Interview mit Sören Vogelsang von Sören Vogelsang

Nach dem kurzzeitigen Comeback von Das Niveau ist SÖREN VOGELSANG nun wieder primär solo und mit seiner Band unterwegs. In unserem Interview spricht er offen über Ärger mit der GFK, seine drei LARP-Alben, Hassliebe zu sozialen Medien und Plattformen wie Spotify, klaren politischen Standpunkten und über eine mögliche Zukunft von Das Niveau ohne Martin Spieß.

 

Hallo Sören, aktuell scheint es ein wenig ruhiger um dich zu sein. Wie geht es dir? Was treibst du so?
Hi Sigi, danke dir, mir geht’s sehr gut, hoffe dir auch. Der Festivalsommer steht vor der Tür und damit jede Menge Konzerte. Falls du mit ruhiger CDs meinst, jau, wir haben ja in den letzten zwei Jahren zwei CDs veröffentlicht. Da ich immer noch alles alleine mache, muss ich danach erst wieder ein bisschen Energie schöpfen für die nächste Runde. Es wird zwar keine neue CD geben, aber es kommen in diesem Jahr noch neue Songs heraus (so zumindest der Plan). Und ruhig ist ja auch relativ. Wir sind in diesem Sommer ganz gut unterwegs, auf den Burgspektakeln in Wassenberg und Oberhausen, auf dem Festival-Mediaval, auf den Festspielen in Münnerstadt, der LarpCon und und und… Der Sommer wird also alles andere als ruhig.

Beim letztjährigen Festival-Mediaval warst du mit Trancas‘ Trabanten vor Ort und hast Marktmusik gemacht. Wie waren deine Erfahrungen? Kannst du dir das in Zukunft häufiger vorstellen?
Mit den lieben Trabanten spiele ich seit Jahren zusammen auf LARP-Veranstaltungen. Die Trabanten waren auch schon zu Gast auf meinen LARP-Alben. Das auf dem Festival Mediaval war eine reine Spaß-Angelegenheit und Freizeit. Es war megaschön, endlich mal wieder einfach spielen zu können wann und wo man will, anstatt einen festen Slot zu haben und „zu müssen“. Ich mache solche Aktionen zwischendurch um den Spaß an der Musik wach zu halten und Dinge zu spielen, die nichts mit meiner Band und meinen Projekten zu tun haben. Ich genieße es total, nicht der Mittelpunkt zu sein, sondern einfach mit Chalumeau oder Cajon Teil der Band sein zu können. Es wird sicherlich nicht mein letzter Auftritt in diese Richtung gewesen sein. Fun Fact: Ich fahre kommendes Wochenende sogar die Trabanten besuchen um zusammen etwas aufzunehmen.

Mit deinem Soloprojekt hast du im letzten Jahr auf einigen kleineren Märkten gespielt. Wie willst du damit weitermachen?
Wir sind ja schon seit einigen Jahren mit dem Projekt Sören Vogelsang nur noch als Band unterwegs. Das haben wir im letzten Jahr auch noch weiter ausgebaut und treten nun mit Gitarre, Bass und Cello und immer mehr mit Schlagzeug statt Percussion auf, um auch die größeren Bühnen besser füllen zu können. Den Leuten scheint es auf jeden Fall sehr zu gefallen. Wir sind gespannt, wie die nächsten Jahre aussehen.

„Martin ist zwar nun definitiv raus, aber wer weiß, vielleicht findet sich ja irgendwann noch mal jemand.“

Hast du das kurzzeitige Comeback von Das Niveau inzwischen verarbeitet?
Haha, gute Frage. Verarbeitet ja, verwunden nein. Ich liebe dieses Projekt und bin immer noch nicht bereit es kampflos aufzugeben. Ja, Martin ist zwar nun definitiv raus, aber wer weiß, vielleicht findet sich ja irgendwann noch mal jemand.

Gibt es schon neue Infos, ob und wie es mit diesem Projekt weitergeht?
Vielleicht schon baldiger als du denkst…

Du hast mittlerweile drei LARP-Alben veröffentlicht und dabei mit verschiedenen Künstlern entsprechende Songs gecovert. Welche drei Lieder würdest du allen, die neugierig sind, als erstes empfehlen
Meine drei liebsten Songs sind „Gaukler“, „Ein guter Schluck Wein“ und „Mit blutigen Schwingen“. Ich mag die Songs einfach sehr gerne, wobei „Gaukler“ zum Beispiel von einer Band stammt, die aus dem Hip-Hop kommt und so gar nichts mit dem Mittelalter zu tun hat. Aber vielleicht mag ich den Song genau deshalb so gerne, weil er einfach anders ist.

