Mitte Dezember 2008 brachten die britischen Extrem Metaller von The Axis Of Perdition endlich ihre langerwartete neue Doppel-CD mit dem Titel „Urfe“ auf den Markt und schockierten damit reihenweise Kritiker und Fans. Auf positive Art und Weise, weil ihr neues Album ein atmosphärisches Meisterwerk geworden ist, auf negative weil man in den neunzig Minuten, die die beiden Silberscheiben dauern, kaum Musik zu hören bekommt. Im ersten Interview zur neuen CD (und dem ersten Interview mit einem deutschsprachigen Webzine überhaupt) erklärt Kreativkopf Mike Blenkarn uns, dass das so ja gar nicht stimmt, erzählt von interessanten Aufnahmemethoden, findet die perfekte Beschreibung für Pfannkuchen und offenbart uns noch dazu, wovor ein gestandener Mann wie er Angst hat.
Wir kommen zurecht. Es ist ein bißchen schwer sich im Augenblick in die Welt der Axis hereizuhängen, weil die Langeweile der echten Welt Überhand nimmt. Rezession, aussichtslose Jobs und generelle Mängel wirken sich ziemlich heftig auf unsere Kreativität aus, obwohl man wohl nicht sagen muss, dass wir trotzdem neues Material aus uns rausholen, obwohl es in charakteristisch gemäßigter Geschwindigkeit vor sich geht.
Die Band (wenn man The Axis Of Perdition überhaupt so nennen kann) besteht seit 2001, wenn ich mich nicht täusche. Könntest du mal kurz die letzten acht Jahre für unsere Leser rekapitulieren?
TAOP nahm seine Anfänge gegen Ende des Jahres 2001 nachdem ein paar Aufnahmen mit einer anderen Band zu der ich gehörte namens Phaleg aus allen möglichen gestörten Gründen ausgefallen sind. Ich rettete das Material und nahm es hauptsächlich zu meiner eigenen Befriedigung auf. Ich spielte es Brooke [Johnson] vor, mit dem ich zusammen in einer Band namens Minethorn (hat keinen Bezug zu der aktuellen Band mit dem ähnlichen Namen) war. Er fand es toll und hat Gesang dazu aufgenommen und so war die „Corridors“-Demo geboren. Im Sommer 2001 hatten wir ein paar Dark Ambient-Aufnahmen unter dem Namen Pulsefear gemacht und entschieden uns diese spezifischen Motive des urbanen Verfalls auf TAOP zu übertragen. Die Kombination der Musik, der Texte und der generellen Präsentation machte Rage Of Achilles Records auf uns aufmerksam, über die wir dann „The Ichneumon Method“ rausgebracht haben. „Ichneumon“ war so eine Art Frankenstein Monster von einem Album, zusammengeschweißt aus Einzelteilen von Phaleg, Minethorn und anderen Ideen, die in unseren Köpfen herumgeschwirrt sind, tatsächlich mit nur drei Tracks, die wirklich für TAOP geschrieben worden waren, so dass es eine Art Mischmasch verschiedener Charakteristika war, alle vergraben im selben abgeschliffenen, rohen Soundbild. 2003 hatten wir diesen Sound dann so zurechtgeschnitten, dass wir das herausbekamen, was der eigentliche TAOP-Sound sein sollte, wobei dann die „Physical Illucinations“-EP rauskam, die eigentlich ein Split mit Blut Aus Nord werden sollte, was aber aus logistischen Gründen nichts geworden ist. Mit „Deleted Scenes“ haben wir weiterhin unseren Sound ausgekundschaftet mit einer weiterhin ausgewogenen Mischung aus Metal und Ambient-Strukturen. Nachdem wir pausiert hatten um über unsere nächsten Schritte nachzudenken, entschieden wir zwei Begleitalben aufzunehmen, die sich auf die gegensätzlichen Gebiete unseres Sounds spezialisieren sollten. Das erste davon, „Urfe“, ist jetzt draußen und nimmt zwei CDs ein. Im Augenblick arbeiten wir an „Tenements“, das Begleitalbum und das dritte und letzte Kapitel aus Urfes Geschichte.
Ihr habt auch von einer Industrial Black Metal Band (zumindest habt ihr auf „The Ichneumon Method“ noch etwas gespielt, was man mit viel Fantasie so nennen könnte) zu etwas… hm… was würdest du persönlich sagen ist The Axis Of Perdition mittlerweile?
Ich würde TAOP als industrielle Musik beschreiben, die Metal als ein Gewebe auf einer wesentlich breiteren Soundskala benutzt. Was die Kompositionen betrifft ist es ein Meister/Sklave-Verhältnis und der Metal war schon immer der Sklave dabei. Der Sound von jedem TAOP-Release wird komplett vom Konzept bestimmt; über die Jahre hinweg haben wir eine eigene Horror-Welt entwickelt in der die Alben spielen mit ihrer eigenen Geographie, einer bestimmenden Physik, Gesetze und Bewohner und der Sound wird ausgewählt, um zu den Abschnitten der Welt zu passen, durch die ein Protagonist zu dem jeweiligen Zeitpunkt streift.
Wie ging diese Evolution vonstatten? Was hat sie überhaupt ausgelöst und über die Jahre hinweg verstärkt?
Wir hatten von Anfang an die Idee industrielle Musik zu machen, die Metal als Form benutzt, anstatt sich seinen strukturellen und kompositorischen Regeln zu unterwerfen. Aber da wir ursprünglich alle Metal-Musiker sind war es ein langer, gewissenhafter, stets weitergehender Prozess überhaupt zu lernen, wie wir das machen sollten. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir überhaupt angefangen haben das zu erreichen, was wir uns vorgestellt haben, aber ich denke mit jedem bisherigen Release haben wir einen deutlichen Schritt vorwärts vom vorigen gemacht. Wir wollen keine passive Easy Listening-Erfahrung bereitstellen; wir wollen den Hörern die Möglichkeit anbieten seine Zeit in einer lebendigen und seltsamen Welt zu verbringen, wenn sie uns dafür ihre volle Aufmerksamkeit geben. Heutzutage gibt es nicht viele Hörer, die bereit sind, das zu tun, aber es ist trotzdem lohnenswert zu diesem kleinen Bruchteil durchzukommen. Je weiter wir diese Welt entwickelt haben, desto selbstverständlicher ist es uns gelungen die Konzepte in die Musik zu integrieren, bis zu dem Punkt, an dem wir bei „Urfe“ angelangt sind. Uns wurde deswegen viel Feindschaft entgegengebracht, sowohl von Skeptikern als auch von unserer Fan-Base, die größtenteils entfremdet oder spöttisch deswegen zu sein scheinen, oder beides. Trotzdem sind wir schon immer unseren Instinkten gefolgt, ohne groß darüber zu hadern. Und solange wir selbst damit zufrieden sind, sind alle anderen quasi nur ein Bonus.
