Irgendwo zwischen Atmospheric, Melodic Black und Folk Metal haben sich SOJOURNER ihre eigene kleine Nische erschaffen. Mit ihrer zweiten Platte „The Shadowed Road“ hat die international besetzte Band ihrem hochgelobten Debüt „Empires Of Ash“ einen würdigen Nachfolger beschwert. Inwiefern sich SOJOURNER weiterentwickelt haben, warum Hoffnung stets ein wichtiger Teil ihres Ausdrucks sein wird und ob es die Band auch ohne das Internet geben würde, erfahrt ihr unter anderem im Interview mit Mastermind Mike Lamb.
Ich muss gestehen, dass ich euren Bandnamen SOJOURNER erst im Internet übersetzen musste, um ihn zu verstehen. Inwiefern betrachtet ihr euch als musikalische „Gäste“ oder „Besucher“?
Das Wort ‚Sojourner‘ bezeichnet jemanden, der sich vorübergehend an einem Ort aufhält, also fast wie ein Reisender. Wir empfinden das als besonders passend, weil es unserer Liebe zur Natur und in vielerlei Hinsicht unserem Klang und unserer Herangehensweise an die Musik entspricht. Immer in Bewegung, nicht zu lange an einem Ort.
Ihr stammt aus recht weit auseinander liegenden Teilen der Welt. Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr euch kennengelernt und dann als SOJOURNER zusammengetan habt?
Ich traf Emilio, nachdem er mich wegen einer meiner alten Bands kontaktiert hatte, wir haben uns unterhalten und beschlossen, dieser Konstellation eine Chance zu geben. Ich bin seit zehn bis zwölf Jahren in Bands mit Chloe, und wir sind verheiratet, also war es absolut sinnvoll, sie an Bord zu holen, da wir musikalisch so gut zusammenarbeiten. Mike Wilson kam später am Bass dazu, aber ich kenne ihn schon länger und bin seit fast 15 Jahren in Bands mit ihm, das war eine logische Ergänzung. Riccardo war das letzte Mitglied, das vor kurzem hinzugefügt wurde, und er komplettiert das Line-Up perfekt. Obwohl wir verstreut sind (mit Ausnahme von Chloe und mir), sind wir wie eine Familie.
Denkst du, dass es SOJOURNER auch ohne die Möglichkeiten des Internets gäbe?
Natürlich nicht in der jetzigen Form, ohne Emilios Gesang oder Riccardos Schlagzeug, denn wir hätten sie so nie getroffen. Was die Songs angeht, ja, Chloe und ich hätten wahrscheinlich diese Art von Musik zusammen geschrieben, da es unser natürlicher Schreibstil ist, aber ohne das Mitwirken von Emilio, Mike W. und Riccardo wären SOJOURNER nicht dieselben.
Mit Riccardo Floridia habt ihr inzwischen einen Drummer in die Band geholt. Wie hat sich das ergeben?
Er kontaktierte mich, nachdem „Empires…“ veröffentlicht wurde, und wir sind seitdem wirklich gute Freunde geworden. Er hat das Line-Up wirklich komplettiert, sein Schlagzeugspiel ist fantastisch und er ist der netteste Typ, den ich je getroffen habe, also war es eine leichte Entscheidung, ihn an Bord zu holen.
Eure Sängerin Chloe Bray singt meist auf sehr sanfte Weise und im Gegensatz zu vielen anderen Metal-Sängerinnen nicht im Opern-Stil. Was hältst du selbst von Operngesang – wäre das auch mal eine Option für SOJOURNER?
Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von Operngesang, ich finde ihn im schlimmsten Fall ziemlich nervtötend und bestenfalls langweilt er mich (wie in den meisten Fällen gibt es natürlich ein paar Ausnahmen). Meine Lieblingssängerinnen sind solche wie Britany Slayes von Unleash The Archers, die eine viel rockigere und kraftvollere Metal-Stimme haben, und ich liebe andere subtilere, sanftere Sängerinnen wie Heike von Draconian, Anna oder Fabienne von Eluveitie und Anneke von The Gathering und Vuur etc. Chloes Gesang war also genau das, was wir brauchten und wollten, etwas Hübsches und Sanftes. Wir haben definitiv keine Ambition, jemals Operngesang einzubauen, das ist definitiv nichts, was zu SOJOURNER passt.
2017 habt ihr für eine Compilation zu Ehren von Summoning deren Song „South Away“ gecovert. Wie kam es dazu und warum habt ihr gerade diesen Track gewählt?
Wolfspell Records kontaktierte uns und bat uns, ein Cover zu machen, also dachten wir uns „Warum nicht?“ Für das Tribute-Album standen noch einige andere großartige Bands auf der Liste, also machte es Sinn, da wir gerade erst mit dem Schreiben des nächsten Albums begonnen hatten und zu diesem Zeitpunkt nicht besonders beschäftigt waren. Wir haben „South Away“ gewählt, weil es ein guter Song ist und noch nicht gecovert wurde. Hätten wir die freie Wahl gehabt, hätten wir uns „Land Of The Dead“ ausgesucht, aber Eldamar hatte das schon genommen.