Wird es „LARP Vol. IV“ geben? Hast du noch Songs, die du unbedingt selbst aufnehmen oder gar mit jemand anderem zusammen umsetzen willst? Wenn ja, welche wären das?
Die Weiterführung der LARP-Reihe ist tatsächlich nicht geplant, aber sag niemals nie. Allerdings habe ich selbst wieder Lust, eigene LARP-Songs zu schreiben, vielleicht entsteht daraus ja etwas… wir werden sehen.

„Mir war das LARP- oder Mittelalter-Korsett schon immer zu eng.“

Mit „Optimimus Prime“ bist du musikalisch andere Wege gegangen. Insgesamt könnte man die Songs poppiger und deutlich weniger mittelalterlich nennen, speziell im Vergleich zu deinen LARP-Scheiben. Wie blickst du auf die Veröffentlichung und das Feedback zurück?
Die LARP-CDs sind ein eigenes Projekt und haben mit „Augenblick“, „Fernweh“ und „Optimismus Prime“, meinen drei Soloalben, nichts weiter zu tun, daher hinkt der Vergleich ein wenig. Wenn man die „Optimismus Prime“ vergleichen möchte, dann sollte man zurück auf mein letztes Album „Fernweh“ schauen. Da sieht man definitiv schon sehr deutlich die Richtung, die ich seit fast einem Jahrzehnt eingeschlagen habe. Ich bin eben Songwriter und schreibe über Themen, die mich interessieren und bewegen. Mir war das LARP- oder Mittelalter-Korsett schon immer zu eng. Trotzdem sind Songs wie „Große Freiheit“ oder „Irgendwann zu spät“ nach wie vor in der Akustik-Version absolut LARP- und mittelaltermarkttauglich. Schaut man auf Bands wie Kupfergold, die Gossenpoeten oder auch Größen wie Feuerschwanz, werden die Mittelalter-Bühnen ja auch immer poppiger. Es ist wie überall, je größer eine Nische wird, desto mehr bewegt sie sich auf den Mainstream zu. Das war im Rock und Metal so, das ist in der Weltmusik so und im Mittelalter-Bereich nicht anders. Das Feedback zur Optimismus Prime war schönerweise extrem positiv.

Bei „Optimismus Prime“ hast du mit Simon aka Mr. Hurley zusammengearbeitet. Wie war das für dich?
Kurzum: Absolut großartig! Ich kenne Simon durchs LARP mittlerweile schon eine ganze Weile und er ist ein absoluter Herzensmensch und ein großartiger Produzent. Unsere Zusammenarbeit im Studio war schlichtweg der Hammer. Wir haben zusammen an Texten gearbeitet und uns gegenseitig Sätze um die Ohren geschmissen, als hätten wir das die letzten fünf Jahre nichts anderes gemacht. Ich hoffe, dass wir diese Zusammenarbeit weiter ausbauen können. Ich würd’s sofort wieder machen.

Das Album ist, u.a. auf Grund intransparenter Metriken, nicht in die Charts eingestiegen. Enttäuscht?
Ja, sehr. Enttäuscht und vor allem wütend. Ich habe vom Leiter der Entwicklung vom Bundesverband Musikindustrie das Go erhalten, dass alle Verkäufe des Crowdfundings für die Charts gezählt werden dürfen, nur um dann kurz vor Veröffentlichung von der GFK einen Strich durch die Rechnung gemacht zu bekommen, weil uns ein paar Verkäufe zum Anmelden des eigenen Shops fehlten. Mit den Verkaufszahlen wären wir definitiv in den Top-50  der deutschen Albumcharts gewesen, was für mich als kleinen Künstler ein RIESENDING gewesen wäre. Ich bin bis heute unfassbar enttäuscht von der Engstirnigkeit und der schlichten Weigerung der GFK die Verkäufe anzuerkennen, die ich bis auf die Millisekunde mit Namen und Daten belegen kann. Noch wütender macht mich, dass bei hunderten Konzerten einfach Einkommen ohne jeglichen Nachweis eingereicht werden können und diese für die Charts gezählt werden dürfen. Auf der einen Seite hat man die komplett transparenten, belegbaren Zahlen, die von der GFK abgelehnt werden, weil sie nicht den „Strukturen entsprechen“. Auf der anderen Seite hat man komplett undurchsichtige und nicht belegbare Daten von Konzertverkäufen [die übrigens von der GFK auch nicht wirklich geprüft werden (können)], diese werden aber blind durchgewunken. Da fällt mir einfach nichts mehr zu ein! In diesen Momenten nervt mich die „Industrie“ im Wort Musikindustrie maximal.

„Ich bin bis heute unfassbar enttäuscht von der Engstirnigkeit und der schlichten Weigerung der GFK die Verkäufe anzuerkennen, die ich bis auf die Millisekunde mit Namen und Daten belegen kann.“

Patreon ist für dich seit Beginn deiner Karriere eine wichtige Einnahmequelle und ein Medium, um mit deiner Community in Kontakt zu bleiben. Welche Tipps würdest du Neulingen auf dieser Plattform geben?
Puh, ich fürchte das ist ein zu großes Feld für ein Interview. Ich gebe mittlerweile mehrstündige, oder zuletzt für Pop-Impuls sogar mehrtägige Workshops zu dem Thema. Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt in diesem Bereich Coachings anzubieten. Das ist wirklich sehr komplex, aber ja: Patreon wird immer mehr zum Must-have für Künstler, die von ihrer Kunst selbstbestimmt leben wollen.