Als ihr die Band gegründet habt, konntet ihr euch da jemals vorstellen, an dem Punkt zu stehen, an dem ihr jetzt angelangt seid?
Um ehrlich zu sein, als wir die Band gegründet haben war der Ehrgeiz ein komplettes Album aufzunehmen so ungefähr das Maximum unserer Vorstellungskraft. Wir konnten uns nicht mal im Entferntesten vorstellen, was aus „Urfe“ werden würde, bis wir schon weit mit dem Komponieren vorangeschritten waren und die Ausmaße des Engagements und der Herausforderung begriffen hatten, die wir uns selbst auferlegt hatten. Wenn wir es schaffen, uns selbst mit einer unerwarteten Doppel-CD zu überraschen, wer weiß, was wir dann erst morgen machen könnten?
Es gab vor einiger Zeit Pläne für eine musikalische Kooperation zwischen TAOP und Blut Aus Nord. Warum hat das nicht geklappt und wird da vielleicht irgendwann in der Zukunft noch was draus werden?
Es ist aus logistischen Gründen gescheitert, nichts weltbewegendes, um ehrlich zu sein. Wir haben uns einfach entschieden, dass es mehr Sinn machen würde, wenn jeder seine Hälfte der Split einzeln herausbringt, wegen den Verzögerungen und Problemen, mit denen wir zu kämpfen hatten. Im Augenblick sieht es so aus, dass wir nicht vorhaben, in Zukunft zusammen zu arbeiten, wir haben seitdem relativ unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht und so sehr ich ihr neues Material auch mag, denke ich nicht, dass wir heutzutage miteinander harmonieren würden.
Wenn man sich bei den Metal Archives euer Lineup anschaut, dann sieht es so aus, dass ihr nicht nur keine Mitglieder verloren habt oder austauschen musstet, sondern The Axis Of Perdition mit der Zeit sogar geradezu gewachsen ist. Was hält die Band über die Jahre hinweg so gut zusammen?
Die ersten zwei oder drei Jahre haben Brooke und ich alles als Duo übernommen, haben Drums programmiert und als ein komplett Studio-basiertes Projekt gearbeitet. Nach einiger Zeit ist dann das Verlangen entstanden zu schauen, ob wir das Material nicht live präsentieren könnten, also sind Dan [Mullins] und Ian [Fenwick] an Schlagzeug und Bass eingestiegen. Ian ist auch der Bassist von Minethorn und über Dans Herkunft muss ich wohl nicht viele Worte verlieren. Beide verstehen genau, woher wir kommen und wissen wie sie Ideen einbringen können, die neue, vorteilhafte Aspekte zum Projekt hinzufügen. Wir alle stehen in einer sehr komfortablen und spaßigen Arbeitsbeziehung zueinander, die die Sache einfach vorantreibt. Unser neuster Neuzugang, Les[lie Simpson], ist ein Schauspieler, den ich schon seit einigen Jahren kenne. Wir wollten die Samples aus unserer Musik herausbekommen, weil wir der Meinung waren, dass es eine sehr billige Methode ist, Teile der Arbeit von anderen Leuten auszubeuten, um unsere eigene in Schwung zu bringen. Die Welt von TAOP hatte außerdem den Punkt erreicht, an dem wir sie genauer illustrieren wollten. Les kommt auch aus Middlesbrough und verstand unser Material sofort, außerdem hat er viel von seiner eigenen Tiefe und seinen Eigenheiten mit eingebracht. Weil Schreiben und Schauspielern sein Handwerk ist, haben wir ihm völlig freie Hand gelassen bei der Erstellung der Erzählweise, als wir die Gelegenheit hatten, uns zusammen zu setzen und diese Welt detailiert zu besprechen; wir haben ihm die „Karte“ in die Hand gedrückt und er hat sich seine eigene Story gebaut, um sie zu erkunden. Ich denke wir hatten sehr viel Glück solche Leute zu finden, die so instinktiv unsere Idean begreifen und uns so helfen, sie zu entwickeln.
Probt ihr als Band eigentlich regelmäßig? Ich stell’s mir ziemlich schwierig vor, eure Musik im Proberaum zu spielen…
Wir proben eigentlich fast gar nicht, wir tauschen nur Aufnahmen aus, um daran zu arbeiten und setzen die finalen Album-Tracks dann jeder für sich zusammen, so dass wir eher Schichten erzeugen, als gemeinsam zu jammen. Wir haben mal kurz ein Live-Set geprobt, aber der Auftritt war eine vollkommene Katastrophe, was uns abgeschreckt hat, es noch einmal zu versuchen, zumindest auf diese Art und Weise.
Seit dem Release der „Physical Illucinations“-EP arbeitet ihr mit Code666 zusammen, einer Art Fundgrube für viele experimentelle und unorthodoxe Bands. Gibt es Kontakte oder vielleicht sogar Freundschaften mit anderen Label-Kollegen und wenn ja, welche sind das?
Code666 waren ganz besonders hilfsbereit, enthusiastisch und tolreant was unsere vielen Verfehlungen als unter Vertrag stehende Künstler angeht. Es ist ein Privileg in der aktuellen, überlaufenen Szene mit einem Label zusammenarbeiten zu können, das bereit ist deine Arbeit zu finanzieren, angesichts des kommerziellen Selbstmords, den man damit wahrscheinlich begehen wird, und noch dazu so sehr dahinter stehen. Abgesehen davon, dass Minethorn auch bei dem Label untergekommen ist, war die größte Kammeradschaft mit anderen Labelmates wohl, als ich mich bei einem ihrer Auftritte, als sie von Fen supported wurden, mit Hupo von Negura Bunget unterhalten habe. Dan kennt die Jungs von The Prophecy schon seit Jahren aus dem West Yorkshire Metal-Umfeld.
