Erst 18 Jahre nach ihrer Gründung haben die israelischen Death/Doomer TOMORROW’S RAIN mit „Hollow“ ihr Debütalbum veröffentlicht. Mit ihrem aberwitzig großen Aufgebot an namhaften Gastmusikern wie Greg Mackintosh (Paradise Lost) und Jeff Loomis (Arch Enemy) dürfte die Platte jedoch auf Anhieb einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In unserem folgenden Interview erklärt Sänger und Bandmitgründer Yishai Sweartz unter anderem, aus welchem Grund das Album erst nach so langer Zeit fertiggestellt wurde, warum er nicht befürchtet, von den großen Namen der Gastmusiker überschattet zu werden und ob der nächste Release wieder so lange auf sich warten lassen wird.
Eure Bandgeschichte reicht bis 2002 zurück, damals war euer Name noch Moonskin. Warum habt ihr euch schließlich in TOMORROW‘S RAIN umbenannt?
Der Grund, aus dem es so lange gedauert hat und für die Namensänderung ist in der Tat interessant: Als wir (als Moonskin) 2002 anfingen, war die Band unsere Rettung, dann schrieben wir ein paar Lieder, spielten ein paar Shows, auch als Opener für Epica hier in Tel Aviv. Dann fühlten wir uns besser in unserem Leben, weniger deprimiert, weniger traurig, wir heirateten beide und ich hatte das Gefühl, dass mein Leben den richtigen Weg geht, ich fühlte mich viel besser und ich fühlte, dass ich nicht auf die Bühne gehen konnte, um diese Lieder über meine Wunden und inneren Dämonen zu singen, während ich heiratete, dabei war, Vater zu werden und mich so viel glücklicher fühlte. Es wäre vorgetäuscht gewesen, es wäre „Arbeit“ gewesen, also sagte ich Maor, dass ich nicht mehr weitermachen wollte, da ich es nicht vortäuschen wollte, es war eine rein künstlerische Denkweise.
Also hörten wir etwa 2006 auf.
Im Jahr 2010 änderte sich mein Leben wieder, ich wurde geschieden und hatte das Sorgerecht zu 50 % bekommen, was bedeutet, dass mein Kind zu 50 % bei mir lebt und zu 50 % der Zeit bei meiner Ex. Ich fühlte mich so voller Schmerz wegen des Endes dieser Beziehung und das Einzige, woran ich dachte, war, mein Kind zu beschützen, ich war gebrochen, mein Herz war gebrochen. Dann wandte ich mich an den besten Retter, den ich kenne: Musik…
Ich rief Rafael an und gab ihm drei Worte: „Legen wir los“. Das war’s, etwa einen Tag später waren wir im Studio und kurz nachdem wir ein Konzert für Dark Tranquillity eröffnet hatten, änderten wir den Bandnamen in TOMORROW’S RAIN und begannen, die Songs zu schreiben, die ihr jetzt auf dem Album hört. Wir hatten das Gefühl, dass Moonskin die ersten Jahre mit einer bestimmten Richtung repräsentiert und wir wollten einen Neuanfang.
Während des Prozesses lernte ich, dass ich mit meinen Dämonen tanzen kann, anstatt sie zu ignorieren. Ich lernte, dass ich, indem ich über diese Dinge schreibe, mich selbst heile, ich lerne über mich selbst, ich berühre die Wunde mit einer heilenden Hand, also hier sind wir nun…
Mit „Hollow“ veröffentlicht ihr erst dieser Tage euer Debüt. Einige der Song darauf sind, wie erwähnt, schon vor vielen Jahren entstanden. Warum hat es dennoch so lange gedauert, bis ihr das Album fertiggestellt und den Release organisiert hattet?
Irgendwie habe ich die Frage zum Teil schon in der vorherigen Antwort beantwortet… (lacht) Du musst bedenken, wir hatten hier auch eine Menge Gastmusiker und außerdem haben wir das ganze Album auch auf Hebräisch aufgenommen, also haben wir 16 Songs mit etwa 20 Leuten neben den Bandmitgliedern aufgenommen und wir haben viel Mühe in das Mixing gesteckt, um zu dem Ergebnis zu kommen, das wir wollten. Es war ein Höllenritt, aber wir sind glücklich.
Nun sind die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nach wie vor spürbar – Konzerte sind weiterhin nur schwer oder gar nicht möglich. Wie hat sich die Situation auf TOMORROW’S RAIN ausgewirkt?
