Interview mit Christian Höll von Vinsta

VINSTA gehören mit zu den interessantesten Bands, die die österreichische Metal-Musiklandschaft derzeit zu bieten hat. Auf „Drei Deita“ verbinden Bandkopf Christian Höll und seine Mitmusiker mit meisterlicher Selbstverständlichkeit Progressive Death Metal und alpenländische Volksmusik – eine unverhofft stimmige Kombination, die der Platte hier auf Metal1.info zu Recht den Titel „Album des Monats Oktober 2019“ eingebracht hat. Wie Höll über den von vielen Rezensenten angestrengten Vergleich mit Opeth denkt, warum aus seinem einstigen Soloprojekt nun doch eine ganze Band geworden ist und was Lars von Trier mit dem mystisch angehauchten Konzept des Albums zu tun hat, erfahrt ihr im folgenden Interview.

Du nennst den Musikstil von VINSTA „Alpine Metal“. Obwohl es nicht unüblich ist, dass Metal-Bands landestypische Volksmusik in ihren Stil einflechten, scheint ihr in Österreich damit allein auf weiter Flur zu stehen. Woran, denkst du, liegt das?
Für mich ist „Alpine Metal“ nicht ländergebunden, sondern der Begriff bezieht sich auf die Alpenregion insgesamt. Außerdem geht es nicht nur um die Einflechtung von Volksmusik, sondern auch um die Berücksichtigung anderer Kulturbereiche wie etwa das Brauchtum. Es gibt einige Bands, die diesen Ansatz bereits ausprobiert haben. Für mich war die bayerische Band Lunar Aurora in der Hinsicht ein großes Vorbild mit ihrer letzten Scheibe „Hoagascht“. Ich habe mir mit VINSTA das Ziel gesetzt, das Zusammenspiel der beschriebenen Elemente zu konkretisieren und weiter auszuarbeiten, weil ich es extrem spannend finde und weil ich der festen Überzeugung bin, dass unsere Kultur und insbesondere unser Brauchtum gut zu Metal passen kann.

Jodelgesang wird von Hörern, die sich nicht mit österreichischer Volksmusik auseinandersetzen, oftmals belächelt und nicht ganz ernst genommen. Wie denkst du darüber?
Ja, das kann ich durchaus nachvollziehen. Jodeln kann mitunter schnell lustig klingen, zum Beispiel wenn es in geselliger Runde im Wirtshaus gesungen wird oder bei humorvollen Liedern zum Einsatz kommt. Es gibt aber auch eine hochwertige Seite in der Volksmusik, wo diese Techniken und Spielweisen sehr bewusst und gekonnt eingesetzt werden, und da nehme ich mir dann auch meistens die Inspiration her.

Ansonsten spielst du vor allem melodischen und progressiven Death Metal, wobei sich mir – wie einigen anderen Rezensenten – der Vergleich mit Opeth geradezu aufdrängt, obwohl es nicht deine Ansicht ist, ihnen nachzueifern. Wie geht es dir damit, wenn man dich trotzdem an derlei Vergleichen festmacht?
Mich wundert es immer wieder, wie groß anscheinend das Vakuum ist, das von Opeth mit ihrem „alten“ Stil hinterlassen wurde. Ein bewusstes Nacheifern gibt es eigentlich überhaupt nicht, denn ich versuche ja, eine neue Facette im Metal zu entdecken und zu erarbeiten. Der Kernstil ist nun mal melodischer Death Metal mit progressiven Elementen und düsterer Stimmung, und somit greifen wir Elemente auf, die typisch für diesen Stil sind. Aber wir bringen auch Neues dazu. Wenn neue Metal-Bands in die Öffentlichkeit treten, wird halt oft eine Referenz erwähnt, damit man sich leichter orientieren kann, und das finde ich auch gut so. Natürlich fühle ich mich schon ein wenig geehrt, wenn in meinem Fall die Progressive-Death-Metal-Größe Opeth als Referenz genannt wird, aber teilweise finde ich die Vergleiche überbordend. Ich denke, man könnte sich stattdessen näher mit der Musik und den Inhalt beschäftigen.