Vor ungefähr hundert Jahren hätte man wohl angenommen, dass ihr entweder im Irrenhaus arbeitet oder aber dort einsitzt. Ich würde liebend gern wissen, was ihr so treibt, wenn ihr nicht gerade aufnehmt und eure Alptraum-Visionen auf die Menschheit loslasst.
Wir haben alle langweilige, niedere, aussichtslose Jobs und stecken all unsere Frustration in die Musik, wenn wir die Gelegenheit haben. Ich würde gerne im Irrenhaus arbeiten. Ich würde gern an irgend einem interessanten Ort arbeiten, was quasi das genaue Gegenteil von dem ist, wo ich jetzt arbeite.
Okay, lass uns den Smalltalk hier mal abschließen und zu den wirklich wichtigen Dingen kommen: eure „Musik“. Im Speziellen euer neues Album „Urfe“. Kannst du uns erst mal den aller ersten Begriff nennen, der dir in den Sinn kommt, wenn du an „Urfe“ denkst?
Spaß. Es war eine Freude an „Urfe“ zu arbeiten und zum ersten Mal war es uns wirklich vergönnt, komplette kompositorische Freiheit zu genießen. Mit einer Band die so viel Wiedererkennungswert hat wie TAOP ist es wichtig, dass man sich selbst nicht limitiert, sich nicht selbst in eine Schublade steckt. Es war toll, sich selbst in diesen industriellen Aspekt unserer Musik reinhängen zu können. Es war kein Versuch unsere Fans abzuschrecken oder gegen uns aufzubringen, nicht dass dieses Verfahren prinzipiell nicht gefallen würde, wir wollten uns einfach selbst an diesen Einflüssen erfreuen und sie auf diese Art und Weise feiern. Viele Fans haben emsig auf den Mangel an Metal hingewiesen, aber es ist wichtig anzuerkennen, dass die nicht-metallischen Bestandteile unserer Musik genau so wichtig sind und manchmal auch die Führung übernehmen müssen. Wir sehen ein, dass es ein schwer verdauliches Album ist, wie offenkundige Experimente es oft sind, aber wir sind halt schwierige Menschen.
Das andere große Wort für „Urfe“ ist: Überraschung. Eigentlich sollte das Ganze eine experimentelle EP von einer halben Stunde werden, aber es kam einfach immer mehr Inhalt dazu, ganz besonders nachdem Les dazu kam und mit seiner Erzählung angefangen hat. Wir hatten ein paar kurze Paragraphen erwartet, aber er hat so viel mehr abgeliefert. Wir dachten uns, dass das viel zu gut war, um es zu schneiden und so zu verschwenden, also haben wir mehr Musik gemacht, um die Erzählung darin einzubetten. Und ehe wir uns versahen, hatten wir neunzig Minuten. Verrückt, aber ein wirklich fantastischer und befreiender kreativer Prozess.
Wenn man sich mal „The Ichneumon Method“ und „Deleted Scenes from the Transition Hospital“ anschaut, dann erkennt man wohl, dass ihr den Black Metal mehr und mehr aus eurer Herangehensweise an eure Themen verbannt habt und euch mehr zu etwas hingewandt habt, das man nicht adäquat mit den Worten „Dark Ambient“ beschreiben kann, aber mir fällt gerade nichts treffenderes ein, also belassen wir’s vorerst dabei… Ist „Urfe“ die logische Konsequenz daraus?
Irgendwie schon, obwohl man im Hinterkopf behalten sollte, dass „Urfe“ erst vollständig ist, wenn das Begleitalbum „Tenements“ erscheinen wird. Um ehrlich zu sein, seit der „Physical Illucinations“-EP waren wir sehr zufrieden mit unserem Sound, ich denke seitdem haben wir uns einfach auf verschiedene Aspekte desselben Sounds für jede Veröffentlichung konzentriert. Alles seit diesem Release ist ein gleichsam gültiger Ausdruck des Sounds von TAOP, obwohl wir uns natürlich mit der Zeit steigern. Wir waren nie wirklich glücklich mit dem „Black Metal“-Etikett, das man unserer Musik aufgedrückt hat, aber es ist nunmal eine praktische Schublade, in die uns unser Label, die Distributoren, Magazine und so weiter uns stecken können.
Um noch mal einen Augenblick lang auf „Deleted Scenes“ zurück zu kommen: Ich fand den Kontrast zwischen den irgendwie sterilen und sehr kontrolliert wirkenden Black Metal-Parts und diesen ach so natürlichen Ambient-Passagen (also das was so klingt, als würde jemand in den Innereien von jemand anderem herumwühlen, wenn du verstehst, was ich meine) absolut faszinierend. War das auf diese Art und Weise so geplant, oder kam das einfach während den Aufnahmen?
Es ist wahr, dass wir mit „Deleted Scenes“ eine ziemlich exakte 50:50-Mischung unserer Metal- und Ambient-Einflüsse präsentieren wollten, eine Darstellung der Schnittmenge unseres Sounds, bei dem beide Aspekte die gleiche Daseinsberechtigung haben. Die Sterilität der Metal-Parts war allerdings keine so große Absicht; Dan hat sich während den Aufnahmen am Rücken verletzt also mussten wir kurz vor Torschluss auf programmierte Drums zurückgreifen und wegen dem Zeitdruck kam dann dieser sehr trockene, klickende Drum-Machine-Sound bei rum, den wir – um ehrlich zu sein – echt nervig finden.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Aufnahmen zu euren Alben aussehen… Kannst du uns ein bißchen was über eure Studiogängen erzählen?
Ach, das ist ganz einfach. Ich male ein paar Sigil auf den Boden des Studios, dabei benutze ich verschiedene Teile von gestohlenen, rostigen Metallgegenständen, Skalpelle und so. Dann öffne ich einen Spalt zwischen den Realitäten und bringe Kontaktmikrophone an allen möglichen Tentakeln, die da rauskommen, an. Dann trinken wir alle Tee.
