Interview mit Brittney Slayes von Unleash The Archers

Read the English version

In Teil 1 unseres Interviews mit UNLEASH THE ARCHERS haben wir mit Sängerin Brittney Slayes über die KI-Thematik und -Problematik des neuen Albums „Phantoma“ gesprochen. In Teil 2 geht es nun um das Album an sich. Brittney Slayes erzählt über die Inspirationen für Story und Musik, inwiefern sie sich selbst mit dem Charakter der „Phantoma“ identizifieren kann und was die Zukunft bringen soll.

Unleash The Archers Logo

Unleash The Archers Phantoma CoverartworkNachdem die Story der Matriarchin mit “Apex” und “Abyss” abgeschlossen ist, ist “Phantoma” nun der Auftakt zu einer weiteren, mehrere Alben umspannenden Geschichte oder ist die Story mit dem Album abgeschlossen?
Das ist leider eine einmalige Sache! Ich habe so viele Jahre mit der „Immortal Saga“ verbracht, dass ich einfach ein Projekt wollte, das sich auf ein Album, ein Projekt beschränkt. Es hat ein offenes Ende, so dass ich möglicherweise in der Zukunft zu der Geschichte zurückkommen könnte, aber im Moment habe ich dafür keine Pläne.

Welche Filme und Bücher mit AI als Kernthema liegen dir besonders am Herzen und haben dich eventuell auch bei der Geschichte für “Phantoma” beeinflusst? Als erstes kamen mir “Ex Machina” und der Klassiker “Nummer 5 lebt!” in den Sinn.
Oh Mann, „Nummer 5 lebt!“ war so ein toller Film! Für mich ist es „Aliens“; Bishop war so ein großartiger Charakter und seine Darstellung eines Androiden ist mir immer im Gedächtnis geblieben. Ich liebe auch David aus den „Prometheus“-Filmen; das ist die Art von KI, die die Menschheit verdient. (lacht) Natürlich sind da auch noch die großen Klassiker: „Star Wars“, „Star Trek“, „Terminator“, „Blade Runner“ (alt und neu) und – natürlich… „Wall-E“!

Und auf welchen Charakteren oder Wesenszügen speziell basiert die Figur der “Phantoma”?
In der Story hat Phantoma nur über das „Netaverse“, die Zukunft des Internets, Kontakt zu den Menschen.  Sie betreibt einen „Hub“ – im Grunde ein Amazonas-Lagerhaus (lacht) -, in dem es alles gibt, was ein Mensch jemals brauchen könnte, und sie sorgt dafür, dass die Biome, in denen die Menschen leben, mit all diesen Dingen versorgt sind, ohne dass die Menschen überhaupt daran denken müssen. Sie sieht alle Bedürfnisse der Menschen voraus. Sie sieht sie auch über die sozialen Medien und die Dinge, die sie mit der Welt teilen wollen. Dadurch hat Phantoma ein sehr verzerrtes Bild von der Menschheit, da die Menschen der Welt immer nur ihre besten Seiten zeigen. Sie richtet ihre eigene Persönlichkeit nach diesem Ideal aus und glaubt, dass die Menschen wirklich so sind. Sie ist hoffnungsvoll, neugierig, aufgeschlossen, freundlich, verständnisvoll, hilfsbereit, naiv und wahnsinnig positiv. Die Welt ist für sie ein schöner, geheimnisvoller Ort. Als sie schließlich ausbricht und die Wahrheit sieht… überflüssig zu sagen, dass ihre Welt um sie herum zusammenbricht.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

“Phantoma” wirkt im Verlauf der Geschichte zutiefst menschlich: Das Streben nach Freiheit, die Sinnsuche und Selbstfindung, die Enttäuschung über die Entwicklung der Menschheit und schließlich das Entgegenstellen gegen die Gesellschaft. Wieviel Menschlichkeit und wieviel von dir selbst steckt in “Phantoma”?
Ich sage gerne, dass sie menschlicher ist als ein Mensch („more human than human“)… Ja, ich bin ein langjähriger Fan von White Zombie (lacht) … weil sie ihre eigene Menschlichkeit erschaffen hat und sie auf einem Ideal fußt, das nicht mehr existiert.  Die Menschen haben den Planeten durch den Klimawandel zugrunde gerichtet und kümmern sich überhaupt nicht darum, sie nehmen keine Rücksicht auf die Roboter und Androiden, die ihnen das Leben leicht machen, und egal, was sie im „Netaverse“ posten, in Wirklichkeit sind sie träge, egoistisch und narzisstisch. Als Phantoma das erfährt, ist sie am Boden zerstört. Wo ist die edle menschliche Rasse, die sie früher von weitem bewundert hat? All ihre Hoffnung und Naivität sind in einem Augenblick dahin. Was die Frage angeht, wie viel von mir in ihr steckt? Ziemlich viel, ehrlich gesagt. Ich stehe ständig mit mir selbst auf Kriegsfuß: Einerseits finde ich die Menschheit unglaublich, sie hat es so weit gebracht und ist so stark, andererseits schäme ich mich für unsere Unfähigkeit zur Veränderung und denke, dass wir diesen Planeten vielleicht gar nicht mehr verdienen.

