Interview mit Aðalbjörn Tryggvason von Sólstafir

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Wenn sich SÓLSTAFIR mit ihrem Album „Berdreyminn“ auch nicht neu erfunden haben mögen, so haben sie doch viele Fans überrascht. Sänger Aðalbjörn Tryggvason erzählt im Interview, wie die Songs entstanden sind, aber auch, wie es zum Rauswurf von Ex-Schlagzeuger Gummi kam und was der Split für das Bandgefüge bedeutet hat.

Das sechste SÓLSTAFIR-Album trägt den Titel „Berdreyminn“ – was bedeutet das übersetzt?
Ein „Berdreyminn“ ist jemand, der von kommenden Ereignissen träumt.

Der Song  „Ísafold“ hat eine Art „80’s-Disco-Vibe“. Was hat euch zu diesem Song inspiriert?
Dieser 80’er-Vibe war eigentlich als Hommage an britischen New Wave gedacht – dann kamen ein paar Keyboard-Parts dazu und haben ihm diesen etwas anderen Touch verliehen. Er ist immer noch sehr SÓLSTAFIR-typisch, obwohl wir das so noch nie gemacht haben. Einfaches Schlagzeug, schneller Gesang – so etwas entsteht einfach, wenn man zusammen im Proberaum spielt. Nicht zu viel planen, dann kommen die meisten Dinge von alleine.Generell ist das Album sehr ruhig und hat nicht so viele harte Passagen wie „Ótta“ und die anderen SÓLSTAFIR-Releases. Was hat euch zu dieser atmosphärischen Platte bewegt?
Ich finde nicht, dass „Ótta“ viele harte Passagen hat – ich weiß nicht genau, wie du darauf kommst. Auch auf diesem Album gibt es wieder harte Gitarren, wie auf den Alben davor auch, und der Gesang ist sogar noch aggressiver als auf „Ótta“. Ein Album zu schreiben, ist, wie die Zeit und das Wetter zu dokumentieren – es ist nie dasselbe und du weißt im Vorhinein nie, was kommt. Wir entscheiden nie, was für ein Album wir schreiben werden – sie passieren einfach.

Auf dem Album sind viele Elemente wie Streicher und Piano zu hören. Wie setzt ihr das live um? Werdet ihr viel mit Sample-Spuren arbeiten, oder arrangiert ihr die Songs für live um?
Das ist etwas, womit wir angefangen haben, als „Ótta“ rauskam – damals hatten wir das erste Mal Streicher verwendet. Einen Teil des Material haben wir neu arrangiert, an anderen Stellen haben wir Spuren vom Band verwendet. Beim letzten Teil der „Ótta“-Tour sind wir zu neunt unterwegs gewesen und haben alles live gespielt.

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Das war definitiv die beste Tour, die wir bislang gespielt haben. Es hat sich wirklich unglaublich gut angefühlt, alles live umzusetzen. Wir sind aber nicht in der Position, immer mit neun Musikern zu reisen – deswegen greifen wir wieder auf Playback zurück. Aber es wird definitiv weitere Touren in dieser 9er-Besetzung geben!

Was denkst du – werden Fans eurer frühen Alben wie „Köld“ das neue Material mögen?
Nun, „Köld“ war das erste Album, auf dem wir Klargesang eingesetzt hatten. Und das auch noch auf Isländisch, nachdem wir einige Jahre lang auf Englisch getextet hatten. Ich erinnere mich noch gut: Als „Köld“ rauskam, war ich etwas besorgt, dass die Leute dieses sanfte Orgelzeug mit dem fragilen, klaren Gesang nicht annehmen würden.  Aber es kam genau andersherum, der Titeltrack wurde zu unserem größten Hit der damaligen Zeit. Genauso ging es uns, als wir „Fjara“ geschrieben haben. Wir schreiben die Musik, die wir mögen – und erwarten nicht immer, dass die Leute sie auch mögen. Aber je sanfter wir geworden sind, desto mehr Leuten hat es gefallen. Wir haben aber natürlich immer noch hartes Material dabei, auch wenn wir keine besonders harten Alben schreiben.

