Mit „Two Carrion Talismans“ haben VALDRIN ein Melodic-Black-Metal-Album der etwas anderen Art veröffentlicht: Neben dem subtilen Einsatz der Keyboards zeichnet sich die Platte auch durch den eigens dafür geschaffenen Mythos aus. Im Interview mit Frontmann Carter Hicks könnt ihr mehr über das Konzept des Albums, dessen bewusst raue Produktion und die besonderen Charakteristika der Musik lesen.
Mit VALDRIN spielst du melodischen Black Metal. Was ist deiner Meinung nach ein Charakteristikum, das eure Musik zu etwas Besonderem macht?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir eine Melodic-Black-Metal-Band sind oder nicht. Wir sind allesamt Fans von schwedischen Bands wie Dissection, Dawn, Sacramentum, Unanimated usw., aber es gibt viele andere Einflüsse und Sounds, die wir in unsere Musik einbringen. Wenn es etwas an unserer Musik gibt, das uns auszeichnet, dann vielleicht die Tatsache, dass unsere Alben sehr dynamisch sind und viele verschiedene Stimmungen abdecken. Ein weiterer Aspekt wären die Texte des „Ausadjur Mythos“, wie wir es nennen. Ich würde zumindest hoffen, dass die Leute die Texte lesen und die Geschichte interessant finden.
Welche Bands und Künstler würdest du benennen, wenn man dich nach deinen Vorbildern fragt?
Bands wie Bathory, Peste Noire, Dissection, Manes, Mütiilation, Destruction, The Chasm, Order From Chaos, Morbid Angel sind Bands, die meine Meinung über Musik und Gitarrenspiel geprägt haben. Auch die Musik von Nobuo Uematsu und Pink Floyd war von Anfang an Teil meines Lebens.
Mit eurem neuen Album „Two Carrion Talismans“ erzählt ihr die Geschichte eures Protagonisten VALDRIN weiter. Könnt ihr uns kurz zusammenfassen, wovon es handelt?
Sorry, ich muss dich korrigieren, dieses Album handelt eigentlich von dem Antagonisten Nex Animus und seiner Schöpfung der Orcus-Unterwelt, wo die Ereignisse, die zu „Beyond The Forest“ führten, später stattfinden. Also ja, um das klarzustellen, dieses Album ist die Vorgeschichte zu „Beyond The Forest“ und handelt ausschließlich von Nex.
Die Geschichte beginnt in prähistorischen Zeiten am Ende von Nex‘ irdischem Leben, als er sich die Kehle durchschnitten hat, nachdem er seinen Zwillingsbruder vor einem Stamm ihrer Sippe getötet hat. Diese beiden Brüder, die der Welt unbekannt sind, sind die ersten Wesen, die mit einem „Geistergenom“ geboren wurden, von denen eines aus dunkler Energie und eines aus Licht besteht. Die Folge dieses Konflikts ist die Schöpfung von zwei Nachwelten, wobei die dunkle Welt Orcus und die helle Welt Aurea ist.
Nach seinem Tod erwacht Nex im desolaten Reich des Orcus, dort wird er von einer mysteriösen, universellen Kraft namens Ausadjur gefunden, die ihm den Namen „Nex Animus“ verleiht. Diese Geister verleihen ihm göttliches Recht und führen ihn in das Gebiet ein, das er für die Ewigkeit regieren wird. Nach Jahrhunderten der Meditation und der Überwachung des Orcus kommt er mit einer anderen unbekannten Kraft aus dem tiefen Kosmos in Kontakt und erfährt von einem geheimen Schlüssel, mit dem er die Ausadjur-Götter zu täuschen und im Moment der Apokalypse ins Universum zu fliehen vermag. Es gibt aber noch viel mehr in den Texten zu entdecken.
Wie wichtig sind dir die Texte im Vergleich zur Musik selbst?
