Interview mit Olli Vänskä von Turisas

Spätestens mit ihrem letzten Album, „Stand Up And Fight“, haben die Finnen TURISAS bewiesen, dass man es nicht bloß mit einer weiteren, belanglosen Pagan Metal-Band zu tun hat, sondern hier deutlich mehr dahinter steckt. Unser Gespräch mit Geiger Olli Vänskä vor dessen Auftritt auf dem Heidenfest Müchen untermautert diese These nur – wusste der so sympathische wie auskuftsfreudige Musiker doch einige aufschlussreiche Details über das Bandkonzept, Genregrenzen und die Pagan-Szene im Speziellen zu berichten.

Sers! Wie geht es dir? Ihr seid jetzt schon einige Zeit mit der Heidenfest Tour unterwegs. Läuft alles gut bisher?
Ja, es ist ziemlich gut. Wir haben jetzt knapp die Hälfte der Tour geschafft. Heute spielen wir unsere, ich glaube, fünfzehnte Show am Stück und wir hatten bisher keinen Off-Day, aber es ist echt spitze. Es ist wirklich ein großes Line-Up mit sechs Bands, und wir spielen ziemlich gute Shows.

Und wie sind die Reaktionen der Zuschauer, seid ihr zufrieden mit den Eindrücken, die ihr bisher auf eurer ersten Heidenfest Tour gesammelt habt?
Die Eindrücke sind super. Wir haben jetzt schon Shows in Deutschland, Polen, Holland, eine sehr gute Show in London, in Frankreich und der Schweiz gespielt. Die Fans sind wirklich standhaft, und halten alle sechs Bands durch, auch bei unseren Aufritten sind sie immer noch voll dabei. Vor allem was das Organisatorische betrifft, habe ich schlimmeres erwartet, um ehrlich zu sein. Vor allem habe ich befürchtet, dass es im Backstage-Bereich viel stressiger zugehen würde… es sind immerhin sechs Bands bei den normalen Shows, und sogar neun Bands bei den Extended Shows. Das sind dann immer um die 40 oder sogar 50 Leute. Aber ich kann echt nicht klagen.

Kanntet ihr die anderen Bands mit denen ihr derzeit spielt schon vor Beginn der Tour?
Nicht alle Bands, nein. Finntroll sind ja auch aus Finnland, und wir haben uns schon oft unterwegs getroffen. Zusammen mit Alestorm waren wir schon 2008 bei ihrer ersten UK-Tour unterwegs. Aber die anderen Bands kannten wir vor dieser Tour noch nicht.

Das Motto dieser Tour heißt ja Heidenfest – ein Motto, welches schnell mit dem Genre des Pagan-Metal verbunden wird. Wie würdest du diese Bezeichnung definieren, und würdest du sagen, dass TURISAS eine typische Pagan Metal-Band sind?
Ich würde nicht sagen, dass TURISAS eine typische Pagan Band ist. Allgemein glaube ich, dass dieser Begriff eher so etwas wie eine Marke ist. Es gibt eben Bands, die über Trolle, Russen, Bier oder Piraten singen, und wenn du dann Paganfest oder Heidenfest hörst, denkst du erstmal an diese Folk Metal Bands. Und das ist dann eben wie so eine Schublade, in die dich jemand stecken will, so wie „Das ist Thrash Metal“, oder „Das ist Power Metal“.Wir sind in diesem Sinne keine typische Folk Metal-Band, vielleicht waren wir es noch mehr auf dem ersten Album, auf welchem das Akkordeon noch dominanter war. Ich meine, klar, ich spiele immer noch Geige, aber ich spiele ja nicht gerade traditionelle Folk-Melodien, und wir haben jetzt auch nicht irgendwelche aufwendigen Flöten oder Dudelsäcke dabei, oder ziehen uns Lederhosen auf der Bühne an.
Trotzdem denke ich, dass dieser Begriff schon gut mit unserem Barbaren-Image zusammengeht. Allgemein würde ich aber sagen, dass wir so was wir ein Farbtupfer auf dieser Tour sind. Vor allem im Vergleich zu vielen anderen Folk Metal Bands, bei denen es immer noch um Trinkhörner und Typen geht, welche oben ohne rumlaufen und einen Bart tragen, bringen wir schon ein wenig Abwechslung hinein.

