Interview mit Niklas Kvarforth von The Sinister Initiative / Høstsol / Shining

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Was tut man als Musiker, wenn man nicht länger von Plattenlabels ausgenutzt werden möchte? Man gründet ein eigenes. Diese Konsequenz hat jedenfalls SHINING-Mastermind Niklas Kvarforth aus 25 Jahren im Musik-Business gezogen und THE SINISTER INITIATIVE gestartet. Ein Gespräch über Labels als privilegierte Briefträger, seine Ambitionen mit der eigenen Firma, seine neue Band HØSTSOL und natürlich: was all diese Aktivitäten für SHINING bedeuten.

Hallo und danke, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht es dir?
Eigentlich geht es mir gut. Ich arbeite jetzt seit etwas mehr als einem Jahr nonstop und fange langsam an, die Früchte dieser fanatischen Phase zu ernten, die mich dahin gebracht hat, wo ich sein möchte.

Niklas Kvarforth

In der Corona-Pandemie hat diese Eingangsfrage eine ganz andere Schwere bekommen. Für viele Musiker bedeutet die Corona-Krise nicht nur das theoretische Gesundheitsrisiko, sondern oft auch einen kompletten Verdienstausfall. Wie gehst du damit um, wie ist deine Situation im Moment?
Nun, natürlich hat sich die Situation auch auf mein Einkommen ausgewirkt, aber um ehrlich zu sein, gibt es auch einen Lichtblick in dieser Pandemie: Ich habe wirklich eine Pause vom Touren gebraucht und in Anbetracht der Umstände hatte ich nun gar keine andere Wahl, als diese ziemlich lange Pause zu machen, dank der ich mich so gut fühle wie schon lange nicht mehr. Und wie du wahrscheinlich weißt, habe ich mich auch darauf konzentriert, nebenbei ein paar Bücher zu schreiben, und die Isolation hat mich zweifellos produktiver gemacht, als ich es je war. Mir sind mondäne Dinge nicht so wichtig wie den meisten anderen Menschen … abgesehen davon, dass ich mich auf ein feines Essen in der Woche beschränken muss, beschäftigt es mich nicht sonderlich, dass ich aktuell weniger verdiene.

Zumindest scheint es deine Kreativität nicht zu beeinträchtigen: Mit HØSTSOL hast du eine neue Band gegründet. Wie kam es dazu und in welche Richtung wird es musikalisch gehen?
Ich habe mit Cernunnus von Manes über viele Jahre immer wieder an verschiedenen Projekten gearbeitet und ich denke, es war nur eine Frage der Zeit, wann wir beide uns hinsetzen und eine komplette Platte zusammen machen würden. Manes ist eine meiner absoluten Lieblingsbands und da Cernunnus den Großteil der Musik geschrieben hat, sollten die Leute wissen, was sie erwarten können, denke ich. Außerdem haben Hellhammer [Schlagzeuger u. a. bei Mayhem – A. d. Red.] und ich versucht, etwas Neues zusammen zu machen, seit Witt ihn bei SHINING auf dem „Halmstad“-Album ersetzt hat. Insofern war es naheliegend, ihn in die Band zu holen. Dann kreuzten sich meine Wege zufällig mit denen von Kalmos von den Bands Ajattara und Barathrum … mit ihm habe ich zufällig angefangen, an anderen Dingen zu arbeiten, die aber nichts hiermit zu tun haben. Wir haben uns auf erfrischende Art und Weise verstanden, und da er Hellhammer auch kannte, fragte ich ihn, ob er daran interessiert wäre, in dieser neuen Band mitzumachen … und ohne dass ich es bemerkte, war das Line-up komplett.

Wie weit seid ihr, wann wird es erste Musik zu hören geben – und steht schon ein Veröffentlichungstermin fest?
Es ist mittlerweile alles mehr oder weniger aufgenommen, es wird also nicht mehr allzu lange dauern, bis wir unseren Zorn auf die Welt loslassen werden. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir unser Debütalbum „Länge Leve Döden“ im Herbst über THE SINISTER INITIATIVE veröffentlichen. Wir werden aber versuchen, vorher eine Single rauszubringen, um schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das zu geben, was kommt.

