THE MORNINGSIDE haben mit „Yellow“ ein sehr interessantes Konzeptalbum zwischen Death-Doom und Post-Metal vorgelegt, das uns in allen Belangen begeistert hat. Im folgenden Interview mit Leadsänger/Gitarrist Igor Nikitin erfahrt ihr unter anderem, wieso das Album trotz des Text-Konzeptes mit nur wenig Gesang auskommt, was Kurt Vonneguts „Slaughterhouse-Five“ mit dem Konzept zu tun hat und ob man auch ohne Worte eine Geschichte erzählen kann.
Einige unserer Leser werden euch noch nicht kennen, darum sag uns doch mal bitte, wie du die Musik von THE MORNINGSIDE selbst beschreiben würdest.
Das ist eine gute Frage. Es ist immer schwer, Musik zu beschreiben, insbesondere die eigene Musik. THE MORNINGSIDE klingt nach Metal. Positive, aber melancholische Musik mit Distortion und Screaming. Jep, irgendwie so.
Eure Musik ist natürlich hart, aber auch sehr melodisch, als brutal ist sie jedenfalls nicht zu bezeichnen. Ziehst du in Betracht, auch mal roher zu Werke zu gehen?
Nein, wir haben da nichts geplant. In 2014 haben wir versucht, brutaleres und aggressiveres Material zu kreieren, aber planen scheint bei Musik nicht so gut zu funktionieren. Eigentlich hab ich das Gefühl, dass unsere Musik von selbst erscheint und wir sie nur aufnehmen müssen.
Von welchen Bands seid Ihr am meisten beeinflusst?
Von vielen verschiedenen. Ich denke, zu allererst von Bands wie The Cure, Carcass und Bad Sector, aber auch ganz allgemein von Jazz, Blues und Rock ’n’ Roll, Ambient und Metal. Es könnte noch eine längere Liste werden, aber den ersten Platz hätten wohl immer The Cure.
Mit „Yellow“ habt ihr vor kurzem eure vierte Platte veröffentlicht, ein Konzeptalbum, auf dem ihr eurem melodischen Death-Doom sogar einige Post-Metal-Elemente beigemengt habt. Wie kamt ihr auf die Idee, euren Sound dahingehend zu verändern?
Das ist von selbst passiert. Eigentlich hatten unsere Songs schon immer Post-Metal- und -Rock-Elemente in sich, „Yellow“ hat einfach noch mehr davon.
Als Inspiration für das Albumkonzept diente der Roman „Slaughterhouse-Five“ von Kurt Vonnegut. Inwieweit beziehen sich eure Teste auf dieses Buch und wie kam es dazu, dass ihr euch für dieses Konzept entschieden habt?
Nun ja, die Texte des Albums sind nicht direkt mit „Slaughterhouse-Five“ verknüpft. Ich habe einfach Vonneguts Charakter Billy Pilgrim, der losgelöst von der Zeit ist, schon immer gemocht. Als wir „Yellow“ kreierten, dachte ich darüber nach, ein Konzeptalbum zu machen, doch es war nicht der richtige Zeitpunkt, meine eigenen Ideen in einen vereinenden Rahmen zu packen, weißt du? Also entschied ich mich, mich an etwas zu orientieren, das es bereits gab, das bereits existierte. Dann erinnerte ich mich an „Slaughterhouse“ und seine Hauptfigur, Pilgrim, der in die Vergangenheit reist.
Trotz dieses Text-Konzeptes liegt der Fokus von „Yellow“ gar nicht so sehr auf dem Gesang. Es beginnt und endet sogar jeweils mit einem rein instrumentalen Stück. Warum ist das so?
