Interview mit 鬼 von Unreqvited

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Kaum mehr als ein Jahr nach dem Release des träumerisch schwelgenden, im Post-Rock angesiedelten „Mosaic I: L‘Amour Et L‘Ardeur“ stellte UNREQVITED diesem mit „Mosaic II: La Déteste Et La Détresse“ kürzlich ein weitaus pessimistischeres, jedoch nicht minder beeindruckendes Post-Black-Metal-Pendant gegenüber. Aus diesem Anlass haben wir uns wieder einmal mit 鬼, dem sympathisch-nahbaren Künstler hinter dem Projekt, in Verbindung gesetzt und ihm einige Fragen gestellt. Inwieweit ihm die Beziehung zu seinen Fans wichtig ist, warum er für die Veröffentlichung neuer Alben gerne das Label wechselt und weshalb seine Lieder vollkommen frei von Texten sind, könnt ihr unter anderem im folgenden Interview nachlesen.

Der Sound von UNREQVITED hat sich von Album zu Album deutlich verändert. Bist du rückblickend nach wie vor mit all deinen Veröffentlichungen vollauf zufrieden oder würdest du rückblickend einiges anders machen?
Ich denke, es wird rückblickend immer Dinge geben, bei denen ich mir wünsche, sie anders gemacht zu haben. Es gibt ein Sprichwort, das besagt: „Man beendet ein Album nie wirklich, man gibt es nur auf“. Ich glaube, das gilt für fast alle meine Veröffentlichungen. Ich saß immer da und modifizierte bzw. perfektionierte Teile eines Liedes, bis das Ganze völlig anders als meine ursprüngliche Vision wurde. Mittlerweile versuche ich, es mit meinem Perfektionismus nicht zu übertreiben und lasse die Dinge einfach „fertig“ werden, wenn es sich richtig anfühlt.

Dein Projekt ist mittlerweile ziemlich bekannt und du bist inzwischen bei Prophecy Productions, einem sehr renommierten Label. Da steigen natürlich die Erwartungen an dich. Fühlst du dadurch einen gewissen Druck?
Gelegentlich, wenn es um zeitkritische Dinge geht. Generell begrüße ich jeden Druck, solange die Musik von neuen Hörern gehört wird. Das ist für mich das Wichtigste. Im Allgemeinen komme ich unter Druck nicht gut zurecht, aber ich bin bereit, ab und zu mein Wohlbefinden zu opfern, solange das Projekt gedeiht.

Deine letzten drei Alben sind allesamt bei unterschiedlichen Labels erschienen. Denkst du, es wird dich demnächst wieder woanders hinziehen oder hast du vor, vorerst bei Prophecy zu bleiben?
Ich mag es, das jedes Mal zu ändern. Ich bin mir nicht sicher, aber die nächste Platte wird wahrscheinlich über ein anderes Label veröffentlicht werden. Ich möchte anfangen, noch häufiger Alben zu veröffentlichen, als ich es bereits tue, sodass es viel einfacher ist, mit verschiedenen Labels für jede Veröffentlichung zu arbeiten. Labels wollen normalerweise nicht mehrere Alben pro Jahr vom selben Künstler veröffentlichen.

In der Vergangenheit bist du bereits darauf eingegangen, dass das Schaffen von Musik auf dich eine kathartische Wirkung hat. Soweit ich weiß, pflegst du aber auch einen ziemlich engen Kontakt mit deinen Fans über das Internet. Denkst du, dass auch das zu deinem seelischen Wohlbefinden beiträgt?
Ja, absolut. Die Musik, die ich mache, und die Menschen, die sie hören, sind zwei der wichtigsten Dinge, die mich jeden Tag in Bewegung halten. Nachrichten darüber zu erhalten, wie meine Musik das Leben von jemandem auf positive Weise beeinflusst hat, erwärmt mir jedes Mal wirklich das Herz. Ich versuche, diesen Fans so nahe wie möglich zu bleiben. Ich versuche auch, ab und zu nach ihnen zu sehen, um sicher zu gehen, dass es ihnen gut geht.

Du setzt bei UNREQVITED zwar Screams ein, formulierst damit jedoch keinerlei Texte. Warum braucht es in deinen Songs deiner Meinung nach gar keine Worte?
Ich kann besser durch Musik kommunizieren als durch Worte. Ich bin ein ruhiger Mensch, deshalb drücke ich mich lieber auf diese Weise aus. Ich schreibe gelegentlich gerne Texte, aber das habe ich mir für andere Projekte aufgehoben. Die Musik, die ich für UNREQVITED schreibe, erzählt dem Zuhörer eine Geschichte, die auf vielfältige Weise interpretiert werden kann. Texte können manchmal die Bedeutung, die eine Person mit der Musik assoziiert hat, ruinieren, wenn man herausfindet, dass ein Lied nicht von dem handelt, was man gedacht hat.

