TIM BOWNESS ist bisher vor allem bekannt für seine Zusammenarbeit mit Steven Wilson bei No-Man. Mit „Abandoned Dancehall Dreams“ veröffentlichte er nun kürzlich sein zweites Solo-Album, welches sich in Sphären zwischen Art Rock, Prog Rock und leichtem ArtPop bewegt. Wir nutzten die Chance und befragten den Briten zu den Besonderheiten des Albums, zu seiner Arbeit mit Steven Wilson und dem Für und Wieder des Schaffens als Solo-Künstler.
Wir würdest du die Musik auf “Abandoned Dancehall Dreams”, für diejenigen die noch nie etwas von deiner Musik gehört haben, beschreiben?
Eine sehr schwierige Frage. Cineastisch, emotional, ruhig, ehrgeizig und unverwechselbar hoffnungsvoll. Die Einflüsse reichen dabei von Elementen des Art Rock, Post-Punk, Prog Rock bis zu Singer-Songwriter und zeitgenössisch klassischer Musik.
Wie fühlst du dich mit der Veröffentlichung, bist du vollkommen zufrieden?
Ich bin wirklich glücklich mit dem Album und ich denke, es ist eines der komplettesten Statements, an deren Entstehung ich beteiligt war. Aber, nichts ist vollkommen perfekt und es gibt immer diesen inneren Antrieb, sich zu verbessern beziehungsweise sich weiterzuentwickeln in der Zukunft.
Wo liegen die Unterschiede zwischen diesem Album und seinem Vorgänger?
Der größte Unterschied ist, dass “Abandoned Dancehall Dreams” von Anfang an als Album geplant war. Ich habe elf Songs zusammengetragen, versammelt um das Bild eines verlassenen Tanzsaals. Vor allem habe ich aber dieses Mal auch einen Großteil der Musik selbst geschrieben, zusätzlich zu den Gesangsmelodien und den Texten. “My Hotel Year” war eine lose Sammlung von Stücken, die ich als Co-Writer mit anderen Leuten geschrieben habe. Das Debüt war also eher eine Art Versuch, bei dem ich Material verschiedener unfertiger Projekte zusammengetragen habe. “Abandoned Dancehall Dreams” ist “erst” dein zweites Solo-Album in fast zehn Jahren. Fühlst du dich denn eher als Solokünstler oder bevorzugst du die Arbeit mit anderen Musikern in einer Band? Eigentlich habe ich gedacht, dass das Material von “Abandoned Dancehall Dreams” die Grundlage für ein No-Man-Album werden würde. Tatsächlich bevorzuge ich es, wenn ich mich hinter der Identität einer Band verstecken kann und ich genieße auch die Kollaborationen mit anderen Musikern immer sehr. Aber als Steven (Wilson – Anm. d. Red.) sagte, er habe nicht die Zeit, um sich einem neuen Album von No-Man zu widmen, realisierte ich, dass ich die Chance hatte, ein sehr persönliches und kompromissloses Album zu machen. Die CD ist ein echtes Solo-Album, bei dem ich ausgewählt habe, alles organisiert habe und das Material produziert habe. Aber auch die Talente anderer Leute hatten einen großen Einfluss. Der Mix von Steven Wilson ist großartig und auch die Spielweise von Pat Mastelotto, Colin Edwin und anderen war toll.
Hat positive oder negative Kritik noch immer eine Bedeutung für dich, nach so vielen Jahren im Musikgeschäft?
Ich bin noch immer offen für jede Art von Kritik. Die Musik bedeutet mir unheimlich viel – sowohl als Schaffender als auch als Fan – und sie hat es schon immer getan. Ich fühle mich dem, was ich tue, einfach sehr verbunden und deshalb bedeutet mir die Reaktion der Menschen auch immer noch sehr viel. Kritik von außen hat meine Musik trotzdem nur wenig beeinflusst, da sie vornehmlich aus meinen Emotionen heraus und aus eigenem Enthusiasmus entsteht.
Du bist ja bereits sehr lange im Musikgeschäft unterwegs. Ist es immer noch sehr aufregend, ein neues Album zu schreiben, es aufzunehmen, es zu mixen und endlich veröffentlichen zu können?
Sehr sogar. Wenn es nicht mehr der Fall wäre, dann hätte es wenig Sinn mit der Musik weiterzumachen. Ich liebe den Prozess, Musik zu kreieren und zu hören, wie Ideen und Songs zusammenkommen. Es gibt mir immer noch ein besonderes Gefühl, die finalen CD- oder Vinylversionen meiner Alben zu sehen und zu hören.
