Interview mit Niklas Kvarforth von Shining

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Nachdem bereits vor über zehn Jahren die Dunkelheit neu definiert wurde, ist das neue, elfte Studioalbum der Schweden schlichtweg “Shining” betitelt. Die Quintessenz aus 27 Jahren SHINING also? Mastermind Niklas Kvarforth klärt auf – über den Titel, das blutige Cover und nicht zuletzt, wie es um den Gesundheitszustand der Bandmitglieder bestellt ist.

Normalerweise ist „Ich hoffe, es geht dir gut“ eine Floskel, aber nach deinen letzten Instagram-Posts ist es mir sehr ernst: Wie geht es dir?
Danke für dein Interesse, und ja, der erste Monat war kein Zuckerschlecken, vor allem wenn man bedenkt, dass ich auch unter der Woche Interviews und ähnliche Dinge mache, aber du weißt ja, es ist, wie es ist.

Niklas Kvarforth (SHINING); © Claudio Marino

Du hattest Ende Juli auf Instagram gepostet: „Morgen beginne ich eine zweimonatige Behandlung, die noch härter sein wird als alles, was ich jemals zuvor durchmachen musste. Aber es ist mehr oder weniger die endgültige Lösung für mich und es wird auch darüber entscheiden, ob ich auf der Bühne stehen kann oder nicht, für was auch immer wir in Zukunft vorhaben.“ Bedeutet das, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar ist, ob SHINING auf die Bühne zurückkehren werden?
Wir haben beschlossen, keine Pläne zu machen, bevor Barker und ich nicht wieder voll einsatzfähig sind. Fakt ist, dass weder er noch ich jemals wieder in der Lage sein werden, wochenlang mit Tourbussen unterwegs zu sein, aber das ist eigentlich eine gute Sache, denn zumindest ich persönlich finde längere Touren unerträglich und letztendlich sinnlos. Nein, was wir stattdessen tun werden, ist, uns auf exklusivere Shows und Festivals zu konzentrieren, sobald wir wieder live spielen, aber das ist etwas, an dem wir nicht arbeiten werden, bevor wir nicht alle wieder auf den Beinen sind.

Nicholas Barker Shining 2023
Nicholas Barker – Selfie aus dem Krankenhaus

Barker ist schwer erkrankt [Metal1.info berichtete] – wie geht es ihm – und wie geht es für ihn weiter?
Es geht ihm langsam wieder besser, aber mit einem kompletten Leberversagen [A.d.Red.: gemäß Instagram-Post handelt es sich um ein Nierenversagen] ist nicht zu spaßen, weißt du. Er ist aber ein Kämpfer, und ich glaube, dass er irgendwann so weit fit sein wird, dass wir diesen Albtraum auf ein paar sorgfältig ausgewählte Bühnen bringen können.

Damit sind wir auch schon bei der aktuellen Besetzung. Wie kam es dazu, dass Nicholas Barker nun auf einem SHINING-Album zu hören ist?
Als ich mich entschieden hatte, dass es ein neues Album geben würde, wusste ich, dass ich ein Line-Up haben wollte, bei dem jeder mindestens zwei Jahrzehnte Tourerfahrung hat, denn es hat sich in der Vergangenheit unzählige Male gezeigt, dass jüngere Musiker, auch wenn sie brillant sind, meistens auch ziemlich naiv sind. Was ich damit meine, ist, dass, wenn die Dinge nach Plan laufen, die früheren Mitglieder der Band in der Regel gut waren – aber sobald es ein Hindernis zu überwinden gibt, neigen die Jüngeren dazu, Teil des Problems zu werden, anstatt zu versuchen, als Teil einer Einheit zu arbeiten, das Hindernis zu überwinden und vorwärts zu kommen. Das führt zu einer Menge Drama und Blödsinn, und keiner von uns hat die Geduld oder das Interesse, dies wieder in sein Leben zu lassen. Außerdem kennen Barker und ich uns schon lange, und als die Entscheidung gefallen war, ein neues Album aufzunehmen, habe ich ihn gefragt, und er hat zugesagt.

NAGLFAR auf dem DARK EASTER METAL MEETING 2023
Alex Friberg live mit NAGLFAR; © Afra Gethöffer-Grütz / Metal1.info

Auch der Rest der neuen Besetzung ist „prominent“ – Charles Edward Hedger und Alex Friberg kenn man ja von Mayhem und Naglfar. Ist es nicht eher ein Nachteil für SHINING, wenn die beteiligten Musiker noch andere Bands haben, in denen sie so aktiv sind?
Nicht wirklich, wenn man die aktuelle Situation betrachtet. Nach so vielen Jahren, in denen es nur Probleme gab, habe ich gelernt, Qualität über Quantität zu stellen. Charles ist seit fast fünf Jahren bei uns, während Alex eine Person ist, die ich bewundere und bei der ich mich glücklich schätze, ihn mit an Bord bekommen zu haben.

Außerdem haben SHINING jetzt zum ersten Mal einen festen Keyboarder. Wie wird sich das live auf die Umsetzung älterer Songs auswirken – und warum war es euch wichtig, dafür jemanden in die Band aufzunehmen und ihn auch auf die Bühne zu stellen? Sehr viele Bands arbeiten hier mit Samples vom Band …
Es war eine Entscheidung, die nach langen Diskussionen zwischen mir und Alex getroffen wurde, wie wir unsere Shows etwas ungesünder gestalten können als in der Vergangenheit. Ich persönlich bin kein Freund von Samples, und in vielen der älteren Songs gibt es noch viel Raum für Tahvanainen, um sie mit seinen Talenten und seiner allgemeinen Liebe zur Kakophonie zu verbessern.

Mit dem neuen Album seid ihr von Season Of Mist zu Napalm Records gewechselt. Was waren die Gründe für diese Entscheidung – und welche Auswirkungen habt ihr bisher festgestellt?
Eigentlich veröffentlichen wir das Album als eine Zusammenarbeit zwischen Napalm Records und The Sinister Initiative, unserem eigenen Label. Napalm Records waren extrem hilfreich und haben uns fantastisch unterstützt. Als wir uns nach einem neuen Label umsahen, war für uns vor allem wichtig, dass das Label die Philosophie von TSI teilt, nämlich ein bisschen mehr in die physische Veröffentlichung zu stecken – was sie dann auch wirklich getan haben. Um ehrlich zu sein, haben Napalm Records sowohl die Vinyl Edition als auch die Digipak Edition zu 100% nach unseren Wünschen gestaltet, und das ist wirklich bemerkenswert.

Niklas Kvarforth live mit SHINING; © Afra Gethöffer-Grütz / Metal1.info

Das neue Album trägt den Titel „Shining“. Ein selbstbetiteltes Album hat immer eine gewisse Bedeutung: Die Gleichsetzung von Band- und Albumname weckt Erwartungen an ein „Referenzwerk“. Warum war dieses elfte Album für dich das perfekte Album, um es nach der Band zu benennen?
Weil ich nach fast drei Jahrzehnten und zehn Alben wusste, dass sich etwas radikal ändern musste, wenn ich ein weiteres Album machen wollte, und ich finde, dass ein selbstbetiteltes Album eine Art Statement ist, wenn es so spät in der Karriere veröffentlicht wird. Ursprünglich gab es einen anderen Titel, aber als Charles und ich während seines Aufenthalts im Studio die Idee diskutierten, es einfach „Shining“ zu nennen, wussten wir, dass wir damit die Latte unglaublich hoch legen würden, wenn man bedenkt, was einige unserer vergangenen Alben für so viele Leute da draußen bedeuten. Und etwas, das im Laufe der Jahre irgendwie zu „unserem“ Ding im Studio geworden ist, ist, dass wir, wenn sich etwas ein bisschen übertrieben oder „ein bisschen zu seltsam“ anfühlt, wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir uns voll reinhängen, anstatt die Konsequenzen der Entscheidungen zu fürchten, die wir treffen.

Shining - SelftitledDas Cover-Artwork ist ebenfalls selbstreferenziell und zeigt ein Porträt von dir in Blut. Wie kam es dazu, warum wolltest du dich hier dargestellt sehen?
Ursprünglich hatte ich mit Maxime Taccardi Kontakt aufgenommen und ihn gebeten, ein älteres Gemälde von ihm verwenden zu dürfen. Dabei handelte es sich um ein Selbstporträt, das er bereits für seine eigene Band K.P.R. genutzt hatte, also bot er mir an, stattdessen ein ähnliches Bild von mir anzufertigen, und nun ja, es ist wirklich schrecklich und verkörpert die Aura dessen, was SHINING heute ist, hier und jetzt. Er hat zudem Porträts von uns allen gemacht, die so verdammt gut geworden sind, dass wir uns entschlossen haben, Poster von allen zu drucken, die in dem „Long Live The Enemy“ Vinyl-Boxset enthalten sein werden, das wir Ende des Monats auf TSI herausbringen werden. Taccardi ist ein extrem talentierter Künstler, und er arbeitet gerade mit Tahvanainen an dem Cover einer kommenden EP mit Material, das wir in derselben Session mit aufgenommen haben. Es ähnelt dem Artwork von „Shining“, geht aber noch einen Schritt weiter. Wie auch immer, Alex hat auch zum Layout mit den unglaublich schönen handgeschriebenen Titeln beigetragen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich sehr stolz auf das bin, was wir alle gemeinsam erreicht haben, sowohl musikalisch als auch visuell.

Niklas Kvarforth (SHINING); © Claudio Marino

Das Cover, aber auch das Video zu „Allt För Döden“ sind ziemlich blutig und „krass“ – interessanterweise finde ich das Album eher sanft … es hat viele cleane Gitarren, fast klaren Gesang und erinnert mich mehr an IX als an X. Kann man diese Einschätzung nachvollziehen?
Mag sein. Ich verstehe, was du meinst, stimme aber nicht unbedingt zu. IX wurde von mir und Christian Larsson geschrieben, dieses Album und diese Ära liegen mir sehr am Herzen. Allerdings fühlt sich „Shining“, zumindest für mich, an, als stamme es aus einer ganz anderen Dimension als IX. Vielleicht liegt es aber auch nur an mir und der Tatsache, dass ich das Album noch nicht wirklich verinnerlicht habe.

Gibt es für dich ein „Herzstück“ dieses Albums, einen Song, der dieses Album als Ganzes am besten repräsentiert?
Ja! Der Song, der „Shining“ in seiner Gesamtheit am besten repräsentiert, ist zweifelsohne das Schlussstück „Den Permanenta Sömnen Kallar“, das ich vielleicht sogar als einen der besten Songs bezeichnen würde, die ich je geschrieben habe. Ich bin froh, dass ich hier nicht auf Nummer sicher gegangen bin, was das Anfangsriff und seine reizvolle, aber extrem unbarmherzige Monotonie betrifft, die jeder, einschließlich Andy, als eine gewagte Entscheidung und so weit entfernt von „kommerziell ansprechend“ empfand, wie man nur sein konnte. Es könnte viele Hörer da draußen nerven, aber das ist nicht wichtig. Ich muss allerdings zugeben, dass ich sehr neugierig auf das Feedback dazu bin.

Auch dieses Album enthält ein Klavierstück, diesmal von dem französischen Komponisten Erik Satie. Warum ist es für dich wichtig, klassische Musik und Black Metal auf deinen Alben zu kombinieren – und nach welchen Kriterien wählst du die Stücke aus?
Ich finde es überhaupt nicht wichtig, klassische Musik mit Black Metal zu kombinieren, aber wenn es funktioniert, dann funktioniert es. Ich habe dieses spezielle Stück schon immer geliebt, seit meiner frühen Kindheit, als ich es zum ersten Mal in einem schwedischen Film gehört habe. Aber aus irgendeinem Grund habe ich mich bis jetzt nie darum gekümmert, seinen Ursprung genauer zu ergründen. Erik Satie war ein wirklich bemerkenswerter Mann, und ich empfehle jedem, sich den kurzen Dokumentarfilm über sein Leben anzusehen, den man auf YouTube finden kann. Es gibt einige Ähnlichkeiten zwischen Satie und SHINING, und vielleicht ergibt meine Wahl etwas mehr Sinn, wenn man den Film gesehen hat.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten, alles Gute für die Behandlung – zum Abschluss noch unser traditionelles Brainstorming:
Vinyl oder Streaming? Vinyl!
Klimawandel: Kälter soll es werden!
Major Labels: Große Probleme
Das schwedische Gesundheitssystem: totaler Mist
SHINING in 10 Jahren: Entweder weiter auf dem Weg oder begraben und verschwunden.

Vielen Dank für das Interview!
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