Dein aktuelles Album „Drei Deita“ hat, soweit ich weiß, sehr viel positives Feedback bekommen. Würdest du sagen, dass VINSTA sich in puncto Bekanntheitsgrad im Aufschwung befindet?
Ja, schon. Es gibt hauptsächlich positive und spannende Kritik, aber beim Durchstöbern von vielen Webzines ist mir wieder bewusst geworden, wie wahnsinnig groß der Output in der Metalszene ist. Da soll einer mal einen Überblick behalten… Es ist dann auch schwierig für neue und noch unbekannte Bands wie VINSTA, sich da durchzusetzen, besonders wenn man noch nicht live spielt. Aber ich baue mir dieses Projekt von Null auf und versuche auch realistisch zu bleiben: Es braucht Zeit, bis man einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht. Wir werden ab 2020 auch Konzerte spielen und ich denke, dass dies ein wichtiger Faktor sein wird.

Mit deiner Musik wurde kürzlich sogar ein Bericht des österreichischen Rundfunks über den Salzburger Tappenkarsee untermalt. Wie kam es dazu?
Eine Studienkollegin, die meine Musik kennt, arbeitete bei dem Beitrag mit und hat mich somit ins Boot holen können. Da sieht man, wie wichtig das Netzwerken in der Branche ist.

Obwohl dein neues Album wieder über Trollmusic veröffentlicht wurde, haben auch Prophecy Productions enthusiastisch dafür geworben. Was hat es damit auf sich?
Thor von Trollmusic arbeitet ja sehr viel mit Andreas Schiffmann zusammen, der u.a. bei Prophecy für die Promotion zuständig ist und somit ergab sich auch die Möglichkeit, „Drei Deita“ auf deren Kanälen zu teilen. Für VINSTA ist diese Promotion natürlich sehr wertvoll und an dieser Stelle nochmal ein großes Danke an die beiden für diese tolle und sehr hochwertige Unterstützung!

Nachdem auf „Vinsta Wiads“ bereits Gastbeiträge zu hören waren, hast du VINSTA inzwischen zu einer Band mit einer festen Besetzung gemacht. Warum hast du dich dazu entschieden, das Projekt nicht länger im Alleingang zu führen?
Mit „Drei Deita“ konnte ich die Musik und das Konzept so umsetzen, wie ich mir es einigermaßen vorgestellt habe und somit ist für mich das Projekt mit diesem Release reif für Konzerte. Daran wird aktuell gearbeitet und ich bin auch schon sehr gespannt auf dieses neue Kapitel.

Inwieweit haben sich das Songwriting und der Aufnahmeprozess des Projekts dadurch verändert, dass ihr jetzt eine ganze Band seid und du nicht mehr bloß mit Gastmusikern arbeitest?
Tatsächlich formierte sich die gesamte Band erst nach dem Songwriting- und Aufnahmeprozess. Bei „Drei Deita“ habe ich fast alles geschrieben und während der Produktion war mir schon klar, dass ich Monika Hahn auf der Geige und Tobias Langthaler auf dem Bass dann auch später in der Band dabei haben möchte, also ließ ich die beiden jeweils die Instrumente fürs Album einspielen. Während des Recordings konnten sie dann auch ihre eigenen Ideen einbringen und somit die Produktion noch reichlich aufwerten. Ich glaube, in Zukunft wird es ähnlich ablaufen, nur dass ich bei einer nächsten Produktion auch wieder echte Drums haben will, gespielt von Stephan Huber, der jetzt auch bei der Band dabei ist.

Ich habe den Eindruck, dass du auf „Drei Deita“ noch öfter auf ungewöhnliche Stilmittel wie Hackbrett und Jodelgesang zurückgreifst als auf dem Vorgängeralbum. War das eine von dir gewollte, bewusste Entwicklung?
Ja, klar! Ich möchte dem „Alpine Metal“ mehr Profil verleihen und da muss ich mich immer näher herantasten. Ich möchte bei der nächsten Produktion noch mehr ungewöhnliche Stilmittel gezielt einsetzen. Auf „Drei Deita“ hat sich gezeigt, dass dieses Konzept durchaus funktioniert und für mich ist klar, dass ich diese Verbindung von Metal und österreichischer Volksmusik noch weiter ausarbeiten kann und dass da noch einiges an Potential vorhanden ist. Das empfinde ich als sehr spannenden Prozess.