Glaubst du, „Berdreyminn“ könnte euch die Tür zu einer Fanbase außerhalb der Metal-Szene öffnen?
Das weiß ich nicht – ich denke nicht in solchen Mustern. Wenn du mich fragst, sind wir immer noch eine obskure Metal-Band die in einer sonderbaren Sprache singt. Ich glaube nicht, dass dieses Album als Türöffner aus der Metal-Szene heraus funktioniert – wir haben schon viel softeres Material veröffentlicht, „Fjara“ eben, oder „Miðaftann“.

Auch das Artwork ist sehr atmosphärisch. Was war die Idee hinter diesem Bild, warum ist es die perfekte Visualisierung für die Stücke?
Es ist einfach trostlos und verträumt. Die Farben passen einfach perfekt zu dem Album. Es erinnert an Tod und Schwermut, aber es steckt doch Leben darin – genau darum geht es auch auf dem Album. Totales Chaos und Tod, aber trotzdem lebt ein Funke Hoffnung darin.

Wurde das Gemälde für das Album gefertigt, oder habt ihr es irgendwo gefunden und als Artwork auserkoren?
Das Artwork selbst hat Adam Burke schon früher einmal gemalt gehabt – das Bild im Inneren des Booklets hat er dann speziell für uns angefertigt.

Ihr habt schon ein paar Videos zu Songs von „Berdreyminn“ aufgenommen. Magst du Videodrehs?
Ja, wir mögen Videos drehen sehr – bislang haben wir zwei für „Berdreyminn“ gemacht und hoffentlich kommt noch eines dazu.

Siehst du das als eine andere Form von kreativem Ausdruck an, oder sind Videos für dich reine Promotion-Tools, also Mittel zum Zweck?
Das Format Musikvideo ist ein wirklich grandioser Weg, Bilder und Atmosphäre zu vermitteln. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würden wir zu allen unseren Songs Videos drehen. Aber wir sind leider nicht in der Position, das zu tun.

„Berdreyminn“ ist auch das erste Album, das ihr ohne euren ehemaligen Drummer Guðmundur Óli Pálmason aufgenommen habt. Was hat sich durch diesen Personalwechsel beim Songwriting-Prozess verändert?
Nun, die Chemie in der Band hat sich geändert – und bei einer Band dreht sich alles um die Chemie. Wir waren mit Hallgrímur (Jón Hallgrímsson aka. Grímsi, seit 2015 neuer Schlagzeuger bei SÓLSTAFIR – A. d. Red.) zwei Jahre auf Tour, bevor wir dieses Album geschrieben haben. Insofern wussten wir, dass es bezüglich des sozialen Aspektes gut funktioniert.
Trotzdem haben wir das Album genauso geschrieben wie „Ótta“ und „Svartir Sandar“: Wir haben uns täglich getroffen und andauernd Musik geschrieben. Gummi (Guðmundur Óli Pálmason, 1995 – 2015 Schlagzeuger bei SÓLSTAFIR – A. d. Red.) hat nie etwas zum Songwriting beigetragen, insofern hat sich da nicht viel geändert. Es war eher ein Zusammenschmeißen von Ideen und das Arrangement des Materials – und Hallgrímur ist nicht nur Schlagzeuger, sondern auch ein sehr talentierter Musiker, großartiger Sänger und Pianist.

