Interview mit den Mitgliedern von Schelmish

Sie sind die weitgereisten, selbsternannten „Alpträume aller Spielmänner“ und wurden vom Sonic Seducer unter anderem scherzhaft als „Kelly Family der Mittelalterszene“ bezeichnet. Auf den Märkten Deutschlands sind sie zu Hause, doch auch England und Schottland sind den Schelmen nicht fremd. Als einzige Band im Mittelalterspecial äußerte sich jedes Mitglied der Bonner Mittelalterkombo zu jeder Frage, so dass ein buntes Sammelsurium an gleichermaßen witzigen und interessanten Antworten zustande kam. Mit ihrem neuesten Album „Menti Capti“ haben SCHELMISH nebenbei noch einen echten (Rock-)Kracher gelandet, der zum ersten Mal von der Experimentierfreude der Vorgänger Abstand nahm und sich dem harten Rock-Metal-Crossover widmete.

Beschreibt kurz euren musikalischen Werdegang: In welchen Bereichen liegen die Wurzeln der einzelnen Bandmitglieder?
Dextro: Meine Wurzeln liegen in der irischen Musik und in der Rockgeschichte bin ich mit Stones und Led Zeppelin groß geworden.
DesDem: Aufgrund der Tatsache, dass ich mich nie auf einen Musikstil festgelegt habe, ist es für mich schwierig, meine Wurzeln zu konkretisieren. Ich liebe alles, was ich cool, schön und interessant finde und was mich in irgendeiner Weise berührt. So war das immer und so ist es heute noch.
Luzi: Wir kommen eigentlich alle aus unterschiedlichen Musikrichtungen. Das liegt schon allein daran, dass der Altersunterschied recht groß ist.
Rimsbold: Im Grunde hat sich die Band aus verschiedensten Typen zusammengestellt. Vom Folk über EBM / Industrial, Rock, Heavy, Hip Hop bis hin zum Schranz J Die Mischung hat es eben gemacht und wir haben einen Weg gefunden, dass alle zufrieden sind mit dem musikalischen Endprodukt.
Sakepharus: Punk und Kölschrock. Und darauf bin ich stolz.
Fragor: Das kann man so pauschal gar nicht ausdrücken, da wir eigentlich alle die verschiedensten Musikrichtungen hören. Von Folk bis Industrial ist eigentlich alles dabei…>>Schleichwerbung<< Auf unserer neuen CD auch zu hören >> Schleichwerbung Ende<<
Marquis: I come from the rock and metal scene originally. Everything from prog-rock and metal to death metal.
Johannes: Meine Wurzeln liegen im Rock und im Metal. Ich habe in ziemlich vielen mehr oder weniger bekannten Bands dieser Genres gespielt, ehe ich den Weg zu Schelmish fand.

Wie würdet Ihr „Neulingen“ mittelalterliche Musik erklären?
DesDem: Mittelalterliche Musik ist z. B.: Carmina Burana, Oswald von Wolkenstein, Neidhardt von Rheuenthal, die vielen Codici, Libre Vermell etc. sowie viele Volkslieder.
Dextro: Wie der Name sagt, Musik aus dem MA auf mittelalterlichen Instrumenten, DesDem hat es ja schon erklärt, ich würde aber auch noch die Cantigas de Santa Maria hinzufügen.
Rimsbold: Naja, es gibt viele verschiedene Arten von „mittelalterlicher Musik“. Wenn mich einer nach dem derzeitigen Trend fragen würde, würde ich wahrscheinlich so was wie „rhythmische Tanzmusik auf altertümlichen Instrumenten der Neuzeit angepasst“ sagen
Marquis: There’s not really much to explain about medieval music. Its energy, it runs in your blood and makes you move. It can make you laugh, or cry, or feel any range of emotions. It’s primitive in a very positive way…I can’t explain it any better. Listen to the albums and you will probably understand what I’m trying to say…;-)
Johannes: Mittelalterliche Musik ist der Versuch, das, was wir von alter Musik wissen (und das ist überraschend wenig) in eine Form zu bringen, die für heutige Hörer angenehm ist. Die Ansätze können sehr verschieden sein, was die Unterschiede zwischen den Bands und Ensembles dieser Szene ausmacht.

