Interview mit Schwadorf von The Vision Bleak

Mit „Witching Hour“ kehren THE VISION BLEAK drei Jahre nach „Set Sail To Mystery“ mit guter Dark-Metal-Hausmannskost zurück. Schwadorf und Konstanz wollten „Back to the Roots“ gehen, was man dem Album und seinen direkten, unkomplizierten Songs auch anhört. Auf Tour ging es im Anschluss mit den alten Weggefährten Dordeduh, zudem waren auch Saturnus mit von der Partie. Beim Halt in München am 30. September 2013 befragten wir Schwadorf zu seiner Einstellung zu Live-Shows, seiner Vorliebe für die Studioarbeit und natürlich nicht zuletzt zum aktuellen Album.

 

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Die aktuelle Tour läuft mit Saturnus und Dordeduh als Support. Wie kam die Kombination zustande?
Prophecy, unser Label, übernimmt auch das Booking für uns. Wir haben da ein paar Bands angefragt, ob sie Lust und Zeit hätten, und Saturnus und Dordeduh hatten Lust. Mit Negura Bunget, wo Sol Faur und Huppogrammos früher gespielt haben, waren wir schon einmal auf Tour, da hatten wir schon gute Erfahrungen gemacht. Die Musik von beiden Bands gefällt uns ziemlich gut und ich finde es auch spannend, dass komplett verschiedene Stile geboten werden: Saturnus sind richtig klassischer 90er Doom, Dordeduh etwas experimenteller und wir vergleichsweise energetisch. Die Zuschauer scheinen das auch als Gesamtpaket gut anzunehmen, es hat zwar jede Band ihr Publikum, aber es war trotzdem an keinem Abend so, dass Leute nach einer Show die Halle verlassen hätten.

the-vision-bleak-13-021Ihr spielt zumeist relativ kleine Touren, bei welchen ihr selber als Headliner fungiert. Warum zieht ihr nicht auch mal als Support einer größeren Band los?
Das haben wir bisher einmal gemacht, ich glaube 2007, bei Therion. Das hat auch Spaß gemacht, aber man hatte etwa eine halbe Stunde Spielzeit pro Tag und die Tour ging 17 oder 18 Tage. Ein bisschen kommt man sich da schon vor, als würde man seine Zeit verschwenden. Man hängt den ganzen Tag nur herum um dann eine halbe Stunde zu spielen. Irgendwie kann es das ja auch nicht sein.
Tobias und ich spielen beide lieber vor 100 Leuten, die sich unsere Musik gerne anhören, als vor 800, bei denen man sich eher wie Kanonenfutter vorkommt. Wir spielen mit THE VISION BLEAK sowieso nicht so viel, deswegen finde ich es wichtig, dass wir dann auch eine siebzigminütige Show bieten können.

Hattest du das Gefühl, dass die Tour mit Therion dann zumindest neue Fans gebracht hat? Die Zugewinne dürften sich an einem Abend wie heute ja eher in Grenzen halten, wer Dordeduh kennt, dem ist THE VISION BLEAK wohl auch nicht zur Gänze unbekannt…
Wahrscheinlich ist die Schnittmenge da recht groß, ja. Obwohl die Therion-Tour damals aber wirklich gut besucht war, hatte die Plattenfirma mir damals nicht gesagt, dass man das in irgendeiner Form an den Verkäufen gemerkt hätte. Wir waren auch viel im Ostblock unterwegs, da ist die Finanzkraft nun einmal auch nicht größte. Ansonsten ist mir wie gesagt aber auch das nicht so wichtig, sondern, dass die Fans, die kommen, auch wirklich etwas mit uns anfangen können.

Heute spielen ja Audrey Horne hier im Backstage direkt gegenüber, hat sich das irgendwie in den Vorverkäufen bemerkbar gemacht?
Die Schnittmenge zwischen uns und Audrey Horne ist jetzt wiederum nicht so groß, denke ich. Also klar, es gibt Fans, die einfach querbeet alles hören… Kann ich nicht so beurteilen, ich weiß auch nicht, ob die Leute heute nicht vielleicht eh lieber auf’s Oktoberfest gehen. Montag ist immer schwierig, wir werden nachher ja sehen. Aber ich freue mich auf den Club, ist meiner Meinung nach einer der schönsten in Deutschland.