Würdet ihr sagen, dass es so etwas wie eine eingeschworene Gemeinschaft gibt, was Bands aus dem Folk-Metal Bereich betrifft? Und fühlt ihr euch dieser zugehörig?
Ich denke schon, dass es so etwas wie eine Folk-Metal Szene gibt, aber ich glaube, dass wir in dieser keine zentrale Rolle spielen. Vor allem in Mitteleuropa gibt es viele Bands in diesem Genre, und viele davon haben auch schon fünf mal oder öfter an diesen Touren [Heidenfest/Paganfest, Anm. d. R.] teilgenommen.
Irgendwann war es dann schon eine bewusste Entscheidung von uns, eine gewisse Distanz zu diesem Bereich aufzubauen, und auch mal andere Sachen zu machen. Wir sind zum Beispiel auch schon mit Cradle Of Filth und Dragonforce getourt. Ich will jetzt damit nicht sagen, dass wir wie Cradle Of Filth sind oder Power-Metal spielen, aber man erreicht eben auch mal ein anderes Publikum.
Aber ich habe nichts gegen Folk-Metal, und wir sind sehr glücklich, dass wir das Angebot bekommen haben auf dieser Tour zu spielen. Wir haben hier einen echt coolen Platz im Line Up, spielen gute Shows, haben eine gute Zeit, und können für ein tolles Publikum spielen. Und ich finde es toll, dass TURISAS so erfolgreich sind, obwohl diese Szene, vor allem in Mitteleuropa, so groß ist.

Du hast es gerade schon erwähnt: Vor allem in den letzten Jahren hat es in Deutschland einen ziemlichen Pagan-Hype gegeben. Welche Rolle spielt Skandinavien hinsichtlich des Pagan-Metal oder Folk-Metal?
Ich will uns jetzt nicht auf ein Podest stellen, aber ich denke schon, dass Bands wie Finntroll, wir oder auch Korpiklaani schon eine gewichtige Rolle gespielt haben was den Anfang dieser Szene betrifft. Klar, in der Schweiz gibt es Bands wie Eluveitie, und in Deutschland sehr viele von diesen Dudelsack-Bands, aber ich denke, dass die finnischen Bands schon eine große Sache waren, vor allem am Anfang.

Aber würdest du sagen, dass es diesen Hype in Skandinavien auch gegeben hat, oder war das mehr eine auf Mitteleuropa beschränkte Geschichte?
Also die Szene ist in Mitteleuropa sicherlich stärker ausgeprägt. In Finnland gibt es das zwar auch, aber du könntest keine ganzen Touren damit füllen wie hier. Die Leute kommen zwar schon, um sich Finntroll anzuschauen, oder TURISAS, oder auch Ensiferum, aber sie identifizieren sich nicht so stark damit, wie das hier der Fall ist.

Ok, das ist schon interessant. Wie schätzt du die Situation in Deutschland ein… würdest du von euren bisherigen Touren sagen, dass der Hype noch anhält? Oder siehst du so etwas wie einen Rückgang in der Pagan-Begeisterung?
Das ist für mich schwer zu beantworten, da das hier die erste Tour dieser Art ist, die wir bisher gemacht haben. Ich habe mich aber letztes Jahr auch gefragt, ob dieser Hype sich hält oder im Niedergang ist. Für mich scheint es, dass sich hier wirklich etwas wie eine neue Szene etabliert, die für längere Zeit Bestand haben wird. So wie du zum Beispiel etwas wie ein, sagen wir, Thrashfest mit Exodus oder Testament für bis zu 20 Jahre lang durchziehen kannst, wird auch die Folk-, Pagan-, Viking-, oder Battle-Szene – wie auch immer du es nennen willst – hier bleiben.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass besonders bei dieser Musikrichtung viele junge Leute im Publikum sind.
Ja, das stimmt.

Wie sieht es in dieser Hinsicht für euch als Band aus, würdest du sagen, dass eure Fanbase mit euch altert, oder kommen eher viele junge Fans nach und die älteren bleiben irgendwann weg?
Bei uns gibt es beides. Einerseits kommen immer die jungen Fans, 14, 16 Jahre alte Kids. Wir sind da jetzt in einer seltsamen Situation, da wir uns selbst immer noch als relativ junge Band sehen. Es ist immerhin erst sieben Jahre her, dass unser erstes Album erschienen ist, und auf den Konzerten sind Fans, die sind 23, oder näher an den 30ern, die eben dabei sind seit wir angefangen haben. Gleichzeitig denke ich, dass auch immer wieder neue Leute nachkommen, und das finde ich ein gutes Zeichen.