Summoning sind für euch sicherlich eine große Inspiration. Wovon sehr ihr euch als Musiker sonst noch beeinflusst?
Um ehrlich zu sein, sind sie es nicht wirklich. Wir respektieren sie sicher, aber sie sind keine Band, die als direkte Inspiration herhält. Ich denke, dass die Tatsache, dass wir Synthesizer und epische Songatmosphären haben, die Leute dazu veranlasst, diese Verbindung häufiger herzustellen. Viele sehen das so, aber ich persönlich höre das nicht wirklich heraus, doch das könnte daran liegen, dass ich meinen Songs zu nahe stehe und sie irgendwie schon mit den Dingen assoziiere, die sie tatsächlich inspiriert haben. Das heißt aber nicht, dass wir sie nicht mögen! Überhaupt nicht, ich höre sie einfach nicht so oft und denke nicht an sie in Bezug auf Dinge, die Chloe und mich als Songwriter inspirieren. Wir hören viel mehr von Moonsorrow, Agalloch, Dissection, Rotting Christ, Mgla, Batushka, Windir, Borknagar, Wintersun etc. sowie viel Doom und Power Metal. Wir sind auch sehr von Soundtracks beeinflusst, sie sind eine große Inspiration dafür, wie wir an die Musik und die Melodien herangehen.
Ihr setzt neben den typischen Metal-Klängen auch Folk-Instrumente wie Akustikgitarren und Tin-Whistles ein. Was haltet ihr davon, wenn eine Band solche Instrumente schlicht mit Keyboards imitiert? Sind echte Instrumente immer besser?
Ich meine, ja, wenn man echte Instrumente benutzen kann, ist es mit Sicherheit die beste Wahl! Aber ich schaue nie auf eine Band herab, die etwas synthetisch vertont. Wenn das Endprodukt gut ist, warum sich beschweren? Musik ist nicht etwas, das nach dem Elitismus beurteilt werden sollte, sie sollte das feiern, was Menschen mit den Ressourcen, die sie haben, erschaffen können. Es gibt einige phänomenale Alben, die komplett auf Synthesizern entstanden sind! Jedem das seine. Es ist die Schönheit der Musik im Jahr 2018, jeder kann sie mit etwas Talent und ein paar billigen oder sogar kostenlosen Werkzeugen erschaffen. Nichts hält jemanden dabei auf, Musik zu kreieren. Das ist großartig.
Folk-Instrumente und Frauengesang werden im Metal bisweilen als grundsätzlich kitschig angesehen. Worauf kommt es deiner Meinung nach an, wenn man verhindern möchte, dass es kitschig wird?
Wir sind deswegen nicht wirklich besorgt, wir machen Musik, die wir lieben, für uns und potentielle Fans, nicht um den Eliten zu gefallen. Wenn ich an die Leute denke, die unsere Musik genießen, scheinen mir alle sehr aufgeschlossen zu sein und viele musikalische Interessen zu haben, und natürlich gibt es Leute, die uns für kitschig halten… aber das spielt keine Rolle. Ich liebe viele Bands, die als kitschig gelten, das tun wir doch alle, und während wir versuchen, offenen Kitsch zu vermeiden, halten wir es nicht für eine schlechte Sache, wenn eine Melodie hier oder da ein wenig optimistisch oder folkloristisch ist. Was den weiblichen Gesang angeht, so verstehe ich das nicht im Geringsten. Es gibt wahrlich genug Testosteron-gefüllten Tough-Guy-Metal da draußen, für den Fall, dass sich jemand durch einige weibliche Stimmen in seinem Metal bedroht fühlt.
Euer aktuelles Album nennt sich „The Shadowed Road“. Es soll die hellen wie auch die dunklen Abschnitte der Reise durch das Leben abbilden, richtig? Würdest du sagen, dass sich darin eure Entwicklung als Menschen widerspiegelt?
Ja, es geht definitiv sowohl um die hellen als auch die dunklen Teile der Lebensreise. So war es auch bei „Empires…“, es hatte insgesamt nur einen etwas düstereren Ton, aber es war dennoch ein Album der Hoffnung und des Triumphes, genauso wie es ein Album der Melancholie war.
Euer Debüt „Empires Of Ash“ gilt demgegenüber als düsterer. Habt ihr damals auch persönlich eine negativere Einstellung gehabt als heute oder hatte das andere Gründe?
Nee, überhaupt nicht, sie haben beide die gleichen Gefühle und Absichten hinter sich, ich denke, wir haben unseren Sound ein bisschen mehr während des Schreibens unseres zweiten Albums gefunden. „Empires…“ hatte einen dunkleren Grundton, aber es war immer noch ein hoffnungsvolles Album. Es ist einfach Progression, der Sound entwickelt sich und einige Elemente kommen mehr durch, während andere ein wenig in den Hintergrund treten.
Werden die hoffnungsvollen Momente auch in Zukunft maßgeblich für eure Musik sein oder kannst du dir auch vorstellen, mal ein durch und durch finsteres Album zu kreieren?