the-vision-bleak-13-03Du sagst in Interviews oft, dass dir live spielen deutlich weniger Spaß macht, als die Arbeit im Studio. Warum dann überhaupt auf Tour gehen? Ein notwendiges Übel, das mit dem Betrieb der Band einhergeht?
Nein, so schlimm ist es dann doch nicht (lacht). Wir sind ja auch alle Kumpels hier, das macht schon Spaß. Ich würde aber keine Tour spielen, die sechs Wochen geht. Das würde sich auch mit dem Studio gar nicht vereinbaren lassen. Das ist mein hauptsächlicher Broterwerb, den ich irgendwie in die Waagschale werfen müsste, um versuchen zu können, mit THE VISION BLEAK auf längeren Touren richtig groß zu werden, und das möchte ich nicht. Aber an sich machen die Touren schon wirklich Spaß, gerade in einer Situation wie jetzt, wo man sich mit allen Leuten im Tourbus sehr gut versteht. Trotzdem ist die Arbeit im Studio das, wo ich mich wohler fühle, da bin ich heimischer. Das Reproduzieren von Musik ist mir weniger wichtig als das Produzieren.

Ihr arbeitet live ab und zu mit kleinen Gimmicks, mir fällt da etwa das Shining Trapezohedron von der „The Wolves Go Hunt Their Prey“-Tour ein. Warum habt ihr solche Show-Elemente seitdem nicht wirklich ausgebaut?
Ein Mini-Gimmick haben wir auch jetzt wieder dabei, einen Hexenkessel, aus dem Nebel kommt und der leuchtet. Aber das grundsätzliche Problem ist immer: Heute, auf so einer Bühne, können wir so etwas auch aufbauen, aber gestern in Zürich war die Fläche so klein, dass man schauen musste, dass die Band selbst überhaupt da oben Platz hatte. Da ist es ärgerlich, wenn man im Trailer lauter so Sachen mitschleppt und dann jeden zweiten Abend feststellen muss, dass man sie gar nicht verwenden kann. Würden wir nur in Clubs spielen, wo entsprechend Platz vorhanden ist, könnten und würden wir da viel mehr machen.

Kommen wir zum neuen Album „Witching Hour“. Inwiefern entstand das Album anders, als vorangegangene Scheiben?
Seit der „Carpathia“ hat sich unsere jetzige Arbeitsweise da eigentlich etabliert: Ich bereite die Songs vor und nehme sie rudimentär mit Drumcomputer und ein paar Keyboards auf. Auch die Songstrukturen sind da noch nicht ganz fertig. Die Songs werden dann in Zusammenarbeit von Tobias und mir fertiggestellt, meistens erst während der Aufnahme. Gerade bei der neuen Platte war uns wieder extrem wichtig, dass wir die Dinge hier nicht zu sehr überdenken. Bei „Set Sail To Mystery“ war ein halbes Jahr Luft zwischen den Aufnahmen der Instrumentalpassagen auf der einen und Keyboard- und Gesangsspuren auf der einen Seite, weil mein Studio dazwischen gebucht war. In dieser Zeit kann man viel über Sache nachdenken, vielleicht auch zu viel. Deshalb haben wir diesmal darauf geachtet, besonderes frisch und flott zu Werke zu gehen, frei von der Leber weg.

the-vision-bleak-13-04In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob es dich nicht auch einmal reizen würde, im Bandkontext zu agieren, wo man Songs auch wirklich im Jam erarbeiten kann, statt immer nur in Zweiergruppen an ihnen zu basteln?
Würde mich reizen, aber wenn dann als einfaches Bandmitglied, beispielsweise als Drummer. Als Schlagzeuger mal einfach nur Dampf abzulassen, das fände ich auch mal spannend. Aber auf der kompositorischen Ebene hat sich das Zweiergespann als perfekte Herangehensweise für mich herausgestellt. Denn wenn man alleine schreibt, hat man zu viel Routine. Durch den Input einer zweiten Person, bei THE VISION BLEAK Tobias, bei Empyrium Thomas, wird der Song auf eine Ebene gehievt, auf die man alleine nie kommen würde. Eine klitzekleine Anregung kann einen Song da komplett verändern.

Wäre die Arbeit mit einem anderen Produzenten als dir dann nicht auch einmal eine Option?
Da haben wir tatsächlich schon drüber nachgedacht, aber im Endeffekt machen wir es glaube ich lieber doch so weiter, wie wir es bisher gemacht haben (lacht). Klar ist es gut möglich, dass eine dritte Person neue Ideen bringen würde, aber mit unserer jetzigen Arbeitsweise haben wir im Studio eben eine gewisse Wohlfühl-Atmosphäre. Mit einem anderen Produzenten hätten wir beispielsweise Zeitdruck, der im eigenen Studio wegfällt. Man muss sich dort dann natürlich andererseits vor einer gewissen Betriebsblindheit schützen, aber genau deswegen versuchen wir auch wieder, die Sachen nicht zu sehr zu überdenken, sondern schnelle Entscheidungen zu treffen.