In “Gods Of Decay” singst du die Zeile “This is not the famous human race that I came to love”. Wann hast du dir das zuletzt gedacht und konntest nur mit dem Kopf schütteln?
Zu oft, um es zu zählen. Das ist der Grund, warum ich keine Nachrichten mehr schaue! Selbst YouTube-Nachrichtenkanäle wie Philip DeFranco sind deprimierend. Die Kriege in Gaza und in der Ukraine sind für mich besonders beunruhigend, und es ist schwer, jetzt nicht von uns allen enttäuscht zu sein.

Unleash The Archers Bandfoto
UNLEASH THE ARCHERS; © Shimon Karmel

Spannend ist die Schreibweise des Titeltracks “Ph4/NT0mA”. Hat die gewählte Zeichenfolge eine tatsächliche Bedeutung für den Charakter? Warum habt ihr euch dafür entschieden?
Das Album hat immer mit Phantoma angefangen; ich wusste, dass das der Titel sein würde und auch ihr Name, aber ich wollte, dass er auf ihrer Modellnummer basiert. Also dachte ich mir ein „Backronym“ aus (lacht), ich habe zuerst an das Wort gedacht und danach an die Bedeutung hinter den Buchstaben. Ich kam auf Phase 4, weil sie die vierte Iteration ihrer speziellen KI-Codebasis ist. NT0 kommt daher, weil sie eine Network Tier Zero-Einheit ist, was bedeutet, dass sie grundlegenden Zugang zum „Netaverse“ hat, also absolute und hundertprozentig vollständige Einsicht. Sie kann alles sehen, mehr als jede andere Einheit auf der Welt. Der mA-Part steht für Modell A, weil sie eines der allerersten KI-Modelle war, das über fünfzig Jahre vor den Ereignissen der Geschichte eingeführt wurde.

Auf “Phantoma” baut ihr die auf “Abyss” verstärkt genutzten poppigen und Synthie-Elemente weiter fort. Zugleich aber finden sich viele traditionelle Elemente, wie etwa die klassischen Riffs bei “Human Era” oder den 80s Vibe von “Give It Up Or Give It All”. Wie würdest du das Album und eure Weiterentwicklung darauf selbst beschreiben?
Von dem Moment an, als wir mit dem Songwriting für das Album angefangen haben, wussten wir, dass wir unseren klassischen Einflüssen einen moderneren Anstrich geben wollten. Iron Maiden, Judas Priest, Queensryche, Scorpions, all die üblichen Verdächtigen sind dabei. Aber wir haben uns auch an Gothic-Sounds wie Tears For Fears und Type O Negative orientiert und an einigen Prog-Elementen wie Genesis. Unsere guten Freunde von Striker hatten einen großen Einfluss auf uns bei „Give It Up Or Give It All“, aber es steckte auch viel Jim Steinman und Disney darin. Wir versuchen immer, verschiedene Stile auf unserer Platte zu haben, aber wir arbeiten wirklich hart daran, dass sie sowohl musikalisch als auch textlich mit dem, was in der Geschichte passiert, Sinn machen. Jeder Song wird mit Blick auf die anderen Songs geschrieben, und sie werden immer wieder überarbeitet, bis sie genau an der richtigen Stelle auf der Platte stehen, damit sie nicht zu aufdringlich wirken oder zu sehr herausstechen.

Gefühlt wirkt “Phantoma” erwachsener und selbstsicherer als eure bisherigen Alben. Es wirkt, als hättet ihr, unabhängig von allen Grenzen, so richtig zu euch selbst gefunden. So geschmeidig fügen sich Synth-, 80s- und Pop-Elemente in euren Power Metal ein. Wie siehst du das?
Das ist lustig, denn wir bedienen uns aus so vielen Bereichen, dass der dabei entstehende Schmelztiegel an Sounds am Ende fast zu unserem eigenen Stil wird. Es macht eine Menge Spaß, uns nicht als etwas Bestimmtes zu definieren, weil wir dann schreiben können, was wir wollen. Der Songwriting-Prozess ist auch immer ein gemeinschaftlicher Prozess, bei dem wir alle ein Wörtchen mitzureden haben, was uns dabei hilft, Teile, die keinen Sinn ergeben, zu streichen. Das Wichtigste für uns ist, dass wir Spaß daran haben, die Songs live zu spielen, denn wenn wir auf der Bühne Spaß haben, dann haben auch unsere Fans Spaß mit uns, also ist es immer hilfreich, wenn wir beim Schreiben eines Albums alle in die gleiche Richtung arbeiten.