Würdest du sagen, dass du dich seit dem letzten Album noch eingehender mit diesen Stilmitteln beschäftigen musstest, um sie auf stimmige Weise einfließen lassen zu können?
Absolut. Ich mache gerade eine Ausbildung auf einer Fachhochschule für MultiMediaArt und Audio und da nutzte ich die Gelegenheit, mich wissenschaftlich mit dem Konzept „Alpine Metal“ genauer auseinanderzusetzen. Dabei habe ich einiges an Recherche betrieben im Bereich Heavy Metal sowie österreichischer Volkskultur und Brauchtum. Dabei habe ich viele spannende Aspekte entdeckt, die ich sogleich bei VINSTA eingeflochten habe, sei es in musikalischer oder theoretischer Hinsicht. Ich möchte mich im Rahmen des Studiums auch weiterhin wissenschaftlich mit der Entwicklung von „Alpine Metal“ auseinandersetzen.

Das Album erzählt eine Geschichte, die nach meinem Verständnis eine Art Selbstfindungsreise behandelt und, wie der Albumtitel schon verrät, auch mystische Elemente beinhaltet. Kannst du uns etwas genauer schildern, worum es in den Texten geht?
Genau, das Album handelt von einem Protagonisten, dem „Oafochn Loda“, der durch eine alpine Winterlandschaft wandert und dabei der wilden und rauen Natur ausgesetzt ist. Er erlebt immer wieder wegweisende Momente und begegnet Wesen, die im Album als „Drei Deita“ bezeichnet werden. Da es sich um ein Konzeptalbum handelt, zieht sich diese Geschichte von Anfang bis zum Schluss durch und der Protagonist erfährt am Ende eine narrative Wendung, die viel Spielraum für eigene Interpretationen lässt. Diese gesamte Geschichte kann man auch als Metapher für eine Selbstfindungsreise betrachten; im echten Leben gibt es ja auch immer wieder wegweisende Momente, welche zu Erkenntnissen führen.

Der Albumtitel bezieht sich auf drei weissagende Figuren in Tiergestalt, die in den Texten erwähnt werden. Hast du dich hierfür konkret von Mythen oder Sagen inspirieren lassen oder hast du die „Drei Deita“ vollkommen unabhängig erdacht?
Prinzipiell ist die Geschichte fiktiv, aber natürlich findet man viele Parallelen zu den Motiven in unseren Mythen und Sagen. Auch die Umgebung und die Landschaft, die in den Songs beschrieben werden, stammen aus meiner eigenen Erinnerung, da ich selber gerne an rauen Wintertagen im Wald und in der Natur im meterhohen Schnee herumwanderte. Das ist für mich eine ganz besondere Stimmung und war auch eine große Inspirationsquelle für dieses Album. Die „Drei Deita“ werden ja als Rabe, Fuchs und Reh dargestellt und da kann ich auch verraten, dass ich mich dabei von dem Film „Antichrist“ von Lars von Trier inspirieren lassen habe, wo diese drei Tiere als die „Drei Bettler“ in der Handlung auftauchen.

Dass die Platte eine wohlüberlegt aufgebaute, abgeschlossene Geschichte erzählt, hört man den Songs auch musikalisch deutlich an. War es schwierig, die Tracks derart gezielt entlang des Spannungsbogens zu arrangieren und zu platzieren?
„Drei Deita“ ist mein erstes Konzeptalbum und ich habe dabei zuerst die Geschichte und die Handlungen geschaffen und dann die Songs darauf aufgebaut. Diese Vorgehensweise war für mich sehr spannend und ich habe mich auch viel leichter getan, eine Dramaturgie durch das ganze Album zu ziehen. Darum funktioniert das Album auch am besten, wenn man sich alles von Anfang bis Ende durchhört. Beim Songwriting hatte ich also ständig Bilder und Stimmungen im Kopf, die ich dann auch gut musikalisch umsetzen konnte. Ich bin generell ein Fan von dieser Methode, denn wenn man sich in diese Stimmungen vertieft, entstehen manchmal Resultate, die vom Unterbewusstsein stark geprägt werden. Und dieser Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein ist übrigens auch ein Teil des Konzeptes.