Wie kann man ihnen diese Art von Musik zugänglich machen außer durch moderne Einflüsse?
Dextro: Man macht sie dem breiten Publikum durch eine gute Show und moderne Einflüsse zugänglich. Authentischem Publikum wird das eher zuwider sein, aber da wir nicht authentisch sind, kann uns das egal sein ;-)
Luzi: Wahrscheinlich gar nicht…. Ich stelle mir reine mittelalterliche Musik wie sie damals wirklich war recht langweilig vor…. Aber wer weiß das schon.
Rimsbold: Mittelaltermärkte J
Sakepharus: Ganz einfach: indem man sich auf den Mittelaltermarkt stellt und sie praktiziert.
Fragor: Anhören… oder sie dazu zwingen anders jibt dat nüx J
Johannes: Siehe oben. Da gibt es Ansätze, die auf Authentizität setzen und von den Melodien über die Texte bis zur Art des Gesangs und die Instrumente alles möglichst historisch belegen wollen, es gibt aber auch Ansätze, die aus den Elementen, die man kennt, eine für heutige Ohren angenehme Musik brauen. Moderne Einflüsse kann glaube ich niemand ausschließen, dafür haben wir alle eine moderne musikalische Ausbildung genossen.

Wo liegen die Unterschiede von Euch zu anderen Mittelalterbands und was sorgt für Widererkennungswert bei eurer Musik?
Dextro: Wir haben von Anfang an unsere eigene Show und unseren eigenen Talk gemacht. Ab der ersten CD haben wir eigene Stücke auf mittelalterlichen Instrumenten geschrieben und wir haben uns keine Vorbilder aus der Szene gesucht. Desweiteren nehmen wir uns auf der Bühne selbst nicht allzu ernst und ich glaube, das ist sowohl der Unterschied und zugleich der Wiedererkennungswert.
Luzi: Wir sind fetter!
Rimsbold: Viele Eigenkompositionen sorgen natürlich zwangsweise immer für einen Wiedererkennungswert. Wir achten sehr darauf, dass wir die meisten Stücke selber schreiben, denn ständig die gleichen Stücke zu dudeln, macht natürlich auf Dauer nicht so viel Spaß. Wir machen definitiv andere Musik als Kollegen würde ich sagen. Auch die Live Auftritten zeigen, dass wir ganz anders sind, als die anderen…
Sakepharus: Wir spielen überwiegend eigene Stücke mit unserem eigenen Sound, legen aber auch großen Wert auf derben, humorvollen Talk und entsprechende Showeinlagen. Das und vor allem unsere gepflegte Fettleibigkeit macht uns unverwechselbar und unterscheidet uns von anderen Bands.
Fragor: Naja… wir wiegen deutlich mehr als andere Mittelalterband und sind dadurch auch kaum zu übersehen J
Marquis: I think one of the most individual attributes of Schelmish is the mixture of fun, show and energetic music. We have alot of fun on stage, and the audience feels this, and is automatically drawn into the world we try to create when we play. Its really some kind of magic!

Wodurch wird eure Musik am meisten beeinflusst (Vorbilder, Stilrichtungen, Kulturen, Religionen, usw.)?
Dextro: Durch die Vielseitigkeit unserer Gruppenmitglieder. Jeder ist anders, jeder hat einen anderen musikalischen Geschmack, und hier kommen manchmal die verrücktesten Ideen.
DesDem: Musik, genauso wie alle anderen Künste, ist immer eine ganz persönliche Sache. Hat man das Glück, seinen Gefühlen musikalisch Ausdruck verleihen zu können, so ist dies immer der größte Einfluss. Wir versuchen nicht nach Links und Rechts, sondern in uns hinein zu blicken.
Luzi: Stimmung, Geisteszustand, Jam-Sessions
Rimsbold: Durch uns selber
Sakepharus: Die genannten Attribute plus eine gute Portion eigener Erfahrungen- das ist die Mischung, aus der unsere Stücke entstehen.
Fragor: Musikalisch kann man nicht so wirklich festlegen. Wie ich eben sagte, kommen wir ja alle aus den verschiedensten Musikrichtungen. Politik haben wir ja immer aus unserer Musik rausgehalten und werden das auch weiterhin tun.
Marquis: For each of us its somewhat different. Like I said before, I come from the rock/metal area, and naturally I am influenced by many bands from these genres. This is another point where Schelmish is different to other bands. We have a mixture of generations in the band, each with their own musical directions. When these are mixed together…BOOM!! Schelmish!…and religion has nothing to do with it.
Johannes: Ich glaube, das ist so unterschiedlich wie die Einflüsse auf die verschiedenen Mitglieder….