Welche Bedeutung steckt hinter dem Titel “Abandoned Dancehall Dreams”?
Das Bild eines verlassenen Tanzsaals war so etwas wie der Startpunkt, den ich als weiten Rahmen für die Songs benutzt habe. Die Texte sind alle eigenständig, jedoch gibt es zwischen allen Charakteren in den Liedern eine Gemeinsamkeit. Sie alle hatten in gewisser Weise eine signifikante Verbindung zu diesem Saal. Es könnte der Ort gewesen sein, an dem die Protagonisten dem täglichen Druck entkommen konnten, an dem sie einen Streit mit einem geliebten Menschen hatten, wo sie gearbeitet haben oder an dem sie einfach nur von der Ferne geträumt haben. Als ich aufgewachsen bin, war ich immer von großartigen Bauten fasziniert, die im Laufe der Zeit verfallen sind und im Kontext mit dem Album, nutze ich den Tanzsaal als Metapher sowohl für persönliche als auch gesellschaftliche Veränderungen.
Gibt es besondere Gründe für die Wahl des Covers, vor allem mit Blick auf die Texte?
Ja, ich habe das Artwork bis in das kleinste Detail mit dem Künstler Jarrod Gosling besprochen. Am Ende habt ihr den Blick von Jarrod auf einige der Charaktere der Songs in Kombination mit meinen Vorschlägen an ihn. Ich liebe seinen Stil, der irgendwo zwischen Terry Gilliam bzw. Monthy Python und Margritte liegt.
Es gibt zwei Stücke über “Smiler”. In wie fern gehören die beiden Stücke zusammen? Was ist das Konzept hinter den beiden Liedern?
Beide Stücke handeln von derselben Frau. Im Grunde genommen geht es um ihre Unfähigkeit, mit Veränderungen und Verlusten in ihrem Leben fertig zu werden.
Wovon handeln die Texte denn generell?
Sie handeln alle von der Natur der Veränderung und davon, wie wir damit umgehen oder auch nicht. Es geht aber auch darum, wie wir Veränderungen manchmal für uns selbst forcieren. Die Geschichten und Charaktere sind sehr verschieden und auch die Zeiten, in denen die Stücke spielen, sind sehr unterschiedlich. “Waterfoot” handelt beispielsweise von einer Person, die versucht dem Fabrikleben im viktorianischen England zu entkommen.
Du hast für dieses Album mit sehr vielen Gastmusikern zusammengearbeitet. War es einfach für dich, die Leute davon zu überzeugen, mit dir an dieser Platte zu arbeiten?
Glücklicherweise, ja. Mit vielen der involvierten Musiker habe ich bereits sehr lange zusammengearbeitet, aber mit einigen, wie Anna Phoebe und Andrew Keeling, habe ich auch das erste Mal gearbeitet. Die einfache Regel lautete, dass ich die besten Leute haben wollte, die ich für die Stücke bekommen konnte. Ich bin sehr zufrieden mit den Beiträgen aller Menschen, die mitwirkten und sie alle haben positive Spuren auf dem Album hinterlassen.
Werden wir dich in nächster Zeit auch auf Tour sehen? Eventuell sogar in Deutschland?
Das hoffe ich doch. Wir werden fünf Konzerte in den nächsten paar Monaten spielen, aber es gibt auch Pläne für eine etwas kompaktere Europatournee, in naher Zukunft.
Gibt es schon Pläne für die Zukunft, abseits deiner Solokarriere und mit Blick auf No-Man, dein Projekt mit Steve Wilson?
Steven und ich befinden uns noch immer in sehr regem Kontakt und wir sprechen auch weiterhin über die Möglichkeit, ein neues No-Man-Album zu machen. Ungewöhnlich ist, dass wir in diesem Monat (Juli) ein paar Sendungen im britischen Radio mitpräsentieren werden. Anderweitig bin ich momentan dabei mit Peter Chilvers und Jacob Holm-Lupo Musik zu schreiben und aufzunehmen. Ich hoffe außerdem, dass ich die Chance bekomme, etwas mehr mit Andrew Keeling zu arbeiten.
Vielen Dank, dass du unsere Fragen beantwortet hast. Die letzten Zeilen gehören dir.
Danke für dieses Interview. Ich hoffe euch und euren Lesern hat “Abandoned Dancehall Dreams” gefallen.