Ihr habt den Begriff „Battle Metal“ mit eurem ersten Album und dem gleichnamigen Song geprägt, wenn nicht sogar erfunden. War damals auch eine Prise Ironie dabei?
Ich war damals noch nicht in der Band, aber als die anderen damals angefangen haben, sind sie eben 2003 ins Studio gegangen, und dort wurde der Song “Heart of Turisas“ irgendwann zu „Battle Metal“. Ich denke, dass das alles erstmal eher als Witz angefangen hat. Der Song hat ja diese charakteristische Melodie, dieses „Tadadad-da-da“, und da drauf ist dann eben mit einem Augenzwinkern dieses „Battle – Battle Metal – Battle“ gekommen. Letztendlich ist das dann auch der Albumtitel geworden.
Wenn man mal ernsthaft rangeht, dann ist „Battle Metal“ natürlich erstmal ein ziemlich bedeutungsloser Begriff. Aber irgendwie vermittelt er dir schon so eine Idee, wie sich die Musik anhören könnte – Trompeten werden geblasen, Pferde gallopieren, die großen Räder rollen. Aber klar, irgendwo ist das schon ziemlich künstlich, das bestreite ich auch gar nicht, und wir nehmen das ganze auch nicht bierernst, sondern gehen da schon mit einer ironischen Grundhaltung ran. Allerdings darf man nicht vergessen, dass wir den Begriff eben wirklich erst kreiert haben.
Es gab schon Bands wie Bal-Sagoth, welche die Jungs Mitte der 90er oft gehört haben. Da haben sie einige Grundideen übernommen und darauf aufbauend etwas Neues gemacht. Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir genau wie Bal Sagoth klingen, aber es gibt schon Parallelen in unserer Musik. Ich weiß das englische Wort dafür nicht, aber im finnischen gibt das Wort [spricht finnisch, Anm. d. R.], das bedeutet so viel wie „Yeah, auf gehts, lasst es uns in Angriff nehmen!“ Das ist schon so eine Grundstruktur. Daher glaub ich schon, dass „Battle Metal“ für unsere Band ein passender Begriff ist.
In Großbritanninen wurde irgendwann allerdings damit begonnen, alle möglichen Folk- oder Pagan-Bands mit dem Begriff „Battle Metal“ zu belegen. Also eben auch Bands mit so bekloppten Pfeifen-Dingern, und Typen die Lederhosen anhaben und irgendwelche Schamanen-Trommeln schlagen, all dieses Zeug eben. Allen voran war es vor allem der Metal Hammer, welcher den Begriff so inflationär benutzt hat… da haben wir uns schon gedacht, „Mhhh, eigentlich ist das ja unser Ding“, aber ich meine, was soll man machen. Wenn die Presse den Begriff mag, dann mag sie ihn eben. Und klar, immer wenn dort eine Battle Metal-Band erwähnt wird, dann kommt das natürlich uns zu Gute, ich kann mich da jetzt nicht beschweren. Aber wir haben auch nicht danach gefragt.

Charakteristisch für eure Band ist neben dem Begriff „Battle Metal“ ja auch eure Kostümierung auf der Bühne, vor allem eurer rot-schwarzes Makeup. Was hat es damit auf sich?
Ursprünglich, auf der ersten Tour, waren das nur ein paar Blut- und Dreckspritzer, die wir uns einfach so ins Gesicht geklatscht haben. Irgendwie hat das dann über die Jahre ein Eigenleben angenommen. Wir hatten damals auch schon die Kostüme dabei. Der Grundgedanke dahinter ist sicherlich die Tradition des Black Metal der 90er Jahre, vor allem in Norwegen. Die Bands aus dieser Szene hatten immer irgendeine Form von Corpsepaint und trugen irgendein Krieger-Kostüm auf der Bühne. Wir, oder eben die Jungs die damals schon in der Band waren, sind da ein wenig mehr zu den Wurzeln zurückgegangen, auch von einem finnischen Hintergrund her. Wir wollten mehr wie Barbaren aussehen, und hatten eben keine aufwendige Rüstung, sondern mehr ganz simple Kleidung, Lumpen und Felle. Von der Idee ausgehend hat sich das dann über die Jahre wirklich zu einer richtigen Kriegsbemalung entwickelt, wie bei den Berserkern, welche sich im Kampf bewusst so angemalt haben um ihre eigenen Leute im Kampf besser erkennen. Genau so funktioniert das für uns heute auch. Weißt du, vor kurzem haben wir in London im Forum gespielt, 2500 Leute, ausverkauft, und überall haben wir rot-schwarze Gesichter gesehen. Die waren also wahrscheinlich wegen uns da. Das schmeichelt einem schon, das ist wirklich ein überwältigendes, hervorragendes Gefühl.
Ich weiß, dass es später dann alle möglichen seltsamen Bands gegeben hat, welche, so wie ich das interpretiere, uns einfach kopieren wollen. Ich nenne jetzt keine Namen…

Du meinst nicht zufällig die Band Varg?
Hmja, der Name kommt mir auf jeden Fall bekannt vor… Ich meine, ich habe ein Video gesehen, in dem sie sagen, dass sie von von Darth Maul inspiriert wurden… Naja, wie dem auch sei. Ich weiß, dass es schon schon länger gibt, und ich denke mir da manchmal schon „Jungs, ernsthaft, habt ihr das echt nötig?“ Naja. Eigentlich sind mir diese Bands auch echt egal, aber was man daran eben schon erkennen kann, ist, dass das Painting ein charakteristisches TURISAS Ding geworden ist.

