Interview mit 鬼 von The Ember, The Ash

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Mit THE EMBER, THE ASH hat der kanadische Solomusiker mit dem Pseudonym 鬼, dessen Hauptprojekt Unreqvited zuletzt in Richtung Post-Rock umschwenkte, ein weitgehend unbemerkt gebliebenes, jedoch äußerst bemerkenswertes Depressive-Black-Metal-Album veröffentlicht: „Consciousness Torn From The Void“. Aus diesem Anlass haben wir dem vielbeschäftigten Künstler einige Fragen zu seinen Beweggründen hinter der Gründung des Projekts, den klanglichen Unterschieden zu Unreqvited und dem Narrativ der Debütplatte gestellt, welche dieser im folgenden Interview beantwortete.

THE EMBER, THE ASH ist ein recht ungewöhnlicher Name für ein Black-Metal-Projekt. Welcher Gedanke steckt dahinter?
Eine Dichotomie zwischen Leben und Tod, nehme ich an. Die Glut („the ember“) stellt das Leben dar und die Asche („The ash“) den Tod. Das lyrische Konzept des Debütalbums dreht sich um Entitäten, die in den Songs zwischen Leben und Tod (in der Leere) hin und her gehen.

Man kennt dich vor allem durch Unreqvited, wo du dich schrittweise mehr in Richtung Post-Rock bewegt hast. THE EMBER, THE ASH ist hingegen ganz klar dem Depressive Black Metal gewidmet. Warum hieltst du es für angebracht, hierfür ein separates Projekt zu gründen?
Unreqvited ist frei von Texten und ich hatte einige lyrische Inhalte erdacht, die ich teilen wollte. Ich wollte das Ganze auch mit einem anderen Gesangsstil angehen als bei Unreqvited. Das neueste Unreqvited-Album ist bei weitem das düsterste, aber ich denke, düsterer soll es nicht werden. Für das Album nach „Mosaic II“ werde ich in Unreqvited auf einen Atmospheric-Black-Metal-Sound zurückgreifen. THE EMBER, THE ASH wird keine Grenzen haben, wie finster es werden kann, und es ist sehr kathartisch, das als Outlet für dunkle Zeiten zu haben.

Wie hat deine Hörerschaft – insbesondere jene Leute, die den Post-Rock-Sound von Unreqvited schätzen – auf diesen Stilwechsel reagiert?
THE EMBER, THE ASH bekam nicht unbedingt so viel Aufmerksamkeit in Bezug auf das Debütalbum, aber die Fans reagierten sehr positiv darauf. Ich bin gerade dabei, das nächste Album für THE EMBER, THE ASH fertigzustellen, und ich denke, es wird ein bisschen ein Schock für die Zuhörer sein. Es ist keine Depressive-Black-Metal-Platte.

Wie du bereits erwähnt hast, soll „Mosaic II“, die kommende Platte, die du mit Unreqvited veröffentlichen wirst, wieder düsterer klingen. Warum war es deiner Ansicht nach dennoch nicht redundant, in der Zwischenzeit THE EMBER, THE ASH ins Leben zu rufen?
Ich habe „Mosaic II“ eigentlich schon 2018 geschrieben, also vor über einem Jahr. Im Laufe des Jahres 2019 hatte ich das Bedürfnis, dunklere Musik zu kreieren, aber ich wollte nicht so etwas wie „Mosaic II“ machen. Ich wollte etwas machen, das griffig, roh und lo-fi klang. Nicht wirklich etwas, was ich normalerweise mit Unreqvited mache. Der Gesangsstil ist ebenfalls wichtig zu beachten. Mein Gesangsstil bei Unreqvited ist begrenzt, also wollte ich etwas ganz anderes machen.

Ist es dir schwer gefallen, dich für THE EMBER, THE ASH stilistisch neu auszurichten und zum Beispiel beim Songwriting weniger Keyboards einzusetzen?
Überhaupt nicht, ich schreibe tonnenweise verschiedenartige Musik. „Consciousness Torn From The Void“ ist im Verlauf von etwa zwei Monaten einfach direkt aus mir herausgeflossen. Ich habe nicht einmal unbedingt versucht, Keyboards zu vermeiden, da ich immer noch einige in den meisten Songs erwähnte. Es kam einfach so heraus, dass ich einen raueren Sound wollte. Das nächste Album von THE EMBER, THE ASH enthält viele Keyboards.

