Reverend Bizarre sind Geschichte, doch der Mann, der der Band seine markante Stimme lieh, ist weiterhin aktiv: Magister Albert (früher Albert Witchfinder) ist nun unter anderem bei Spiritus Mortis, Armanenschaft und auch bei den Grauens-Doomern von The Puritan beschäftigt. Im seinem zweiten metal1.Plausch spricht er über das Ende von Reverend Bizarre, das The Puritan-Album „Lithium Gates“ und seine Sicht auf die Menschheit.
Ehrwürdiger Magister Albert, ich grüße dich! Ich bin allerhöchst erfreut, dass wir uns ein zweites Mal zu einem gemütlichen Mail-Plausch zusammenfinden können (hier der erste als kleine Gedächtnisstütze.) Wie geht es dir? Hattest du angenehme Festtage?
Mir geht es recht gut, danke! Ich erhole mich immernoch von den Studio-Sessions für das dritte Spiritus Moris-Album. Ich habe den gesamten Gesang und alle Texte dazu beigesteuert, und das Artwork ist als nächstes dran. Dieses Projekt hat mich die letzten Monate in Atem gehalten. Gleichzeitig haben wir die Arbeit am Booklet für Reverend Bizarre’s „Death is Glory… Now“ abgeschlossen, und kurz zuvor wurde The Puritan’s „Lithium Gates“ veröffentlicht. Das verursachte mir eine Menge Ärger und Arbeit. Wegen all dieser Dinge ließ ich es an Weihnachten langsam angehen. Nun, ich habe ein paar Gläser getrunken, was eigentlich nicht Teil meiner Julfest-Traditionen ist, dafür war ich dann an Silvester nüchtern. Ich hoffe, 2009 wird einfacher für mich. Das muss es sein, sonst werde ich 2010 nicht erleben. Das wird aber vielleicht keiner von uns.
Mittlerweile ist der Reverend endgültig in sein Grab gestiegen und der letzte Sargnagel eingeschlagen – war es eine große Befreiung, dieses Kapitel endlich abgeschlossen zu haben?
Vielleicht sollte ich sagen, dass es das sein wird, denn noch muss ich ja diese Interviews machen, aber ich fühle mich jetzt viel erleichterter als Ende letzten Jahres. Nun weiß ich, dass es ein endgültiges Ende geben wird. Das „Slice of Doom“-Demomaterial wird eventuell dieses Jahr auf Schallplatte rauskommen, und es gab Gespräche über eine mögliche DVD, und ein Live-Tape, das in Malaysia rauskommt, aber sonst wars das. Traurigerweise ist der Ärger mit der Magick with Tears-Doppel-LP in Chile noch nicht vorbei, aber ich habe beschlossen, jetzt nicht darüber nachzudenken. Ich konzentriere mich auf Spiritus Mortis-Gigs und meine anderen musischen und künstlerischen Sachen. Und darauf, Artikel und Reviews für ein paar Magazine zu schreiben.
Nach dem Album hattet ihr noch einige Kurzauftritte auf diversen Split CDs. Waren das sozusagen die letzten Atemzüge des Reverends? Hätte nicht eigentlich nach „So long, Suckers“ Schluss sein sollen?
Die Pläne zu diesen Splits hatten wir schon, bevor wir ins Studio gingen, um „Suckers“ aufzunehmen. Und so kam es dann auch. Es war also alles bereits 2007 geplant. Vielleicht war „So long, Suckers“ in mancher Hinsicht das große Finale, aber diese Splits stellten sich als prächtig heraus. Ich bin stolz auf sie. Wir durften mit so großartigen Bands zusammenarbeiten. Im Falle von Electric Wizard und Mr. Velcro Fastener waren die Splits schon seit Jahren geplant, aber es gab immer Verzögerungen. Ich bin froh, dass wir diese ganzen Vinyls 2008 veröffentlicht haben. Eine Belastung weniger.
In wenigen Tagen erscheint „Death is Glory… now“, eine Zusammenstellung von Songs, die nur auf sehr raren EPs oder Split-CDs zu finden sind. Kam die Idee dazu von euch oder von eurem Label?
Alles, was wir je aufgenommen und veröffentlicht haben, war ausschließlich das, was wir tun wollten, also kamen alle Ideen immer von der Band und wir haben nie auf andere gehört, mit Ausnahme der Metal Coven-Releases in Deutschland, da haben Tobi und Co. uns wahrscheinlich gefragt haben, ob wir etwas für sie tun würden und so weiter. Unser Majorlabel-Deal gibt uns totale künstlerische Kontrolle über alles.