Eure Akkordeon-Spielerin Netta Skog hat sich früher ja auch das komplette Gesicht bemalt, jetzt hat sie nurnoch zwei dezente Striche auf der Backe. Wolltet ihr so den Frauenbonus besser nutzen? ;)
Ich weiß nicht, was sie jetzt macht… sie ist ja nicht mehr Teil der Band. Das war eine beiderseitige Entscheidung. Sie hatte gesundheitliche Probleme, wegen derer sie uns noch während der US-Tour verlassen musste, sie hatte uns dann aber versprochen, die Festival-Shows noch zu machen. Insofern haben sie und unser Bassist die Band dann gleichzeitig verlassen. Aber betreffs des War-Paints: Sie schaut ohne einfach besser aus…
Also doch der Frauenbonus… (lachen)
Ich weiß nicht, ob sie das immernoch trägt, bei sich zu Hause… alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen, nicht? (lacht)
Wir haben jetzt jedenfalls einen neuen Bassspieler und einen Keyboarder, der nicht nur Power Metal-Chror-Zeug mitbringt, sondern auch eine Menge Orgelkram.

Kennt man die beiden neuen vielleicht schon aus anderen Bands?
Robert, der Keyboarder, hat früher in einigen Bands gespielt, von Hardrock bis Metal, und war auch als Livemusiker bei Kotipelto, der Band von Stratovarius-Mastermind Timo Kotipelto aktiv. Jukka-Pekka war bis 2004 Mitglied bei Ensiferum und hat auf deren ersten beiden Alben gespielt… ausserdem hat er eine Menge eigener Projekte am Start…

War die Entscheidung für einen Keyboarder und gegen ein Akkordeon denn auch eine Entscheidung wegen des neuen Sounds des Albums?
Nein, wir hatten ja nie allzuviel Akkordeon-Zeug…. sie hat ja immer ein Midi-Akkordeon gespielt hat, damit konnte sie solche Sounds ja auch machen. Aber es stimmt schon auch irgendwie… wir wollten keinen neuen Akkordeon-Spieler haben, nachdem das wirklich große Fussstapfen gewesen wären, in die er da hätte treten müssen… ich meine: Ein junges, blondes Mädchen, das großartig aussieht und Akkordeon spielt… das ist nichts, wo du einfach mal in nen Supermarkt gehst und sagst: “Ich brauch da ein Neues bitte”. (lacht)

Ich weiß, ihr hört diese Frage wahrscheinlich in jedem Interview, und es ist auch nicht der neustes Song – aber wie seid ihr auf die Idee gekommen, den Boney M-Song “Rasputin” zu covern?
Das war Matthias Nygårds Idee. Er hat den Song auf einer Fähre gehört. Bei uns gibt es eine sehr alkohol-lastige Schifffahrt zwischen Stockholm und Helsinki. Und da hat scheinbar irgend eine schlechte Party-Band gespielt, du weißt schon, diese schlechten Cover-Bands. Und dann hat Matthias eben diesen 70er-Jahre-Disko-Klassiker gehört und dachte sich, dass mit ein bisschen Arrangement eine gute Metal-Version daraus machen könnte.
Es ist schon lustig, wir haben das halt gemacht und auf einmal sind wir eben genau für diesen Song bekannt. Irgendwie ist es so wie bei vielen anderen Bands, die einen haben eben „Smoke On The Water“, bei den anderen ist es „Master Of Puppets“ – bei uns es nun scheinbar „Rasputin“. Ich meine, ok, es ist ein Coversong, aber was solls. Und unsere Fans mögen ja nicht nur diesen einen Song, sondern auch unser ganzes Repertoire. Wir fühlen uns da jetzt nicht wie so ein One-Hit-Wonder.