Im CD-Case selbst kann man die Worte „Not one of them was prepared to take sole blame for any specific sounds“ lesen. Heißt das so viel wie jedes Mitglied der Band hat gemacht, wonach ihm gerade war, oder wie kann man das interpretieren?
Es ist quasi schon eine Tradition der Band, dass wir Blödsinn in die Booklets schreiben. Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist unseren Sinn für Humor ein wenig einfließen zu lassen, und sei es nur aufgrund des Kontrasts, um die harten Sachen noch ein wenig härter zu machen. Allerdings scheinen sehr wenige Leute bereit dafür zu sein, das zu erkennen. Die Leute im Untergrund scheinen es zu hassen auch nur in Erwägung zu ziehen, dass die Bands, die sie hören, gerne hin und wieder mal lachen und versucht sein könnten, das auch musikalisch auszudrücken. In Wirklichkeit ist schon so ziemlich jeder an seinem Instrument geblieben, aber es gibt immer einen gewissen Grad der Experimentierfreudigkeit auf unseren Alben, wo jeder verschiedene Dinge an verschiedenen Instrumenten ausprobiert, aber wenn man sich die Menge an verschiedenen Soundquellen anschaut, die wir benutzen, dann wäre es bescheuert das alles in den Anmerkungen anzugeben.
Die CD klingt Alles in Allem ziemlich chaotisch (und das ist positiv gemeint). Wieviel davon war tatsächlich geplant und wieviel in der Gunst des Augenblicks improvisiert?
Die Musik war minutiös Durchkomponiert, Chaos inklusive. Wir haben mit der Aufnahme der Erzählstimme allein angefangen und dann die Musik drum herum konstruiert. Les wollte die Erzählstimme wie ein Instrument einsetzen und genau so mit ihrem Klang arbeiten, wie mit ihrer tatsächlichen Bedeutung. Die industriellen Geräusche wurden sehr sorgfältig Stück für Stück zusammengesetzt – elektronische Dinge zu komponieren benötigt genau so viel Anstrengung und Denkleistung, wie einen Metal Song zu schreiben, jeder der was anderes behauptet gibt sich offensichtlich nicht genug Mühe. Gewisse Aspekte der Metal-Performance wurden absichtlich mit einer kontrollierten Menge an Ungenauigkeit aufgenommen, weil wir uns ein wenig von der mechanischen Präzision der früheren Veröffentlichungen distanzieren wollten, die nie ganz mit dem lyrischen und ästhetischen Inhalt zusammengepasst haben. Als Studio-orientierte Band können wir uns den Luxus leisten an diesen Dingen herumzubasteln und obwohl uns Deadlines irgendwie bei jedem Album in den Weg kommen, steht es uns ziemlich frei alle Details der Musik zu verfeinern.
Wenn du dir die CDs heutzutage anhörst, bist du dann völlig zufrieden mit dem Ergebnis eurer Arbeit oder gibt es da Abschnitte, die du verändern würdest, wenn du könntest?
Solche Abschnitte gibt es immer. Wir sind niemals völlig zufrieden, aber wir machen jetzt schon lang genug Musik um zu wissen, dass absolute Perfektion der Todfeind des Erfindungsreichtums und der Progression ist, und jede Veröffentlichung ist ein wirksamer Schritt bezüglich fortschreitender Verbesserung. Du kannst dich selbst verrückt machen, indem du darauf bestehst, dass deine Arbeit absolut perfekt ist, also ist es besser deine liebenswerten Fehler zu feiern. Ich denke, dass ein gewisser Grad an Unvollkommenheit der Schlüssel zu wirklich wundervollen Erfebnissen ist; Makel lassen den Geist und das Herz der Musik sichtbarer werden. Ich denke, wenn Musik zu „perfekt“ ist, dann hört sie auf etwas zu vermitteln, weil der Hörer sich nichtmehr völlig hineinversetzen kann.
Wie du vielleicht weißt hab ich en Review zu „Urfe“ geschrieben. Ich habe aber keine Wertung gegeben, weil ich denke, dass man die Brillianz von „Urfe“ nicht in Zahlen ausdrücken kann, wenn du mir aber eine Pistole auf die Brust setzen und verlangen würdest, dass ich mich auf eine festlege, dann wäre es wohl irgend was zwischen 11 oder 12 von maximal 10 Punkten. ;-) Kommentiere das gern.
Ich schreibe selbst für Terrorizer und am Ende eines Reviews eine Zahlenwertung bis zu zehn Punkten aufzubringen ist der Fluch meines Lebens, hehe. Ich verstehe die Notwendigkeit einer messbaren Punktwertung, aber ich denke der Reviewtext selbst ist viel wichtiger.
„Urfe“ ist eine sehr merkwürdige Erfahrung, da die CD fast keine wirklich hörbare Musik enthält, es ist schon mehr so was wie ein Hörspiel… Was denkst du, war die Entscheidung so etwas anstatt einer regulären Musik-CD aufzunehmen ein großes Risiko? Oder kennt ihr eure Fans gut genug, um zu wissen, dass sie die CD kaufen würden?
Ich bin der Ansicht, dass „Urfe“ auf jeden Fall zu 100% Musik ist. Die abstrakten Geräusche in unserem Material sind genau so musikalisch wie der Rest, wir verwenden sie genau so zum komponieren und machen damit genau solche Schallgebilde und Illustrationen, wie man sie mit gewöhnlichen Instrumenten machen könnte. Wir haben hier die Gewichtigkeit der Geschichte der Mikrotonalen Musik auf unserer Seite, die Musique concrète, die elektronische Musik von Stockhausen et al., Throbbing Gristle, Scott Walker, John Cage, 60 Jahre musikalischer Evolution. Ich selbst sehe jedes Geräusch als potentielle Musik an; es ist das Eingreifen einer Person, die sagt „Das ist Musik“, die es zu eben dem macht. Die Erzählung ist viel musikalischer geschrieben, weniger wie ein Audio-Buch; die rythmischen Kadenzen, die Silben, das Schallverhalten von jedem Wort wurde genau so ausgewählt und arrangiert, damit es einen musikalischen Effekt hat. Wir wollten die Worte und die Geräusche ineinander integrieren, damit sie zusammenarbeiten, damit die Worte nicht über der Musik daher schweben und überhaupt nicht mit einbezogen werden. Um ehrlich zu sein, diese Scheuklappensicht der meisten Musik-„Fans“ macht mich sowohl rasend als auch traurig. Die Zwölfton-Skala ist nur so ein kleiner Bestandteil von dem, was Musik eigentlich zu Musik macht, warum sollte man sich so sehr daran Klammern, als ob es das Maß aller Dinge wäre? Ich denke es war höchstwahrscheinlich riskant als eine Band, die für eine Metal-Hörerschaft vermarktet wird, so ein Album wie „Urfe“ herauszubringen und auf jeden Fall waren die Reaktionen extrem feindselig, sowohl von den Leuten die aus welchen Gründen auch immer den Inhalt der Erzählung nicht mögen, als auch von den Leuten, die es gestört hat, dass es überhaupt eine Narration gab. Für solche Leute mache ich keine Musik. Es macht mich einfach traurig zu sehen, dass Leute, die behaupten offen für Experimente zu sein und sich selbst dafür auf die Schulter klopfen, sich dann scheuen, wenn so was wie „Urfe“ daher kommt. Leider ist es so, dass viele Leute denken sie würden „außerhalb von Schubladen denken“, aber das bedeutet oft nur, dass sie in ein wenig größeren Schubladen denken.