War es aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung, Gummi aus der Band zu werfen, und inwieweit hat diese Entscheidung SÓLSTAFIR stärker gemacht?
Du musst verstehen, dass es keine andere Option gab – das war die einzige Lösung. Die Band lag im Sterben, es gab keine Freundschaft mehr, keiner hatte mehr Spaß. Niemand hat mehr gesprochen, es war einfach eine verdorbene Atmosphäre mit ständigen Streitigkeiten bis hin zu Gewalt. Wir drei hatten eigentlich keine Probleme untereinander, aber seine Aktionen und sein Verhalten waren der Grund für seinen Rauswurf.
Es ist wie in einer Ehe. Du reichst nicht die Scheidung ein, bis wirklich große Scheiße passiert. Und da reden wir jetzt über Dinge, die zwei bis vier Jahre vor seinem Rauswurf passiert sind. Aber am Ende wurde alles nur schlimmer und schlimmer, bis niemand es mehr tolerieren konte. Aber wenn jemand nicht selbst über Jahre in einer Band gespielt hat, die ständig auf Tour ist, oder zumindest eine Langzeitbeziehung geführt hat, erwarte ich nicht, dass er das versteht.

Es gibt nicht wenige Fans, die der Meinung sind, dass SÓLSTAFIR mit Gummi ihre Seele verloren haben und sich jetzt auf direktem Wege zum Sell-Out befinden. Was stellst du dem entgegen?
Wir haben definitiv ein Bandmitglied verloren, der ein wichtiger Teil dieser Formation war und über viele Jahre hinweg hart für die Band gearbeitet hat. Aber die Seele? Also wirklich. Das klingt, als sollte er zum Märtyrer gemacht werden – und das war Gummi nun wirklich nicht. Weißt du, ich finde auch, dass Motörhead viel ihres Spirits verloren haben, als sie Philthy Animal (Philip John Taylor, A. d. Red.) rausgeschmissen haben, auch wenn Micky Dee viel besser Schlagzeug spielt. Insofern: Wenn du denkst, dass unsere Band mit ihm etwas verloren hat, ist das für mich in Ordnung. Aber die Band lebt, wir schreiben gerne gemeinsam Musik, sind auf Tour und werden das auch noch ein paar Jahre so weitermachen. Wenn wir diesen Wechsel nicht forciert hätten, wäre all das zu Ende gewesen – das wollten wir einfach nicht.

Wir machen die Musik, die wir mögen und lieben, und so war das immer. Wir hatten Glück, dass andere Leute diese Liebe teilen, das macht es uns möglich, die Welt zu bereisen und diese Musik zu spielen – dafür sind wir sehr dankbar. Und jeder, der mit unserer Bandgeschichte vertraut ist und unsere bisherigen Alben kennt, wird wissen, dass wir uns gerne herausfordern, indem wir unseren musikalischen Horizont mit jedem Album weiter ausdehnen – wir versuchen das sogar mit jedem einzelnen Song, den wir schreiben. Wir haben mit einer Band, die als Black-Metal-Band gegründet wurde, vor ein paar Jahren „Fjara“ geschrieben und auf ein Album gepackt – und sind damit durchgekommen, die Leute lieben den Song. Glaub mir: Seitdem mache ich mir keine Sorgen mehr und könnte mich nicht weniger darum scheren, ob jemand denkt, dass wir auf dem Wege zum „Sell-Out“ sind. Darüber kann ich lachen.

Vielen Dank für das Interview – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Donald Trump: Ein krankhaft narzisstischer Lügner.
Deutschland: Die Heimat des Metal. Nicht sein Geburtsort, aber seine Heimat.
Streicher (engl.: strings): Ruhe in Frieden (bezogen auf Robert Dahlqvist aka. Strings, 2017 verstorbener Gitarrist der Hellacopters, A. d. Red.). Die Hellacopters rocken!
SÓLSTAFIR in zehn Jahren: Die selben, aber nicht das selbe. Wir werden immer noch Alben schreiben, über die sich die Leute entweder aufregen, oder die sie lieben.

Danke für deine Zeit und Antworten – die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für das gute Interview. Ich muss wirklich viele schlechte beantworten, das hier gehörte nicht dazu.

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