Keine Shows im Moment, natürlich eine traurige Situation, mehr als 25 % der Menschen in Israel sind jetzt ohne Arbeit und leider gibt es keinerlei Unterstützung von Seiten der Regierung, die uns die ganze Zeit nur verarscht. Also ich weiß nicht, wann Shows wieder erlaubt sein werden. Ich bin auch hier in den letzten 20 Jahren ein Metal-Promoter gewesen und ich musste alle meine Shows nacheinander verschieben oder absagen, natürlich war es ein ernsthafter finanzieller Verlust.
Auf der anderen Seite haben wir Zeit, uns auf die Promotion zu konzentrieren, auf die Online-Arbeit, um das Album voranzutreiben usw.
Wenn die Dinge wieder zur Normalität zurückkehren, werden wir damit beginnen, die gesamte Live-Situation zu planen, im Moment stehen wir traurigerweise dem Unbekannten gegenüber.
Ihr spielt hauptsächlich klassischen Death/Doom mit Gothic-Einflüssen. Wie hat deine Begeisterung für diese Genres ihren Anfang genommen und was fasziniert dich besonders daran?
Ich bin in den 80er Jahren mit dem Sound von The Cure, The Sisters Of Mercy, Joy Division, New Model Army und auch Cocteau Twins, This Mortal Coil und natürlich Nick Cave aufgewachsen. Als ich 16 war, hörte ich zum ersten Mal „Gothic“ von Paradise Lost und „Serenades“ von Anathema. Ich hatte das Gefühl, dass sie die beiden Welten, die ich liebte, die Metal- und die Dark-Rock-Welt, kombinierten, das war ein großer Einfluss.
Eure Einflüsse wie etwa Paradise Lost, My Dying Bride oder Katatonia kann man aus eurer Musik sehr klar heraushören. Gibt es aber vielleicht auch Künstler, die euch auf weniger offensichtliche Weise inspiriert haben?
Eine Liste…? (lacht) The Cure, Morrissey, The Mission, Nick Cave, David Bowie, Bathory, frühe At The Gates, Dissection, Edge Of Sanity, Tiamat, Danzig, Mark Lanegan, Fields Of The Nephilim, The Sisters Of Mercy, Sol Invictus, Celtic Frost, Mercyful Fate, Type O Negative, The Cult usw.
Grundsätzlich gab und gibt es schon viele Bands, die diese Art von Musik spielen. Was ist aus deiner Sicht wichtiger: Innovation oder Stilsicherheit?
Es war mir sehr wichtig, dass die Songs von sich aus stark und überzeugend sind, auch ohne die Gäste, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste an einem Album: starke Songs. Die Gäste können es natürlich aufpeppen und einen Mehrwert hinzufügen, aber die Songs müssen von Anfang an stark sein.
Eines der wichtigsten Dinge war es, Lieder zu schreiben und nicht Riffs zu schreiben, das Gesamtbild zu betrachten, die ganze „Geschichte“ und nicht irgendwas wie „das ist ein tolles Riff“.
Es war also sehr, ich betone, sehr wichtig für mich, dass die Songs auch ohne jeden Gast für sich stehen, dass das Album keine Filler hat, dass die Songs solide sind. Man kann Mick Jagger und Nick Cave auf seinem Album singen lassen, aber wenn die Songs schecht sind, wird es nicht funktionieren, die Songs müssen stark und wahrhaftig sein: Die Leute werden die Lieder bei sich behalten und nicht die Namen. Wenn sie die Lieder lieben, werden sie sie auch weiterhin hören.
Das Wichtigste ist, dass man seine Wahrheit singt, authentisch, echt, offen, sodass die Leute einem glauben, einen spüren können.
Zum Teil wird diese Mischung aus Gothic und Doom Metal aber auch als kitschig angesehen. Was ist aus deiner Sicht der Unterschied zwischen kitschiger und ernstzunehmend emotionaler Musik?
Jede Stilrichtung kann kitschig sein, auch Heavy Metal, wenn über die Macht von Drachen und Stahl gesungen wird, kann kitschig sein oder Hardcore mit seinen Macho-Crews oder Black Metal mit seinen Wäldern, Synthesizern usw. Sogar Thrash oder Death Metal kann so sein, wenn man 15 Alben lang immer wieder die gleichen Klischees hört, man findet sie also in jedem Musikstil.
Ich weiß, wofür wir stehen und welche emotionale und künstlerische Tiefe wir einbringen. Davon sind wir weit entfernt, wir schaffen Kunst, keine Popsongs mit Distortion-Gitarren.