Reden wir mal rein hypothetisch: Wenn ihr gewusst hättet, dass die meisten eurer Fans euch auf jeden Fall mit Verachtung strafen würden, wenn sie zum ersten Mal „Urfe“ hören… Hättet ihr das Album dann trotzdem genau so aufgenommen und herausgebracht?
Genau das ist es, was passiert ist. Und ja, ohne zu zögern.
Um mal hypothetisch zu bleiben: Siehst du die Möglichkeit gegeben, eines Tages wieder ein „schwärzeres“ (also ein mehr Black Metal lastiges) Album aufzunehmen?
Wenn wir der Ansicht wären, dass es zum Konzept, das wir für das Album vorgesehen hätten, passen würde, dann auf jeden Fall. Wir arbeiten unter der Voraussetzung, dass unsere Alben keine lineare Progression sind, sondern schlicht und ergreifend verschiedene Facetten desselben Dings beleuchten.
Kommen wir zurück zu „Urfe“. Die Cs erzählen eine sehr dichte Story. Wie lange hat es gedauert, diese ganze Storyline zu erdenken und niederzuschreiben?
Ich habe Les mit einigen ziemlich detailierten Ausführungen über die Geographie der Axis-Welt ausgestattet, also die Mittel um sich darin zurecht zu finden, die dort vorherrschenden Gesetze und Physik, die Gründe wieso die Welt sich so verhält, wie sie sich verhält und was ihr letztendlicher Zweck ist. Es lag an Les eine Figur zu erschaffen und zu beschreiben, wie diese Figur die Welt erlebt, an welche Orte es sie trieb, welche Kreaturen sie treffen würde, Erinnerungen, die sie hervorbringen würde, und der sich steigernde Effekt, den das längerfristige Ausgesetztsein in dieser Welt auf ihre Psyche haben würde. Die TAOP-Realität ist im Wesentlichen psycho-reaktiv, jeder Charakter, der sie erlebt, trifft auf die Dunkelheit und die Dämonen, denen ihr eigenes Unterbewußtsein diese Form gegeben hat. Das rohe, hässliche, schäbige Elend von Locus Eyrie und die vulgäre Schmutzigkeit von Urfes Wahrnehmung des Ortes sind im Endeffekt Reflektionen seines eigenen Charakters.
Ich denke nicht, dass ich schon ganz hinter den Plot der CDs dahinter gestiegen, aber eine Sache scheint für mich klar: Es klingt sehr stark wie etwas aus einem Silent Hill-Videospiel, stimmt’s?
Silent Hill war in der Vergangenheit ein sehr großer Einfluss für uns, das kann man nicht abstreiten. Allerdings ist Les kein Fan und hat absichtlich versucht diesen Einfluss herunterzuspielen, also kann die Antwort darauf nur „Ja und Nein“ sein.
Das ist aber ein gutes Stichwort, lass uns mal kurz das Thema wechseln. Fangen wir doch mal so an: Was sind die ersten Dinge, die du mit Silent Hill asoziierst, wenn du darüber nachdenkst?
1999, als ich den ersten Teil zum ersten Mal gesehen habe und wie vom Blitz getroffen war, angesichts seiner Pracht, seiner Trostlosigkeit. Die ersten drei Spiele, ganz besonders das zweite, verbleiben bis heute absolut phänomenal. Die danach mag ich auch und im Augenblick habe ich meinen Spaß daran, „Origins“ durchzuspielen, aber es ist die originale Trilogie, deren Geist am reinsten erscheint. Wenn man bedenkt, dass sie mittlerweile externe Entwicklerfirmen einsetzen, um das Franchise fortzusetzen, gibt mir das Gefühl, dass das ursprüngliche Kreativteam mittlerweile die Lust daran verloren hat, was in Ordnung ist. Ich denke, dass es ein gutes Argument ist, um zu sehen, dass Videospiele auch eine tiefgründige, legitime Kunstform sein können und nicht nur billige Unterhaltung.
Du hast ja jetzt schon bestätigt, dass Sient Hill ein sehr großer Einfluss für euch war/ist. Besteht denn die ganze Band aus Videospielern oder ist die Affinität zu Silent Hill etwas ganz Besonderes für euch.
Ich bin wirklich kein Videospieler, dafür habe ich weder die Zeit und auch die Auffasungsgabe nicht mehr. Ich mag Survival Horror Games, aber das liegt eher daran, dass ich mehr ein Horrorfan bin, als ein Videospiel-Fan. Mein Lieblingsspiel wird wohl immer das Pen-and-Paper-RPG „Call of Cthulhu“ bleiben, das ich aber seit Jahren nicht gespielt habe, weil ich zu beschäftigt war.
Obwohl eure Musik schon anders klingt als die von Akira Yamaoka [Komponist und Produzent der „Silent Hill“-Videospiele] gibt es einige Berührpunkte. Was ist also für euch mehr Inspiration bezüglich Silent Hill? Die Musik oder die allgemeine Atmosphäre?
