Interview mit Christian Höll von Vinsta

Mit seiner Mischung aus progressivem Death Metal und alpinen Volksmusik ist VINSTA zweifellos eines der interessantesten Projekte der österreichischen Metal-Musiklandschaft. Anlässlich der Veröffentlichung seines Albums „Freiweitn“ haben wir Mastermind Christian Höll einige Fragen gestellt. Was Höll über den ihm beharrlich anhaftenden Ruf als Opeth-Verehrer und über politisch umstrittene Begriffe wie „Tradition“ und „Heimat“ denkt, welche Rolle Mystik und Dialekt in seiner Kunst spielen und warum Volksmusik nicht gleich Volksmusik ist, ist im folgenden Interview nachzulesen.

In einem früheren Interview hast du erwähnt, dass du unter anderem von Lunar Auroras „Hoagascht“ inspiriert bist, von Opeth hingegen weniger. Die Vergleiche mit Opeth scheinst du mit VINSTA jedoch nach wie vor nicht losgeworden zu sein. Wie denkst du inzwischen darüber?
Ja, zum einen finde ich es immer wieder interessant, dass dieser Vergleich so hartnäckig ist. Es ist nicht wirklich meine Intention, das Opeth-Vakuum zu füllen, welches sie in der Death-Metal-Szene hinterlassen haben. Ich hör mir beim Songwriting jetzt auch nicht die alten Opeth-Sachen an und denk mir: „Wie könnte ich das am besten auf meine Art und Weise nachahmen?“ Zum anderen ist es natürlich ehrenvoll, wenn man mit diesen Metal-Legenden verglichen wird. Wenn ich Black Metal produzieren würde, dann würd ich halt mit einer bekannten Black-Metal-Band verglichen werden. Also so ein Vergleich hat schon einen Nutzen für potentielle Hörer, aber wenn da Opeth steht, hat man dann halt hohe Erwartungen.

Während andere Bands auf Englisch singen, um möglichst breiten Anklang zu finden, textest du in deinem lokalen Dialekt. Hast du den Eindruck, dass VINSTA deshalb weniger Gehör findet oder weckt gerade das sogar vermehrt das Interesse an deiner Kunst?
Ich kann schlecht beurteilen, ob es wegen des Dialektgesangs mehr oder weniger Interesse gibt. Ich kann nur für mich behaupten, dass ich sehr gerne Musik innerhalb und außerhalb des Metal-Genres höre, die nicht auf Englisch bzw. in einer Sprache gesungen wird, die ich nicht verstehe. Ich finde es irgendwie spannend, wenn man eine Emotion oder Stimmung mit der gesamten Musik vermitteln kann. Das war im Extreme-Metal-Bereich ja sowieso sehr oft der Fall, find ich, weil man da meistens die Lyrics sowieso nicht versteht und der Gesang nur ein Teil vom Extremen ist. Unser Dialektgesang ist ein wesentliches Merkmal von VINSTA und das ist in meinem oder unserem Fall einfach authentisch. Die Alpenmystik in englischen Lyrics zu verkörpern würde nicht gut funktionieren und außerdem find ich, dass unser Dialekt verdammt gut für den Metal geeignet ist. „Hoagascht“ von Lunar Aurora wurde als gelungenes Beispiel ja schon erwähnt.

Du hast mit „Freiweitn“ mittlerweile dein drittes Album veröffentlicht. Würdest du sagen, dass in deinen kreativen Prozess inzwischen eine gewisse Routine eingekehrt ist oder zieht es dich mitunter noch ins Ungewisse, vielleicht auch an die Grenzen deines Könnens?
Eine gewisse Routine gibt es, glaub ich, nicht. Ziel ist es, mich mit VINSTA immer weiterzuentwickeln und da schau ich bestimmt teilweise ins Ungewisse. Ich versuche doch, dass ich unsere alpine Ästhetik mit dem Extreme Metal verknüpfe und dafür suche ich immer wieder neue kreative Wege.

Vinsta Foto1

Hattest du inzwischen mitunter auch mit Schreibblockaden zu kämpfen?
Bisher nicht, weil ich seit „Freiweitn“ noch nicht wirklich etwas Neues geschrieben habe. Jetzt kommen wieder die mystischen Jahreszeiten auf uns zu, die ich auch für das kreative Schaffen nutzen werde – hoffentlich ohne Schreibblockade.