Ganz und gar verzichtest du nicht auf Keyboards, sodass die ansonsten vornehmlich an Leviathan und Xasthur erinnernden Songs zum Teil nach wie vor symphonisch klingen. Warum wolltest du dich doch nicht ganz auf typische Black-Metal-Instrumentierung beschränken?
Ich bin ein so großer Fan von Symphonischem, dass es mir schwer fällt, diese Elemente nicht zu nutzen. Es ist einfach ein großer Teil von dem geworden, was ich als Songwriter bin. Ich liebe Bands wie Xasthur, Emperor, Dimmu Borgir, Carach Angren, etc., sodass Black-Metal-Musik, die ich schreibe, normalerweise immer symphonische Elemente enthält.

Während Leviathan auch sehr viel mit Ambient arbeitet, ist Xasthur inzwischen dazu übergegangen, düsteren Folk zu spielen. Würdest du demnach sagen, dass dein Markenzeichen demgegenüber die Keyboards sind?
Zu 100 %. Ich schätze, ich habe das unwissentlich schon in meiner vorherigen Antwort beantwortet.

Soweit ich weiß, ist „Consciousness Torn From The Void“, das Debütalbum von THE EMBER, THE ASH, von einer düsteren Lebensphase von dir geprägt. Würdest du sagen, dass es dir geholfen hat, dieses Album zu kreieren?
Ja, auf jeden Fall. Das war ein wirklich schwieriges Jahr für mich. Die Möglichkeit, dieses neue Projekt zu starten und zwei Alben innerhalb der zweiten Jahreshälfte 2019 zu schreiben, hat mir geholfen, das Jahr zu überstehen.

Ich habe den Eindruck, dass die Songs ziemlich umfangreichere Texte beinhalten – vor allem im Vergleich zu Unreqvited, wo es, wie du bereits erwähnt hast, keinerlei Texte gibt. Woran liegt das?
Wenn man mich persönlich trifft, wird man feststellen, dass ich nicht wirklich viel spreche. Ich fand immer, dass das Schreiben von Instrumentalmusik für mich der deutlichste Weg ist, meine Emotionen zu vermitteln. Ich schreibe jedoch Texte und Gedichte hier und da, wenn ich mich dazu inspiriert fühle. Ich bevorzuge es, Unreqvited frei von Texten zu halten, also wurde THE EMBER, THE ASH aus dem Wunsch heraus geboren, tatsächlich über etwas zu sprechen.

Für mich lesen sich die Texte wie eine abgeschlossene Erzählung, die sehr tragisch beginnt und sich zum Ende hin fast schon friedvoll auflöst. Was hast du dir dabei in Bezug auf das Konzept gedacht?
Ich wollte, dass die Texte als eine vom ersten bis zum letzten Track reichende Handlung oder als einzelne Geschichten interpretiert werden können. Du hast Recht, das Ende ist die Auflösung der die Platte hindurch andauernden Anspannung. Wobei jeder Track mit einer Befreiung endet: mit der Erlösung des Todes oder der Rückkehr des eigenen Bewusstseins in die Leere. Zum Beispiel endet jeder Track (außer dem letzten und dem instrumentalen Zwischenspiel) mit dem Satz „Consciousness restored to the void“. Ich hätte das Album „Consciousness Restored To The Void“ betiteln können, aber ich habe das Gefühl, dass dies ein Album des Kampfes und der Befreiung ist, und ich wollte, dass der Titel den Kampf widerspiegelt.

Dein Schreigesang auf der Platte klingt noch um einiges griffiger und garstiger als bei Unreqvited. Du hast erwähnt, dass du deine Stimme hier auf eine andere Weise einsetzt. Was kannst du uns dazu sagen?
Ja, das ist eine ganz andere Gesangstechnik. Ich war früher als Sänger in einer Metal-Band unterwegs, sodass ich ziemlich gut in der Lage bin, übliches „Metal-Screaming“ einzusetzen. Bei Unreqvited schreie ich buchstäblich nur, da gibt es wirklich keine Technik. Es wäre ziemlich schwierig, das live zu machen.