Ist das dann auch das Element, warum das neue Album als „back to roots“ beworben wird?
Genau, ja. Ein Debüt-Album hat immer eine Stimmung, die man später nur äußerst schwer wieder einfangen kann. Bei einem Debüt ist man frei von jeglicher Erwartungshaltung von außen. Diesen Druck, diesen Gradmesser, wirst du später nicht mehr los. Nicht nur den Fans, auch dir selbst kann ein Album ja einfach sehr gut gefallen haben, das man dann wieder übertreffen will. Zum Debüt-Vibe wollten wir zurück: Einfach weniger nachdenken.

the-vision-bleak-13-06Gibt es denn dennoch musikalische Neuerungen, die du wahrgenommen hast? Die Flöte in „Blocksberg Rite“ ist wohl noch das offensichtlichste Element, aber ich hatte auch das Gefühl, dass Tobias deutlich variabler singt, als zuvor?
Genau, das sind auf jeden Fall zwei Aspekte. Auch gibt es auf dem neuen Album keine einzige Gesangsstelle von mir. Nicht, weil wir da bewusst drüber nachgedacht hätten, sondern weil es einfach keine Stelle gab, wo ich es spontan als passend empfunden hätte. Vom Riffing finde ich es zum Teil auch ein bisschen rockiger oder traditioneller, keine Ahnung… Ich meine, so ein fast schon an Judas Priest erinnerndes Riff wie in den Strophen von „Hexenmeister“ hatten wir bisher glaube ich auch noch nicht.

Genrefremde Elemente wie die Flöte sind so neu auch wieder nicht, ich denke da beispielsweise an die Sitar in der „Black Pharaoh Trilogy“. Sind das Stilmittel, wo du dir vorstellen könntest, dass sie in Zukunft wichtiger werden?
Nach unserer letzten Platte hatten wir in der Tat viel darüber geredet, mit THE VISION BLEAK in eine ganz andere Richtung zu gehen, noch deutlich atmosphärischer zu werden. Aber wie es dann immer ist, ist dann eben die Theorie auf der einen Seite, aber wenn dann zum Schreiben beginnt, hört man auf sein Bauchgefühl. Der erste Song, der von einem neuen Album fertig ist, gibt dann oft die Richtung an, und das war hier „Cannibal Witch“.

„Carpathia“ war euer letztes und bisher einziges klassisches Konzeptalbum mit durchgehender Story. Ist „Witching Hour“ auch wieder eher ein Sammelsurium von Songs, die von der Hexenthematik zusammengehalten werden?
Dass es in jedem Song um Erzählungen über Hexen geht, hält das Album natürlich zusammen, ja. Was eher unbewusst passierte, ist, dass die Platte mit „A Witch Is Born“, also der Geburt, beginnt und mit „The Valkyrie“, dem Tod, endet, da schließt sich der Kreis dann. Ich finde aber, dass ein Konzeptalbum auch nicht unbedingt eine durchgängige Geschichte erzählen muss, für meine Begriffe haben wir immer Konzeptalben gemacht. Bei „Carpathia“ war das Konzept aber sicherlich am offensichtlichsten.

the-vision-bleak-13-05Wie seid ihr zum Konzept des neuen Albums gekommen? Es fällt mir etwas schwer, mir vorzustellen, dass du dich mit einem Stapel Märchenbücher hinsetzt, um neue Thematiken für THE-VISION-BLEAK-Texte ausfindig zu machen…
So abwegig ist der Gedanke aber gar nicht. Das Hexenkonzept wollte ich schon länger einmal in Musik umsetzen. Das kommt von diesem ganz naiven, klassischen Märchenbild von einer Hexe, die durch das Mondlicht fliegt, was wir im Cover ja auch visualisiert haben. Nachdem klar war, dass wir das angehen würden, habe ich mich schon hingehockt und recherchiert, was atmosphärisch gut passen könnte. Natürlich hat man vieles ohnehin im Hinterkopf, „Pesta Approaches“ war beispielsweise stark vom Maler Theodor Kittelsen inspiriert, von dem ich ja auch für Empyrium schon eine Menge mitgenommen hatte.