Der hoffnungsvolle Aspekt ist zu 100 % Teil unseres Ansatzes, Musik zu schreiben, er ist ein Teil der Band. In der Atmosphäre unserer Musik gibt es gleichermaßen Hoffnung, Triumph und Trauer. Vielleicht ist das nächste Album in mancher Hinsicht dunkler, aber auf eine andere Art und Weise als alles, was wir bisher gemacht haben. Das wissen wir noch nicht. Wir wissen nur, dass wir noch viel mehr Musik in uns haben.
Gemixt wurde „The Shadowed Road“ von Øystein G. Brun (Borknagar), gemastert von Dan Swanö. Warum habt ihr gerade diese beiden für die jeweilige Tätigkeit ausgewählt?
Wir haben großen Respekt vor den beiden, seit wir Metal hören. Ich bin ein großer Fan der Arbeit der beiden, und als ich Øystein kennenlernte, gab es absolut keinen Zweifel daran, dass er der Mann für diesen Job war. An Dan kamen wir in weiterer Folge, wir kamen durch Øysteins Vorschlag in Kontakt. Wir könnten mit dem Ergebnis nicht zufriedener sein.
Denkst du, eure Musik würde auch mit einer Low-Fi-Produktion funktionieren? Summoning haben zum Teil ja auch einen sehr rauen Sound…
Nicht wirklich, wir streben seit „Empires…“ nach einer großartigen Produktion und haben sie erst auf „The Shadowed Road“ erreicht. Wir lieben eine gute, klare, druckvolle Produktion und ich habe kein wirkliches Interesse daran, unsere Alben um der Sache selbst willen low-fi klingen zu lassen. Eine gute Produktion ist mir sehr wichtig.
Anders Jacobsson (Draconian) hat auch etwas zu dem Album beigesteuert: Er hat die Texte zu dem Song „Titan“ verfasst. Wie kommt’s?
Emilio und Anders sind gute Freunde, und Emilio wollte wirklich, dass er einen Gastbeitrag zum Album leistet, also bat er ihn, den Text für einen Song zu schreiben.
Das fantastische Artwork hat der rumänische Künstler Bast kreiert, nicht wahr? Wie seid ihr auf ihn aufmerksam geworden und warum habt ihr gerade ihn damit beauftragt?
Bast kontaktierte uns mit einem Video, in dem er ein Open-Air-Gemälde in den rumänischen Bergen machte, das mit unserem Song „Homeward“ von „Empires Of Ash“ unterlegt war. Das war wirklich rührend, wir liebten es, das zu sehen, also dachten wir eine Weile darüber nach und ich kontaktierte ihn schließlich wieder, als es an der Zeit war, mit der Arbeit am Artwork für das neue Album zu beginnen. Ich hatte große Hoffnungen, aber er hat sie sogar übertroffen und mich verblüfft.
Vor kurzem habt ihr mit Saor in Glasgow eure erste Live-Show gespielt, stimmt’s? Das war bestimmt ein großer organisatorischer Aufwand für euch, nicht wahr?
Es war definitiv eine große Anstrengung und leider hatten wir während der Show ein kleines Problem mit meiner Gitarre, aber abgesehen davon denke ich, dass es für einen ersten Gig in Ordnung war. Nächste Woche spielen wir in Deutschland, und danach wird es noch mehr geben. Es ist schwer, uns alle zusammenzubringen, aber es lohnt sich.
Habt ihr vor, das noch öfter zu wiederholen?
Ja, definitiv, wie ich sagte, wir haben schon einige Shows vor uns, aber es werden in Zukunft noch mehr!
Kommen wir nun noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich genau verstehe, was ich sagen soll… aber es legen wir mal los…
Sci-Fi: alle Bücher von Alastair Reynolds, Arthur C. Clarkes „Rendezvous mit Rama“, Dan Simmons „Hyperion“, Neal Stephensons „Snow Crash“, der Film „Sunshine“, „Event Horizon“, Stephen Hawking, Carl Sagan, mein Abschluss an der Universität. (lacht)
Death Metal: Fleshgod Apocalypse, Cannibal Corpse, Carcass, Morbid Angel, Entombed, Bolt Thrower, Behemoth, Obscura, The Black Dahlia Murder.
Drumcomputer: Ähm, ich benutze Steven Slate Drums für die Demos? Falls du das meinst.
Konzeptalbum: Rushs „2112“, Pink Floyds „The Wall“, alles von Coheed & Cambria, Iron Maidens „Seventh Son Of A Seventh Son“, alle Ayreon-Alben, Avantasias „The Metal Opera“.
Optimismus: Ist wichtig, die Welt braucht ihn. Besonders in dem Zustand, in dem sie heutzutage ist.
Vorfahren: Ich persönlich bin einfach von englischer/schottischer/irischer Herkunft, nichts allzu Aufregendes.
Dann sind wir jetzt auch schon am Ende unseres Interviews angelangt – nochmals vielen Dank. Die letzten Worte sollen dir gehören:
Vielen Dank für das Interview, und vielen Dank an alle für die Unterstützung!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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