Kürzlich hast du mit „Mosaic II: La Déteste Et La Détresse“ dein mittlerweile viertes Album in fünf Jahren herausgebracht. Ist das regelmäßige Veröffentlichen neuer Platten für dich schon zur Routine geworden?
Nun, ich habe Mitte 2016 mit UNREQVITED begonnen, also gibt es das Projekt erst seit etwa dreieinhalb Jahren bzw. seit fast vier Jahren. Ich hoffe, dass ich weiterhin so häufig Musik veröffentlichen kann, wie ich es tue. Ich habe vor, das sogar noch zu steigern und jedes Jahr zwei Alben durch UNREQVITED zu veröffentlichen, und was immer ich mit meinen Nebenprojekten vorhabe. Zurzeit sitze ich auf ziemlich viel unveröffentlichtem Material.

In unserem letzten Interview erwähntest du, dass dir die Produktion immer die größten Schwierigkeiten bereitet. Würdest du sagen, dass du diesbezüglich durch die beiden „Mosaic“-Alben an Sicherheit gewonnen hast?
Eigentlich denke ich, dass das Nachfolgealbum zu „Mosaic II“ dazu beigetragen hat, mein Selbstvertrauen als Produzent zu stärken. Ich werde mit jeder Veröffentlichung ein wenig besser, aber ich denke, dass die Produktion der fünften LP eine deutliche Verbesserung darstellt. Ich habe fast das ganze Jahr 2019 damit verbracht, sie zusammenzustellen, daher freue ich mich sehr, sie bald zu veröffentlichen.

Du hast „Mosaic II“ bereits zum Release des Vorgängeralbums in Aussicht gestellt und als düsterer und experimenteller beschrieben. Inwieweit war das Album damals schon fertig? Zudem habe ich den Eindruck, dass „Mosaic II“ um einiges eklektischer ist als der homogenere erste Teil. War das so beabsichtigt und falls ja, warum?
Sie wurden beide zusammen geschrieben, daher weiß ich nicht mehr genau, wann genau sie beide fertig waren. Ich glaube, „Mosaic II“ wurde etwas nach „Mosaic I“ vollendet, aber sie wurden größtenteils gleichzeitig begonnen und vollendet. Auf „Mosaic I“ klingt alles sehr zusammenhängend, weil es in einer Art freudiger Gemütsverfassung geschrieben wurde. Liebe, Glück, Euphorie. Diese Emotionen klangen alle sehr ähnlich. „Mosaic II“ hingegen ist ein Durcheinander, weil mein Geist an alle möglichen dunklen Orte geht, wenn ich negative Emotionen empfinde. Angst hat ihren eigenen Klang, ebenso wie Depressionen und Wut.

Wie denkst du darüber, dass manche das Album deshalb vielleicht für nicht konsistent genug halten?
Ich denke, die Leute wissen an diesem Punkt, dass man bei UNREQVITED immer wieder etwas anderes bekommen wird. Wenn manche Leute nur die erste Platte oder die ersten beiden Platten oder was auch immer mögen, ist das völlig in Ordnung. Jeder hat ein Recht auf seinen eigenen Geschmack. Um ehrlich zu sein, „Mosaic I“ und „II“ waren beide ziemlich experimentelle Platten, daher verstehe ich es vollkommen, wenn Fans der ersten beiden Alben keine Freude an ihnen haben. Sie waren ein Therapieexperiment für mich selbst und waren nicht so komponiert, wie ich es normalerweise tun würde. Dieses Experiment hat mir zwar geholfen, aber ich werde so etwas wahrscheinlich nicht mehr tun. Die nächste Platte ist klanglich näher an den ersten beiden Alben.

Vor allem die abschließenden drei Ambient-Stücke sind sicherlich nicht überall auf Gegenliebe gestoßen. Was war dein Gedanke dahinter, das Album auf diese Weise enden zu lassen?
Jedes meiner Alben soll mit dem Tod enden. Auf einigen Alben ist es offensichtlicher („Disquiet“), aber das ist im Allgemeinen das Thema, das hinter all meiner Musik steht. Manchmal klingt der Tod schön, und manchmal nicht. Da „Mosaic II“ ein Album über Depressionen, Angstzustände usw. ist, endet es ziemlich unbehaglich. Um ehrlich zu sein, ist der Tod in diesem Fall ein Selbstmord.

