Interview mit Shahid von Shaytan Productions

Ein faszinierender Aspekt am Metal ist, wie weltumspannend international er heutzutage ist: Unbeeindruckt von der mancherorts herrschenden Intoleranz der politischen und religiösen Systeme finden sich in beinahe jedem Winkel unseres Erdenrundes mutige und kreative Köpfe, die den Geist des Metal pflegen und, durch ihre ureigene Interpretation um einen weiteren kulturellen Hintergrund erweitern. So ist es wenig verwunderlich, dass mittlerweile auch arabischstämmige Musiker die Ausdrucksform des Black Metal für sich entdeckt und mit SHAYTAN PRODUCTIONS aus Kanada sogar eine hierauf spezialisierte Labelplattform gefunden haben. Was man sich von Black Metal im Zeichen des (invertierten?) Halbmondes vorzustellen hat, was Labelchef Shahid über die Szene und seine Ziele mit SHAYTAN zu erzählen weiß und nicht zuletzt, was wir zu den aktuellen SHAYTAN-Releases zu sagen haben, könnt ihr in diesem Special nachlesen. Viel Spass!

Du bist der Chef von Shaytan Productions, einen Kanadischen Label für Arabischen und Orientalischen Black Metal – wann hast du dich dazu entschlossen, das Label ins Leben zu rufen und was waren deine Beweggründe?
Ende 2007 habe ich das Label gegründet und dann begonnen, nach Bands zu suchen, die für mich in Frage kämen und meine Ansprüche an ethnisch beeinflussten Black Metal erfüllen konnten. Es ist nämlich gar nicht so einfach, die Musik zu finden, die ich aus diesem Genre hören will. Also habe ich mich eben dazu entschlossen, die Quelle für diese Art von Musik sein zu wollen, wenn es ansonsten schon so schwer ist, solche Musik zu finden.

Könntest du uns dazu vielleicht ein bisschen etwas über die Labelphilosophie von Shaytan Productions erzählen? Welche Art von Bands signst du, was ist deine Intention hinter deiner Arbeit?
Der Name bedeutet „Satanismus“; dennoch ist es nicht die Intention des Labels, mit Satan in Verbindung gebracht zu werden – Satan zu preisen liegt nicht in meinem Interesse, auch nicht, diese Assoziation zu wecken. Die Labelphilosophie ist einzig, ethnisch beeinflusste Musik zu veröffentlichen, hauptsächlich aus meinen Lieblingsgenres Black Metal und Dark Ambient. Ich habe mich trotzdem für diesen Labelnamen entschieden, weil ich mir bewusst war, dass das Wort oft mit Furcht assoziiert wird und ihm eine starke Ausdruckskraft innewohnt.

Deinem Namen nach entstammst du selbst einem Arabischen Land – wo genau kommst du her und hast du Kontakt zur dortigen Metal-Szene, so es denn eine gibt?
Ich selbst bin hier in Kanada geboren und aufgewachsen, von der Abstammung her komme ich aus Pakistan. Bezüglich der Religion muss ich wohl Moslem sein, zumindest wurde ich als solcher erzogen. Ich bin bisher leider noch nicht in den Mittleren Osten gereist, auch nicht nach Pakistan, insofern kenne ich mich auch nicht mit den Metal-Szenen dieser Region aus. Trotzdem gab es zahlreiche Bands, die mich über die Jahre kontaktiert haben bezüglich eines Releases. Nicht-Orientalische Black Metal Bands aus Bahrain, Pakistan, der Türkei, Syrien oder dem Iran. Das zeigt, dass sich die Region bezüglich Black Metal und andere Formen des Metal im Aufschwung befindet… Ich denke, das wird sich mit der Zeit weiterentwickeln.

Für so viele Bewerbungen vermarktet Shaytan ja relativ wenige Bands – was sind deine Auswahlkriterien, welche Bands du unter Vertrag nimmst?
Zunächst einmal sollte die Band ein Konzept haben. Wie du vielleicht weißt, haben Al-Namrood ein „archaisch arabisches“ Konzept, Dhul Qarnayn hingegen hatten ein „anti-Islam“ Konzept. Das Konzept ist wichtig für mich, weil es definiert, worum es in der Musik geht. Ich mag alle Arten von Black Metal oder Dark Ambient, trotzdem muss die Musik, um über Shaytan veröffentlict zu werden, ethnische Einflüsse aufweisen.

Gib uns doch mal ein Beispiel für eine Band, die du gerne unter Vertrag nehmen würdest…
Oh, da gibt es einige, die mich interessieren würden. Die jetzt in Deutschland lebenden Darkestrah zum Beispiel sind eine davon. Ich fahre voll auf ihren Black Metal ab, vor allem die Integration orientalischer Einflüsse in ihre Musik. Ansonsten haben zum Beispiel Rudra meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie einen sehr guten Weg gefunden haben, Südasiatische Musik mit Metal zu verbinden.

Im Moment stehen Al Namrod und The Horn bei dir unter Vertrag – könntest du uns diese Bands kurz vorstellen und uns erzählen, wie du auf diese Bands gestoßen bist?
Dass Al-Namrood die erste Band war, die bei Shaytan unterschrieben und ein Album veröffentlich hat, war Ironie des Schicksals – sie schienen einfach perfekt in mein Konzept zu passen: Die Sprache, die sie benutzen ist altertümliches Arabisch, das Konzept handelt von Arabischer Mythologie und die Musik selbst ist eine schöne Verbindung von arabischen Elementen mit Black Metal, sachlich in Saudi Arabien beheimatet. Die Band hatte sich gerade gegründet und das Label war grade aus der Taufe gehoben – die Konzepte passten derart gut, dass es fast schon göttliche Fügung gewesen sein muss, dass wir uns getroffen haben. Al-Namrood können keine Live-Auftritte in ihrem Land spielen, das Land für eine Tour zu verlassen ist ebenso nahezu unmöglich, was ich so gehört habe. Sie haben sogar schon Probleme bekommen, weil sie einen Brief mit dem Labellogo empfangen haben. Sie müssen tunlichst vermeiden, in Saudi Arabien für ihr Tun verfolgt zu werden, und das ist gar nicht so einfach.
Über The Horn habe ich von Dhul Qarnayn erfahren. The Horn hat ein sehr mystisches Konzept, beeinflusst von der Ägyptischen Mythologie. Dieses Konzept ist sehr interessant, da es sich auf das Buch der Toten bezieht – mit den Zaubersprüchen als Songs. Das macht die Songs sehr mystisch und hypnotisierend…

Kalki Avatara ist eine italienische Band, die eine CD über Shaytan veröffentlicht haben, welche sich um Hindu-Religion und dergleichen dreht – warum hast du diese CD veröffentlicht?
Zunächst würde ich persönlich den orientalischen Einfluss auf Black Metal so ausweiten, dass er Pakistanisch beeinflussten Black Metal impliziert. Das, was dem am nächsten kam, war eine indisch beeinflusste italienische Band, nämlich Kalki Avatara. Das Konzept war ja nie „Arabic Metal“, sondern eher „Oriental Metal“, was genauso ethnisch beeinflussten Black Metal aus dem Iran, der Türkei, Pakistan, Zentralasien und natürlich, wie du siehst, Arabien beinhaltet. Wenn sie die Muttersprache der entsprechenden Länder für den Gesang nutzen, macht das die Musik erst recht authentisch. So machen es Al-Namrood mit dem Arabischen und Dhul Qarnayn mit Farsi auf seinem „Jilwah“-Release.

Kommen beziehungsweise kamen deine anderen Bands alle direkt aus arabischen Ländern und sind auch dort aktiv?
Nun, Al-Namrood leben und arbeiten wie gesagt in Saudi Arabia, Dhul Qarnayn eine ehemalige Band des Labels kommt aus Bahrain…

Du hast die Schwierigkeiten, mit denen Al-Namrood zu kämpfen haben, ja bereits angesprochen… wo liegen denn für Bands in der arabischen Welt die größten Probleme dabei, Metal zu spielen?
Bands wollen ihre eigene CD für gewöhnlich vermarkten… für arabische Bands ist es unmöglich, das in ihrem Land öffentlich zu tun, so dass es natürlich auch sehr schwer ist, Fans zu finden. Zudem können diese Bands wie Al-Namrood oder Dhul Qarnayn auch nicht touren, was es zudem schwer macht, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – nicht nur lokal, sondern erst recht in anderen Ländern. Die Post wird routinemäßig geöffnet und für gewöhnlich von den Zollämtern dieser Länder – was einige weitere Probleme bereitet. Ein Päckchen mit dem „Shaytan-Productions“-Logo (auch auf Arabisch geschrieben) verursacht Verdacht. Schon allein die Bandnamen wirken da schnell auffällig.

