Interview mit Aleksi von Swallow The Sun

Der schweigende Finne ist mindestens genauso ein Klischee wie der metal-zelebrierende Nordmann. Die finnischen Melodic-Death-Doomer SWALLOW THE SUN lassen die Musik für sich sprechen, entsprechend wortkarg gibt sich Keyboarder Aleksi Munter im Gespräch zum aktuellen Dreifach-Album „Songs From The North“. Zum Songwriting, lyrischen Hintergrund und zur finnischen Geographie gibt der symphatische Skandinavier im folgenden Interview Auskunft.

Swallow The Sun transparent

Normalerweise gratulieren wir ja jeder Band zu ihrem Album-Release, aber in diesem Fall kann der Glückwunsch gar nicht groß genug sein. Drei CDs mit einer Menge Qualität ist nicht gerade ein alltägliches Abenteuer. Wir groß ist die Erleichterung, dass alles bei diesem Mammutprojekt glatt gelaufen ist?
Herzlichen Dank! Ja, das war sicher kein alltägliches Abenteuer und ich hoffe auch, dass es kein jährliches wird. Ich habe gerade das Album bekommen und musste fast weinen, als ich sie zum ersten Mal in der Hand hielt. Ich bin bis jetzt aber nicht einmal zum Luftholen gekommen, es steht ja immerhin die Tour an und in Finnland haben wir zuletzt auch schon live gespielt.

Wann war der Moment, als ihr die Idee hattet, ein solches Album zu machen? War das von Anfang an geplant?
Ich glaube, Juha hatte die Idee schon während der Tour zum letzten Album, wenn nicht schon vorher. Er hatte den Gedanken wohl schon länger, dann haben wir etwas darüber gesprochen und so siehts jetzt aus.

Wäre es auch denkbar gewesen, die Platten einzeln im Abstand von ein paar Monaten oder innerhalb eines Jahres zu veröffentlichen?
Natürlich haben wir darüber gesprochen und es hätte sicher mehr als nur einen guten Grund dafür gegeben, aber wir entschieden uns dagegen. Das ist einfach ein ganzes Album in drei Teilen und in dieser Hinsicht untrennbar, auch wenn man sich die drei Teile natürlich gut einzeln anhören kann.

Swallow The Sun - Interview 2015 I

Wie hat das Label darauf reagiert? Es ist ja keine gewöhnliche Veröffentlichung, dabei ist es sogar eure erste bei Century Media.
Sie waren – was vielleicht überraschen mag – total begeistert von der Idee und wir hatten die volle Unterstützung, unser Ding durchzuziehen. Die Zusammenarbeit war wirklich klasse, gerade bei einem so herausfordernden Album!

Lief das Songwriting parallel oder habt ihr erst ein Album fertig gemacht und euch dann nach und nach auf die nächsten konzentriert?
Hauptsächlich parallel. Juha hat den meisten Stoff geschrieben und hat alle Demos aufgenommen; als wir sie dann erhalten hatten, haben wir damit begonnen, am Gesamtwerk zu arbeiten.

Eure lyrischen Themen waren bisher nicht gerade als besonders „nordisch“ bekannt. Da ging es um Verlust, Schmerz, Verzweiflung und solche Sachen. Teilweise hat sich das nicht geändert, aber gibt es nicht ein paar Schneelandschaften, dunkle Wälder und Natur zumindest auf dem Folk-Album („Songs From The North II“)?
Der zweite Teil ist definitiv natur-orientierter und ja, das ist schon eine neue Seite in den Texten. Wir waren schon immer sehr nordisch, was das musikalische Erbe angeht, aber so deutlich haben wir das nie zum Ausdruck gebracht. Ich denke, das zweite Album brauchte einfach einen anderen Anstrich.

Was verbirgt sich hinter den Koordinaten „66,50 N und 28,40 E“? Dieser Ort müsste in der Nähe eurer Heimatstadt Jyväskylä liegen, ganz nah am Polarkreis, aber mehr ließ sich dazu nicht herausfinden.
Das sind die Koordinaten von Salla und es ist schon ein gutes Stück von Jyväskylä entfernt (na, was sind denn schon 600 Kilometer in Finnland, Anm. d. Red.). Juha hat seine Kindheit dort verbracht und der Song ist eine Art musikalische Präsentation der Gegend dort. Ich bekomme beim Hören ein ziemliches „Ende des Sommer“-Gefühl.