Du setzt diesmal auch ein Sopransaxophon ein. Was hat es damit auf sich?
Da ich lange Erfahrung mit dem Saxophon habe und ich vor nicht allzu langer Zeit das Sopransaxophon entdeckt habe, wollte ich es einfach mal versuchen und dem Projekt eine neue Facette verleihen. Ich bin sehr zufrieden damit und es wird bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein, dass dieses Instrument zum Einsatz kommt.

Dein letztes Album, „Drei Deita“, war ein Konzeptalbum, das eine Geschichte erzählt hat. Ist das auch bei der aktuellen Platte der Fall?
„Freiweitn“ ist nicht wirklich ein Konzeptalbum. Was das Album verbindet, sind die Motive in jedem Song, die sich immer wieder auf das Alpenländische beziehen. Aber das ist genau genommen ja das Konzept von VINSTA insgesamt. Bei „Freiweitn“ sind die Themen ein wenig breitgefächerter, von der speziellen Mystik in der alpenländischen Natur bis hin zu der Salzburger Sagenlandschaft und auch Erkenntnistheorie mit ein wenig Quantenphysik – natürlich dann in Metaphern verpackt.

Vinsta - Freiweitn CoverWas ist die „Freiweitn“?
Man stelle sich vor, man ist auf einem Gebirge oder einer Hügellandschaft mit weiter Fernsicht und weit und breit ist keine Zivilisation, nur Natur wohin man schaut. Das Album soll mit dem Begriff auch eine Art Sehnsucht nach einer „freien Weite“ verkörpern. Sei es im physischen, aber auch metaphysischen Sinn.

In deinen Texten steckt stets etwas (Natur-)Mystisches. Was reizt dich an der Vorstellung, dass in den alpinen Wäldern und Gebirgen Übersinnliches vor sich geht?
Ich beschäftige mich jetzt nicht mit Übersinnlichem an sich, sondern mit der Faszination und der Mystik, die man in der Natur findet. Diese dann musikalisch zu verkörpern, ist der eigentliche Reiz an dem Ganzen. In der Natur findet man Schönheit, Rauheit, Harmonie und vor allem die Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten, ein Aspekt, der mich persönlich am meisten fasziniert und mit dem ich mich auch immer wieder gerne auseinandersetze, auch in den Songs und Lyrics.

Welche Bedeutung haben Sagen, Märchen und dergleichen aus deiner Sicht auch heute noch?
Sagen und Märchen haben eine wichtige Bedeutung und sollten viel sorgfältiger gepflegt und weitergereicht werden. Sie regen Kreativität an. Und jedes Kind, das früh mit Sagen und Märchen in Berührung kommt, wird mit Fantasie bereichert, die der eine oder die andere auch später z.B. mal in einer Metalband ausleben kann.

Hinter Traditionsbewusstsein verbirgt sich oftmals leider ein rückständiges Weltbild. Wie gehst du mit diesem Spannungsfeld um?
Ja, das ist leider ein Thema, mit dem ich mich öfter auseinandersetzen muss. Das ist hochpolitisch, wobei ich mich mit VINSTA lieber rein auf die Musik konzentrieren würde. Aber ich verstehe, warum diese Frage immer wieder kommt. Immerhin ist der Begriff „Heimat“ beispielsweise einer, der von gewissen politischen Strömungen monopolisiert wird, was ich scheiße finde – „Heimat“ ist meiner Meinung nach ein schöner, vielschichtiger Begriff, über den man z.B. sehr gut Musik schreiben kann. Im letzten Album-Song „Hoamat“ ist daher auch eine kleine Botschaft integriert. Womit ich mich leider auch öfters auseinander setzen muss, sind die Klischees bezüglich der Begriffe „Alpin“ oder „Volksmusik“, welche ich für mein Projekt auch verwende. Die assoziiert man halt zuerst mit dem „volksdümmlichen“ Schlager, weil‘s halt kommerziell erfolgreicher ist. Eigentlich bezieh ich mich aber auf die sehr hochwertige und tiefsinnige Volksmusik, die gemeinhin leider nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt (was aber vielleicht auch gut so ist) und die sich schon seit einiger Zeit immer wieder mit ungewöhnlichen Genres anfreundet – die sogenannte „Neue Volksmusik“.

