Interview mit Steve Vai

STEVE VAI stellt immer einen interessanten Gesprächspartner dar. Zur letzten G3-Tour baten wir den Stargitarristen deshalb zum Interview über das Besondere der Konzertreihen, auf die er von Joe Satriani regelmäßig eingeladen wird, sowie über das Konzept des aktuellen Albums „The Story Of Light“. Zu Fragen zum Songwriting lieferte der Meister auch durchaus humorvolle Antworten.

 

Hi Steve! Herzlichen Dank für das Interview als erstes. Wie geht es dir? Wie empfindest du die G3-Tour?
Mir geht es sehr gut, danke, es ist immer schön, auf Tour zu sein und die G3-Sachen sind für mich immer ein bisschen so, als wär ich im Urlaub. Man kann sich ja vorstellen, wie viel Arbeit es ist, eine Solo-Show vorzubereiten, wo wir 2-2½ Stunden spielen. Wir müssen proben und uns um die wirtschaftliche Seite, das Merchandise und die Promo-Arbeit kümmern. Das sind viele Entscheidungen, die getroffen werden müssen, und ich bin für alle verantwortlich. Nicht zuletzt muss ich das Geld für die Tour vorschießen, was Hunderttausende Euro sind. Ich liebe es, solo auf Tour zu gehen, aber es ist eben wirklich viel mehr Arbeit, so, wie es mehr Arbeit ist, für eine ganze Armee zu kochen, als für deine Frau – Bei G3 komme ich rein, spiele 45 Minuten reine Gitarren-Songs und habe dabei eine starke Crew hinter mir.

foto von Steve Vai

Wie stark passt du denn die Setlist an so ein G3-Event an? Wie unterscheidet sich bspw. auch der australische Teil der Tour vom europäischen?
Ich schaue schon, dass ich meine populären gitarrenlastigen Nummern spielen, die die Fans auch wirklich feiern. Die richtig komplexen Sachen haben da dann auch keinen Platz. Wenn ich die Songs dann Abend für Abend spiele, habe ich oft das Gefühl, dass ich mich musikalisch in den letzten Jahren gar nicht groß verändert habe, aber die große Abwechslung ist in einem solchen Set eben auch nur schwer unterzubringen.
Der Unterschied zwischen den Touren ist vor allem der zwischen Steve Lukather und Steve Morse. Ich meine, das sind beides gute Gitarristen und tolle Leute, aber sie unterscheiden sich musikalisch doch.

Du bist ja seit Urzeiten bei G3 dabei und hast auch kaum eine Tour verpasst. Kannst du ein paar Worte zur Geschichte des Events sagen?
Ja, es ist ganz simpel: Joe und ich kennen uns, seit wir Kinder waren, er war mein Gitarrenlehrer. Wir sind in der selben Stadt aufgewachsen und auf die selbe Schule gegangen, er war eben vier Jahre älter als ich. Naja, und wenn du elf oder zwölf bist und der andere 15 oder 16, dann ist er für dich wie ein Gott, besonders, wenn er das „Heartbreaker“-Solo spielen kann. Aber deshalb sind wir schon immer irgendwie verbunden. Inden 90ern kam er dann irgendwann mit der Idee, diese Tour zu machen und ich meinte nur „Du kannst auch mich zählen!“. Das ist aber ganz Joes Ding, ich wurde eben nur häufig eingeladen, wofür ich sehr dankbar bin. Wer der dritte Mann ist, entscheidet Joe am Ende ganz alleine, auch, wenn wir hin und wieder natürlich Ideen austauschen.

Spricht eine G3-Tour andere Fans an als deine Solo-Shows?
Ich glaube, es sind grob die gleichen Leute, die kommen. Wie man sich denken kann, sind es vor allem Gitarren-Freaks. Aber auch nicht nur, es gibt auch Leute, denen es einfach gefällt, die vom technischen Aspekt überhaupt keine Ahnung haben. Mein Ziel ist immer, die Leute mitzureißen, und wenn Leute eher die Show als die Musik genießen, dann ist das auch in Ordnung.
G3 feiert einfach die Gitarre an sich. Die kommt bei meinen Solo-Shows natürlich auch nicht zu kurz, aber da bin ich viel freier, viel extrovertierter. Da wechsele ich oft meine Kleidung oder spiele verrückte Instrumente, das ist eine ganz andere Dynamik. Aber eines ist immer gleich: Auf 100 männliche Konzertbesucher kommt eine weibliche.

Für diese Tour gibt es ja ein spezielles Meet-and-Greet-Package mit allen Gitarristen. Wird das gut angenommen?
Ich mache diese Sache mit den VIP-Packages ja schon länger, mir macht das Spaß. Oft sind da eigentlich nur 15 Minuten angesetzt, aber ich bleibe dann auch häufig über eine Stunde, weil es interessant ist, mit den Leuten zu reden. Die wissen über deine Karriere bescheid, kennen deine Musik, das, was dich wirklich ausmacht. Da kommen wirklich interessante Fragen dabei heraus, ganz andere, als ich tagtäglich beantworten muss…

Tut mir Leid…
(lacht) Nein nein, das ist kein Problem, es gehört zu meinem Job halt dazu, das zu machen. Naja, und früher hatte halt jeder sein eigenes VIP-Angebot, aber bevor wir nach Australien runter sind, wurde Joe und mir vorgeschlagen, das zusammen zu machen. Deshalb kann man nun eben mit uns beiden reden. Hier in Europa ist es aber eher nur ein Meet-and-Greet-Ding, die Leute kommen da hin, schütteln dir die Hand, lassen sich ihre CDs unterschreiben und machen Fotos. Gespräche entwickeln sich das nicht.

Wie kommt denn bei so etwas dann ein Preis von 150 Euro zustande? Das klingt für mich nicht unbedingt günstig.
Nein, ist es auch nicht, die meisten werden sagen, dass sich das nicht lohnt. Aber manche Fans würden noch viel mehr für so etwas zahlen. Es kommt immer auf die eigene Perspektive an, manchen Leuten bedeutet es eben viel, jemanden von Angesicht zu Angesicht zu treffen und ihm ihre ungebrochene Loyalität auszudrücken. Es ist alles relativ. Ich meine, ich selbst würde das nie und nimmer zahlen. Aber wenn Tom Waits da sitzen würde, würde ich 25000 Dollar dafür ausgeben, vielleicht mehr… Oder wenn es Jimmy Page wäre, hey, was würdest du tun, um mal für ein paar Sekunden mit ihm zu sprechen?

Ja, jeder, wie er will und kann. Kommen wir mal zum aktuellen Album, „The Story Of Light“. Ist die Scheibe von der Herangehensweise denn eine Neuerung im Vergleich zu vorangegangenen Alben?
Nicht so sehr, eigentlich. Ich mag nach wie vor sehr abwechslungsreiche Alben, ich habe immer sehr gitarrenorientierte Stücke, akustische oder auch komplexe, abgefahrene, Sachen, wo man auf den ersten Blick nicht glauben würde, dass sie vom selben Musiker stammen. Das war eigentlich schon immer so. Aber die Evolution der Musik ist gewaltig. Du kannst „Passion and Warfare“ nicht mit meinem heutigen Material vergleichen, bis eben auf den Umstand, dass es auch schon sehr abwechslungsreich war.
2005 habe ich dann mit einem Konzept-Projekt begonnen, das auf drei Alben angelegt ist, „Real Illusions: Reflections“ war der erste Teil, „The Story Of Light“ ist nun der zweite. Ich versuche, meine Karriere und mein Leben musikalisch wie textlich zusammenzufassen, aber ich habe das Ganze zerstückelt, sodass auf jedem Album nur einzelne Puzzle-Teile präsentiert werden. Am Ende soll dann ein Box-Set mit allen Songs in der richtigen Reihenfolge stehen, wo die Geschichte aufgelöst wird. Da gibt es dann keine Rätsel mehr, es wird sein, als würde man einen Film schauen, gleichzeitig intensiv, esoterisch, witzig… Alles, was mich interessiert. Musikalisch ist das auch schon alles unter Dach und Fach und wird eben jetzt nach und nach aufgenommen. „The Story Of Light“ ist dennoch für sich ein Meilenstein in meiner Karriere, glaube ich, und viele Leute, die sich intensiv mit meinem Oeuvre beschäftigt haben, sagen, dass es ohne Zweifel mein bestes Album ist.