Viele Titel haben etwas komplizierte Namen, wolltet ihr in dem Bereich ähnlich opulent arbeiten wie bei der Musik?
Sind sie das? Ich denke, sie klingen ziemlich genau so, wie unsere Titel immer klingen, haha. Ich denke, sie passen einfach gut zu den Songs, vor allem auf dem letzten Teil mit all seinem Bombast. Besonders gefällt mir „Empires Of Loneliness“.

Swallow The Sun - Interview 2015 III

Lass uns mal etwas über die Musik sprechen, Juha hat also erneut die meisten Songs geschrieben? Oder war da eine größere Truppe für notwendig, um die drei Alben fertig zu bekommen?
Das war schon Juhas persönliches Projekt, es ist für ihn einfach besonders wichtig. Klar, Mikko und ich haben die meisten Arrangements für Gesang bzw. Keyboard gemacht und auch die anderen waren auf ihre Art und Wiese beteiligt, aber das meiste ist schon von Juha.

Wieviel Anstrengung habt ihr auf den Gesang denn verwendet? Meiner Meinung nach hat Mikko da einen phantastischen Job erledigt, manchmal kann man gar nicht glauben, dass das nur ein einziger Sänger ist.
Unser guter Freund Jaani Peuhu hat den Gesang aufgenommen und produziert und er hat das wirklich großartig hinbekommen. Sein Einfluss hat Mikko auf ein ganz neues Level gehoben, natürlich in Kombination mit Mikkos Fortschritten, die er in den letzten Jahren gemacht hat. Jaani hat auch ein paar Zeilen gesungen, aber das meiste stammt natürlich von Mikko.

Könntest du mal das Songwriting bei SWALLOW THE SUN beschreiben? Bringen die Songwriter komplette Songs, nur Teile oder arbeitet ihr die Details im Proberaum aus?
Juha schickt uns Demos, mit denen wir erstmal arbeiten. Ich habe den Keyboard-Kram bei mir zu Hause aufgenommen, habe Demos davon an Juha gesendet und nachdem wir das ein wenig überarbeitet haben, ging es ins Studio für eine verdammte Sechs-Tage-Aufnahme-Session, während der ich alles aufgenommen habe. Mikko hat auch alles selber aufgenommen, ich glaube, ich habe lediglich drei Songs mit Gesang gehört, bevor ich ins Studio ging. Ganz generell proben wir nicht wirklich, das letzte Mal, als wir für Albumaufnahmen geprobt haben, war es eine Woche vor den Aufnahmen zu „New Moon“ 2009, haha.

Hat sich dein persönlicher Musikgeschmack während der Produktion geändert? „Songs From The North“ ist schließlich sehr vielseitig mit diversen Einflüssen.
Nun, nach den Aufnahmen habe ich erstmal drei Monate GAR KEINE Musik gehört, dann habe ich vorsichtig mit leichtem Zeug wieder angefangen. Ich hab da wohl eine Überdosis Musik mitbekommen während der Aufnahmen. Ganz allgemein waren wir aber schon immer offen für alle Genres, also konnte sich eigentlich gar nichts ändern.

War es ein zentraler Gedanke, die Songs auf der einen Seite progressiver, aber auf der anderen Seite aber eingängiger zu gestalten?
Nein, nicht wirklich, wir haben da eigentlich seit dem ersten Album nichts mehr drauf gegeben. Ich habe das Gefühl, wir können alle Arten von progressiver Musik komponieren und am Ende kann man es sich doch ganz easy anhören, keine Ahnung, warum das so ist.

Die ausufernden Intros fallen schon auf, ebenso wie die intensiven Spannungsbögen. Wie lange muss man arrangieren, bis da alles passt?
Ich weiß nicht, wie oft Juha die Songs umstrukturiert hat, bevor er sie uns geschickt hat, aber danach haben wir eigentlich nur noch die Liedreihenfolge und so diskutiert. Das war von Anfang an eigentlich ganz gut durchdacht, meiner Meinung nach.

Swallow The Sun - Interview 2015 II

Es ist sicherlich ein Kompliment, wenn man feststellt, dass der dritte Teil ebenso gut von My Dying Bride hätte stammen können, oder?
Ehrlich gesagt sehe ich schon Unterschiede, obwohl große Einflüsse natürlich vorhanden sind und ja, ich kann nachvollziehen, wenn jemand so denkt.

