Interview mit Czral von Virus 

Vier lange Jahre war es still um VIRUS. Nun haben sich die Norweger mit „Memento Collider“ eindrucksvoll zurückgemeldet. Sänger, Gitarrist und Mastermind Czral über den Reifungsprozess der Songs, seinen schweren Unfall und tote Dinosaurier.

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Euer neues Album „Memento Collider“ ist unlängst erschienen – vier Jahre nach eurer letzten Veröffentlichung, „Oblicion Clock“. Warum mussten wir so lange auf neues Material warten?
„Oblivion Clock“ war eine Art Sammlung von Kuriositäten, kein vollwertiges Album. Insofern würde ich sagen, dass „Memento Collider“ nun in der Mache war, seit wir mit „The Agent That Shapes The Desert“ unser letztes echtes Album veröffentlicht haben – über fünf Jahre also. Dieser Entstehungsprozess war ein langer Reifungsprozess für das Material: Wir haben die Stücke live erprobt und die Arrangements und Texte und so weiter so lange feingeschliffen, bis die Songs am Ende, als wir ins Studio gegangen sind, schlichtweg richtig waren. Uns pressiert es nicht. Musik ist die wichtigste Sache überhaupt, insofern wollen wir da nichts reinfunken lassen, seien es Deadlines oder was auch immer sonst.

Wie fühlt es sich an, das Album nach dieser Zeit in Händen zu halten?
Das Album war in dieser ganzen Zeit Teil unseres Lebens, ob nun vordergründig oder im Hintergrund. Ob wir nun gerade daran gearbeitet haben oder nicht, schwirrte uns die Musik die ganze Zeit im Kopf herum. Es fühlt sich entsprechend gut an, sie nun veröffentlicht zu haben.

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Wenn du den Entstehungsprozess mit dem eurer früheren VIRUS-Releases vergleichst: Was habt ihr diesmal anders gemacht?
Dieses Album ist mehr eine Gemeinschaftsleistung. Alle Bandmitglieder haben aktiv am Songwriting mitgewirkt, wir haben auf allen Levels zusammengearbeitet. Früher bin für gewöhnlich ich mit fertigen Songs zu den Proben genommen, die ich alleine daheim geschrieben hatte – diesmal haben wir zusammengearbeitet. Das ist besser.

Das Album heißt „Memento Collider“. Wie würdest du den Titel erklären?
Das ist ein sehr offener Titel, der die Leute dazu einladen soll, sich darunter vorzustellen, was sie sollen. Wir sind nicht dafür da, Dinge zu erklären – wir sind dafür da, deine Vorstellungskraft zu wecken. Die Leute scheinen sehr unterschiedliche Wege zu finden, den Titel und die Texte zu interpretieren und ich würde das gerne so belassen. Das bedeutet, dass wir etwas erreicht haben. Ich will niemandem meine eigene Interpreation aufzwingen. Aber wenn du den Large Hadron Collider (deutsche Bezeichnung: Großer Hadronen-Speicherring; Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf – A. d. Red.), die Maschine, die den Urknall reproduzieren soll, in deine Überlegungen mit einbeziehst, kannst du dir vielleicht etwas darunter vorstellen.

VIRUS - Memento ColliderDas Artwork sieht sehr modern, sehr steril aus. Warum ist es die perfekte Visualisierung der Musik?
Es spiegelt die Musik wider, aber es ist auch etwas, das seine eigene Daseinsberechtigung hat. Man kann es für sich selbst genommen genießen. Das dem Trine And Kim Design Studio zu überlassen war eindeutig die richtige Entscheidung.