Was ist der für dich persönlich „wertvollste“ Song dieser Zusammenstellung?
Unmöglich zu sagen… „Demons annoying me“ ist für mich und die ganze Band ein sehr wichtiges Lied, „The Tree of Suffering“ ist einer von Peters besten Songs, ich bin stolz auf „Odinn’s Men“ und „From the Void II“, „Rotestilaulu“ wollte ich schon ewig machen… wenn wir die offensichtlichsten Coversongs weglassen, ist eigentlich alles wertvoll. Es ist eine großartige Zusammenstellung.
Jetzt, da es aus ist – vermisst du Reverend Bizarre vielleicht schon ein kleines Bisschen?
Ich vermisse einige Momente auf Tour und selbst im Studio, aber insgesamt war das Ende vorbestimmt und ich wollte es auch selbst, daher ist kein Platz für Reue oder Sehnsüchte. Diese schönen Erinnerungen werden uns nie verlassen.
Wie ist es deinen beiden ehemaligen Mitmusikern, Peter Vicar und dem Earl of Void, ergangen?
Void lebt in Berlin, obwohl er später in diesem Jahr oder nächstes Jahr nach Finnland zurückkehren sollte. Peter ist mit seiner Arbeit an der Universität ebenso beschäftigt wie mit seiner tollen neuen Band Lord Vicar. Ich warte darauf, dass er mir sagt, wann ich ins Studio gehen und den Gesang fürs zweite Orne-Album aufnehmen soll. Ja, wir alle drei tauchen darauf wieder auf. Das ist etwas, das eingefleischte RB-Fans sich anschauen sollten, wenn die Trauer um das Ableben der alten Band zu schwer zu ertragen ist.
Nun, Reverend Bizarre sind die Vergangenheit, The Puritan ist die (oder genauer gesagt deine) Gegenwart und auch Zukunft (vorläufig). Wie läuft es mit diesem neuen Trio?
Ich habe seit einigen Monaten keinen der Kerle gesehen, daher läuft wohl im Moment nichts. Wir haben, seit „Lithium Gates“ rausgekommen ist, an nichts gearbeitet. Und alles, was wir davor gemacht haben, war, uns Masterings anzuhören und uns über Details den Kopf zu zerbrechen. Das letzte Mal, als wir wirklich etwas aufgenommen haben, war im Herbst. Vielleicht wird das Doppelalbum irgendwann fertig. Wann, weiß ich nicht. Wir drei haben jetzt seit zwei Jahren nicht mehr im selben Raum gespielt. The Puritan ist das Resultat von harter Welt und hartem Leben. Das kann man nicht einfach so machen, und manchmal ist es auch schwer, damit zu leben.
Auf dem Promozettel las ich unter Lineup folgendes: „Trio, using guitars, bass guitar, drums, vocals, samples, scrap-iron and other junk“. Wie kommt es, dass ihr eure Namen nicht preisgeben wollt? Deine markante Stimme erkennt man noch ziemlich schnell, wenn man Reverend Bizarre kennt, aber wer steckt da mit dir drin?
Ja, leider habe ich meine Stimme, aber deine Frage schließt die Antwort schon ein… wir enthüllen unsere Namen nicht. Warum? Weil es nicht wissenswert ist. Wenn ich dir sagen würde, unsere Namen wären zum Beispiel Bogo, Kniebolo und Perdurabo, was würde dir das sagen? Nichts. Es gibt die Musik, die Texte und das Artwork. Das ist genug.
Und was für Schrott habt ihr außer Metallteilen noch benutzt? „Lithium Gates“ ist ja mit bizarren Geräuschen vollgestopft.
Eigentlich haben wir auf dieser CD überwiegend normale Instrumente benutzt. Diese Beschreibung unserer Instrumente hat mehr mit der Doppel-CD zu tun, die hoffentlich eines Tages erscheinen wird. Da benutzen wir allen möglichen rumliegenden Kram. Allerdings haben wir natürlich auch unsere ganz eigenen Methoden, die gewöhnlichen Gitarren, Bässe und Schlagzeuge zu benutzen, um Geräusche zu kreieren.
Ich las auch, dass ihr noch Material für ungefähr vier weitere Alben habt!? Wie kommt es, dass jetzt noch so viel auf Lager ist? „Lithium Gates“ ist ja selbst schon nicht gerade kurz.
