Mit dem hörbar vom isländischen Black-Metal-Stil beeinflussten, jedoch erfrischend eigenständigen „Aura Aeternitatis“ hat VÁSTÍGR ein beeindruckendes Debütalbum vorgelegt. Woher das innige Verhältnis des Projekts zur isländischen Szene rührt, weshalb melodisch nicht immer gleich besser ist und wie wichtig dem österreichischen Einzelmusiker die Anerkennung für sein Schaffen ist, lässt sich im folgenden Interview mit Mastermind Þ nachlesen.
Guten Tag! Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es dir momentan?
Servus, vielen Dank für dein Interesse an VÁSTÍGR! Mir geht es großartig, ich bin froh, dass „Aura Aeternitatis“ nun in aller Würde durch Avantgarde Music veröffentlicht wurde, und die Reaktionen waren bisher überwältigend.
Mit VÁSTÍGR spielst du atmosphärischen Black Metal in Form eines Soloprojekts. Was hat dich dazu animiert, dieses Projekt zu gründen und im Alleingang zu führen?
Ursprünglich war „Aura Aeternitatis“ als Nachfolgealbum für meine alte Band Hāg geplant. Dass es ein eigenständiges Projekt werden sollte, entschied ich erst im Studio, da durch den Aufnahmeprozess für mich signifikante Unterschiede klar wurden und es einfach nicht mehr zum alten Namen gepasst hätte. VÁSTÍGR ist für mich eine sehr persönliche Angelegenheit, daher ist es mir wichtig, hier maximale Freiheit und Unabhängigkeit zu haben. Zudem kommt die geographische Distanz zu den Sessionmitgliedern KH und I, und der Umstand, dass beide in weiteren Bands aktiv sind, dazu.
Welcher Aspekt der Arbeit als Einzelmusiker ist für dich mit den größten Schwierigkeiten verbunden?
Es ist ein Fluch und ein Segen. Einerseits ist man komplett unabhängig in allen Entscheidungen, andererseits ist man mit allem Drumherum wie etwa organisatorischen Angelegenheiten und natürlich auch was das Finanzielle angeht weitgehend auf sich alleine gestellt.
Noch bevor du mit VÁSTÍGR überhaupt Musik veröffentlicht hattest, warst du bereits Teil des Line-ups des Ascension Festivals in Island. Wie kam es dazu?
Da Stephen Lockhart sowohl Betreiber des Studio Emissary als auch Veranstalter des Ascension Festivals ist, führte eines zum anderen. Als ich bei ihm im Studio war, erwähnte er bereits seine Pläne für das Ascension und es war von Anfang an mein Traum, dort teilzunehmen. Er sagte bereitwillig zu, als ich ihn diesbezüglich fragte, und der Rest ist Geschichte.
Wie haben die Leute auf eure Show reagiert, wo ihr doch praktisch keine Vorlaufzeit hattet und viele sicherlich nicht abschätzen konnten, was von euch zu erwarten war?
Das stimmt, die Arbeiten am Album selber sind tatsächlich erst wenige Wochen vor dem Festival abgeschlossen worden, somit war ich froh, überhaupt eine Single im Vorfeld veröffentlichen zu können! Aber ich denke, dass Besucher eines Festivals wie dem Ascension generell offen für Neues sind und sich auch eine gewisse Qualität vom Line-up erwarten. Es war eine unglaubliche Erfahrung und ein Riesenerfolg, die Reaktionen sind sehr positiv ausgefallen.
Im September 2019 hast du mit „Aura Aeternitatis“ dann schließlich dein Debütalbum veröffentlicht. Darauf sind Gastbeiträge von Kjartan Harðarson und Kristján Jóhann Júlíusson (beide Cult Of Lilith) zu hören und produziert wurde es von Stephen Lockhart – die Bezüge zu Island sind also offensichtlich. Woher kommt deine Verbindung zu der dortigen Szene?
Ich wollte das Album von Anfang an im Studio Emissary aufnehmen. Die Idee kam mir zum ersten Mal nach meinem Besuch des Oration Festivals 2017, da ich von der isländischen Szene und dem einzigartigen Sound sehr beeindruckt war. Zudem suchte ich zu dieser Zeit neue Mitmusiker, da die anderen Mitglieder von Hāg kurz davor abgesprungen waren. Ich war bereits damals mit MK (zu der Zeit noch bei Draugsól, mittlerweile bei Kaleikr) befreundet, durch den ich KH kennenlernte. Ich war von seinem Schlagzeugstil begeistert und wollte ihn unbedingt dabeihaben. Durch ihn kam dann noch I am Bass dazu. Natürlich gilt auch als wichtiger Faktor, dass ich mich seit jeher zu den skandinavischen Ländern hinzugezogen fühle und nicht umsonst einen Abschluss in Skandinavistik habe.