Konträrerweise beginnt „Drei Deita“ mit dem Intro „Ausklong“ und endet mit dem Outro „Einklong“. Kann man sich das Album demnach als Zyklus vorstellen, dessen Ende zugleich der Anfang ist?
Diese Bezeichnungen sind bewusst so gewählt und haben auch ihren Sinn in der Geschichte. Mehr möchte ich aber nicht verraten.

Obwohl ihr „Tiafn“ als das Kernstück des Albums bezeichnet habt, war „Oafocha Loda“ der erste Track, der mitsamt Musikvideo zur Gänze veröffentlicht wurde. Warum habt ihr euch diesbezüglich gerade für diesen Song entschieden?
Das war zum einen ein ganz pragmatischer Grund: weil die Songlänge sich sehr gut angeboten hat. Zum anderen aber auch, weil die Nummer eine schöne Dramaturgie besitzt und das Album mit all seinen Facetten gut verkörpert. Ich wollte dieses Mal ein Musikvideo, in dem die schwerere Seite von VINSTA rüberkommt.

Für das Artwork der Platte hast du diesmal keine Landschaftsfotografie, sondern ein von Irrwisch kreiertes Bild verwendet. Aus welchem Grund wolltest du diesmal etwas Malerischeres als Cover haben?
Das Konzept für „Drei Deita“ ist vielschichtig und daher auch abstrakter, darum sollte es das Artwork auch sein. Alex von Irrwisch Artdesign hat dieses Prinzip perfekt umgesetzt: Auf den ersten Hinblick scheint das Bild sehr abstrakt zu wirken, doch je genauer man hinschaut, umso erzählerischer werden die Motive und es offenbaren sich auch immer mehr Details in einer zunehmenden Tiefe, die das Albumkonzept widerspiegeln.

Du erwähntest in unserem letzten Interview, dass du auch planst, eine Platte ohne Death-Metal-Elemente zu veröffentlichen. Kannst du diesbezüglich schon Genaueres verraten?
Nicht wirklich, weil ich selber noch nicht ganz schlüssig bin, wie der nächste Schritt in der Reise von VINSTA ausschauen soll. Aber ich vermute mal ganz stark, dass das nächste Album ähnlich wie „Drei Deita“ sein wird: Eine Verbindung aus Metal- und Nicht-Metal-Elementen, die den Alpine Metal noch besser verkörpern.

Nun, da ihr als Band agiert, plant ihr da auch Konzerte zu spielen?
Ja, absolut, da tut sich gerade sehr viel und aktuell gibt es den ersten bestätigten Auftritt auf dem Sommersonnenwend-Fest „House Of The Holy“ in Abtenau auf der Neudegg Alm. Für mich persönlich eine ganz besondere Gelegenheit, weil ich erstens in dieser Gegend aufgewachsen bin und ich zweitens die letzten Jahre immer wieder auf dem Festival vertreten war und auch teilweise mitgewirkt habe.

Kommen wir nun noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Pizzera & Jaus: Sind auf jeden Fall gschaider wia da Gabalier.
Botanist: Black Metal mit Hackbrett – beweist für mich wieder mal, wie viel Potential im Hackbrett eigentlich steckt.
Erderwärmung: Konsum- und Wegwerfgesellschaft gehört abgeschafft!
Paganismus: Meine erste Metalband war eine Pagan-Metalband…
Akkordeon: Ein schönes Instrument, v.a. wenn man auf Tango Nuevo steht.
Schicksal: Is a Hund!

An dieser Stelle nochmals vielen Dank für deine Antworten. Möchtest du den Lesern noch ein paar letzte Worte mit auf den Weg geben?
Vielen Dank an alle, die VINSTA supporten! Wir freuen uns immer über Feedback und hoffen auf ein baldiges Treffen auf einem unserer Konzerte.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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