Ich hatte schon Material für mehrere Alben, als RB zum ersten Mal das Studio betraten. Ich schreibe schon seit den frühen Neunzigern Musik. Zur Zeit denke ich so, dass ich, anstatt die Zeit von The Puritan zu verschwenden, meine alten Songs lieber alleine oder mit ein paar Session-Musikern mache. Auf diese Weise könnte The Puritan weiter voranschreiten. Aber das sind nur meine eigenen Gedanken. Ich habe viele Songs, weil ich die ganze Zeit so viele Ideen habe. Ich bin jeden Tag von etwas fasziniert. Ich lebe mein Leben mit extrem offenem Geist. Manchmal fühlt es wirklich so an als würde irgendein höheres Wesen mir diese Sachen schicken. Dann wird es durch meinen Geist, Körper und jeden Tag, den ich erlebt habe, gefiltert.
Die wohl größte Neuerung gegenüber R.B. dürfte wohl der Einsatz von Samples sein. Kannst du uns einen groben Überblick über die Samples geben, die auf „Lithium Gates“ vorkommen?
Der Gedanke dabei ist, dass der Zuhörer nicht unbedingt weiß, woher sie stammen. Es muss Platz für Fragen und eigenes Erfahren geben. Für mich ist The Puritan meilenweit von Reverend Bizarre entfernt, weil der ganze Entstehungsprozess der Musik so anders ist, weil die Bands sich spirituell auf verschiedenen Ebenen bewegen, und auch weil RB wirklich eine Genreband war, während The Puritan nirgendwohin gehört; daher spielen die Samples bei einem Vergleich der beiden Bands keine große Rolle, was ich eh für unnötig halte. Und wir haben auch bei RB einige Male Samples benutzt.
Ich traue mich kaum zu fragen, aber es belastet mich ein wenig – ist das eine Vergewaltigung, die da bei „The Touch of Kindness knows no Kingdom“ zu hören ist? Es könnte auch eine Geburt sein, aber ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen…
Vergewaltigung, Geburt, es kann sein, was immer du fühlst. Dieser Song ist einer unserer Songs, die sich gegen Gewalt gegenüber Frauen richten. Das ist alles, was ich dazu sagen möchte. Ich habe persönlich nicht besonders gute Sachen über die männliche Kultur zu sagen. Aus vielen Songs bekommt der Hörer mehr heraus, wenn er oder sie eine Weile darüber nachdenkt, was da zu hören ist, wie der Titel des Lieds lautet, und was aus diesen beiden, manchmal sehr verschiedenen Dingen zusammen wird.
Die Liedtitel sind sehr kryptisch und lassen kaum erahnen, worum es in den Liedern gehen könnte. Was für Themen stecken hinter Songs wie „It is your own Decision to respect Life“ oder „The sulphur-colored Clouds are hurrying through the Lithium Gates“?
Mit den Texten ist es das gleiche… du solltest dich darauf konzentrieren, was du fühlst, wenn du diese Lieder hörst. Wenn du nicht rausbekommst, worum es geht, spielt es keine Rolle. Du kannst immer noch etwas daraus hervorholen. Wenn du das nicht kannst, funktioniert das Album bei dir vielleicht nicht. Ich glaube, es ist ziemlich klar, dass wir keine allzu hohe Meinung von der westlichen Welt, Konsum, Menschen, die die Natur für ihre eigenen Zwecke missbrauchen und die Umwelt verschmutzen, und so weiter, haben… aber anstatt nur ein paar langweilige Sprüche zu rufen, versuchen wir Atmosphären zu kreieren und vielleicht sogar unumwundene Schallfolter, um Leute aufzurütteln. Du bekommst daraus, was du rausbekommen willst. Vielleicht sogar das, was du verdienst. Der nächste Release wird Texte im Booklet haben. Nicht weil ich das für wichtig halte, sondern weil ich den Leuten ein bisschen roten Faden in die Hand geben will. Anscheinend wollen viele diese Zeilen lesen. Oft sollen sie aber nur gehört werden.
Entgegen „So long, Suckers“ scheint mir bei „Lithium Gates“ nicht mehr Verzweiflung die vorherrschende Stimmung zu sein, eher etwas in Richtung schleichender Wahnsinn. Speisen sich die Texte immernoch aus deiner persönlichen Gefühlswelt?