Du haderst auch immer wieder mit sozialen Medien und deren Reichweitenbeschränkungen, speziell für kleinere Künstler. Sind Facebook und Co. immer noch ein notwendiges Übel oder wären Bluesky etc. für dich inzwischen Alternativen, speziell nach den letzten Ankündigungen von Zuckerberg?
Ach ja, die asozialen Medien. Facebook ist genau wie Spotify leider, leider ein notwendiges Übel. Ich bin nicht in der Lage zu sagen: Ich nehme meine Musik jetzt von Spotify herunter, die Zahlen kommen auch anderswo rein. Kommen sie leider nicht und ich würde schlicht auf Geld verzichten, dass ich aber, so wenig es sein mag, brauche, um über die Runden zu kommen. Auf Facebook habe ich nach wie vor (neben YouTube) die größte Reichweite. Wenn ich meine Seite offline nehmen und nur noch über meine Homepage kommunizieren würde, wäre das ein Todesurteil für meine Reichweite. Einen Tod muss man sterben als kleiner Künstler. Ohne Kompromisse geht es leider nicht.

Du positionierst dich, auch politisch, sehr klar auf den sozialen Medien, u.a. gegen die AfD. Viele andere, gerade größere Bands oder Musiker geben sich eher „unpolitisch“. Was sagst du dazu?
Niemand ist unpolitisch. Viele halten einfach nur den Mund, weil sie Angst um ihre Follower-Zahlen haben, was ich persönlich feige und gerade in der heutigen Zeit extrem gefährlich finde. Bei meinem letzten Post sind mir auch wieder einige Leute entfolgt, aber ich denke gar nicht daran den Mund zu halten. Mit Reichweite kommt auch Verantwortung und ich denke, mit dieser sollte man sehr gewissenhaft umgehen. Die freie Rede ist ein Privileg, das man nutzen muss, um sie zu erhalten. Ein Blick Richtung Russland genügt um zu sehen was passiert, wenn die Rede nicht mehr frei ist.

Auf YouTube hast du auch Versengold für den Text von „Die wilde Jagd“ kritisiert. Warum hast du den Weg über die Öffentlichkeit gewählt und nicht mit den Jungs privat gesprochen?
Ähm, nein, das ist leider falsch. Der Text ist großartig (wie fast alle Texte von Malte), ich habe über die sehr poppige Produktion des Refrains des Songs gesprochen. Darüber habe ich mich allerdings auch schon mit Flo (Versengold-Geiger, Anm. der Red.) länger ausgetauscht. Das eine, das private, schließt das andere, die Öffentlichkeit, ja nicht aus. Es war auch kein explizites Video darüber, sondern ich wurde vom Chat in einem Live-Stream zu dem Song etwas gefragt und habe schlicht und ergreifend meine ehrliche Meinung geäußert. Ich bin ebenfalls nur ein Mensch und konsumiere und rede gerne über Musik. Ich trage mein Herz auf der Zunge und bin jemand, der sehr geradeheraus sagt was er denkt.

Wenn du auf deine Karriere zurückblickst: Gibt es Entscheidungen oder etwas, das du getan bzw. gesagt hast, das du bereust und/oder gerne rückgängig machen würdest, weil es dir langfristig vielleicht Chancen verbaut hat?
Puh… nö. Ich bin wie gesagt jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt und joa, damit habe ich mir sicherlich schon manches Mal etwas verbaut, aber ich werde mich nicht verbiegen, um irgendjemandem zu gefallen. Wir sind eine sehr offene und pflegeleichte Band, die immer versucht, das bestmögliche aus der gegebenen Situation zu machen. Man kann mit uns über alles reden, man muss es nur tun.

Welchen Ratschlag würde der Sören heute dem 10-20 Jahre jüngeren Vogelsang geben?
WERDE KEIN BERUFSMUSIKER, LERN WAS VERNÜNFTIGES!
Spaß beiseite, ich würde mir wahrscheinlich den Rat geben, früher auf meine Work-Life-Balance zu achten und zwischendrin auch mal Auszeiten zu nehmen und durchzuatmen. Denn ja, selbstständig hieß bei mir viel zu lang (und auch noch heute zu oft) selbst und ständig…

Die letzten Worte gehören dir…
Danke an alle Patreons und Unterstützer*innen auf Twitch und Co.! Ohne euch könnte ich den schönsten Scheißjob der Welt nicht machen. Ich hoffe, dass ich noch lange für euch musizieren kann.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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