Beides. Das Tolle an Silent Hill ist, dass es den urbanen Verfall unserer Herkunft aus Middlesbrough mit der Art von Horror verbindet, die wir mögen, wie zum Beispiel die Bücher von Ramsey Campbell. Wenn es das nicht gäbe, dann müssten wir wohl so was in der Art erfinden. Zu der Zeit war es aber die perfekte Verkapselung unserer Geschmäcker und unserer Erfahrungen mit dem städtischen Leben, also hat es uns auf ganz verschiedene Arten inspiriert.
Wo wir schon von Mr. Yamaoka reden… Weißt du, ob er weiß, dass es eure Band gibt? Hast du dich vielleicht sogar schon mal mit ihm unterhalten?
Ich schätze nicht. Ich denke auch nicht, dass er sonderlich beeindruckt wäre, wenn ich ehrlich bin. Ich bin nicht sicher, ob ich nicht ein wenig verlegen wäre, wenn ich herausfinden würde, dass es so ist.
Wenn man einen Blick auf „Urfe“ wirft ist die Frage vielleicht etwas offensichtlich, dennoch: Würdest du gern eines Tages eine Story für ein Silent Hill Videospiel oder einen Film mit diesem Thema schreiben?
Es ist eine spaßige Idee, aber ich würde lieber etwas eigenes entwerfen. So großartig ich Silent Hill auch finde, es ist die Welt von jemand anderem und ich würde mir nicht zutrauen, ihr gerecht zu werden.
Es gibt ja schon einen Film. Tatsächlich gibt es sogar zwei, einen der im Kino lief, der andere wurde über’s Internet verbreitet (mit dem Titel „Silent Hill: No Escape“). Hast du einen oder vielleicht beide davon gesehen? Was denkst du darüber, haben sie die Atmosphäre gut genug eingefangen?
Den Fan-Film habe ich nicht gesehen, aber den offiziellen Film fand ich wegen seiner Optik und den liebevollen Details der Stadt ziemlich gut. Trotzdem denke ich, dass das Skript ziemlich jämmerlich war, frustrierenderweise sehr verdummt und sich zu viele Freiheiten mit dem Silent Hill-Mythos nahm.
Eine letzte, etwas persönlichere Frage zu dem Thema: Was denkst du, ist James Sunderland am Ende des zweiten Teils aus Silent Hill entkommen? ;-)
Nein. Wenn seine Schuld so mächtig war, wie es scheint, dann denke ich nicht, dass er einfach so davongekommen ist.
Okay, zurück zu „Urfe“ und etwas, was ich mich schon eine Weile frage… Woher der Titel? Wofür steht „Urfe“, wieso trägt der Protagonist diesen Namen? Ich meine, ich habe meine eigenen Theorien, aber die sind noch nicht hieb- und stichfest, also dachte ich mir, frag ich dich einfach. Hat es eine tiefere Bedeutung (ich wette es hat eine) oder ist es tatsächlich einfach nur ein Name?
Hauptsächlich bedeutet „Urfe“ „Novize“.
Das Artwork von „Urfe“ zeigt einige große, unscharfe Stahlkonstruktionen in einer grünlichen, wahrscheinlich ungesunden Farbe. Haben die verlassenen, aufgegebenen Industriegebäude in Großbritannien euch dazu oder vielleicht zu eurem ganzen Konzept inspiriert?
Unsere Heimatstadt Middlesbrough war die Inspiration für die Visualisierung und ist auch die Basis für Locus Eyrie überhaupt. Urfes Reise durch die Dunkelheit der Stadt enthält viele analoge Referenzen zu echten Orten in Middelsbrough für all jene, die wissen, wonach sie Ausschau halten müssen.
Bleiben wir doch mal bei dem Visuellen: Hat Urfe ein konkretes Äußeres? Ich stell ihn mir wie einen ziemlich heruntergekommenen Typen vor…
Das Treffendste, was wir haben, sind wohl die Bilder von Les im Inneren der CD-Hülle, das sind auch die Bilder, die sich in mein Gehirn eingebrant haben; ich muss zugeben, ich stelle mir Urfe immer so vor, dass er wie Les aussieht, was vielleicht daran liegt, dass ich im Studio saß und zugeschaut habe, wie er die Erzählung aufnimmt.
Was ist mit dem Restlichen „Zeug“ auf der CD, konntest du dir das alles optisch vorstellen, als du es geschrieben hast? Falls ja, wieso habt ihr keinen Film draus gemacht? In meinem Review habe ich erwähnt, dass diese CD wohl das ist, was am nächsten an einen Horrorfilm heran kommt…
Ich kann mir die Welt sehr lebendig vorstellen, ja. Als wir die industriellen Parts der CD zusammengestellt haben, da waren wir sehr sorgfältig dabei, die Abschnitte auszubalancieren, die gut zusammen klangen, die aber auch verschiedene Aspekte der Landschaft, sei es wörtlich oder abstrakt, beschrieben. Um ehrlich zu sein, wir haben im Augenblick nicht mal im Entferntesten die Mittel, um unseren Ideen visuell gerecht zu werden. Die gesprochene Erzählung erlaubt uns daher wesentlich ambitioniertere Szenen zu erstellen, als es auf Film möglich wäre, schätze ich mal.
Es geht sogar so weit, dass ich das Gefühl hatte, dass „The Great Unwashed Part VI“ quasi das Perfekte Thema für die Ending Titles eines Films wäre. War das so gedacht?
Ja. „Grief Of The Unclean Part II“ wären dementsprechend die Opening Credits. Ein ziemlich rudimentäres und offensichtliches Mittel, aber es gefiel uns, es zu benutzen.
Ich hab das Wort „Film“ jetzt zweimal benutzt, dennoch muss ich sagen, dass „Urfe“ (und „Deleted Scenes“ natürlich auch) wesentlich furchterregender ist, als viele Horrorfilme, die ich gesehen habe (und das waren nicht gerade wenige). Wie schreibt man so etwas? Plant ihr die Songs unheimlich oder werden sie einfach so?
Wir versuchen mit unserer Musik eine bedrückende, schonungslose Stimmung des Grauens zu erzeugen. Es ist schwer Musik zu erschaffen, die wortwörtlich „unheimlich“ ist, also versuchen wir’s lieber nicht; wir versuchen nur das Wesen der TAOP-Welt zu vermitteln wie wir sie sehen und manchmal ist das halt das Ergebnis, über das wir stolpern. Aber das ist eine sehr subjektive Sache.