THE SINISTER INITIATIVE ist euer eigenes Label, das ihr unlängst gegründet habt. Euer Motto lautet „One Vision – Three Artists – Zero Tolerance“. Wer sind die anderen Artists, die dahinter stehen, und wie kam es zu diesem Projekt?
THE SINISTER INITIATIVE wurde 2017 gegründet, weil ich an meine Grenzen gestoßen bin, als ich mit Firmenidioten „Ball gespielt“ habe, die dachten, dass ihre Meinung zählt – was nicht der Fall war und auch nie der Fall sein wird. Ich persönlich war tatsächlich an einem Punkt angelangt, an dem ich kurz davor war, das Handtuch zu werfen und meine musikalische Karriere komplett zu beenden – einfach weil es für uns in den letzten Jahren so nervig war, mit anderen zusammenarbeiten zu müssen. Im Umkehrschluss hieß das: entweder auf alle scheißen oder die Branche verlassen. Die Leute, die hinter diesen Firmen stehen, sind im Grunde nichts anderes als privilegierte Briefträger, die es – genau wie die Post – wagen, absurde Summen für ihre meist unzulänglichen Dienstleistungen zu verlangen, indem sie Briefe zustellen, die wir geschrieben haben; ich hatte es satt, ihre gierigen Mäuler zu stopfen.

Marco Kehren

Der zweite Künstler hinter dieser unserer Widerstandsaktion ist Marco Kehren von der holländischen Black-Metal-Band Deinonychus, der genau wie ich seine vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Angelegenheiten in den Griff bekommen musste. Der dritte ist Herr Marcus Rödl, mehr ein Wachposten als ein gewöhnlicher Künstler, aber er teilt genau die gleiche Meinung und den gleichen Unmut wie wir beide.

Was könnt ihr den Bands bieten, was andere Labels nicht können? Was macht THE SINISTER INITIATIVE zu etwas Besonderem?
Wir bieten niemandem etwas an, da wir nicht daran interessiert sind, mit anderen Bands zu arbeiten als mit unseren eigenen.

Wie kommen dann die Black-Metaller Srd aus Slovenien in euren erlesenen Roster?
Die Sache mit Srd war leider ein Fehler, wir mussten schließlich erkennen, dass sie weder unsere Leidenschaft noch unsere Absichten teilten, was sehr schade ist, da sie eine großartige Band sind. Aber am Ende des Tages sind wir alle zu alt, um mit Leuten zu arbeiten, die denken, sie wüssten, wie die Dinge laufen, wenn sie leider nicht die geringste Ahnung haben. Wir haben dadurch leider eine absurde Menge an Geld verloren, aber es war auch eine wertvolle Erfahrung, die uns letztendlich klar gemacht hat, dass sich manche Dinge nie ändern.

Lohnt sich diese Eigeninitiative denn finanziell oder treibt euch der reine Idealismus?
Nun, nicht wirklich, aber für uns als Künstler ist es wichtig, sicherzustellen, dass alle unsere Arbeiten in möglichst perfekten Editionen verfügbar sind, egal, was passiert. Aber wie ich im Laufe der Jahre gelernt habe: Harte Arbeit wird sich irgendwann auszahlen und wenn das nicht der Fall ist, kann ich immer noch erhobenen Hauptes gehen und muss mich nicht auf ein einziges anderes menschliches Wesen verlassen, das von meiner Überlegenheit zehrt.

Deinonychus – Warfare Machines

Eure ersten Releases sind Wiederveröffentlichungen von Deinonychus. Wie geht es dann weiter?
Um die volle Kontrolle wiederzuerlangen, versuchen wir einerseits wieder in den Besitz unserer jeweiligen Back-Kataloge zu bekommen und andererseits alle unsere zukünftigen Alben selbst zu veröffentlichen. Ich bin froh, sagen zu können, dass wir das mit Deinonychus bereits geschafft haben; was SHINING angeht, sind die Dinge aus offensichtlichen Gründen etwas schwieriger.