Das liegt daran, dass ich weder gut noch gerne singe. Es ist etwas kompliziert. Als Ilya [Egorychev, Bassist; Anm. d. Red.] und ich das neue Album schrieben, hatten wir niemanden, der singen konnte. Also musste ich es tun. Und nun wollen wir einfach keinen Leadsänger in die Band einladen. Darüber hinaus ist mir das Zwischenspiel immer das Wichtigste in unseren Songs. So läuft das auch auf dem neuen Album. Die Richtung, die wir darauf eingeschlagen haben, impliziert das ohnehin. Eigentlich ist das bei uns schon immer so gelaufen – die Instrumentalisierung hatte schon immer einen höheren Stellenwert als der Gesang, auch auf den anderen Alben. Die ersten und letzten Kompositionen sind immer Instrumentals. Aber vielleicht irre ich mich da auch. Ich vergesse sowas irgendwie immer, ich sollte mir mal wieder unsere ganzen Alben nochmal anhören.
Der letzte Track mit Gesang ist eine Ballade mit sanften Akustik- und Clean-Gitarren sowie stimmungsvollem Klargesang. Verlangte das Ende der Geschichte eine ruhigere Umsetzung?
Der Song verlangte es so. Ich finde ihn gut, es war interessant, unseren typischen, eher harten Sound mit etwas Anderem zu verdünnen. So kam das dann zustande.
Wie stehst du zu Bands oder Musikern, die komplett instrumental musizieren?
Ich finde das echt super, allerdings würde es mir selbst wohl schwerfallen, ein Album komplett ohne Worte zu schreiben. Aber vielleicht versuchen wir das auch mal eines Tages. Es wäre jedenfalls interessant.
Kann man deiner Meinung nach auch ohne Worte eine Geschichte erzählen?
Ich denke, es ist möglich, aber es wäre wohl eine Art Geschichte, die jeder Hörer unterschiedlich verstehen würde. Aber die Idee gefällt mir. Manchmal ist das vielleicht wirklich die richtige Herangehensweise.
Das herbstliche Cover-Artwork passt sehr gut zur Stimmung des Albums. Was kannst du uns darüber erzählen?
Ich habe den Jungs von meiner Idee mit Billy Pilgrim erzählt und dann hatten wir den Einfall mit der Straßenbahn. Wir fanden, es wäre cool, wenn unsere Figur mithilfe einer Straßenbahn durch die Zeit reisen könnte. Deshalb ist dieser nostalgische Soviet-Zug auf dem Cover zu sehen.
Wie siehst du die russische Metal-Szene? Gibt es bei euch noch andere erwähnenswerte Bands?
Wir haben hier sehr viele Metal-Bands, einige davon sind sogar sehr bekannt. Das Problem ist, dass ich kaum Metal höre. Und ganz bestimmt nicht russischen. Wenn ich mir etwas mit verzerrten Gitarren anhöre, dann sind es Bands aus anderen Ländern wie Iron Maiden, Helloween oder Carcass. Aber auch das passiert immer seltener.
Was sind eure weiteren Pläne für THE MORNINGSIDE?
Das ist immer eine schwere Frage. Natürlich haben wir Pläne, aber es ist geradezu unmöglich, die alle umzusetzen. Eigentlich haben wir gar nichts Außergewöhnliches vor, wir wollen einfach nur ein weiteres Album aufnehmen. Wir würden gerade öfter als alle zwei Jahre eine Platte herausbringen, aber naja, mal sehen.
Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming:
Putin: Eine Figur aus einer sehr beliebten TV-Sendung, die sich „Nachrichten“ nennt.
Trve Black Metal: Oh, das ist eine ernste Angelegenheit. So ernst, dass ich sie einfach nicht ernstnehmen kann.
Trump: Eine weitere Figur dieser TV-Sendung.
Lieblings-Konzeptalbum: Ich bin mir nicht sicher, ob The Cures „Disintegration“ als Konzeptalbum durchgeht, aber ich nehme es halt mal.
Literatur: Marquez, Bradbury, Pavic.
Land mit den besten Bands: Ich denke, das wäre wohl Großbritannien.
Gut, danke nochmals für dieses Interview. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Ich wünsche euch viel gute und unterschiedliche Musik!