Aber ist es nicht manchmal schade, dass die Fans sich dauernd einen Coversong wünschen und ihr gerade dafür bekannt seid?
Ich glaube, wir haben das allmählich akzeptiert. Es ist eben ein unglaublich eingängiger Song, daher haben wir ihn ja auch überhaupt gecovert. Außerdem haben wir es geschafft, ihn definitiv nach uns klingen zu lassen.
Im Endeffekt kannst du das Publikum halt nicht kontrollieren. Manchmal denkst du dir, „Ok, heute spielen wir ‚Rasputin‘ einfach mal nicht“, und dann siehst du irgend ein niedliches Mädchen im Publikum, welches die ganze Zeit „Rasputin“ schreit, und dann fangen einige Leute an Disco zu tanzen – dann denkst du dir halt auch „Na ok, dann spielen wirs halt doch.“ Aber das ist auch ok, da der Song wirklich auch gut in unser Set passt. Es ist ja nicht so, dass das ganze Publikum während dem Konzert regungslos dasteht und finster schaut, und bei „Rasputin“ total durchdreht. Es passt einfach. Wir fügen uns unserem Schicksal (lacht). Sicher, manchmal „vergessen“ wir dann vielleicht den Song zu spielen, aber bei so einer Festival-Show oder sowas wie heute, wo manche Leute nur einen Song von uns gehört haben, müssen wir ihn natürlich bringen.

Für euren Song „Stand Up And Fight“ habt ihr ein Video in der US-Wüste gedreht, in welchem ihr mit einem Jeep durch die Gegend fahrt. Wie wichtig ist für euch die Verbindung zwischen dem Thema und dem Text eines Lieds und dem Videoclip?
Hm, ich glaube für einige Leute ist es enorm wichtig, dass du auch umsetzt was du da singst, wenn du zum Beispiel singst „Rain stickts my hair in my face“ dann wollen sie das auch sehen. Ich meine, klar, wir machen das auch zu einem gewissen Teil, aber das Thema ist eben mehr, das Gefühl dieses Typen, der sich alleine und traurig fühlt. Viele Menschen hatten damit ein Problem, und haben sich dann beschwert, wo denn nun die Trinkhörner und die Kampfschiffe sind. Ich meine, wir wollen jetzt nicht irgendwie sagen „Fuck You“, aber… naja, entweder ihr mögt es, oder eben nicht, aber so haben wir uns jetzt eben entschieden das zu machen. Das Video ist ja eindeutig so eine kleine Verbeugung vor „Mad Max“. Das durchgängige Thema des aktuellen Albums handelt ja eben von Dingen, welche in der Vergangenheit passiert sind, also in gewisser Weise Geschichte als Fiktion, und wir wollten das eben auf unsere heutige Zeit übertragen, vielleicht auch auf die Zukunft, und zeigen, wie Dinge sich eben immer wieder ähneln oder sogar wiederholen.
Du kannst da zum Beispiel auch den Song „Hunting Pirates“ nehmen. Der handelt ja jetzt auch nicht von Alestorm, auch wenn du das wahrscheinlich so sehen kannst, wenn du willst. Aber zu Zeiten der „Varangian Guards“ gab es eben wirklich Piraten im byzantischen Reich, so wie es eben heute Piraten an der afrikanischen Küste gibt. 1000 Jahre später, und irgendwie hat sich also nichts geändert. Du kannst zum Beispiel auch die US-Army und die byzantinische Armee vergleichen, wie sie alle umbringen. Insgesamt singen wir nicht nur über Wikinger, sondern zum Beispiel auch über Geld und eben über wiederkehrende Probleme.
Das wird jetzt gerade eine ganz schön umfangreiche Antwort, entschuldigt bitte. Um auf das Video zurück zu kommen: Wir haben das Setting eben sehr an „Mad Max“ angelehnt. Wir wollten da jetzt kein Wikingerschiff durch die Wüste ziehen. Wir wollen eben nicht nur eine Viking-Band sein, wie viele Leute uns haben wollen. Ich finde es eben nicht gerade spannend, ständig und ausnahmslos Schwert wedelnd durch die Gegend zu laufen. Vielleicht kann man sagen, dass der Jeep unser Wikingerschiff ist. Wir wollten es irgendwie zeitlos machen. Bei TURISAS geht es eben nicht um das Jahr 1100 in Skandinavien, sondern alles zeichnet sich hauptsächlich durch die Atmosphäre aus.