Die Texte sind ebenso wichtig. Das Konzept jedes Albums bestimmt, wie wir die Musik zusammen schreiben, und dann erzählt die Musik wiederum, was in der Geschichte passiert, und ich versuche, diese abstrakten Ideen in irgendeiner Weise nachvollziehbar zu schreiben.
Eure Geschichten beinhalten Einflüsse von verschiedenen Mythologien, richtig? Welche sind das zum Beispiel und inwiefern habt ihr euch daran orientiert?
Viele Dinge sind von den sumerischen, ägyptischen, griechischen und römischen Mythologien inspiriert. Es gibt einige östliche Konzepte, die sich im „Ausadjur-Mythos“ widerspiegeln, aber in viel geringerem Ausmaß. Natürlich beziehen wir eine Menge Inspiration aus westlichem Okkultismus. Einige Beispiele für diese Inspirationen wären das Wort „Orcus“, von dem viele wissen, dass es auch das römische Äquivalent des Hades oder der Unterwelt ist. Andere wären das Ereignis, das wir Junnatox nennen, das viele alte religiöse Konflikte von Set und Osiris bis Kain und Abel widerspiegelt. Der Gott, der als Wyrmuul oder die „Schlangenweide“ bekannt ist, ist unsere Darstellung Luzifers. Die meisten dieser Verbindungen werden jedoch erst hergestellt, nachdem die Geschichte eines jeden Albums abgeschlossen ist. Es kommt meistens alles aus meiner Vorstellungskraft, aber wenn man an das kollektive Unbewusste glauben will, kanalisieren und manifestieren wir manchmal alle Visionen unserer Vorfahren. Aber die meisten von uns sind sich dessen sowieso nicht bewusst, und ich denke nicht immer daran, wenn ich die Musik und Texte schreibe.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, nicht einfach über herkömmliche Themen zu singen, sondern eine eigene fiktive Welt zu kreieren?
Am Anfang war es nicht bewusst. Die gesamte Musik und die meisten Texte für das Debütalbum „Beyond The Forest“ entstanden, bevor wir den „Ausadjur Mythos“ kreiert haben. Ursprünglich stammten die Texte aus Visionen einer dunklen Unterwelt, die ich im Kopf hatte. Erst als ich die Songs für das erste Album zusammenstellte, wurde mir klar, dass es eine tiefgründige Geschichte erzählt. Danach schrieb ich den Song „Beyond The Forest“ und da erschien mir der ganze Mythos vor meinen Augen und ich wusste, dass er das war, worauf unsere Musik von da an basieren würde.
Ziehst du in Betracht, irgendwann auch andere Themen in euren Texten zu behandeln oder habt ihr noch viele Geschichten aus eurer fiktionalen Welt zu erzählen?
In Zukunft wird es viele Werke, die aus dem „Ausadjur Mythos“ herrühren, geben. Die Geschichte von Valdrin, beginnend mit „Beyond The Forest“, wird Teil einer Trilogie von Alben sein, auf die wir eines Tages zurückkommen werden. Die Geschichte wird zweifellos auch eines Tages enden, und ich habe nicht darüber nachgedacht, was danach passieren wird.
Euer neues Album ist merklich kürzer als euer Debüt „Beyond The Forest“. Hat das einen bestimmten Grund?
Ursprünglich wollten wir mit „Two Carrion Talismans“ eine EP machen, aber nachdem wir uns in das Konzept vertieft hatten, wussten wir, dass der Charakter Nex ein ganzes Album benötigte, um seine Geschichte zu erzählen. Von Anfang an wussten wir, dass es sich bei dem Album um einen kürzeren und traditionelleren Ansatz hinsichtlich Struktur und Länge handeln würde.
In welchen Aspekten habt ihr euch deiner Meinung nach als Band gegenüber eurem Debüt weiterentwickelt?
Die Musik für das neue Album ist ekliger, heavier, schneller und erzeugt eine viel dunklere Atmosphäre. Ich glaube auch, dass es einen viel besseren Fluss als das Debüt hat und eine ebenso überzeugende Story in kürzerer Zeitdauer erzählt.