Nach dem digitalen Release gab es im Februar 2020 dann noch einen physischen Release über Avantgarde Music. Hattest du von Anfang an geplant, das Album später auch noch auf CD und Vinyl herauszubringen oder fiel die Entscheidung erst später?
Ein physisches Release durch ein gutes Label war mir extrem wichtig, denn als Fan bevorzuge ich persönlich auch physische Formate. Da allerdings bis Herbst keine Zusammenarbeit mit einem Label zustande kam und ich einen gewissen Druck spürte, das Album zu veröffentlichen, entschloss ich mich zunächst für einen rein digitalen Release. Es erwies sich als die richtige Entscheidung, da dank ihr Avantgarde Music auf VÁSTÍGR aufmerksam geworden ist, wo ich seitdem unter Vertrag bin.
Hast du den Eindruck, dass die Platte durch den Release über ein Label nachträglich mehr Aufmerksamkeit bekommen hat?
Definitiv! Avantgarde ist ja auch ein großes Label mit einer langen Geschichte und hohem Bekanntheitsgrad. VÁSTÍGR konnte dank der bisherigen Zusammenarbeit eine signifikant größere Reichweite erzielen als davor.
Wie wichtig ist es dir, mit deiner Musik mehr Leute zu erreichen?
Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir nicht wichtig ist. Natürlich mache ich in erster Linie für mich selber Musik, allerdings bin ich überzeugt, dass jeder, der in irgendeiner Form Kunst schafft, sich Anerkennung durch andere erhofft, auf welche Art auch immer. Wozu sollte man sich sonst die Mühe machen, etwas zu veröffentlichen?
Kommen wir auf das Album an sich zu sprechen: Obwohl ich meine, ein paar Parallelen zum isländischen Black-Metal-Stil herauszuhören, wirkt „Aura Aeternitatis“ doch erfrischend eigenständig. Was genau war vorweg dein künstlerisches Ziel für die Platte?
Mir war es vor allem wichtig, mir selber beim Songwriting keine Grenzen zu setzen, sondern so frei wie möglich meine persönliche Vision von Black Metal zu verwirklichen. Ich habe dabei so weit wie möglich auf Selbstvergleiche mit anderen Bands verzichtet, ein Fehler, der mir davor oft unterlaufen ist, und bewusst vermieden, einen bestimmten Sound zu erzielen, sondern das ganze Album auf natürliche Weise wachsen lassen. Mein Ziel war es, eine Verbindung aus Melancholie, kalter Raserei und Epik zu erzeugen.
Vor allem ist deine Musik sehr melodisch und weniger chaotisch und surreal, als man es von Bands wie Svartidauði kennt. Denkst du, dass Melodien und klare Strukturen im Black Metal manchmal zu kurz kommen?
Ganz und gar nicht. Ich denke vielmehr, dass eher das Gegenteil der Fall ist, meiner Meinung nach ist der Markt an melodischen Bands fast schon gesättigt und es klingt in vielen Fällen oft uninspiriert und erzwungen. Ich höre selber seit längerem vorzugsweise „chaotischere“, abstraktere, surrealere Musik wie Deathspell Omega oder Wormlust oder eben auch Svartidauði, wobei deren letztes Album auch sehr viel Melodie aufweist. „Aura Aeternitatis“ hat tatsächlich einen recht melodischeren Charakter, da das für meinen künstlerischen Ausdruck in diesem Kontext am passendsten erschien. Ich schließe es allerdings nicht aus, in Zukunft das melodische Element zu reduzieren, je nachdem, wie es sich in zukünftige Konzepte und Klangbilder einfügen wird, auch wenn es vermutlich immer bis zu einem gewissen Grad dabei sein wird. Ich halte nichts davon, um jeden Preis melodische Songs zu schreiben, es muss einfach zur Musik passen, darauf kommt es letztendlich an.
Aufgrund des fortschrittlichen Sounds deiner Musik könnte man sie wohl auch als Progressive oder Post-Black Metal ansehen. Wie stehst du zu derartigen Kategorisierungen?
Mir ist die genaue Genrebezeichnung nicht so wichtig, das überlasse ich gerne anderen. „Aura Aeternitatis“ wird überwiegend als Atmospheric Black Metal bezeichnet, aber ich denke, dass Progressive oder Post-Black Metal nicht unpassend sind, wobei ich von letzterem ehrlich gesagt kein großer Fan bin, auch wenn diese Klassifizierung sicher ihre Berechtigung hat.
Ich habe den Eindruck, dass die Songs deines Debütalbums technisch ziemlich anspruchsvoll sind. War es mitunter eine Herausforderung für dich, die Songs zu spielen und aufzunehmen?