Kommen wir auf euer Debüt zu sprechen: Schon an den Songtiteln lässt sich erkennen, dass es darin um allerlei bedrückende Themen geht. Welche eurer Lebenserfahrungen habt ihr in den Songs verarbeitet?
„Hollow“ ist ein Wort, das das Album widerspiegelt. Dieses Album wurde in Zeiten der Verzweiflung, des Verlusts und eines gebrochenen Herzens geschrieben. Das Lied ist tatsächlich das letzte, das für das Album geschrieben wurde und während der Vorproduktion habe ich über einen möglichen Namen nachgedacht, der das Ganze widerspiegelt. „Hollow“ fühlte sich richtig an.
Wir alle fühlten uns in den Jahren um diese Platte herum ausgehöhlt, mein Leben war ein Höllenritt, andere Bandmitglieder wurden mit Toden in der Familie, zerbrochenen Familien, Depressionen, Krise um Krise konfrontiert.
Ich schreibe nur über mein eigenes persönliches Leben. Ich habe einen poetischen Hintergrund. Bereits 1993 veröffentlichte ich im Alter von 18 Jahren in Israel einen Gedichtband mit dem Titel „Rage Prophet“, sodass das Schreiben für mich immer der Weg war, meine Gefühle auszudrücken. Ich schreibe seit meiner Kindheit Lieder, und selbst wenn ich in „Into The Mouth Of Madness“ über Warrel Dane schreibe, schreibe ich über meine persönlichen Gefühle in der vergangenen Periode seines Lebens und an dem Tag, an dem er starb. Die Texte des Albums durchzugehen, ist eine Reise in meine Seele, aber natürlich fühlen die Leute den Song auf ihre eigene Weise und das ist großartig, das ist die Stärke der Kunst, wenn du mich fragst.
Der Text in „Hollow“ ist jedoch meine Lebensgeschichte, so schmerzhaft sie auch ist, aber es ist auch eine Geschichte über Stärke und darüber, sich seinen Ängsten zu stellen. Die Songs für dieses Album zu schreiben, war ein großartiges Werkzeug, um diesen Schmerz für eine gute und kreative Sache zu nutzen, und das ist wichtiger als die Anzahl der verkauften CDs oder Tickets oder T-Shirts. Es ist eine Möglichkeit, am Morgen aufzuwachen, ohne Panikattacken zu verspüren, ohne für den Rest des Tages im Bett bleiben zu wollen.
Was sicherlich viele Metal-Fans auf das Album aufmerksam machen wird, sind die unzähligen namhaften Gastmusiker, die daran verteilt sind. Wie ist es euch gelungen, derart viele bekannte Metal-Künstler dazu zu bewegen, etwas zu dem Album beizusteuern?
Die Idee mit den Gästen war, sie mit offenen Armen in unserem Haus willkommen zu heißen und jeden einzelnen von ihnen dazu zu bringen, etwas von sich in unserem Werk zu hinterlassen. Wir dachten über jeden Part nach und gaben jedem Gast genau die Parts, von denen ich dachte, dass sie zu ihm passen würden. Zum Beispiel habe ich in „Misery Rain“ beinahe einen Teil gesprochen, in dem ich eine sehr persönliche Geschichte erzähle, und jedes Mal, wenn ich ihn im Studio sang, dachte ich, es wäre großartig, wenn Fernando von Moonspell diesen Teil in der gleichen Stimmung singen würde wie die ähnlichen Teile in „Wolfheart“, einem Album, das ich wirklich liebe. Also lud ich Fernando ein und er sang diesen Teil. Wir luden Jeff Loomis für einen Song über Warrel Dane ein. Warrel war ein Freund von mir und sollte eigentlich „Hollow“ produzieren, also war es eine großartige Idee, Jeff Loomis einzuladen, in diesem persönlichen Gedenksong für seinen langjährigen Freund und musikalischen Partner zu spielen, usw. Ich denke, man kann Greg Mackintoshs besonderes Solo in „In The Corner Of A Dead End Street“ leicht erkennen und dasselbe gilt für Aaron von My Dying Bride in „Fear“. Sie alle haben mir einen kleinen Teil von sich geschenkt und dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein.