Moni Hahn hat VINSTA kürzlich verlassen. Kannst du erzählen, was es mit ihrem Ausstieg auf sich hat?
Ja, das war keine leichte Entscheidung, aber wir haben einstimmig beschlossen, dass sich unsere Wege trennen werden. VINSTA wird immer mehr zu einem professionellem Projekt, in das man vor allem viel Zeit investieren muss und das lässt sich dann nicht immer für alle vereinbaren. Ich finde es natürlich sehr schade, weil sie einen sehr wichtigen Beitrag zu unserem Sound geleistet hat, aber es geht weiter und es wurde vorerst auch schon ein würdevoller Ersatz für die Konzerte gefunden.

Inwiefern wird sich ihr Fortgang aus deiner Sicht auf eure Musik auswirken?
Zumindest in Bezug auf das Songwriting wird sich demnächst nicht viel ändern, weil ich immer schon ihre Parts für Geige und Gesang mitgeschrieben habe. Für zukünftige Produktionen wird sich noch weisen, wie es mit dem Frauengesang weitergeht. Dieses Merkmal mit dem zweistimmigen Gesang möchte ich auf jeden Fall weiterführen.

Live werdet ihr nun von Julia (Perchta) und Klara (Firtan) unterstützt. Wie kam es dazu?
Mit Julia musiziere ich schon länger, da ich auch bei Perchta am Hackbrett aktiv bin. Wir sind ja auch musikalisch gesehen schon ein wenig seelenverwandt und sie kennt oder versteht meine Musik auch sehr gut, daher hat sie mir für die kommenden Konzerte dankenswerterweise ihre Stimme angeboten, die ja auch perfekt zu VINSTA passt. Klara wohnt in der Nähe von Salzburg und darum hat sich da auch schnell ein Kontakt aufgebaut. Ihr virtuoses Können auf der Geige kennt man ebenso von anderen Metalbands und vor allem auf der Bühne mit Firtan.

Kommt in Betracht, dass die beiden auch dauerhaft bzw. für die Studioarbeit Teil des Projekts werden könnten?
Das können wir nach heutigem Stand noch nicht beurteilen, weil die neue Besetzung noch ganz frisch ist. Der Fokus liegt jetzt mal auf den kommenden Konzerten.

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In einem früheren Interview hast du erwähnt, dass du in Erwägung ziehst, ein Album ohne Metal-Elemente zu kreieren. Steht das nach wie vor auf deiner To-Do-Liste?
Ja! Aber bis jetzt war es immer so, dass ich Songs ohne Metal-Elemente in den Alben mitverpackt habe, so auch jetzt wieder mit dem Song „Einkehr“. Darum hat das nicht so die Priorität, wird aber bestimmt noch kommen. Aber wahrscheinlich musst du mich beim nächsten Interview nochmal fragen. (lacht)

Was sind deine nächsten Pläne für VINSTA?
Live-Konzerte und neue Musik schaffen. Ein neues Konzept gibt es schon und dem werde ich mich in den nächsten Wochen/Monaten widmen.

Gehen wir zum Abschluss noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durch. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Wintersport: Der Gipfel der Gefühle!
Mainstream Metal: Hat schon sehr viele Parallelen zum Schlager.
Nostalgie: Früher war alles besser! Teilweise war es aber wirklich besser.
Flachland: Da verfahr ich mich immer, weil es keine Berge zur Orientierung gibt.
Naturreligion: Mit Religionen tu ich mir schwer.
Perfektionismus: Schadet manchmal nicht in einer Metal-Band.

Nochmals danke für das Interview. Die letzten Worte an die Lesenden würde ich gern dir überlassen:
Danke an alle Lesenden, die es bis hier geschafft haben. Die Interviews von metal1.info sind mir immer wieder ein Vergnügen und so hoffe ich auch auf eine große Reichweite. Wünsch euch noch eine schöne mystische Herbstzeit – eine perfekte Gelegenheit, um „Freiweitn“ zu kaufen und zu hören!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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