Es gab auf jeden Fall einige spielerisch anspruchsvollere Passagen, doch da ich die Songs vor den Aufnahmen intensiv geübt habe, gab es eigentlich kaum Schwierigkeiten beim Einspielen. Ich denke, dass die größte Herausforderung die Umstellung auf fremde Instrumente war, da ich nicht meine eigene Gitarre dabei hatte, sondern Stephen mir welche zur Verfügung stellte.
Aus meiner Sicht ist dein Gitarrenspiel auf „Aura Aeternitatis“ an manchen Stellen etwas roh. Sind das gewollte Ecken und Kanten oder siehst du bezüglich deiner Performance selbst noch Luft nach oben?
Meiner Meinung nach können gerade im Black Metal vereinzelte Ecken und Kanten durchaus auch zum Charme eines Albums beitragen, auch wenn man sich immer um eine bestmögliche Performance bemühen sollte. Als Musiker kann man sich aber natürlich immer verbessern und weiterentwickeln.
Bist du ansonsten auch vollkommen zufrieden mit dem Album oder würdest du inzwischen etwas anders machen?
Vermutlich würde man im Nachhinein wohl immer einige Aspekte ein wenig anders machen, aber in diesem Fall wären es maximal unbedeutende Kleinigkeiten. Ich bin mit dem Endergebnis wirklich sehr zufrieden! Stephen hat bei der Produktion ganze Arbeit geleistet und aus dem Album das Bestmögliche herausgeholt.
Da ich davon ausgehe, dass du mit VÁSTÍGR nicht deinen Lebensunterhalt verdienst und du mit dem Projekt bislang kaum live aufgetreten bist, könnte man meinen, dass dich die aktuellen Maßnahmen gegen das Coronavirus im Gegensatz zu vielen anderen Musiker nicht so arg treffen. Trügt da der Schein?
Leben kann ich soweit tatsächlich nicht von der Musik, ich habe nebenbei meinen Brotjob. Da für diese Zeit ohnehin keine Auftritte geplant waren, ist es schwierig zu sagen, wie weit sich die Maßnahmen auswirken. Ich denke, das wird sich dann deutlicher im Nachhinein herauskristallisieren. Einerseits kann ich mir gut vorstellen, dass in Zeiten der Isolation Leute eher gewillt sind, sich neue Musik zu kaufen, andererseits haben viele aufgrund der Umstände wie Jobverlust oder Kurzarbeit weniger Geld zur Verfügung.
Wie wird es mit VÁSTÍGR weitergehen? Hast du womöglich schon Ideen für ein zweites Album?
Ich habe tatsächlich schon das nächste Album von den Grundstrukturen her fertig geschrieben und hoffe, es im Laufe des nächsten Jahres aufnehmen zu können. Abgesehen davon sind für 2021 wieder Live-Aktivitäten in Planung, dazu kann ich aber im Moment noch nichts Näheres verraten.
Du spielst neben VÁSTÍGR auch noch in ein paar anderen Bands – zum Beispiel in den meines Wissens noch im Ruhemodus befindlichen Hāg. Ist für diese anderen Projekte auch in absehbarer Zeit etwas geplant oder möchtest du dich vorerst ganz auf VÁSTÍGR konzentrieren?
Mein Fokus liegt bei VÁSTÍGR, bzw. meiner zweiten Hauptband Ill Tidings, wo nun auch das Debütalbum vor kurzem fertig geworden ist und in den Startlöchern steht. Darüber hinaus bin ich bei In Crucem Agere tätig, wo wir an einer EP arbeiten, und ich habe nebenbei ein Projekt namens Farawisa, wo ich auch noch für dieses Jahr die erste Veröffentlichung plane.
Bei Hāg wird es zumindest in nächster Zeit definitiv kein Lebenszeichen geben, aber ich möchte auch nichts völlig ausschließen.
Zum Abschluss würde ich mit dir gerne noch ein kurzes Brainstorming durchgehen. Was kommt dir zu den folgenden Begriffen in den Sinn?
Perfektionismus: Ein notwendiges Übel.
Post-Rock: Höre ich nicht wirklich.
Österreichische Metalszene: Viele großartige Bands.
Musik-Streaming: Praktisch und kaum wegzudenken.
Sommer: Zu heiß.
Online-Konzerte: Coole Idee in Zeiten von Corona, wenn auch längerfristig kein adäquater Ersatz für echte Gigs.
Nochmals ein Dankeschön für deine Antworten. Möchtest du noch ein paar letzte Worte an die Leser richten?
Vielen Dank an alle, die VÁSTÍGR bisher in irgendeiner Form unterstützt haben, es bedeutet mir alles.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.