Das muss ich einfach fragen, jemand wie du, der so unheimliche Musik erschafft… Gibt es irgend etwas, wovor du Angst hast?
Schulden!
Wenn ich fragen darf, was sind denn eigentlich deine lieblings Horrorfilme?
Da weiß ich gar nicht genau, wo ich anfangen würde. Es ist kein reinrassiger Horrorfilm, aber „Session 9“ ist einer meiner Favoriten und hat gewaltigen Einfluss auf TAOP und ganz besonders auf „Deletede Scenes“. Ich hab vor kurzem „Der Exorzismus der Emily Rose“ gesehen und es hat mich schon ein wenig ausflippen lassen, wegen den fürchterlich verdrehten epileptischen Positionen, in denen man die Hauptfigur ständig sah. Ich mag diese Art von Horrorfilmen, in denen das Gefühl von übernatürlichen Begebenheiten auftritt, die Beweise, die im Film geliefert werden, aber ergebnislos sind, so dass die Zuschauer sich selbst darüber Gedanken machen. Außerdem gefällt mir, auch wenn es nicht wirklich Horror ist, so ziemlich alles von David Lynch.
Okay, ich schätze mal wir sind schon wieder etwas vom Thema abgeschweift, also zurück zu „Urfe“. Der erste Track, den man wirklich einen „Song“ nennen könnte ist „The Great Unwashed Part II“ und das nach ungefährt 52 Minuten. Habt ihr schon Feedback von den Fans bekommen, bezüglich dieses „Zurückdrängens“ der Musik?
Ja, es ist nicht so gut angekommen! Eine wichtige Sache, die man sich bei „Urfe“ klar machen muss, ist, dass da noch ein Begleitalbum kommen wird. Wie auch immer, es hätte das Label in den Ruin getrieben, wenn wir einen drei-CD-Koloss von einem Album herausgebracht hätten und das hätte dann wahrscheinlich auch kaum einer gekauft (nur Tom Waits kann sich drei-CD-Alben leisten). Wenn wir jede CD einzeln veröffentlicht hätten, dann hätten wahrscheinlich nur drei Leute die erste davon gekauft, weil da überhaupt kein Metal drauf ist, dementsprechend hätten die eine ganze Menge der Story und des wichtigen Inhalts verpasst und wohl die Wichtigkeit des Ambients für unsere Musik ignoriert. Ein Kompromiss war, dass wir die ersten beiden CDs zusammen veröffentlicht haben. „The Great Unwashed“ ist halb Ambient, halb „Musik“ (wie die Leute so gerne sagen), also sollten solche Leute die komplette Nicht-Metal-CD vielleicht als eine Art Bonus ansehen…?
Ich selbst bin der Ansicht, dass das späte Auftauchen der Musik dem Ganzen eine ganze Menge mehr Durchschlagskraft verleiht. Der Song alleine ist ein klein wenig „stumpf“ (aber nur ein kleines Bißchen), aber wenn man ihn als Forsetzung der vorhergegangenen 52 Minuten ansieht, dann ist das ein absolut wuchtiger Höhepunkt für diese spannungsgeladenen Tracks. Ist das so ungefähr das, was ihr mit dieser Methode bezwecken wolltet?
Im Grunde genommen ja. Das dynamische an- und abschwellen und die allgemeine „Form“ des Albums wurden sorgfältig berechnet.
Mir gefällt der Klargesang, der bei dem Track benutzt wurde, sehr gut. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich schätze ihr hattet so etwas vorher noch auf keiner CD (obwohl ich bislang leider weder die „Corridors“-Demo, noch die „Physical Illucinations“-EP gehört habe), deswegen kamen die für mich zumindest ziemlich unerwartet. Habt ihr vor, die in Zukunft öfter zu benutzen?
Ja, es ist das erste Mal, dass Brooke sich für TAOP an Klargesang versucht hat, aber ich persönlich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, ganz besonders bei „The Great Unwashed V“. Wir werden sie in Zukunft benutzen, solang sie zum jeweiligen Song passen.
Bleiben wir doch mal in der Zukunft. Was kommt als nächstes? Ich hab gelesen, dass Urfes Geschichte noch nicht zu Ende ist, wann können wir den Abschluss erwarten?
Ja, „Tenements“ wird „Urfe“ CD 3. Wir hoffen, dass wir es schaffen das Album im Frühling 2010 zu veröffentlichen, aber in solchen Dingen lagen wir schon ziemlich oft daneben.
Wie wird das Album klingen? Oder wird es sich noch während den Aufnahmen entwickeln? Oder willst du’s vielleicht noch nicht verraten, um die Spannung zu erhöhen?
Wir haben viele Ideen auszuprobieren, also wird es ziemlich viel Triebkraft geben. Und wir sind uns schon ziemlich sicher, was wir wollen. Du wirst’s rausfinden, sobald es rauskommt.
In einem Review im Internet hab ich gelesen, dass ihr im September 2005 vorhattet, live aufzutreten. Ist das wahr oder war das ein Hoax?
Nein, es stimmt, aber wir mussten die Termine mit Overmars absagen. Wir haben mehrfach versucht eine Tour mit ihnen auf die Beine zu stellen, aber es hat nie geklappt, hauptsächlich wohl, weil es schwierig für uns ist, zusammen zu kommen und regelmäßig genug zu proben, um live gut zu klingen, daher dachten wir uns sagen wir’s lieber ab, als beschissene Shows zu spielen. Ironischerweise haben wir aber im December 2005 live gespielt und es war total scheiße.
Was denkst du, wäre es möglich „Urfe“ einem Live-Publikum zu präsentieren?