Kannst du uns noch mehr über den Videodreh zu “Stand Up And Fight” erzählen? Wie ist es dazu gekommen, in der US-Wüste zu drehen?
Wir waren zu dem Zeitpunkt gerade in Nordamerika auf Tour, und haben am Tag davor eine Show in Las Vegas gespielt. Auf unserem freien Tag mussten wir dann… ich weiß gerade gar nicht mehr wohin, auf jeden Fall hatten wir nur diesen einen Tag Zeit, und auf dem Weg lag eben dieser super Platz für unser Video. Damit wir das zeitlich alles schaffen konnten, mussten wir um 4 Uhr morgens aufstehen, sind dann in diesem Jeep durch die Gegend gefahren, alle waren krank und eigentlich haben wir ständig in uns reingeflucht. Aber die Gegend war wirklich super für das Video. Das ist ein ausgetrockneter See in der Mitte der Wüste. Früher gab es dort mal eine Art Ferienparadies, aber irgendjemand hat gewaltig Mist gebaut und durch einen Damm oder so etwas ist der komplette See ausgetrocknet und damit auch die gesamte Infrastruktur gestorben. Es wollte einfach niemand mehr dort hin. Alles was jetzt noch übrig ist, ist dieser absolut tote Ort, an dem lauter verlassene Häuser stehen.

Ihr habt auf dem Album ja, soweit ich weiß, die Geschichte, die ihr mit dem Vorgängeralbum begonnen habt, weitergeführt. Könntest du uns kurz etwas zu der Story selbst sagen, und ist sie jetzt beendet, oder wird sie auf dem nächsten Album nochmals fortgesetzt?
Oh, ich denke, sie ist jetzt beendet. Das zweite Album, “Varangian Way” war teilweise auf historischen Tatsachen aufgebaut, weil es eine wahre Begebenheit ist, dass vor langer Zeit Leute aus Skandinavien ins heutige Istanbul gesegelt sind und dort angesehene Söldner wurden.
Wenn du mal darüber nachdenkst, was das für eine Strecke ist für die damalige Zeit, und ein komplett anderer Kulturkreis und so weiter… So wurden sie zu den „Varangian Guards“, Wikinger oder Nordmänner in den Truppen des Kaisers. Das zweite Album handelte davon, wie sie dort hin gelangt sind und was in der Zwischenzeit geschah. Und dieses setzt nun dort an, erzählt, was sie dort gemacht haben, wofür sie bekannt waren und über die Kultur der Gegend, in der sie da gelandet waren. In den Texten kommen ja auch Worte wie TV und so Zeug vor, insofern ists recht offensichtlich, dass es nicht nur um Dinge geht, die damals passiert sind, aber Vergleichbares passiert in jedem Zeitalter. Ich meine, das Byzantinische Kaiserreich ist zerfallen, die Sowjetunion ist zerfallen, und alle anderen Reiche gehen ebenfalls früher oder später in die Brüche.
Ich finde, es macht die ganze Sache ziemlich langweilig, wenn du dich darauf beschränkst, mit deinen Songs eine spezielle Szene bedienen zu wollen. Ich weiß noch nicht, wie es diesbezüglich mit dem nächsten Album aussehen wird, aber es wird ja auch nicht nur dieses folgen…

Du hast das mit den modernen Begriffen wie TV oder SMS im Text von “Fear The Fear” ja grade schon angesprochen – wie schwierig findest du es, solche Begriffe mit mythischen/historischen Themen in Einklang zu bringen?
Nunja, es ist schwierig, einen klaren Bezug zur modernen Welt herzustellen, wenn du solche Begriffe nicht verwendest. Zugegeben, es ist ein bisschen ein zweischneidiges Schwert, aber wenn du sowas nur in ein paar Texten machst, und nicht in den Songtitel oder so weiter verwendest – ich meine, der Song heißt ja nicht sagen wir mal “Fear the TV” – finde ich es nicht zu modern. Ich denke, du kannst viele Geschichten auf unterschiedlichste Art und Weise erzählen und dazu die gleiche Art Musik spielen, solange es am Ende zusammenpasst.
Ich weiß, dass das etwas ist, was die Leute nicht unbedingt erwartet hätten, aber andererseits macht das auch klar, dass wir alle moderne Leute sind, die im Jahr 2011 in Deutschland oder Finnland leben und das unsere Lebensumstände sind. Das sind deshalb auch Dinge, über die wir singen – wir verschließen einfach nicht die Augen vor den aktuellen Geschehnissen – Ich laufe ja auch nicht mit Elfenohren herum…
Das hat auch viel mit dieser Flucht-Mentalität zu tun: Die Leute lesen Harry Potter, wollen Songs über Trolle hören, und oft sind das dann die Leute, die sagen “Ich will nichts von den Problemen der heutigen Zeit hören”, aber genau deshalb ist es cool, wenn du einige mythische Elemente mit Themen des Alltagslebens kombinieren kannst. Dann hast du etwas, worüber du nachdenken kannst… du singst dann nicht einfach nur über Drachen, sondern über Dinge, die uns allen im täglichen Leben begegnen…