Sehr spannend finde ich immer eure Playlists mit Songs, die euch bei der Albumerstellung inspiriert haben. Diesmal finden sich da u. a. Bands wie Carcass, Amon Amarth und Rivers Of Nihil, die auf den ersten Blick als Inspirationsquelle sehr überraschend wirken. Inwiefern haben diese Bands und die ausgewählten Songs euch bei “Phantoma” inspiriert?
Schön, dass sie dir gefallen! Wie ich schon gesagt habe, ziehen wir unsere Einflüsse von überall her, und ich persönlich liebe Death Metal und alle seine Subgenres, also werde ich oft von bestimmten Riffs und Momenten an unerwarteten Orten inspiriert. Es mag nur ein Riff in einem Song sein, oder auch nur ein bestimmtes Gefühl oder ein Unterton, aber man kann definitiv all diese Bands in unserer Musik finden! Die Rhythmusgitarre von Carcass, das schleppende Downpicking von Amon Amarth, der eingängige, aber dennoch schwere, moderne Sound von Rivers of Nihil; wir haben das alles genommen, durch den UTA-Fleischwolf gedreht und heraus kam „Phantoma“!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

“Ghosts In The Mist” ist ja schon seit vielen Monaten Teil eures Livesets. Bei welchen neuen Songs freust du dich besonders darauf, sie live zu performen?
„Ghosts In The Mist“ macht wirklich Spaß, aber wir haben in letzter Zeit auch „Seeking Vengeance“ gejammt, und das macht noch mehr Spaß. Auf jeden Fall können wir es kaum erwarten, zu sehen, wie das Publikum reagiert. Wir haben es noch nicht geprobt, aber ich denke, dass „Blood Empress“ auch Spaß machen wird; dazu kann man so richtig headbangen und das ist wichtig! (lacht)

Schon die Geschichte von “Apex”/”Abyss” hätte eine Umsetzung als Buch oder Comic verdient gehabt. Gibt es bei “Phantoma” Überlegungen in diese Richtung?
Ich arbeite an den Graphic Novels für „Apex“ und „Abyss“, ich schwöre es! Es dauert nur echt lange. (lacht) Was „Phantoma“ angeht, bin ich mir nicht sicher, aber eine Person meinte, es würde sich eher wie ein Film anhören, also… Wenn ich ein Drehbuch schreibe, wird es vielleicht von Netflix gekauft. (lacht) Heutzutage kaufen die ja wirklich alles!

Du hast in Teil 1 unseres Interviews gesagt, dass das KI-Thema mit “Phantoma” für euch abgeschlossen ist und ein neues Album bereits in Arbeit ist. Kannst du schon andeuten, in welche thematische oder musikalische Richtung es gehen wird?
Oh Mann, wir sind so aufgeregt, wenn wir endlich die Zeit haben, uns ganz auf das nächste Projekt zu konzentrieren, das für uns in eine völlig neue Richtung gehen wird. Denkt an kosmischen/lovecraftschen Horror wie „The Thing“, „Mandy“, „Pandorum“, „The Mist“, „Color Out Of Space“, „Underwater“… Das wird ein Riesenspaß!

Der Klassiker in vielen Promoschreiben ist, dass das neue Album das beste ist. Was macht „Phantoma“ zu eurem besten Album?
Ich denke, du müsstest fragen, was „das Beste“ ausmacht? Ist es die beste Gesangsleistung? Sind die Songs am eingängigsten? Ist die Geschichte am spannendsten? Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher. (lacht) Aber ich denke, es fängt am besten ein, wer wir sind und wo wir im Moment mit unserer Musik stehen, und wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben. Ist es unser bestes? Das wird sich erst mit der Zeit zeigen, aber im Moment fühlt es sich verdammt gut an.

Lass uns das Interview mit einem Brainstorming beenden. Was fällt dir zu folgenden Begriffen als erstes ein…
Dungeons & Dragons: Twitch! (lacht)
Trading Card Games: “Planeswalker”.
Bester Sci-Fi-Film/Serie der letzten Jahre: „The Creator“ oder „Interstallar“!
The Witcher: Können wir bitte eine vierte Staffel haben?
Deadpool & Wolverine: Oh Mann, das wird so gut!
Mutter sein: Das beste und schlimmste überhaupt. (lacht)
Größter Unterschied zwischen Kanada und Europa: In Europa wird Metal geschätzt und geliebt, in Kanada ist er eher ein unbeschriebenes Blatt.
Unleash The Archers in zehn Jahren: Neue Musik schreiben und durch die Welt touren, dasselbe wie immer!

Danke nochmal vielmals für deine Zeit! Viel Erfolg mit dem Album und der Tour.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert