Interview mit Simon Michael von Subway To Sally

Viele Mühen hat es uns gekostet, bis wir euch nun mit Simon Michael ein Mitglied von SUBWAY TO SALLY präsentieren können, der die alten Hasen (im positiven Sinne) im Rahmen des Mittelalterspecials vertritt. Dass die Ansichten eines Schlagzeugers zu Themen wie Tokio Hotel und ehrlicher deutscher Musik durchaus interessant sind, könnt ihr nun selbst nachlesen. Außerdem gibt es erste kleine Infos zum neuen Album und zur kommenden Nackt-DVD.

Wie würdet Ihr „Neulingen“ mittelalterliche Musik erklären?
Ich würde wahrscheinlich gar nicht viel erklären, sondern eine Aufnahme vorspielen oder gleich, noch besser, auf ein Konzert gehen. Allerdings würde ich „echte“ mittelalterliche Musik wählen, also ein historisches Konzert wie z.B. eines der Capella Antiqua Bambergensis, einer historischen Musikgruppe aus meiner Heimat. Musik sollte nicht umschrieben, sondern gehört und erlebt werden.

Die Mehrheit der Bands versucht der Allgemeinheit ihre Form von mittelalterlicher Musik durch moderne Elemente zugänglich zu machen. Zu dieser Gruppe zählt ihr auch. Wenn man sich die Chartplatzierungen der letzten Alben der bekannten Größen der Szene anschaut und vergleicht, dann schneiden Corvus Corax mit ihrem neuesten Album „Venus Vina Musica“ am schlechtesten ab. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Menschen eher auf die Verbindung zwischen Mittelalter/Rock wie bei euch oder Mittelalter/Elektro wie bei Qntal stehen als auf klassische mittelalterliche Musik alleine?
Ich denke, die Charts sind in einer Zeit von MP3 und Internet nur bedingt ein Indikator für das, was wirklich an Musik konsumiert wird bzw. was „in“ ist. Außerdem hatten Corvus doch mit ihrem Cantus Buranus erheblichen Achtungserfolg aus der Szene bekommen, und zwar zu Recht.
Ich denke, dass die Mittelalter-Rockvariante im Allgemeinen etwas leichter zugänglich und deshalb massenkompatibler ist.

Wo liegen die Unterschiede von Euch zu anderen Mittelalterrockbands wie Saltatio Mortis, Schandmaul oder In Extremo und was sorgt für Widererkennungswert bei eurer Musik?
Das ist eine sehr gute Frage. Darüber mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Für mich unterscheidet sich Subway grundsätzlich von all den genannten Bands durch die Lyrik und durch die Tatsache, dass viele Texte balladesk und minnegesangähnlich sind sowie durch kontrapunktisch gesetzte Chorgesänge. Ich glaube, das ist in unserer Form doch einzigartig in der deutschen Rockmusiklandschaft. Außerdem würde ich von uns auch fast behaupten, dass wir von all diesen Bands am wenigsten mittelalterlich sind.

Wodurch wird eure Musik am meisten beeinflusst (Vorbilder, Stilrichtungen, Kulturen, Religionen, usw.)?
Mit meiner folgenden Aussage muss man sehr vorsichtig sein, also bitte nicht falsch verstehen. Unsere Musik ist im Grunde genommen die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Kunst und Kultur hierzulande. Wir besinnen uns auf Werte und Kunstformen, die unsere Kultur in Westeuropa geprägt haben. Sowohl was die Texte, als auch natürlich die Musik betrifft. Ich denke, man muss nicht jeden Trend aus den Staaten nachmachen. Das ist genauso die Frage mit den Texten – warum singen wir in Deutsch? Ich formuliere diese Frage immer um: Warum sollten wir auf Englisch singen, wenn wir einen Germanisten in der Band haben? Es gibt wunderbare, deutschsprachige Lyrik. Goethe, Schiller und auch moderne Schriftsteller wie Hilde Domin. Unsere Sprache kann so schön sein, wenn man sie einzusetzen weiß. Desweiteren kann man ja in den Texten selbst hören, was uns so beeinflusst bzw. bewegt. Aber diese Frage müsste man jedem Bandmitglied selbst stellen, schließlich zieht jeder seine Inspiration woanders heraus.

Wie erklärt ihr euch die wachsende Akzeptanz eurer Musik in Deutschland auf der einen Seite und die ablehnende Haltung der Radiostationen, TV Sender, etc. auf der anderen?
Mal ehrlich: das Zielpublikum der TV-Sender – besonders derer, die augenscheinlich für uns interessant sein könnten (MTV, VIVA etc.) – entspricht nicht im weitesten unseren Fans oder unserem Ziel-, geschweige denn Wunschpublikum. Wer dorthin will, muss in Kauf nehmen, einmal gehypt zu werden und ein paar Wochen später wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückzufallen. Für uns also relativ uninteressant. Das gleiche gilt für das Radio: Diese Popsender, die sich anmaßen zu entscheiden, was cool ist – davon halte ich wenig. Ich höre kein Radio mit Ausnahme des Klassikradios, denn hier läuft man nicht Gefahr, zehnmal am Tag den gleichen Song zu hören.
Ich denke, dass unsere Musik immer angesagter wird, weil sich die Leute selbst von diesen Massenmedien lossagen. Weil sie es satt haben, irgendwelche Pseudostars vorgesetzt zu bekommen. Weil es auch wieder in ist, zu seiner Band einen gewissen Bezug aufzubauen, sich vielleicht nach einem Konzert oder so unterhalten zu können. Das sind alles Dinge, die eben bei den echten Popstars einfach zu kurz kommen. Und natürlich Authentizität. Wir stehen hinter dem, was wir machen. Es gibt hier keinen Songwriter im Hintergrund und kein großartiges Produzententeam.Ehrliche Musik ist wieder angesagt, das sieht man auch an den Charterfolgen von Silbermond beispielsweise.

Viele Bands behaupten, dass sich das Publikum auf den Konzerten in den letzten Jahren geändert hat. Neben wachsenden Zuschauerzahlen kommen auch immer mehr Familien mit Kindern. Könnt ihr dies bestätigen? Macht Subway to Sally Musik für die ganze Familie?
Hehehehe…also so richtige Familien mit Vater, Mutti, Kind sehe ich eher selten. Vielmehr mal eine Mutter, die ihre Tochter begleitet oder umgekehrt. Was ich beobachte, ist, dass es immer mehr junge Fans werden: 16, 17 und oft sogar jünger. Ich halte das aber für eine erfreuliche Entwicklung, entgegen dem Boom von Bands wie Tokio Hotel und dem ganzen Castingwahnsinn. Dass sich dann einige ältere Fans darüber aufregen, dass bei unseren Konzerten „der Kindergarten unterwegs sei“ usw. kann ich absolut nicht nachvollziehen. Man sollte sich eher darüber freuen, dass vermehrt Jugendliche wieder auf ehrliche Rockmusik stehen statt auf den ganzen anderen Quatsch.

Welches sind die größten Irrtümer, die man leichtfertig in Verbindung mit Mittelaltermusik bringt?
Dass wir historische Musik machen. Das ist totaler Unfug. Zwar verwenden wir alte Melodiebögen und ebenso historische Instrumente. Aber dennoch ist alles stilisiert und unserer Zeit angepasst. Vieles der echten mittelalterlichen Musik würde in unseren Ohren seltsam klingen. Deswegen heißt es ja auch MittelalterROCK ;-)

Ihr spielt nicht auf Mittelaltermärkten im Gegensatz zu vielen Kollegen. Besuchst du trotzdem ab und an solche Veranstaltungen oder gehst du lieber auf ein richtiges Rock- bzw. Metal-Konzert?
Ich persönlich bevorzuge Rockkonzerte. Auf Mittelaltermärkten ist man schon das ein- oder andere mal, schließlich sind einige Festivals auch mit solchen Spektakeln verbunden. Hier in meiner Heimatstadt Forchheim gibt’s einmal im Jahr ein hervorragendes Mittelalterfest, nämlich die Königswahl zu Forchheim. Wenn ich zuhause bin zu diesem Zeitpunkt, bin ich natürlich da und genieße das sehr.

Du bist sowohl Schlagzeuger von Subway to Sally als auch von Silverlane. Wodurch unterscheiden sich die beiden Aufgaben?
Nun ja grundsätzlich mal durch die Gewichtung. Subway To Sally ist eine etablierte Größe mit einer beschaulichen Anzahl an Auftritten jedes Jahr, sowie einer nicht zu unterschätzenden Menge an weiteren Aufgaben außerhalb der Live- und Studioaktivitäten. Silverlane ist eine Band, in der meine Geschwister mit mir und ein paar Freunden Musik machen. Nichts Professionelles im Sinne von Plattendeal, Tourneen usw.
Wäre natürlich erfreulich, wenn da in Zukunft was gehen würde, es muss aber nicht unbedingt sein. Ich mache das im Moment ausschließlich zum Spaß. Rein musikalisch unterscheiden sich die Aufgaben durch die unterschiedlichen Stilrichtungen. Bei Subway To Sally sind eher powervoll schiebende Grooves gefragt, bei Silverlane uptempo Doublebass und so weiter. Bei Silverlane bin ich zudem als Songwriter und mit meinem Bruder zusammen als Producer tätig.