Möglicherweise in einem Theater oder so, obwohl man es dann wohl stark umschreiben müsste, schätze ich…
Okay, wir sind schon fast durch, es gibt noch ein paar Sachen, die ich dich gerne fragen würde… Zuerst mal, könntest du Dan bitte fragen, ob er uns etwas über eine neue Bal-Sagoth-CD erzählen könnte und ein paar Worte zum kommenden My Dying Bride Album, da das meine Lieblingsband ist? ;-)
Naja, Dan ist schon eine Weile nicht mehr bei Bal-Sagoth dabei, also denke ich nicht, dass er weiß, was da zur Zeit los ist. Was die neue MDB angeht, ich hab ein paar Snippets des neuen Albums gehört und es klingt sehr vielversprechend, ruhiger, vornehmer und karger als „A Line Of Deathless Kings“, aber auf eine charakteristisch schmerzhafte und qualvolle Art und Weisen. Etwas unerwarteteres als sonst, aber mit der klassischen MDB-Atmosphäre.
Okay, zweitens: Lass uns mal kurz über Pulsefear und Mine[thorn] reden. Ich hab letztens „Perichoresis“ (oder „Perichroresis“? Ich bin unsicher, auf der Hülle steht’s mit einem „r“, überall sonst ohne) gekauft und finde die CD ziemlich gut… Wann geht’s mit dem Projekt weiter? Und wann wird die Mine[thorn] CD endlich veröffentlicht?
„Perichoresis“ stimmt schon, leider gab’s da bei der Pressung einen Rechtschreibfehler. Wir würden gerne irgendwann wieder was mit Pulsefear machen, aber im Augenblick haben wir alle Hände voll zu tun mit wichtigeren Verbindlichkeiten wie TAOP. Ich kann aber sagen, dass ich froh bin, dass das Minethorn-Album am 20. März nach vielen Verschiebungen endlich kommt.
Wie ich vorher schon erwähnt habe, hab ich leider weder eure Demo noch die EP gehört. Besteht die Möglichkeit, dass die beide irgendwann neu aufgelegt werden? So sehr ich eure Musik auch liebe, 100$ über eBay sind doch ein bißchen viel. ;-)
Darüber haben wir uns bislang noch nie wirklich unterhalten, deshalb weiß ich es nicht. Die EP könnte es vielleicht noch irgendwo geben, ich weiß dass sie im Webstore des Labels ausverkauft ust, aber vielleicht liegt irgendwo bei einem Distributor noch eine rum. Wenn irgend jemand über eBay 100$ für eine Kopie verlangt, dann bin ich ehrlich gesagt echt schockiert. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so eine Band sind. Ich glaube nicht, dass ich so viel dafür bezahlen würde…
Okay, ich hab mal ein paar Statements bezüglich eurer Musik aus dem Internet und aus verschiedenen anderen Quellen zusammengetragen. Es wäre großartig, wenn du sie kurz kommentieren könntest:
„Was dabei rauskommt, wenn man Genialität für Böses einsetzt.“
Pfannkuchen.
„Der Soundtrack zum brutalsten Tod aller Zeiten.
Ne, das müsste Autopsy sein…
„Die Musik von The Axis Of Perdition ist so böse, dass sie wirklich Angst machen kann.“
Wir selbst würden sie nicht als böse bezeichnen. Menschen sind böse. Trotzdem, cool.
„Dazu fickt sich’s bestimmt gut…“ (Das Statement einer Frau…)
Da nehm ich dich mal beim Wort, weil ich das ganz bestimmt nicht ausprobieren werde.
„Es war noch nie einfacher Depressionen zu bekommen, als mit der CD.“ (Aus einer Beschreibung von „Deleted Scenes“)
Ich kann mir schon vorstellen, wie das passieren kann. Ich ziehe es aber vor zu denken, dass die CD dafür sorgt, dass es den Leuten besser geht, weil sie zeigt, dass es doch noch viel schlimmer sein könnte…
„Für all diejenigen, die das akustische Äquivalent dazu suchen, bis zum Hals in Treibsand eingegraben zu sein und vergeblich zu versuchen sicheren Boden zu erreichen, ihr habt es gefunden.“ (Über „The Ichneumon Method“)
Bist du dir sicher, dass es Treibsand ist und nicht etwas… unerfreulicheres?
„The Axis Of Perdition werden oft mit Bands wie Anaal Nathrakh oder Blut aus Nord verglichen, wegen ihren ähnlichen grimmigen, urbanen Industrial Metal-Ästhetiken.“
Ich mag Anaal Nathrakh, aber ich werde den Vergleich nie verstehen. Sicher, wir haben Drum Machines benutzt und schnell gespielt und wir sind aus Großbritannien. Davon abgesehen gibt’s nicht viele Berührpunkte. Die Gitarrenarbeit ist komplett unterschiedlich. Der Vergleich mit Blut Aus Nord macht wesentlich mehr Sinn, obwohl wir schon ziemlich unterschiedlich sind.
„Diese Promo-CD muss man mit Kettenhandschuhen anfassen.“ (Über „Deleted Scenes“)
Ne, ich würde strapazierfähige Bauarbeiterhandschuhe empfehlen, am Besten schmutzabweisende. Wenn du Kettenhandschuhe benutzt, dann könnte irgend etwas durch die Glieder durchkommen und deine Haut trotzdem berühren.
Okay, das war die letzte „Frage“, die ich an dich hatte. Traditionell beenden wir unsere Interviews bei Metal1 immer mit einem kleinen Brainstorming. Antworte einfach das erste, was dir in den Sinn kommt, wenn du die folgenden Begriffe hörst:
Silent Hill? – Rost.
Enthauptung (Decapitation)? – Cattle Decapitation, die veganische Grind Band.
Disney? – Dieser total rassistische Teil mit der chinesischen Katze in „Aristocats“.
Cthulhu? – Fhtagn.
Charles Darwin? – Kreationisten sind Trottel.
Augapfel-Berührungen? – Unsere Finger sind größtenteils sauber.
Metal1.info? – Das erste Review zu „Urfe“, glaube ich. Schön mit einem guten anzufangen…
Mike, Brooke, Urfe, Pylon, wer auch mmer du bist oder zu sein vorgibst, vielen vielen Dank, es war großartig dich all diesen Blödsinn fragen zu dürfen. Vielen Dank noch mal, ich wünsch dir persönlich und euch als Band viel Erfolg für die Zukunft und ich hoffe, dass wir schon bald wieder was von euch hören, da ich den Nachfolger von „Urfe“ kaum erwarten kann. Nun ja, die letzten Worte gehören dir, gibt es noch irgend etwas, was du unseren Lesern mitteilen willst?
Wenn ihr raus seid, sind wir drin.