Den Track „Sinews Of Blood And Vein“ konnte man sich bereits vorab online anhören. Warum habt ihr gerade diesen Song als Vorgeschmack ausgewählt?
Wir haben den Song gewählt, weil er eine richtige Abrissbirne ist, er ist der kürzeste Song und enthüllt auch das Wenigste von dem, was der Rest des Albums mit sich bringt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Alben im Symphonic und Melodic Black Metal, die ziemlich aufpoliert klingen, ist „Two Carrion Talismans“ recht schroff produziert. War das so bewusst von euch beabsichtigt?
Die Produktion des Debütalbums war zu sauber und wir wollten etwas Organischeres, aber dennoch Kraftvolles. Ich glaube nicht, dass wir allzu „symphonisch“ klingen. Fast alle Synthesizer-Sounds, die man hört, sind eigentlich Gitarren-Synthesizer-Sounds, die mit einer Roland GR-20 gemacht wurden. Wir verwenden primitive Synthie-Sounds, weil sie in unseren Ohren einen nostalgischen, älteren Klang erzeugen. Ich sehe uns sicherlich nicht in der gleichen Kategorie wie die meisten sinfonischen Black-Metal-Bands. Die Klänge, die wir verwenden, sind primitiver und dezenter.
Das Artwork sieht ziemlich interessant aus. Wer hat es kreiert und was ist darauf abgebildet?
Es wurde von unserem Freund Lucas Ruggieri entworfen, der heute einer meiner absoluten Lieblingskünstler ist. Das Cover des Albums zeigt Nex im Vordergrund und seine Vision von sich selbst in der Reflexion. Es zeigt, die beiden Archetypen, die meiner Meinung nach einen Bösewicht ausmachen können: einer, der durch ein vergangenes Trauma oder eine wahrgenommene Ungerechtigkeit geschaffen wird, und einer, der von Geburt an böse ist, aufgrund der DNA oder des „Geistergenoms“. Nex sieht sich in der Reflexion als grandioser königlicher Gott des Bösen, dessen einzige Bestimmung es ist, zu zerstören, obwohl man im Vordergrund einen schwachen alten Mann sieht, der die Narben seiner vergangenen Qualen trägt. Die „Two Carrion Talismans“ sind die toten Augen der Wolfsklinge, die er schwingt. Sowohl das Albumcover als auch der Titel spiegeln das Thema der Dualität wider.
Wie sieht es bei euch mit Live-Shows aus? Könntet ihr euch vorstellen, auch mal Shows in Europa zu spielen?
Wir planen derzeit, so viel wie möglich in den USA zu spielen. In Europa zu spielen ist ein großer Traum von uns. Wir hoffen, dass unser Label Blood Harvest dazu beitragen kann, unsere Musik in Europa zu verbreiten.
Was ist sonst noch als nächstes für VALDRIN geplant? Habt ihr schon eine Idee, was ihr auf eurer nächsten Platte umsetzen wollt?
Im Moment arbeiten wir an einer Mini-LP, die eine Nebengeschichte zwischen den Ereignissen von „Beyond The Forest“ und „Two Carrion Talismans“ und die letzte Geschichte im Orcus sein wird. Es wird das dichteste Konzept sein, das wir je geschaffen haben, und bei weitem das düsterste, furchterregendste und hasserfüllteste.
Nun würde ich mit dir gerne noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Comics: Bin kein Fan davon.
Derzeitiges Lieblingsalbum: Katharsis – „VVorldVVithoutEnd“ und Grav – „Projektioner Af Dod“
Klargesang: Heavy Metal
Politik: Machiavelli
Mystizismus: Verborgene Wahrheit
VALDRIN in fünf Jahren: Ziele erreicht, neue Reiche erobert.
Zum Abschluss nochmals vielen Dank für deine Antworten. Die letzten Worte würde ich gern dir überlassen:
Vielen Dank für das Interview, vielen Dank an alle, die ihre Unterstützung für „Two Carrion Talismans“ bekundet haben.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.