Das Artwork wirkt ja auch recht modern, vergleicht man es mit anderen aus dem Pagan-Bereich. Für mich macht es einen sehr plakativen Eindruck, es erinnert mich etwas an Sowjet-Propaganda-Poster. Ist das eine Interpretation, den ihr so unterschreiben könnt? Wer hatte die Idee zu dem Artwork?
Es war Nygårds Idee. Wir wollten ein bisschen diese typische Stimmung von alten Abenteuerfilmen einfangen, bei denen du ja klassischer Weise kleine Ausschnitte von Momenten aus dem Film mit einem großen Bild kombinierst, das die Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll. In diesem Sinne ist es stimmungsmäßig sowohl an Sowjet-Propaganda als auch an alte Filmposter angelehnt, ja. Ich finde es interessant, mehr als nur ein Albumcover zu machen… es ist eine feine Sache, mit verschiedenen Szenen zu spielen und mehr als nur einen Anknüpfungspunkt zu haben.

Das ist eine sehr interessante Antwort, die gleich zur nächsten Frage führt: Das neue Album klingt nämlich in meinen Ohren sehr nach einem Film-Soundtrack. War das eine Entwicklung, die ihr bewusst herbeigeführt habt, oder eine natürliche Weiterentwicklung?
Oh, ich denke, ein bisschen von beidem. Wir wollten, dass es ein bisschen so klingt, als wären da Elemente eines Broadway Musicals genauso verarbeitet wie die Atmosphäre eines Film-Soundtracks. Es ist kein typischer Soundtrack, so bambadabambadabam. Es gibt Dialoge, eine Entwicklung und so Zeug. Es geht nicht darum, die ganze Zeit Texte herauszuschreien, sondern eher Klanglandschaften zu malen. Irgendwas zwischen einem Soundtrack und einem Musical vielleicht…

Das klingt alles sehr elaboriert – wollt ihr denn eigentlich eher unterhalten, oder den Fans eine Message zukommen lassen?
Ich denke, Matthias will wohl eine Message rüberbringen, er schreibt ja auch den Großteil der Texte. Ich selbst bin kein Überbringer großer Nachrichten. Weißt du, wir verbringen so viel Zeit im Studio und raufen uns so oft die Haare… wenn wir dann raus gehen an die Öffentlichkeit, wollen wir einfach energetische und unterhaltsame Liveshows spielen. Ich denke, gerade unsere Band ist auf Album und auf der Bühne ziemlich verschieden.
Natürlich sind die Songs die gleichen, aber in zwei verschiedenen Welten. Wenn du es wirklich willst, können sie vielleicht sogar ein paar Gedanken anregen, wenn du dich mit den Texten eingehend beschäftigst – aber wenn du vor der Bühne stehst, musst du dir darüber nicht den Kopf zerbrechen – dann wirst du hoffentlich einfach gut unterhalten.

2008 ging eine recht skurrile Meldung durch die Medien, die besagte, dass euer Akkordeon-Spieler “verschwunden” sei – kannst du uns die Hintergründe dazu kurz erzählen, und habt ihr noch, beziehungsweise wieder, Kontakt zu ihm?
Ich hab ein paar SMS von ihm bekommen seitdem, ja. Ich würde vermuten, er hat Gefallen an Amsterdam gefunden. Ich weiß es nicht. Er ist nicht am Flughafen aufgetaucht, als wir weiterreisen wollten, und keiner wusste, was passiert war. Wir waren davon natürlich ziemlich angepisst, wir hatte ja Tickets für die Flüge und so weiter… er war einfach ein ziemlicher Freak und wollte wohl noch ein paar Tage in Amsterdam bleiben. Wir werden auf dieser Tour auch ein paar Off-Days in Amsterdam machen… insofern… warten wir mal ab, was passiert. Akkordeon-Spieler sind sowieso verrückte Kerle… das liegt vielleicht einfach in der Natur ihres Instruments. Der Kerl war wirklich immer ein bisschen eine Wild-Card… er hatte diese Libido, weißt du, den ganzen Tag vögeln und saufen… all das Zeug. Aber es sei ihm vergönnt, er ist ein netter Kerl. Er ist ganz offensichtlich noch am Leben, nachdem er SMS schreibt, aber ich habe ihn seit dem nie wieder gesehen… er lebt jetzt auch nicht mehr in der selben Stadt wie früher.