Wie erklärt ihr euch die wachsende Akzeptanz eurer Musik in Deutschland auf der einen Seite und die ablehnende Haltung der Radiostationen, TV Sender, etc. auf der anderen?
Dextro: Die Musikindustrie ist auf Mainstream ausgerichtet und sieht in der Mittelalter- und Mittelalterrockmusik kein Potential, weil sie mit ihrem Marketingsystem zu festgefahren sind. Es wird kein Geld mehr für Experimente ausgegeben, wie im normalen Leben leider auch, und so wird die Musik, solange nicht mal eine Band richtig chartet, auch niemals als erfolgreich eingestuft. Die Plattenbosse können sich nicht vorstellen, dass eine breite Masse diese Musik hört, in einer Zeit wo „Geiz ist geil“ gepredigt wird und in der Casting Bands durch permanente Dauerwerbesendungen gepuscht werden, hat diese Art von Musik auch nur eine geringe Chancen. Gott sei Dank haben sich da Bands wie „In Extremo“ doch ein wenig durchsetzen können, was uns sehr freut.
Luzi: Zum einen liegt es wahrscheinlich an der ständigen Anwesenheit von mittelalterlichen Märkten und Konzerten in ganz Deutschland wodurch den Leuten die Musik näher gebracht wird, andererseits ist die Musik aber nicht Mainstream genug um im Radio oder im TV zu laufen.
Rimsbold: Das ist mal wieder das unerklärliche Phänomen der Musikindustrie in Deutschland, würde ich sagen!
Sakepharus: Die Frage ist die: wie weit ist man als Mittelalterband bereit, sich dem Mainstream zu öffnen, um die Ohren der Leute erst einmal an diese Musik zu gewöhnen. Eine Band wie „In Extremo“ hat da gute Pionierarbeit gemacht, und jetzt ist es an Bands wie uns, die Hörgewohnheiten der Leute zu erweitern und ihnen gerade die instrumentale Mittelaltermucke nah zu bringen. Ich glaube, früher oder später wird sich einer unter den großen Sendern finden, der dieser Musik vertraut, und dann wird der Rest nachziehen.
Fragor: Isch nix weiß…
Marquis: People are looking for somthing new, somthing fresh and energetic, and they find this in our music. It is however still a very „small“ percentage of the music market. Radio, T.V etc. are out to make money, and they can, unfortunately, make more through pushing the latest trend music. But i\’m optimistic that this will change within the next years when people have had enough of hearing the same rubbish every day on every radio station, or on every T.V channel.

Wie kann man allgemein und wie könnt ihr selbst Vorurteile wie z.B. Eintönigkeit und mangelnde Abwechslung gegenüber mittelalterlicher Musik widerlegen?
Dextro: Das hat man früher auch immer über irische Musik gesagt, ich habe es mir mittlerweile abgewöhnt, irgend etwas über die Musik zu widerlegen oder Vorurteile der Musik gegenüber abzubauen. Wer Musik eintönig findet, egal welcher Art, sollte sich einfach in die Kiste legen, denn wer keine Musik mag, der mag auch nicht das Leben. Oder wer’s nicht so krass mag, bleibt einfach weg und hört die Musik nicht.
DesDem: Unser Job ist es nicht, irgendetwas zu widerlegen. Nur wer genau hinhört, hat auch das Glück Musik wahrhaft erleben zu können.
Rimsbold: Nunja, zumindest der Aspekt der selbstkomponierten Musik. Es gibt nicht unbedingt viele Möglichkeiten um heutzutage noch für viel Aufsehen in der MA Szene zu sorgen. Das meiste hat es schon gegeben, was Augen- und Ohrenfänger für die Leute ist. Bands, die krachige Musik mit 5 Dudelsäcken machen? Haben alle schon gesehen! Traubentritt? Hat jeder schon mal gehört!
Sakepharus: Wenn man sich mal unsere Scheibe „Igni Gena“ angehört hat, braucht man sich diese Frage nicht mehr zu stellen. Ein vielseitigeres und facettenreicheres Mittelalteralbum gibt es nicht.
Marquis: If people feel that way about medieval music, then they shouldnt listen to it. Everyone has there own opinion. I like it, and for me thats enough. Listen to it, and decide for yourself.
Johannes: Widerlegen kann ich in musikalischer Hinsicht nichts. Für mich ist authentische mittelalterliche Musik manchmal nicht sehr spannend… aber ebenso, wie ich eine Metal – Band für langweilig und die andere für spannend und gut halte, so halte ich mittelalterliche Bands für unterschiedlich und mal langweilig, mal interessant.