In unserem letzten Interview meintest du, die Nachbearbeitung sei für dich der schwerste Aspekt am Musikmachen. War es diesbezüglich auch eine Herausforderung für dich, den Songs von THE EMBER, THE ASH einen anderen Sound zu verpassen als Unreqvited?
Es war eine Herausforderung, denn es war ein neuer Ansatz, ganz klar. Obwohl es klanglich roher und lo-fi ist, war es doch schwierig, den gewünschten Sound zu erreichen. Es wurde aber ziemlich genau so, wie ich es wollte, also bin ich sehr zufrieden damit.

Mit „Restoration“ findet sich auf dem Album ein Interlude mit chorartigen, zum Ende hin abgründigen Keyboards. Welche Intention steckt hinter diesem kurzen Zwischenspiel?
Ich wollte etwas Kurzes und Unheimliches als Zwischenspiel auf dem Album. Ich erinnere mich, dass ich versuchte, etwas wirklich Reduziertes mit kaum Instrumenten zu schreiben, im Grunde genommen waren es nur Chöre und eine tiefe Drone-Spur. Ich wollte, dass es die Abkehr des eigenen Bewusstseins in die geistige Welt symbolisiert. Ich erinnere mich dass das Bild, das ich für diesen Track in meinem Kopf hatte, ein helles Licht am Ende eines Tunnels war. Einige der Chormelodien sind froh und melodisch, andere dissonant und beunruhigend. So wie die verschiedenen Gedanken, die einem durch den Kopf gehen können, wenn man dem schönen weißen Licht des Todes ins Gesicht sieht.

Das Artwork von „Consciousness Torn From The Void“ ist der Musik entsprechend düster und rauschend, unter anderem sieht die Maserung interessant aus. Kannst du uns verraten, wer für das Bild verantwortlich zeichnet und auf welche Weise es kreiert wurde?
Es wurde von Asep Yasin Abdullah (@yasinviolet auf Instagram) gemacht. Fantastischer Künstler.

Obwohl das Projekt an die Situation gebunden zu sein scheint, in der es entstanden ist, planst du, in Zukunft mehr Musik unter dem Namen THE EMBER, THE ASH zu veröffentlichen. Kannst du uns schon etwas Genaueres dazu sagen?
Ja, das zweite Album ist schon fertig. Es wird Anfang/Mitte nächsten Jahres erscheinen. Es ist sehr dunkel, aber es ist anders als beim Debüt. Ich weiß nicht, wie viel ich verraten will, aber ich habe diesmal viel Arbeit in die Produktion gesteckt, sodass es nicht unbedingt diesen rohen Black-Metal-Sound hat. Ich habe es noch ein wenig aufpoliert und diesmal gibt es mehr Symphonisches.

Zum Abschluss möchte ich mit dir gerne noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen. Was kommt dir als Erstes bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Nirvana: Bin ich überhaupt kein Fan von.
Zufriedenheit: Es ist eine Reise. Ich bin noch nicht ganz da.
Klimakrise: Eine Epidemie.
Das Weltall: Ziemlich unergründlich.
Ghost Bath: Gute Freunde. <3
Musikstreaming: Sehr praktisch für den Hörer. Als Künstler denke ich, dass die Präsenz auf Plattformen wie Spotify großartig ist.

Danke nochmal für deine Antworten. Die abschließenden Worte würde ich gerne dir überlassen:
Zunächst einmal vielen Dank für das Interview. Ich habe diese Fragen sehr geschätzt und ich habe es genossen, ausführlich auf das Album und das Konzept eingehen zu können. Ich arbeite an tonnenweise neuer Musik, sodass 2020 für mich extrem arbeitsreich sein wird. Wenn euch gefällt, was ich tue, haltet bitte Ausschau nach neuen Veröffentlichungen von Unreqvited und THE EMBER, THE ASH im kommenden Jahr. Vielleicht sogar nach ein paar neuen Projekten.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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