Hattest du selbst wegen deines Labels auch schon einmal Probleme mit irgendeiner Gruppierung – seien es true Black Metaller, religiöse Moslems, Juden oder wer auch immer?
Du hast es auf den Punkt getroffen, Moritz. Ich hatte eigentlich schon mit allen von dir genannten Fraktionen Probleme. Die trueen Blackmetaller und die Traditionalisten des Genres können sich für mein Konzept des „orientalischen Black Metals“ nicht sonderlich begeistern. Viele Black Metal-Stores weigern sich, unsere Releases zu verkaufen – beispielsweise Northern Silence, Northern Heritage oder No Colours Records.
Religiöse Moslems kritisieren den Namen „Shaytan“ – diese sind vor allem in verschiedenen arabischen Foren aktiv wie dem Jorzine. Dort wurde ich als User gesperrt und erst später vom Administrator Rima „Black Rose“ wieder eingesetzt, der die Labelphilosophie verstanden hat, anstatt sich auf den Namen festzuschießen. Man hat mir (mittels emails von diversen Leuten, vermutlich Moslems) gesagt, das Wort Shaytan würde in Verbindung mit der Musik antireligiöse Assoziationen wecken und ihm in ihren Ländern eine schlechte Ausgangssituation verschaffen. Auch auf der Al-Namrood-Facebook-Seite wirst du diverse Kritik am Labelnamen finden – und seit ich mein Passwort für den Account verloren habe, kann ich darauf nicht einmal antworten. Ich würde wirklich gerne bekunden, dass der Labelname trotz aller Kritik nicht geändert wird.
Einzig bezüglich der Juden gab es bisher noch keinerlei Probleme. Ich hege Beziehungen zu diversen israelischen/jüdischen Labels wie Raven Music, Heart and Crossbone oder Eastern Front. Es gab auch schon viele israelische Black Metal Bands, mit denen ich in Kontakt stand, wie beispielsweise Arallu. Wenn es unter den Juden Kritiker an dem Label gibt, habe zumindest ich davon noch nichts mitbekommen.

Was hat dich selbst zum Black Metal gebracht?
Black Metal passt einfach am besten zu mir mit seiner tiefen, obskuren Atmsosphäre und seinen tieferen Bedeutungen in Musik und Text. Natürlich kann mir das nicht jede Black Metal Band vermitteln, aber einige tun das: Bands wie Celestia, Godkiller, Potentiam oder Lifelover.

Der typische Black Metal in Europa dreht sich ja um Religion, sein wohl ursprünglichstes Trademark ist die vermittelte antichristliche Einstellung – was sind typische Themen im arabischen Black Metal? Eher Anti-Islam oder generell eher areligiös?
Ich sehe Black Metal nicht notwendigerweise allgemein als rebellische Ausdrucksform. Es entspricht nicht der Norm, in diesen Ländern Metal zu hören – wenn es einer dennoch tut, wird er dafür kritisiert. Aus diesem Grund kann das allein schon recht leicht als etwas anti-islamisches angesehen werden, auch wenn es das vielleicht gar nicht ist – nur so kann die Kritik auf jene angewandt werden, die solche Musik hören. Trotzdem muss natürlich nicht dazugesagt werden, dass die meisten Bands, die ich aus diesen Ländern kennengelernt habe, als rebellisch angesehen werden, weil sie diese Musik machen – wie Al-Namrood (Saudi Arabia), Dhul Qarnayn (Bahrain) und Aras (Iran).

Warst du schon einmal in Europa und hattest Kontakt zur hiesigen Metal-Szene? Wenn ja, könntest du sie mit der in deinem Land vergleichen?
Europa ist ganz offensichtlich die domiante Kraft im Black-Metal-Genre. Leider war ich bislang noch nicht in Europa – trotzdem habe ich zu vielen Bands und Labels dort Kontakt. Kanada selbst scheint keine wirklich große Black-Metal-Crowd zu haben, weder an Bands noch an Fans. Wenn es etwas derartiges gibt, dann vermutlich in Quebec. Die meisten Kanadischen Black-Metal-Labels sind in Quebec angesiedelt, genau wie einige bekanntere Bands wie Gris.

Gibt es Inhalte oder Themen, die du mit Shaytan nicht veröffentlichen beziehungsweise unterstützen würdest?
Ich bin eigentlich offen für alles. Die Frage erinnert mich an die ständige Frage, ob Al-Namrood anti-islamisch sind. Es ist jedenfalls wohl leichter, zu sagen, woran ich interessiert bin:
Ich bin an Mythologie, Geschichte, Politik und emotionalen Texten interessiert. Ich muss nicht notwendigerweise mit den Ideologien der Bands konform gehen, um ihre Musik zu veröffentlichen und ihr Konzept zu promoten. Im weiteren Sinne In the broader müsste ich ihr Konzept und ihre Musik auch zu würdigen wissen, auch wenn ich ihren Texten oder Ideologien nicht zustimme. Zum Beispiel sind Nokturnal Mortum eine meiner Lieblingsbands im Black Metal, trotz ihrer nationalsozialistischen Ideologie, der ich nicht unbedingt zustimmen kann.