Welche Zielgruppen sind eurer Meinung nach besonders geeignet für Drehleiern, Dudelsäcke, Geigen, Flöten, usw.?
Dextro: Was für eine Frage? Ich habe es immer so gehandhabt, egal aus welcher Zielgruppe, mir sind alle recht, die Spaß an der Musik haben, tanzen und Party haben wollen.
Luzi: Es kommt ja nicht nur auf die Instrumente an die man benutzt, sondern auch auf die Unterhaltung und die Show und da gibt es keine bestimmte Zielgruppe.
Sakepharus: Geschichtslehrer, Musikwissenschaftler, Esoteriker, Masochisten…
Rimsbold: In der Regel ist das ein ganz gemischtes Publikum, gerade weil die Szene keine richtige Zielgruppe hat. Da kommen sehr viele Leute aus den verschiedensten Sparten.
Fragor: Ich kann da nur von unser sprechen… und eine wirklich Zielgruppe wie z.B. eine Dark-Metal-Band haben wir gar nicht.. Das kann man super auf unseren Konzerten sehen… Da kommt jung und alt.. Punk, Grufti und Hippie….
Johannes: Eigentlich fast jede. Schaut Euch die Entwicklungen in verschiedenen Metal – Genres an: Sehr viele Bands fangen dort an, folkloristische Einflüsse zu verarbeiten und sind sehr erfolgreich damit. Offensichtlich scheint es auch da das Bedürfnis zu geben, sich auf Folkloristisches zu besinnen und anderes Instrumentarium zu benutzen. Unser Publikum setzt sich wahrscheinlich sowohl aus Teilen der MA-Szene als auch aus Rockern zusammen, die neues suchen.

Welches sind die größten Irrtümer, die man leichtfertig in Verbindung mit Mittelaltermusik bringt?
Luzi: Gibt’s nicht. Ist alles wahr!
DesDem: Der größte Irrtum ist der, dass es Irrtümer gibt …….
Sakepharus: Mittelaltermusik ist eintönig.
Rimsbold: Der Dudelsack kommt nicht aus Schottland!!!
Fragor: Ich kenne keine…
Johannes: Langeweile, Eintönigkeit, Humorlosigkeit

Eure Meinung zu Mittelaltermärkten und Konzerten dort?
Dextro: Beides hat seinen eigenen Reiz.
Luzi: Es hat beides seinen Reiz. Auf Mittelaltermärkten hat man besondere Nähe zum Publikum und man kann ganz anders mit den Leuten arbeiten. Auf Konzerten hat man allerdings ein Publikum, das nur wegen der Musik kommt und man zieht sein volles Programm 2 Stunden durch.
Rimsbold: Mittelaltermärkte können sehr lustig sein! Auch Konzerte dort. Das hängt halt immer vom jeweiligen Markt ab. Im Endeffekt ist so was immer eine Spaß-Sache und in der Regel sehr lustig für uns, den Tag dort zu verbringen! J
Fragor: Häh?
Marquis: Great fun!!!
Johannes: Märkte sind klasse. Zum einen trifft man dort auf die MA- und Reenactment – Leute, zum anderen erreicht man aber dort ein Publikum, das man ansonsten wohl nicht erreichen würde, nämlich die „Nur-Besucher“, die sicherlich nicht auf die Idee kämen, zu einem Schelmish – Konzert zu fahren. Die Atmosphäre auf Märkten ist sicher einzigartig.