Im Februar veröffentlichen wir die nächsten beiden Deinonychus-Alben, „Deinonychus“ und „Mournument“ auf CD, LP und Tape, gefolgt von zwei weiteren, „Insomnia“ und „Warfare Machines“ im April. Es ist noch etwas zu früh, um den Rest zu verraten, der im Laufe des Jahres geplant ist, aber sicherlich wird der gesamte Deinonychus-Backkatalog in remasterten und visuell atemberaubenden Versionen neu aufgelegt werden, bevor wir endlich bereit sind, ein nächstes Album zu veröffentlichen. Das Gleiche passiert mit einigen älteren SHINING-Alben, um die wir seit Jahren kämpfen und die wir nun wohl wieder unter unsere Kontrolle gebracht haben. Ansonsten kann man sowohl von Deinonychus als auch von HØSTSOL im Jahr 2021 neue Alben erwarten.

Bethlehem – „A Sacrificial Offering…“-Re-Release

Was für Veröffentlichungen plant ihr sonst noch?
Die acht Deinonychus-Alben und ein spezielles mit dem ganzen alten Demo- und Promo-Material sind derzeit in Arbeit. Ein paar SHINING-Alben, die ich leider wie gesagt im Moment nicht auflisten kann. Dann veröffentlichen wir im Juni die beiden Bethlehem-Alben, auf denen ich gesungen habe, allerdings auf einem Sublabel, das wir THE SINISTER ARCHIVES nennen, anstatt unter dem TSI-Banner, um Verwirrung bezüglich des Kerns der Dreieinigkeit zu vermeiden.

Vinyl scheint ein großes Thema für das Label zu sein. Wie stehst du selbst zu LPs? Bist du selbst ein Fan oder wie konsumierst du Musik am liebsten?
In meiner Jugend war Vinyl das Hauptmedium, auf dem Musik veröffentlicht wurde, also fühlt es sich für mich ganz natürlich an, Musik auf LP zu hören statt auf CD. Außerdem hat die Vinyl-Industrie in den letzten 15 bis 20 Jahren eine Art Revival erlebt, vor allem im Metal-Bereich. Darum werden unsere Veröffentlichungen selbstverständlich immer in beiden Formaten erhältlich sein. Früher hatte ich auch eine ziemlich große Sammlung, aber ich bin von einem Land ins nächste Land gezogen und habe aus logistischen Gründen so ziemlich alles, was ich jemals besessen habe, entweder weggegeben oder verkauft.

Niklas Kvarforth live mit SHINING, © Afra Gethöffer-Grütz / Metal1.info

Neben Vinyl bietet ihr auch Tapes an. Auch dafür scheint es wieder einen Markt zu geben. Was denkst du über Tapes? Siehst du darin irgendeinen Wert außer Nostalgie, und wie erklärst du dir, dass auch dieses Medium wieder ein Revival feiert?
Ich verstehe den Hype auch nicht wirklich, aber die Leute fragen danach, und bevor irgendein beschissenes Label unsere Arbeit bootlegt, haben wir beschlossen, sie selbst zu machen.

Mit THE SINISTER PRINT habt ihr auch angekündigt, Bücher zu veröffentlichen. In welche Richtung soll das gehen?
Ich habe das Buch „When Prozac No Longer Helps“ mittlerweile in vier Ausgaben veröffentlicht, alle über SHINING LEGIONS. Als ich nun auch begonnen habe, an anderen Büchern zu arbeiten, war es ein natürlicher Schritt, diese Veröffentlichungen zu THE SINISTER INITIATIVE hinzuzufügen. Ich bezweifle aber, dass wir noch etwas anderes machen werden als das.

Den angesprochenen Gedichtband gibt es jetzt auch in deutscher Ausgabe. Wurden die Gedichte also übersetzt?
Die deutsche Ausgabe ist natürlich in einer deutschen Übersetzung erschienen. Genauso wie ein anderer Verlag es auf Französisch herausgebracht hat, ein anderer auf Türkisch und ein weiterer auf Russisch. Wer sich für ein Exemplar interessiert, sollte sich mit Ván Records in Verbindung setzen, die auch limitierte farbige Vinyls unserer Veröffentlichungen exklusiv für den Raum Deutschland, Österreich und Schweiz anbieten.