Während das Album ziemlich finster beginnt und endet, klingen die beiden mittigen Tracks „Pale“ und „Disorder“ in meinen Ohren hingegen etwas hoffnungsvoller. Was hat es mit diesem Lichtstrahl inmitten des sonst so bedrückenden Albums auf sich?
„Pale“ wurde gegen Ende dieser dunklen Zeit in meinem Leben geschrieben, als es mir besser ging. Es hat immer noch einen melancholischen Vibe, aber es ist hoffnungsvoll. Zu diesem Zeitpunkt war ich hoffnungsvoll, dass das, was ich durchmachte, zu Ende geht. „Disorder“ ist kein sehr hoffnungsvolles Lied, der „fröhlicher“ klingende Abschnitt am Anfang, der sich in der Bridge wiederholt, soll eher verstörend sein und zwischen den dunklen, schweren Riffs seltsam anmuten. Ich habe gehört, dass dieses Lied von Fans als „bipolar“ beschrieben wird.

Du hast außerdem zeitgleich zusammen mit Sylvaine eine Split mit dem Titel „Time Without End“ veröffentlicht. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Ich habe mich einfach an sie gewandt, um ihr die Idee einer Zusammenarbeit zu unterbreiten, und sie schien sofort interessiert. Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, mit ihr zu arbeiten, sie ist eine unglaubliche Sängerin und Songschreiberin. Ich höre ihre Musik seit Jahren.

Auf „Interwoven“ bekommt man auch Gastgesang von Sylvaine zu hören. Ziehst du in Betracht, in Zukunft öfter Gastmusiker in deine Songs miteinzubeziehen oder soll UNREQVITED weiterhin dir allein überlassen bleiben?
Das sind in der Regel Impulsentscheidungen. Normalerweise plane ich keine Gastbeiträge. Dies ist erst das zweite Mal, dass ich jemanden in einem Song von UNREQVITED einbinde, und beide Male waren es weibliche Sängerinnen. Ich denke, dass der weibliche Gesang sehr gut zu meiner Musik passt.

Deine beiden Songs, die du zu der Split beigesteuert hast, klingen im Vergleich zu jenen von Sylvaine und insbesondere im Gegensatz zu „Mosaic II“ geradezu euphorisch. Woher kommt diese Euphorie?
Ich glaube, nachdem ich „Mosaic II“ geschrieben hatte, war es ganz natürlich, etwas eher Erhebendes zu schreiben. Ich hatte eigentlich vor, zwei weitere melancholische Stücke zu schreiben, die zu ihren passen sollten, aber dann kamen sie so heraus. Ich glaube, sie haben dazu beigetragen, dass diese EP für den Zuhörer mehr zu einer Reise wurde, die er erleben kann.

Wie sieht es bezüglich der Zukunft von UNREQVITED aus? Hast du schon eine Ahnung, in welche Richtung du auf dem nächsten Album gehen möchtest?
Ja, das nächste Album ist so gut wie fertig. Es ist eine große Platte, ich habe viel Zeit darauf verwendet. Ich habe einige neue Elemente eingebaut, mit denen ich zuvor noch nicht experimentiert habe; eines davon ist mein Klargesang. Es gibt auch viele symphonische Elemente. Das Album wird sehr an „Stars Wept To The Sea“ von 2018 erinnern.

Wie bei uns auf Metal1.info üblich würde ich dieses Interview gerne mit einem kurzen Brainstorming abschließen. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Folk-Musik: Ich ziehe Folk-Musik aus anderen Ländern dem vor, was wir hier in Nordamerika „Folk“ nennen. Ich mag Künstler wie Fauna sehr gerne, wenn man das Folk nennen möchte.
Kitsch: Ich musste das googeln, und ich verstehe immer noch nicht ganz, was das ist (lacht).
Opeth: Ich habe mich erst in den letzten zwei Jahren in Opeth eingehört, aber ich liebe es absolut.
Einsamkeit: Zu viel davon kann schädlich sein, aber es ist wichtig, dass ich viel Zeit allein verbringe, damit ich etwas schaffen kann.
Experimentelle Musik: Ich liebe das Experimentieren in der Musik. Ich denke, jeder Künstler muss mit seinem Handwerk experimentieren und etwas Einzigartiges schaffen.
Musikalische Schreibblockade: Mein schlimmster Feind. Ich versuche, sie zu durchbrechen und mich zum Schreiben zu zwingen, wenn das passiert, aber manchmal muss ich einfach alles für ein paar Tage hinlegen und mich anderswo inspirieren lassen.

Nochmals danke für deine Antworten. Die letzten Worte an die Leser würde ich gern dir überlassen:
Vielen Dank, dass ich wieder einmal hier zu euch sprechen durfte. Ich schätze es immer sehr, wenn man mir eine Plattform bietet, um über meine Musik zu sprechen. Vielen Dank an alle, die UNREQVITED in den letzten Jahren unterstützt haben. Ihr alle habt mir eine unglaubliche Reise ermöglicht. „Mosaic II“ ist jetzt erhältlich, bitte hört mal rein, wenn ihr es noch nicht getan habt.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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