Interview mit Christian Kolf von Valborg

Trotz ihres eher behäbigen Stils gehören VALBORG ohne Frage zu den rohesten Bands, die der deutsche Metal hervorgebracht hat. Das neueste Album der Bonner, „Der Alte“, stellt da keine Ausnahme dar – im Gegenteil. Mit Gitarrist Christian Kolf sprechen wir über die drastisch gekürzte Tour mit Mantar, grelle Albumcover und ihre spontane Lust auf Ballersongs.

Euer Album „Romantik“ hat drei Jahre benötigt, ansonsten habt ihr nie länger als zwei Jahre ohne Album verstreichen lassen. Diesmal waren es drei – woran hat es gelegen?
Letztendlich hat die Pandemie das Ganze einfach ziemlich in die Länge gezogen. Wir konnten nicht so regelmäßig proben und die Termine fürs Aufnehmen haben sich auch ständig verschoben.

Inwiefern hat die Pandemie „Der Alte“ ansonsten beeinflusst?
Musikalisch nicht sonderlich, da alle Songs vorher geschrieben wurden. Auch die Texte wurden vorher geschrieben. Aber ich würde sagen, bei den Gesangsaufnahmen schon irgendwie subtil. Es war ja eine recht beklemmende Zeit. Wir hatten zwar schon vor der Pandemie vor, diesmal etwas extremere Vocals zu machen, aber wir wussten nicht so richtig, wie. Als wir den Gesang dann aufgenommen haben, nach eineinhalb Jahren Pandemie, war da doch relativ viel, was einfach raus musste und dementsprechend haben wir richtig Gas gegeben, als wir eingesungen haben.

Valborg - Der AlteDas Erste, was an „Der Alte“ auffällt, ist das Cover – ihr hattet jetzt vier Alben lang das Farbkonzept Schwarz-Rot-Weiß – steckt in dem Farbwechsel eine Aussage?
Wir wollten diesmal eine andere Farbe mit ins Spiel bringen, eine Aussage verbirgt sich dahinter aber nicht. Jan (Buckard, Gesang u. Bass – a. d. Red.) hat das Cover entworfen. Es gab noch einige andere Entwürfe, wir haben uns dann gemeinsam für dieses Motiv entschieden, weil es einfach fett aussieht.

Wenn wir gerade über Cover sprechen: Prophecy Productions hat eure ganzen alten Alben neu aufgelegt, und alle haben dabei ein optisches Make-over verpasst bekommen. Ich verstehe den Wunsch nach einem einheitlichen Stil – aber verlieren die Alben damit nicht einen wesentlichen Teil ihres Charakters?
Die neuen Artworks gibt es ja nur exklusiv für die Box. Das kann man dann schon machen. Da wollten wir etwas Homogenes und was Neues. Wer die alten Artworks lieber mag, davon gibt es ja immer noch CDs. (lacht)

VALBORG 2022; © Peter Sawicki
VALBORG 2022; © Peter Sawicki

Ich empfinde „Der Alte“ als euer rohestes, aggressivstes Album. Auffällig ist auch, dass die Songs im Mittel alle deutlich kürzer sind als früher. Wie kam das?
Wir hatten in erster Linie Spaß daran, als Band diese Songs zu spielen. Am Anfang haben wir irgendwie herausgefunden, dass wir jetzt unter anderem auf einmal Lust auf Ballersongs mit simplem Arrangement von ein bis zwei Minuten haben. Das hat sich für uns irgendwie frisch angefühlt. Wir wollen ja gerne bei jedem Album etwas anderes machen, deswegen war es eine bewusste Entscheidung. Die Songs sind auch sehr schnell entstanden. Meistens innerhalb von einer Stunde.

Welche Emotionen verbindest du mit dem Album?
Meine Emotionen schwanken zwischen positiver Aggression und totaler Niedergeschlagenheit, die sich als Wut geäußert hat.

„Nekrodepression“ hattet ihr live aufgenommen. Wie seid ihr bei „Der Alte“ vorgegangen, und was hat euch zur Entscheidung für diese Vorgehensweise gebracht?
Wir hatten eigentlich geplant, das Album wieder live aufzunehmen, aber da kam uns die Pandemie in die Quere. So hat Florian (Toyka, Schlagzeug – A. d. Red.) die Drums alleine aufgenommen, ohne Click und alles aus dem Kopf gespielt, was gut für die Dynamik war. Danach kam der Bass, dann die Gitarren. Zum Schluss der Gesang.

Gerade bei eurem Stil ist der Sound ein entscheidender Faktor – und der unterscheidet sich ja je nach Medium. Ist „Der Alte“ eher für Vinyl ausgelegt, für CD oder Stream? Oder habt ihr unterschiedliche Mixes angefertigt?
An so was haben wir gar nicht gedacht. Wir haben alles aufgenommen und Markus Siegenhort hat den Rest gemacht. Der hat irgendwie mit dem, was wir ihm bieten können, eine Produktion gefahren und das Bild zu Ende gemalt.