Ein weiteres Buch von dir ist „Cinematic Nightmares“, ein Werk von dir über Horrorfilme. Was können wir von diesem Buch erwarten?
Wow, das ist ein Projekt, an dem ich schon seit Jahren arbeite. Im Grunde sind es drei Bände, die im Laufe der nächsten drei Jahre veröffentlicht werden. Jeder konzentriert sich auf eines der letzten Jahrzehnte und die übersehenen Filme, die in der gewählten Ära veröffentlicht wurden, aber aufgrund der immensen Menge an Mist, der jeden Tag veröffentlicht wird, zum Großteil in der Versenkung verschwunden sind.Was sind deine drei Lieblingsfilme, die du jedem Genre-Fan empfehlen würdest?
Die Bücher sind, wie gesagt, Studien über zeitgenössische Horrorfilme und ich muss sagen, dass ich viele, viele neuere Filme bewundere, seit ich angefangen habe, an diesen Büchern zu arbeiten. Aber meine All-Time-Lieblingsfilme aus dem Genre sind bis heute die gleichen geblieben: John Carpenters „In The Mouth Of Madness“ [dt.: “Die Mächte des Wahnsinns” – A. d. Red.], David Lynchs „Blue Velvet“ [dt.: „Blauer Samt“/”Blue Velvet – Verbotene Blicke”] und „Candyman“ [dt.: “Candyman’s Fluch” von Bernard Rose].

Gab es schon mal einen Film, der selbst für dich zu krass war?
Um ehrlich zu sein, habe ich mich noch nie für Gore und “Eingeweide-Horror” interessiert. Und nein, nachdem ich ein Leben gelebt habe, in dem Gewalt, Krieg und Blut quasi ein Teil meines täglichen Lebens waren, schafft es nichts dieser Art, mich zu ekeln.

Was bedeutet dein Engagement in der neuen Band und bei dem Label für SHINING? Arbeitest du parallel an neuem Material oder liegt die Band momentan auf Eis?
Das neue SHINING-Album ist schon mehr oder weniger fertig, aber ja, ich muss mich jetzt eine Weile um die geschäftlichen Dinge konzentrieren, bevor ich zu Sonic Train zurückkehre und aufnehme, was mein elftes Album werden wird. Das werde ich nicht vor Ende des Jahres schaffen, also zielen wir darauf ab, das sich das dann frühestens Mitte 2022 wie ein mutiertes Corona-Virus verbreitet.

Danke für das Gespräch! Zum Abschluss unser traditionelles Brainstorming:
Dein Lieblingsalbum 2020:
„Ode To Acts Of Murder, Dystopia And Suicide“ von Deinonychus
Weihnachten oder Wintersonnenwende:
Wintersonnenwende
SKITLIV – kommt da noch was?
Ich und Maniac hatten Pläne, ein zweites Album zu machen, aber ich weiß es nicht.
Whiskey oder Absinth:
Weder noch
Stream-Shows:
Was ist eine Stream-Show?
2020 in einem Satz:
Wen interessiert das?

Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für den Support! Ich möchte alle, die unsere Arbeit unterstützen, bitten, auf unsere Website zu gehen und die Alben, die wir in Produktion haben, vorzubestellen. Die Dinge haben sich in den letzten Jahren sehr verändert, was bedeutet, dass die Vorbestellungen für uns essenziell geworden sind, um unsere Veröffentlichungen in dem Tempo herausbringen zu können, das wir uns wünschen. Jede Vorbestellung zählt und je mehr wir bekommen, desto schneller sind wir in der Lage, unser schwarzes Werk für euch alle da draußen verfügbar zu machen. Unterstützt die totale Dekonstruktion der westlichen Gesellschaft!

Niklas Kvarforth live mit SHINING, © Afra Gethöffer-Grütz / Metal1.info

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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