Seit langer Zeit habt ihr auch wieder ein Video zu einem Song („The Wood Hag“) gemacht. Wie kam es denn dazu? Seid ihr da an den Macher des Videos, Fursy Teyssier, herangetreten, oder er an euch?
Eine Mischung aus beidem. Ich kenne Fursy ja relativ gut, zum einen war er ja Live-Bassist von Alcest, mit denen wir ja auch schon auf Tour waren. Amesoeurs habe ich produziert, wo er gespielt hat, und er ist Teil des Live-Line-Ups von Empyrium. Anfangs meinten Prophecy zu uns, dass sie sich gut vorstellen könnten, mal wieder ein Video zu machen. Wir fanden das auf Anhieb gut und haben dann angefangen, Ideen zu sammeln, die erst in eine ganz andere Richtung gingen. Prophecy haben dann Fursy vorgeschlagen. Den habe ich dann kontaktiert und er hatte da direkt Lust, weil er meinte, dass THE VISION BLEAK visuell für ihn viel hergibt. Er hatte dann auch die Idee, das Ganze in diesem Stop-Motion-Prinzip zu machen. Wir wiederum haben ihm dann unsere Vorstellungen übermittelt, was wir inhaltlich gut fänden, diese Hänsel-und-Gretel-Geschichte eben. Aber den Rest hat er dann im Prinzip alleine gemacht, natürlich immer mit Rückmeldungen von uns.

Nachdem „The Wood Hag“ nach „Wolfmoon“ ja erst der zweite Song ist, zu dem es ein Video gibt, repräsentiert euch das Video jetzt natürlich vor allem auf Plattformen wie YouTube nach außen. Macht man sich vorher Gedanken, wie man auf einen potenziellen neuen Fan wirkt, wenn der als erstes ein Video über Hänsel und Gretel von euch sieht?
Ich muss sagen, Hänsel und Gretel ist für mich eine der grausamsten Geschichten, die ich kenne. Es wächst zwar jeder in Deutschland mit dieser Geschichte auf, aber wenn man sich das mal überlegt: Eine Hexe lebt im Wald und frisst Kinder, viel grausamer geht es eigentlich nicht mehr. Ich finde die Umsetzung auch großartig, einerseits diese kindliche Naivität, andererseits diese dunkle Grausamkeit, die eigentlich kaum in Worte zu fassen ist. Ich finde, das passt bildlich super. Ich mache mir da auch nicht so den Kopf drüber, ob jemand das irgendwie scheiße oder peinlich findet. Mein Gott, soll er das denken, im Endeffekt muss es mir und Tobias gefallen.

the-vision-bleak-13-002Warum ist es denn überhaupt so, dass ihr so wenige Videos habt? Viele Bands präsentieren sich ja über dieses Medium sehr aktiv, und wenn es auch nur Live-Mitschnitte zu irgendwelchen Songs sind.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir da einfach zu oldschool dafür sind (lacht). Ich muss auch sagen, dass beispielsweise Facebook etwas ist, was ich in meinem täglichen Leben überhaupt nicht nutze. Natürlich ist das für eine Band ultra wichtig, was ich inzwischen auch erkannt habe, weil wir, seit wir die Facebook-Seite aktiv nutzen, wahnsinnig viele Reaktionen bekommen haben. Aber die generelle Entwicklung im Musikgeschäft, dass das drumherum mehr zählt als die Musik, ist mir zuwider. Ich mach das, weil ich gern Musik mache, und nicht, weil ich mich gern bei Facebook präsentiere. Deshalb ist das bei uns im Vergleich zu anderen Bands vielleicht ein bisschen im Hintertreffen, aber damit kann ich auch ziemlich gut leben.

Nimmst du den Input, der über solche Plattformen reinkommt, trotzdem zur Kenntnis?
Mittlerweile schon, auf jeden Fall. Ich bin jetzt kein Nerd, der alle 20 Minuten nach neuen Reaktionen auf Facebook Ausschau hält. Aber wenn Tobias, der die meisten Posts setzt, mich auf irgendetwas aufmerksam macht, dann interessiert mich das natürlich schon. Man würde lügen, wenn man sagen würde, dass einen das völlig kalt lässt, klar.

Auch in Sachen Live-Mitschnitte seid ihr nicht sonderlich aktiv, das letzte Live-Dokument dürfte der Special Edition von „The Wolves Go Hunt Their Prey“ beigelegen haben, die Aufzeichnung eurer Show auf der Prophecy-Konzertnacht 2006. Darf man da bald wieder etwas erwarten?
Zumindest in näherer Zukunft nicht. Die Empyrium-DVD („Into The Pantheon, 2013, Anm. d. Red.) war so unfassbar viel mehr Arbeit als ein Album, das möchte ich mir demnächst ungern noch einmal antun (lacht).

 

Im zweiten Teil des Gesprächs ging es um Empyrium und die aktuelle DVD „Into The Pantheon“. Lest diesen Teil des Interviews hier:

>> Zum Empyrium-Interview …

 

Publiziert am von Marius Mutz und

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