VALBORG 2022; © Matthias Sandmann
VALBORG 2022; © Matthias Sandmann

Wie würdest du „Der Alte“ hören – also in welcher Lebenssituation und in welchem Format?
Wahrscheinlich über Spotify und Kopfhörer. Wahrscheinlich wenn ich in der Bahn sitze. Wahrscheinlich wenn ich sehr viel Druck in mir spüren würde.

„Der Alte“ ist seit „Crown Of Sorrow“ das erste Album mit einem Titel aus mehr als einem Wort. Warum ist „Der Alte“ der perfekte Titel für dieses Album?
Gute Frage. Wir hatten den Titel schon früh parat und irgendwann kam der Tag, da hat sich der Titel genau richtig angefühlt. Dann kann man davon auch nicht mehr ab und der Film startet. Also weil wir dieses Gefühl hatten, ist es der perfekte Titel für das Album.

Würdest du das Textwerk als zusammenhängend beschrieben, ist es also ein Konzeptalbum – und wenn ja: worüber? Wer ist „der Alte?
Kryptisch, xenomorphisch, paranormal. Nein, es ist kein Konzeptalbum. Also nicht mehr und nicht weniger als unsere anderen Alben. Ich finde es schwierig, darüber was zu sagen. Bei uns passieren die Sachen, weil sie sich richtig anfühlen. Jeder in der Band hat seinen eigenen Bezug zu den Lyrics. Ich verbinde mit ganz vielen Zeilen sehr persönliche Dinge und irgendwie haben die Zeilen dort auch ihren Ursprung. Da geht es aber auch sehr viel um unsere Sci-Fi-Fantasien, die wir ausleben. Wenn es fett ist und ballert, dann ist es richtig. Dafür macht man ja Metal. Man kann alles so wunderbar verpacken und schön rumbrüllen. Wir sagen doch nicht, was wirklich los ist. (lacht)

Ihr seid mit dem Album vom Prophecy-Sublabel Lupus Lounge zu Prophecy gewechselt. Welchen Unterschied macht das für euch?
Das hab ich gar nicht so richtig mitbekommen. Also ein Zeichen dafür, dass es keinen Unterschied für uns macht. Wir sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Prophecy. Alles liebe Leute, alles easy, alles super professionell. Da bleibt viel Platz, um sich über die Sachen auch zu freuen.

VALBORG 2022; © Peter Sawicki
VALBORG 2022; © Peter Sawicki

Geplant war eine große Tour mit Mantar, es wurde dann aber nur eine kleine Tour, da diverse Shows gestrichen werden mussten. Inwieweit wart ihr in die Absagen involviert beziehungsweise wie habt ihr davon erfahren?
Da wurden ein paar Konzerte abgesagt, wir waren da aber nicht involviert. Wenn uns Mantar fragen, sind wir dabei. Hanno und Erinç sowie deren ganze Crew sind einfach tolle Menschen. Wir sind ja gerade mit denen unterwegs und wir sind überglücklich, dass wir mit ihnen die Konzerte spielen können und überhaupt das alles gemeinsam erleben können.

Das Problem der geringen Nachfrage im Vorverkauf trifft anscheinend aktuell ja alle Bands und Veranstaltungen, die nicht Rammstein oder Wacken heißen. Wie erklärst du dir, dass solche – extrem teuren – Großveranstaltungen nach wie vor laufen, während mittlere und kleine Shows um jeden Besucher kämpfen müssen?
Das ist alles die Kettenreaktion der Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter geht. Und irgendwie alterzielgruppenabhängig. Wir werden älter. Hinter uns sind schon die neuen 20-jährigen. Die machen ihr eigenes Ding. Außerdem waren jetzt alle zwei Jahre lang zu Hause. Da wollen alle wieder spielen, es herrscht also auch gleichzeitig ein Überangebot. Und alle müssen auch erst mal wieder reinkommen. Aber kein Plan … das sind einfach jetzt die Nachwirkungen. Es wird sich schon hoffentlich alles wieder einrenken.

Wie kommen wir aus dieser Situation wieder raus? Oder siehst du keine Besserung, wird die ganze Branche auf einem niedrigeren Level weitermachen müssen?
Weiß ich nicht. Irgendwie so wahrscheinlich. Ein paar hören auf, ein paar wurschteln sich durch.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten. Zum Abschluss noch unser obligatorisches Brainstorming – was fällt dir zu folgenden Begriffen als erstes ein?
Podcasts: Hör ich.
Oktoberfest: War ich noch nie.
Facebook: Anscheinend still alive.
Ukraine: Ich denke vor allen Dingen an die Menschen dort, die dieser schrecklichen Sache ausgesetzt sind.
VALBORG in zehn Jahren: VALBORG 2032.

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