Auf Tour scheint ja offenbar immer einiges geboten zu sein, wenn man sich das so anhört. Gibt es denn von dieser Tour auch etwas witziges zu berichten bisher?
Ach, bisher ist eigentlich alles ziemlich langweilig. Wir schauen die ganze Zeit Queen-DVDs… Es ist nicht wirklich „langweilig“, aber wir können uns einfach nicht so viel Scheiß erlauben, wir haben keine Tage ohne Auftritt, 24 Shows, jeden Tag eine, und eigentlich jeder war auf der Tour schon krank… Und wir wollen ja auch nicht, dass der Sänger seine Stimme all zu früh verliert. Ja, langweilig ist vielleicht nicht der richtige Begriff, aber es passiert nichts Aussergewöhnliches. Früher haben wir auch mal die Schuhe unseres Bassisten verbrannt, weißt du… (lacht)

Ist das etwas, was typisch ist für so große Tourpackages? Was gefällt dir denn persönlich besser? Große Touren wie diese, kleinere Headliner-Touren mit nur ein, zwei Vorbands? Oder auch Festival-Shows?
Oh, kommt drauf an. In der Tat finde ich es ganz angenehm, nicht den Headliner machen zu müssen…. Wir haben in London geheadlined, aber wenn du gerade fertig bist, stresst jeder rum, dass der Bus gleich fährt. Ich bin ganz zufrieden damit, wie es grade läuft. Wobei es auch mal ganz interessant wäre, schon um sieben zu spielen und sich dann fünf Bands anzuschauen, das wäre wohl die entspannteste Version: Du bist bei der vierten Band schon ordentlich betrunken, dann gehst du ins Bett und schläfst schon friedlich, bevor die letzte Band auf die Bühne geht…
Ich mag große und kleine Shows… aber weißt du, es ist schon eine verrückte Sache, wenn du große Shows spielst, wie jetzt beispielsweise das Download Festival mit 70.000 Besuchern, oder 3000 Leuten in einem großen Club. Aber dann kommst du zurück vor eine kleine Zuhörerschaft, wie beispielsweise kürzlich in Leeuwarden, einer ziemlich kleinen Stadt in Holland. Das war das schon ziemlich abgefahren, weil wir von einer großen Show nach London gefahren sind, und diesen kleinen Gig zwischendrin hatten. Und die Leute standen genau vor unserer Nase. Das ist natürlich schon eine intimere Atmosphäre… du denkst dir dauernd: “Ihr seid zu nah!”. Sie sehen alle alles, was du machst… das waren nur so um die 400 Leute. Bei so kleinen Shows denkst du dir öfter “Ohgott, was soll ich jetzt machen”. Bei Festival-Shows ist es immer so, dass du, wenn du nicht gerade als Headliner auftrittst, versuchen musst, dir die Aufmerksamkeit der Leute zu erspielen… da muss ein Kracher auf den Nächsten folgen… bang-bang-bang. Bei einer Headliner-Show von 90 Minuten, kannst du das ganze etwas gefühlvoller aufziehen, sonst sind die Leute nach 45 Minuten gelangweilt. Ich denke, gerade unser Material eignet sich dafür ziemlich gut…wir haben da viele Möglichkeiten, auch mal ruhigere Momente einzubauen.

Ok, kommen wir zum Abschluss zu einem weniger heiteren Thema: Euer Gitarrist Georg Laakso musste die Band 2006 nach einem wirklich dramatischen Autounfall aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Habt ihr noch Kontakt zu ihm, und wenn ja: Wie geht es ihm?
Nunja, er wird nie mehr touren können, er ist ja seitdem schwerbehindert. Er ist von der Hüfte abwärts gelähmt, eines seiner Beine mussten sie ihm amputieren… das ist alles eine ziemlich traurige Geschichte. Aber ich war damals erst seit einem Jahr in der Band, als das alles passiert ist, und er lebte in einer anderen Stadt… die anderen kannten ihn deutlich länger, und haben deshalb auch noch mehr Kontakt zu ihm. Aber was ich zuletzt gehört habe, ist, dass er mit Q-Base und Pro-Tool arbeitet. Er kann nicht alle seine Finger benutzen, aber er tut, was er kann, und macht Musik. Er scheint sein Schicksal akzeptiert zu haben, und das ist bei alledem das Wichtigste. Weißt du, wir könnten alle schon morgen sterben… insofern sollten wir zufrieden sein mit dem, was wir sind und haben.

Ok, ich denke, das ist ein schönes Schlusswort, wir sind mit unseren Fragen dann auch durch! Vielen Dank für deine Zeit und die ausführlichen, interessanten Antworten!
Nichts zu danken, gerne geschehen! Machts gut!

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