Nachdem euer Frontmann Eric nun seine Solotour abgeschlossen hat, hört man, dass es ein neues Subway-Album geben wird. Kannst du uns dazu erste Informationen geben? Wie wird es im Vergleich zu „Engelskrieger“ und „Nord Nord Ost“ klingen?
Wir befinden uns im Moment in so einer Art Findungsphase, was die neue Platte angeht. Das bedeutet, jeder steuert ein paar Songideen bei – egal in welche Richtung das geht. Da sind Heavymetalsongs ebenso dabei wie ruhige, eher folkige Balladen. Was genau dabei rauskommt, bleibt abzuwarten. Aber das macht es ja auch spannend. Einfach eine Kopie von „Engelskrieger“ oder „Nord Nord Ost“ abzuliefern wäre nicht unser Stil. Wir werden sehen, wohin uns unsere Stimmung und unser Gefühl hintragen wird.

Beeinflusst Erics Soloprojekt die Arbeit von Subway to Sally eher positiv, negativ oder sind das 2 verschiedene Projekte, die komplett getrennt werden?
Das sind zwei unterschiedliche Projekte, die soweit es möglich ist getrennt werden. Früher war Subway teils 120 bis 150 Shows im Jahr unterwegs, heute sind es noch ungefähr 70, was immer noch eine beachtliche Zahl ist. Eric ist ein Spielmann: Er braucht das Tourleben ebenso, wie er das Lagerfeuerfeeling braucht, was im Lauf der Jahre bei Subway eher in den Hintergrund getreten ist. Ergänzend zu Subway braucht er das einfach für sich. Natürlich kann er sich hier auch musikalisch ohne größere Einschränkungen ausleben. Das ist wichtig, wenn man Musik beruflich macht: Wir haben alle noch kleinere Projekte außerhalb von Subway To Sally, wenn auch Eric mit seiner Sologeschichte am Erfolgreichsten ist.

Apropos Frontmänner: Wo siehst du die Unterschiede bzw. die jeweiligen Stärken und Schwächen der einzelnen Szenegrößen wie Thomas von Schandmaul, Alea von Saltatio Mortis, Micha von In Extremo und Holly D. von Letzte Instanz?
Das ist mal wieder eine der Fragen, die mir selbst nie eingefallen wäre, und ein Thema, über das ich mir eigentlich nie Gedanken machen würde. Ich muss sie mir erst einmal vor mein inneres Auge führen. Nun ja, sie haben alle eine großartige Ausstrahlung und eine charakteristische Stimme mit Widererkennungswert. Ist ja auch irgendwo klar, sonst wären sie als Sänger nie so weit gekommen. Stärken, Schwächen, Unterschiede – also dazu habe ich wirklich überhaupt keine Meinung. Sind alles tolle Musiker, ob der eine nun mehr Stimmvolumen hat oder eine bessere Intonation als der andere oder mehr Bühnenshow macht oder was auch immer – darüber mache ich mir keine Gedanken.

Bietet das Internet durch all seine Möglichkeiten eher Vor- oder eher Nachteile für Bands wie Subway to Sally?
Arbeitstechnisch und promotionmäßig gesehen riesige, vor ein paar Jahren noch ungeahnte Vorteile. Umsatztechnisch aufgrund von Filesharing etc. natürlich eher Nachteile. Es bleibt abzuwarten, ob die Musikindustrie das Internet auch als Umsatzquelle etablieren kann. Da wurde die rasante Entwicklung der letzten Jahre einfach unterschätzt. Dennoch möchte keiner von uns das Internet missen. Ist wirklich eine tolle Sache. Wie haben wir das früher eigentlich alles geschafft, ohne Handys, Navigationssysteme, Internet etc.? ;-)

Wie beurteilt ihr als „alte Hasen“ der Szene die Entwicklung in den letzten Jahren, in denen die Anzahl der Bands stetig wuchs und es immer schwieriger wurde aus dem Einheitsbrei positiv hervorzustechen?
Ich empfinde das als sehr positiv, dass diese „Mittelaltermetalcommunity“ stetig mehr Anhänger findet und natürlich auch, dass sich immer mehr junge Bands gründen, um diesen Stil fortzuführen. Es liegt an ihnen selbst, aus dem – wie du schon sagtest – Einheitsbrei hervorzustechen, nicht an uns. Wir haben das vorgegeben und ich bin auch überzeugt davon, dass der Stil von Subway To Sally im Speziellen einzigartig ist. Mehr kann man wohl kaum tun, um sich aus der Masse hervorzuheben, oder?