Metal hat ja oft einen verbindenden Charakter: Leute aus aller Herren Länder hören Bands, wo auch immer diese herkommen. Denkst du, dein Label hat auch einen derartigen verbindenden Effekt? Würde es dich freuen zu hören, wenn dir jemand erzählt, dass er als Jude trotzdem Freude an muslimischem Black Metal findet?
In der Tat habe ich viele Unterstützer aus Israel, die Fans von meinen Bands sind. Ich bin mir nicht sicher, ob es Juden sind… Die Chancen stehen aber wohl nicht schlecht. Ich fände es jedenfalls großartig, zu wissen, dass jemand die Musik genießt ohne sich von Kultur oder Religion davon abhalten zu lassen. Eine der Intentionen hinter dem Labelnamen war, dieses Gebiet zu einem werden zu lassen, indem man ein Wort benutzt, das das gesamte vornehmlich muslimische Gebiet repräsentiert. Auch, wenn das Wort, für das ich mich entschieden habe, für viel Kritik gesorgt hat, finde ich nicht, dass ich „Muslim Black Metal“ veröffentlich habe, wie es viele andere schon genannt haben. Dhul Qarnayn war anti-religiös, wie jeder weiß, der sich mit seinen Arbeiten beschäftigt, und Al-Namrood bleiben diesbezüglich ein Rätsel. Wenn es wirklich „Muslim Black Metal“ ist, dann wäre es wohl ironisch, unter dem Label „Shaytan Productions“ veröffentlicht zu werden.

Orphaned Land machen es gewisserweise anders herum: Sie sind Juden und versuchen, mit ihrer Musik die Leute des Mittleren Ostens zu verbinden. Für sie ist es ein großer Erfolg, in Ländern wie Palästina Fans zu haben… Was fällt dir dazu ein, zur Band als solche und zu ihrem Ziel, den Leuten, unabhängig ihrer Kultur, zu zeigen, dass sie alle Gemeinsamkeiten wie den Musikgeschmack haben?
Ich denke nicht, dass sie sich als vereinende Kraft zwischen den Kulturen bewähren würden. Natürlich gefällt den Leuten ihre Musik, weil sie einfach Meister darin geworden sind, derartig geniale Kompositionen zu schreiben, die sich all dieser traditionellen Instrumente und Gesangsstile bedienen. Es gibt nur wenige Bands, die das, was Orphaned Land tun, ähnlich gut machen, insofern bleibt einem keine echte Alternative dazu, sie zu mögen, so gut wie sie ihr Handwerk verstehen. Die Musik, die sie schreiben, repräsentiert die Musik dieser Region der gesamten Welt in einer sehr positiven Art und Weise, so dass es keinen Grund gibt, warum sich jemand Orphaned Land entgegenstellen sollte (das gilt vor allem für diejenigen, die sie positiv mit ihrer Musik repräsentieren, die Araber eingeschlossen). Trotz meiner Kritik an ihnen, sind Orphaned Land einer meiner persönlichen Favoriten, und das, obwohl sie keinen Black Metal machen.

Ok, das war auch schon meine letzte Frage… wenn du den Lesern noch etwas mittelen möchtest, kannst du das jetzt tun:
Der nächste Al-Namrood-Release wird schon im April 2010 erscheinen. Lest euch Moritz‘ Reviews zu den Shaytan-Releases hier auf Metal1.info durch! Des weiteren wird bald die neueste Band bei Shaytan, eine türkische Folk Black Metal-Band, samt dem Release-Termin ihres Albums bekanntgegeben werden, also haltet euch auf dem Laufenden!

Lass uns das Interview mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden: Ich nenne dir einige Begriffe und du sagst uns, was dir dazu zuerst einfällt:
Deutschland:
ausdrucksstarke/emotionale Sprache, reiche Geschichte und Kultur
Barack Obama: Ein guter Redner, mehr nicht.
Mayhem: War ich nie Fan von.
Coca Cola: Santa Clause.
Religionen: Vom Menschen erfunden.

Vielen Dank für das Interview!

Hier findet ihr unsere Reviews zu den Shaytan-Releases:
Dhul-Qarnayn – Jilwah (Single)
Kalki Avatara – Mantra For The End Of Times (EP)
Al-Namrood – Astfhl Al Tha’r
Al-Namrood – Estorat Taghoot

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