und Licht. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, große oder kleine, ob wir nun in die eine Richtung gehen oder in eine andere. Und das ist die eine Sache, in der wir eine Balance finden müssen. Das ist das Thema, das dem Album zugrundeliegt.

Welcher Track auf „Cities“ gefällt dir persönlich am besten und wieso?
Das ist eine schwierige Frage, alle Songs haben verschiedene Qualitäten und Stimmungen. Ich mag jedenfalls Songs wie „Rio“. Es hat einen melancholischen Vibe, was mir sehr gefällt, und einen wunderbar kraftvollen Refrain. Es ist ein positiver Song.

Veröffentlicht wurde das Album über InsideOut Music. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Label?
Als ich meine Solo-Karriere begann, suchte ich nach einem Label, um darauf meine Alben zu veröffentlichen. Ich habe mich für InsideOut Music entschieden, weil die sich wirklich um ihre Bands kümmern und dir auf mehr Arten helfen, als nur das Album herauszubringen. Ich hatte mit ihnen bereits viele Gespräche auf persönlicher Ebene und sie helfen mir mit meinen weiteren Karriereplänen. Eine wirklich nette Truppe!

Wie wird es mit VUUR weitergehen?
Wir haben bereits angefangen, neue Songs zu schreiben, als wir mit unserem Debüt auf Tour gingen. Ich will möglichst bald einen Nachfolger herausbringen, damit der VUUR-Zug gut weiterrollt und wir den neuen Namen gut etablieren können. Daneben habe ich noch viele neue Ideen und kann es kaum erwarten, ihnen Leben einzuhauchen!

Beenden wir das Interview im Sinne unserer Metal1.info-Tradition mit einem kleinen Brainstorming:
Wasser: Ist fließend, ist schön, ist der Schlüssel des Lebens auf diesem Planeten.
Landflucht: Wird immer ein Teil unserer modernen Gesellschaft sein. Die Leute und die Industrie bewegen sich weiter und versuchen, eine Balance zu finden.
Doom Metal: Ein Hoch auf Black Sabbath!
#metoo: Ernstzunehmende Diskussion. Gut, dass die Wahrheit ans Licht kommt und thematisiert wird.
Supergroup: Devin Townsend – Mikael Akerfeldt – Mike Portnoy – Les Claypool
VUUR in fünf Jahren: Größer und besser als wir es jetzt sind!

Danke dir nochmal für deine Antworten. Wenn es noch etwas gibt, das du unseren Lesern mitteilen möchtest, kannst du das an dieser Stelle gerne tun:
Danke sehr! Wir sehen uns bald auf Tour!
Anneke

 

Publiziert am von Stephan Rajchl

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