Wurde eure Unpluggedtour „Nackt“ durch das erfolgreiche „Kunststück“ von Schandmaul beeinflusst oder gab es die Pläne schon vorher?
Nein, die Pläne gab’s schon seit Jahren. Die Umsetzung scheiterte vorher immer an verschiedenen Dingen und wir sind glücklich, dass wir es 2006 endlich geschafft haben. Wir haben alle sehr viel Spaß an dieser Tour gehabt. Mal sehen, vielleicht gibt’s irgendwann eine Fortsetzung. Ach, und nicht zu vergessen, wir sind auch überglücklich, dass wir dieses Event audiovisuell festgehalten haben! Für uns ist die DVD, also das Konzert in Verbindung mit dem Tourfilmchen im Bonusmaterial, eine Erinnerung an eine wirklich schöne Tour und eine tolle Zeit, die wir da miteinander verbracht haben. Und ziemlich gelungen ist die CD/ DVD auch noch, das möchte ich auch nochmal gesagt haben.

Wie war es als Schlagzeuger für dich, eine Akustiktour zu spielen? Wo lag die größte Herausforderung bzw. wo waren die größten Schwierigkeiten?
Anfangs hatten wir die Drums fast wie normal bei der Rockshow, also richtig mit Holzsticks usw. Aber das war einfach zu extrem und so musste ich im Lauf der Tour auf Rods, also Akustiksticks, umsteigen. Ich hab’s ein paar Shows lang gehasst, mich dann aber dran gewöhnt. Ich bin sogar soweit, dass ich sogar ab und zu für mich zuhause mit Rods spiele, weil der Sound wirklich interessant ist und das Spielgefühl auch etwas Anderes und zugleich Spannendes hat. Mit der Zeit hab ich es also lieben gelernt. Und ich musste natürlich diese ganze Percussion-Geschichte erlernen. Zwar hab ich früher gelegentlich ein bisschen Percussion gespielt, aber ich bin halt ein Drummer und hab mich damit nie ernsthaft beschäftigt. Also musste ich mir erst einmal Cajon und Darabouka draufschaffen, wenn man das so bezeichnen kann. Aber ich spiele immer noch Darabouka, wie es ein Rockdrummer so tut – und nicht wie ein echter Percussionist.

Welches Subway to Sally-Album gefällt dir persönlich am besten?  
„Bannkreis“. Das ist die Platte, über die ich Subway lange vor meiner aktiven Zeit zu schätzen gelernt habe. Aber mal abwarten. Die neue wird sicher auch nicht schlecht ;-)

Wortspiel (das erste, was dir zu folgenden Begriffen in den Sinn kommt):
Corvus Corax – mir gefällt die rockige Variante Tanzwut besser. Bewundernswert produktive Band!
Schandmaul – Würde ich mal sagen, meine Lieblingskollegen aus der Mittelalterecke.
In Extremo – Mh, kenn ich kaum, muss ich zu meiner Schande gestehen. Geil fand ich, wie fassungslos Stefan Raab über ihren Erfolg bei seinem Songcontest war! Das haben sie schon sehr gut gemacht.
Letzte Instanz – Da fällt mir ne sehr lustige Geschichte ein. Ich hab vor einiger Zeit mal einen Aushilfsjob bei
einem Musical gespielt und zwar mit Oli, dem Instanzgitarristen – nur wusste ich gar nicht, dass er bei der Instanz ist und er ebenso wenig, dass ich bei Subway bin. Manchmal passieren schon komische Zufälle.
Spielmänner und Spielmannsleben – Im Nicht-Mittelalterslang würde man wohl „Musiker und Tourleben“ dazu sagen. Schall und Rauch halt, ne?
Tradition oder Fortschritt – Nicht oder, sondern eine gesunde Mischung aus beidem ist gut.
Plugged oder unplugged – Siehe die Antwort davor
Tokio Hotel – willst du jetzt hören, dass ich auf ein paar Jungmusiker schimpfe, nur weil sie Erfolg haben? Nun ja, aus dem Alter bin ich raus. Da wären wir wieder bei dem Thema „ehrlicher Rock n Roll“. Hier weiß man ja nicht so genau, wer oder was da immer dahinter steckt. Was ich mich zum Beispiel frage: Findet der Sänger seine Frisur und seinen Style wirklich cool oder kriegt der arme Kerl das von seinem Stilberater aufdiktiert?
Ob ich die nun gut finde oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass ihr Produzent eine Marktlücke erkannt hat und sie ausgesprochen erfolgreich sind mit dem, was sie tun. Vor ein paar Tagen wurden sie in einem Artikel des Spiegel mit den Beatles verglichen – das geht dann natürlich zu weit.

Geschrieben am von Metal1.info

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