Natürlich. Und ich fühle immernoch Trübsal, Schmerz, Freude, Leidenschaft, Verzweiflung, Todeswunsch, sogar Hass, den ich zu vermeiden versuche, weil er dich nur von innen heraus auffrisst und kranker macht. Diese Songs kommen alle aus verschiedenen Zeiten. Es ist ja nicht so: „Album A kam 2007 raus und war traurig. Schlussfolgerung: Da war er traurig. Album B kam 2008 raus und es war hasserfüllt. 2008 war er hasserfüllt.“ Jeder Tag ist anders. Es geht mit mir immer auf und ab, aber ich habe immer Traurigkeit in mir. Sie wird mich nie verlassen. Ich habe ziemlich die Schnauze voll von der menschlichen Welt. Ich denke oft darüber nach, meine Existenz hier zu beenden, aber die Zeit ist nicht reif. Noch nicht. Und es gibt wundervolle Dinge auf diesem Planeten, außerhalb der menschlichen Welt. Diese Dinge machen mir Freude und geben mir die Kraft zum Weitermachen. Wenn ich ein Lied spiele oder singe, das ein bestimmtes Gefühl repräsentiert, wie das alle meine Lieder tun, kommt dieses Gefühl zu mir zurück. Deshalb waren auch einige der Gigs, die ich hatte, ziemlich extrem.
Nehmt ihr immernoch wie in alten Zeiten alles über die Bandmaschine auf oder hat nun doch die moderne Technik Einzug gehalten?
Tapes sind heute schwerer zu bekommen und wenn die Maschinen kaputtgehen, ist es schwerer, sie wieder repariert zu bekommen, und all das löst Verzögerungen aus, und gleichzeitig hat das Digitalrecording auch seine guten Seiten. Deswegen war „Crush the Insects“ auch das letzte Album, das ich komplett analog gemacht habe. Mit Ausnahme der Armanenschaft-LP, die mit einem 4-Spur-Taperecorder aufgenommen wird. Wer weiß, vielleicht wird mein nächstes Album wieder so gemacht. Ich muss sagen, Digitalsysteme haben mir viel Stress verursacht. Dinge, die die Plätze tauschen und verschwinden und so weiter. Alles im Leben hat verschiedene Seiten und verschiedene Schwächen und Stärken.
Eine Sache, die ich immernoch nicht verwende, sind Autotuner. Ich glaube an Aufrichtigkeit. Du tust was du kannst, und das reicht. Ich mache auch alle meine Artworks mit Stfen, Tinte und Farben, und Schere und Kleber. Ich benutze keinen Computerscheiß. Natürlich wird das endgültige Layout am Computer gemacht, aber selbst dann bin ich der, der die Anweisungen gibt.
Wird The Puritan ein Studioprojekt bleiben oder werdet ihr vielleicht auch eines Tages auf Tour gehen?
Unmöglich zu sagen. Wir hatten so viele Pläne für Gigs ganz weit weg von hier, aber keiner weiß, was passieren wird. Man hat uns schon oft gebeten, Gigs zu spielen, sogar schon einige größere Sachen und sogar eine Tour, aber das haben wir jedes Mal abgelehnt.
Damit wäre ich mit meinen Fragen am Ende! Nun kannst du noch zum zweiten Mal am metal1.Wortspiel teilnehmen. Sag mir einfach, was dir zu diesen Sachen einfällt:
Darth Vader: Thulsa Doom
Jim Beam: Erbrochenes
Darwinismus: Arschlöcher, die den ursprünglichen Gedanken für ihre eigenen verschissenen Zwecke benutzen
Donald Duck: Kapitalismus
Michael Jackson: Ein Wesen aus einer anderen Welt
Hoffnung: Ich versuche mich daran zu erinnern, dass sie existiert
metal1.info: Musikfans, hoffentlich mit großem Überblick über verschiedene Szenen
Albert, ich danke dir von ganzem Herzen für dieses Interview! Ich wünsche dir viele zufriedene Stunden mit The Puritan und würde mich freuen, wenn wir uns irgendwann zum dritten Mal schreiben. :) Die letzten Worte gehören natürlich dir!
Vielen Dank für die zweite Chance, hier zu erscheinen! Ich bin sehr dankbar. Ich hoffe, einige der Leser werden sich ein paar der Spiritus Mortis-Gigs anschauen, und vergesst nicht Lord Vicar, wenn ihr wahren Doom Metal sehen und hören wollt!