Wie lange hast du denn gebraucht, um auf dieses Konzept zu kommen?
Naja, für die Idee an sich habe ich ungefähr… (hält inne)… so lang gebraucht (lacht). Dann es angefangen, sich zu entwickeln, und mit jedem neuen Einfall konnte ich mich mehr dafür begeistern, alles hat immer mehr Gestalt angenommen. Das Konzept stand also früh, aber die konkrete Umsetzung kam dann nach und nach bei der Arbeit daran. Ich wollte etwas machen, was meine Wahrnehmung der Realität erklärt. Da diese Wahrnehmung sich natürlich im Laufe der Zeit verändert hat, habe ich das Ganze abstrahiert, deshalb gibt es nun dieses Dorf, in dem diese verschiedenen Charaktere mit all ihren verschiedenen Geschichten wohnen. Das hat alles viel mit Reflexion und Interaktion zwischen den Leuten zu tun. Am Ende schreibt der Protagonist ein Buch, dessen erstes Kapitel „The Story Of Light“ heißt.

War es immer so, dass du so viel Arbeit in die Texte investiert hast, oder ging es früher vielleicht auch mal nur darum, etwas singen zu können, worauf dann ein cooles Solo folgen kann?
Naja, das kommt immer ganz auf das jeweilige Projekt an. Bei Alcatrazz oder David Lee Roth war es nicht mein Job, mich um den Sinngehalt der Texte zu kümmern, sondern an diese Texte mit einem coolen Solo anzuschließen (lacht). Für meine eigene Musik gilt das alles nicht. Ich habe auf „The Story Of Light“ Songs, die nur aus Gesang bestehen und dementsprechend auch kein Solo haben, wie eben dieses Duett mit Amie Mann bei „No More Amsterdam“. Da passte ein Solo einfach nicht ins Konzept, und wenn es das nicht tut, wird es auch keines geben. Es wäre auch traurig, wenn ich das auf Teufel komm raus überall einbauen würde, nur weil die Leute es von mir erwarten, das würde sich nicht natürlich anfühlen. Man sollte da nie etwas gegen die eigene Überzeugung tun.

Wie hältst du deine Einfälle eigentlich fest? Hast du da eine bestimmte Herangehensweise?
(zückt sein Smartphone) … Weißt du, Inspiration kommt auf vielen Wegen, ich will mir da keine Grenzen setzen. Es kann sein, dass ich einen coolen Song höre und mir überlege, etwas ähnliches zu machen. Oder mir fällt einfach nur ein Songtitel ein und da kommt ein Song raus. Oder ich spiele irgendetwas auf der Gitarre, was sich dann entwickelt. Oder ich nehme nur Notenpapier und schreibe da irgendetwas auf, da limitiere ich mich nicht. Man sucht immer nach der einen guten Idee. Ich habe angefangen, diese kleinen, spontanen Einfälle festzuhalten, als ich 13 war. Die Art, wie ich sie festhalte, hat sich natürlich verändert. Hier auf dem iPhone habe ich einen ganzen Katalog von solchen Schnipseln. Einfälle, an denen mir irgendetwas gefallen hat. Das größte Dilemma in meinem Leben ist wohl, dass ich so viele solcher Ideen habe, dass ich sie nie und nimmer alle umsetzen kann.
Das gilt übrigens alles auch für Texte, da sammeln sich auch eine Menge Fragmente an. Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, fühle mich total inspiriert und lalle im Halbschlaf irgendetwas in mein Handy. Wenn ich das am nächsten Tag dann nochmal anhöre, frage ich mich allerdings auch manchmal, was ich mir dabei wieder gedacht habe… Im einen Moment finde ich eine Idee genial, aber am nächsten Morgen ist doch unklar, was ich mit einer Zeile wie „I eat suitcases“ ausdrücken wollte (lacht).

„I eat suitcases“ ist doch eine schöne Phrase als Abschluss dieses Interviews. Vielen Dank noch einmal!
Ja, danke euch!

Publiziert am von Marius Mutz

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