Wovon handeln die Texte auf „Memento Collider“ und wer hat sie verfasst?
Auch die Texte sind abstrakt und offen, aber sie schneiden Themen an, die mit dem Zustand der Menschheit zu tun haben und dem Zustand und der Verfassung der Welt in diesen Tagen. Ein paar der Texte habe ich in Zusammenarbeit mit der englischen Schriftstellerin Johannah Henderson verfasst, die schon auf den letzten drei Alben eine unserer Ghost-Writer war – Mat mcNerney war auch einer von ihnen, aber nicht auf diesem Album. Andere habe ich selbst geschrieben. Manchmal fühle ich mich eher wie ein Regisseur als wie ein Schriftsteller, weil ich die verschiedenen Fragmente und Bruchstücke so arrangiere, dass sie zur Gesamtheit der Musik passen.

Auf dem Album gibt es einen Track namens „Rogue Fossil“ und auch auf eurem Merchandise finden sich oft Fossilien. Woher die Faszination für tote Dinosaurier?
Das kommt noch von unserem letzten Album, „The Agent …“, bei dem es um die Unergründlichkeit der Zeit ging. Für mich sind sie ein Symbol dafür. Sie haben auf gewisse Weise überdauert und sind dann auch in das Video zu „Rogue Fossil“ hineingerutscht. Schaut so aus, als wären Fossilien unser „Eddy“ geworden.

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Was bedeutet es dir, live zu spielen?
Wir lieben es, live zu spielen. Als Trio klingt VIRUS live etwas nackt und minimalistisch, aber wenn wir einen guten Abend haben, ist es magisch. Es wird unserer Arbeit und unseren Fans gerecht. Wir halten die Musik am Leben, was wie ich finde absolut notwenig ist, wenn du eine richtige Band sein willst.

Warum spielt ihr dann so selten live?
Es gibt einfach nicht genügend Gigs für uns. Wir würden wirklich gerne mehr spielen. Wir haben derzeit keinen Booking-Agent, was bedeutet, dass Konzerte rar gesäht sind. Wenn wir eingeladen werden, und sich alles arrangieren lässt, werden wir natürlich auch wieder in Deutschland spielen. Wir sind bereit! Wenn uns also jemand in Kontakt mit einem Promoter bringen könnte, damit wir ein paar Shows bei euch spielen können, wäre das eine großartige Sache!

virus 04Vor knapp zehn Jahren hattest du einen schweren Unfall, als du von einem vierstöckigen Gebäude gefallen bist. Inwiefern hat dieser Unfall deine Sicht auf das Leben im Allgemeinen, vor allem aber auch im Bezug auf die Musik verändert?
Ich bin seitdem viel fokussierter. Ich habe realisiert, dass ich nie vergessen darf, dass ich Musiker (oder auch „Künstler“, wie mich viele bezeichnen) bin, und dass ich dahingehend weiterarbeiten muss. Ich bin auch entspannter geworden und interessiere mich nicht mehr dafür, was andere leute denken – das kann aber auch einfach mit dem Alter gekommen sein. Aber wie auch immer. Wenn du – wie ich damals, nach dem Unfall – mitten in so einer Sache steckst, ist es schwer, exakt festzustellen, was so ein Erlebnis mit dir macht. Aber es war eine schrecklicheScheiße, keine Frage. Und schmerzhaft!

Du spielst nicht nur bei VIRUS, sondern auch bei AURA NOIR. Gibt es hier irgendetwas, das du uns berichten kannst?
Das neue Album kommt bald …

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming:
Donald Trump: Ein grotesker und unverschämter Mensch.
Immortal ohne Abbath: Mal abwarten …
UEFA Euro 2016: Ich interessiere mich nicht für Fussball. Ich mag Snooker und Formel 1 – zwei diametrale Gegensätze.
Festivals: Würde ich nicht hinfahren, außer, wenn ich dort spiele. Zu viele Leute.
Norwegen: Ein schöner Ort um dort zu leben und kreativ zu sein. Aber auch sehr evangelisch geprägt.
VIRUS in zehn Jahren: Da haben wir dann gerade den Soundtrack zu „Fast And Furious 26“ gemacht.

Die letzten Worte gehören dir:
Hört euch mal unser Album an, es ist ziemlich klasse!

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Fotos: Trine + Kim Design Studio

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