Wie habt ihr eure Sängerin Aleah damals eigentlich kennengelernt? Als Südafrikanerin, die in Schweden lebt, ist sie nicht gerade prädestiniert, in einer finnischen Band zu singen.
Ich glaube, Juha hat sie bei MySpace oder sowas getroffen, haha.

Ist es denkbar, ihr noch mehr Raum zu geben als hier oder auf „New Moon“?
Ich denke, wir haben eine gute Balance gefunden zwischen Mikko und ihr. Ich war nie ein großer Freund, zwischen männlichen und weiblichen Vocals zu wechseln, lieber entweder Mann oder Frau, das jeweils andere Geschlecht kann man dann vereinzelt zum Einsatz bringen, um die Sache etwas aufzupeppen.

Wie denkt ihr darüber, auf kommenden Alben mehr Ausflüge in „fremde“ Genres zu machen? Es muss ja nicht gleich wieder eine Dreifach-Veröffentlichung werden, aber der eine oder andere echte Folk-Song auf einem „ganz normalen“ Album hätte doch auch was.
Ich finde, wir haben unseren Stil dementsprechend entwickelt, dass es immer nach SWALLOW THE SUN klingen wird, egal, was wir letztlich machen. Außerdem haben wir das ja schon mal gemacht: „This Cut Is The Deepest“ von der letzten Platte hätte auch gut auf „Songs From The North II“ stehen können.

Gibt es einen Teil der aktuellen Veröffentlichung, der dir besonders gut gefällt?
Das ändert sich ständig, meistens zwischen Teil II und III. Nicht, weil das erste Album schlecht wäre oder so, aber die anderen beiden haben einfach so viele neue Elemente, das ist echt spannend.

Swallow The Sun - Songs From The North Cover

Und wie immer die Frage, wie ihr das live umsetzen wollt. Wie kann man jedem einzelnen Album gerecht werden?
Ja, da hatten wir auch unsere Zweifel, aber bei unserem Probewochenende vor der Show in Helsinki klang das alles ziemlich geil. Hier und da müssen wir halt etwas an den Songs schrauben, damit es passt, aber wir haben keinen Song von vorne herein ausgeschlossen.

Finnland ist wohl DAS Metal-Land schlechthin. Nimmst du selber ein sinkendes Interesse war oder geht der Boom ungebrochen weiter?
Der Boom selber ist sicher vorbei, es ging vor ein paar Jahren allmählich bergab. Die etablierten Bands haben dann guten Stoff geliefert und es gibt auch immer wieder interessante, neue Musik, aber es ist schon anders als, sagen wir mal, noch vor zehn Jahren.

Lass uns noch einen Blick über den Tellerrand werfen. Wie nimmst du die Flüchtlingskrise in Finnland wahr? Ist das ein Thema so weit im Norden?
Das ist schon eine wichtige Sache, über die hier viel gesprochen wird, auch wenn wir nicht so unmittelbar davon betroffen sind. Andererseits hat man ja das ganze Jahr irgendeine Scheiße um die Ohren und ich lebe ja auch nicht in Finnland, also kriege ich vieles nur am Rande mit.

SWALLOW THE SUN haben mittlerweile eine ganz gute Routine, Interviews bei Metal1.info zu beantworten, das Wortspiel dürfte dir also nicht neu sein. Deine ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen:
Star Wars VII: DA KANN ICH, VERDAMMT NOCH MAL, NICHT MEHR DRAUF WARTEN. Sieht großartig aus!
Nordischer Skisport: Rotz und Schweiß und fragwürdige Verhaltensweisen
Halloween: Hier? Europäer wollen Amerikaner sein. Nicht mein Ding.
Che Guevara: Nicht mehr sehr wichtig heutzutage. Aber ein schickes T-Shirt-Motiv.
Winter: Kommt. Hoffentlich bald.

Ok, wir sind durch, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, um das Interview zu beantworten. Beste Wünsche für dich und SWALLOW THE SUN, die letzten Worte gehören dir.
Ich habe zu danken! Ich hoffe, ich sehe euch auf Tour und hoffentlich gefällt euch das neue Album!

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Publiziert am von Jan Müller

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