Die meisten von ihnen sind in der Tat Freunde, die ich seit vielen Jahren kenne. Ich kenne Sakis von Rotting Christ schon seit 1993 und blieb immer in Kontakt, sodass er und Rotting Christ für uns wie Familie sind. Auch Anders von Draconian, Spiros von Septicflesh, Mikko von Swallow The Sun und natürlich Kobi von Orphaned Land sind seit vielen Jahren Freunde. Ebenso Jeff Loomis, auch wenn ich ihn erst 2003 oder 2004 persönlich kennengelernt habe, denke ich, aber es sind immerhin 17 Jahre, die Zeit vergeht schnell. Paradise Lost hat hier viele Male gespielt und wir haben zweimal für sie eröffnet und so habe ich Greg persönlich kennengelernt. Aaron von My Dying Bride ist in der Tat der einzige, den ich erst vor etwa zwei Jahren persönlich kennengelernt habe, aber ich bin seit 1991 ein großer Fan von My Dying Bride, also war er eine der Personen, mit denen ich immer zusammenarbeiten und die ich auf dem Album haben wollte. Wir haben alle Gespräche per E-Mail geführt, aber wir haben uns viel geschrieben, nicht nur über Musik. Er ist also definitiv eine Person, die ich als Freund betrachte, und es ist eine große Ehre für uns als Band, dass er mit uns auf dem Album singt.
Wonach habt ihr entschieden, welcher Gastmusiker was auf welchem Track beisteuern soll?
Ganz einfach: Ich bin ein Musikfan und habe mir vorgestellt, was und wen ich wo gerne hören würde.
Denkst du, dass die Gefahr besteht, dass euer eigene künstlerische Leistung und Identität zwischen all diesen großen Namen untergeht?
Eigentlich ist es ganz einfach: Die Leute werden die Lieder bei sich behalten und nicht die Namen. Wenn sie die Lieder lieben, werden sie sie weiter hören, wenn sie die Lieder nicht mögen, werden auch keine Gäste helfen.
Auf welchen der Gastbeiträge bist du persönlich besonders stolz und warum?
Auf alle, wirklich, es ist kein Wettbewerb. Es ist Kunst, es ist mein Leben, das hier verarbeitet wurde, mein Schmerz, meine Narben, meine Wunden, meine Hoffnungen. Ich sitze nicht zu Hause und denke: „Oh, dieser Teil von Fernando (Moonspell), ist der besser als der Teil von Sakis (Rotting Christ)?“ Nein, so denke ich nie, ich denke eher: „Es ist verdammt toll, dass mein athenischer Bruder und mein Bruder aus Lissabon hier auf dem Album für mich singen und etwas von sich selbst einbringen“. Ein kleines Stück, denn „Wolfheart“ und „Thy Mighty Contract“ sind zwei meiner Top-Alben in diesem Stil, also ist es großartig. Ich bin ein Metal-Fan, ein Musik-Fan und ich bin hungrig nach kreativen Experimenten.
Wie wird es mit TOMORROW’S RAIN weitergehen? Werdet ihr nun schneller neue Musik veröffentlichen als es bei eurem Debüt der Fall war?
Sicher, es sind bereits vier neue Songs geschrieben und ich hoffe, dass in einem Jahr das zweite Album aufgenommen und abgemischt wird.
Habt ihr vor, auch in Zukunft mit vielen anderen Künstlern zusammenzuarbeiten oder wollt ihr euch zukünftig mehr auf euch selbst konzentrieren?
„Ich weiß nicht, wohin ich von hier aus gehen werde, aber ich verspreche, dass es nicht langweilig werden wird.“ – David Bowie
Zum Abschluss möchte ich mit dir noch ein kurzes Brainstorming durchgehen. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Beste Peaceville-Three-Band: My Dying Bride, Paradise Lost, Anathema
„Zu viele Köche verderben den Brei“: Jeder Fall für sich.
Hoffnung: Was können wir im Leben ohne sie tun? Sie ist alles.
Blast-Beats: Musikalisch nicht wirklich unser Stil, aber persönlich: Gebt mir Immolation / Hate Eternal / Vader / Napalm Death und ich kann für ein paar Stunden glücklich sein.
Nostalgie: Ich liebe sie, aber nur, wenn sie ein Werkzeug ist, um unsere Zukunft neu zu gestalten.
Mainstream-Metal: Was meinst du mit Mainstream-Metal? Mainstream als Ergebnis der Verkäufe? Oder Mainstream als Bands, die versuchen, mehr und mehr kommerziell zu werden? Wie auch immer, jedem das Seine, es gibt überall gute Bands.
Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Möchtest du den Lesern an dieser Stelle noch etwas mitteilen?
Vielen Dank für das Interview und für die Unterstützung, viel Glück mit dem Magazin und hoffen wir, dass alles wieder normal sein wird, damit wir in der Lage sein werden, in eurem Land Konzerte zu spielen!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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