Euer letztes Album „Mente Capti“ war im Vergleich zu seinen Vorgängern sehr rockig. Früher hattet ihr Hip Hop- und Elektro-El
mente. Gibt es bei Schelmish nichts, was es nicht gibt oder habt ihr doch irgendwelche Dinge, die ihr nie einbinden würdet?
Dextro: Wir machen grundsätzlich das, woran wir Spaß haben und das wird gemeinsam umgesetzt. Deutsche Hitparade werden wir aber wohl eher nicht machen, oder vielleicht doch? ;)))
DesDem: Sag niemals NIE – Der Teufel feiert auf vielen Hochzeiten und alle Weg führen nach Nirgendwo……?????? !.
Luzi: Haben wir die jetzt nicht mehr? Wer weiß schon was die Zukunft bringt… Vielleicht machen wir auch mal ne reine Country CD…..
Rimsbold: Schlager, definitiv Schlager J.
Sakepharus: Deutsche Volksmusik. Obwohl- Schelmish im Musikantenstadl- hätte schon seinen Reiz…
Fragor: Nö.. warum soll man sich festlegen… Wichtig ist, dass es gut klingt und dass es unseren Fans und uns Spaß macht.
Marquis: We\’re open for everything, if it sounds good, we\’ll try it out! Theres no point in setting musical borders, and experimentation is the best way to create somthing fresh and new.
Johannes: Für mich gibt’s da nichts, was ich nicht versuchen würde. Abgesehen vielleicht von typischen Schlager – Elementen, auch, wenn Dextro: das Gegenteil behauptet ;)

Ihr singt Deutsch, Französisch und Latein. Englisch scheint bei euch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Worin seht ihr die Vor- und Nachteile der einzelnen Sprachen?
Dextro: Der Reiz ist der Klang der verschiedenen Sprachen und das was man dadurch umsetzen kann. Englisch spielt schon eine große Rolle, wir haben das noch nicht vollkommen auf CD umgesetzt, sondern eher ansatzweise, aber mal schauen was die Zukunft bringt. Wir waren nicht umsonst mehrere Male in England ;)) Aus dem Lateinischen kommen die meisten der alten Texte und die deutsche Sprache (als Muttersprache) ist natürlich am angenehmsten um eigene Texte zu schreiben.
Luzi: Deutsch hat meistens den Vorteil, dass wirs gut aussprechen können….. Verstehen die meisten Leute auch besser als Latein…
Rimsbold: Es macht Spaß, mit vielen Sprachen zu hantieren, denn meistens merkt man auch, dass einige Sprachen von der Klangfarbe und vom Ausdruck besser zu gewissen Musikstücken und Arten passt. Der Nachteil ist, dass man alle Sprachen leider nicht flüssig spricht, geschweige denn versteht J
Sakepharus: Ich kann mich an mindestens zwei englische Stücke erinnern, die wir auf CD veröffentlicht haben. Das sind schon mehr als bei den meisten anderen Mittelalterbands. Die größten Probleme beim Singen bereitet sicher die Aussprache, was bei alten Sprachen wie Latein nicht so sehr ins Gewicht fällt. Schreiben könnten wir eigentlich nur auf englisch- in allen anderen Fremdsprachen fehlen mir zumindest die Ausdrucksmittel.
Fragor: Jung… hürenens.. da häste net di janze CD jehürt ,wat? J Aber stimmt schon… viel machen wir nicht in Englisch… Auf der Mente-Capti ist „Twa Corbies“ vertreten … und auf unserer CD Tempus Mutatur ist noch „Miri zu hören“… aber mal schaun, was da so kommt
Johannes: Deutsch ist unsere Muttersprache, und viele unserer Zuhörer sprechen diese Sprache. Also verstehen sie die Texte. Viele der Stücke, die aus alten Überlieferungen stammen haben lateinische oder französische Texte, da bleibt es nicht aus, dass man sie singt.

Wie wichtig ist euch Authentizität in eurer Musik?
Dextro: Vollkommen unwichtig, wir sind nicht authentisch und haben das auch immer betont.
Luzi: Sehr wichtig. Traditionelle Tänze die wir vertonen sind auch 100% ig so früher gespielt worden!!!!!!! J
Rimsbold: Gar nicht!
Sakepharus: Wir machen Mittelaltermusik, wie sie uns Spaß macht- da spielt Authentizität eine untergeordnete Rolle.
Fragor: Gar nicht! Hauptsache wir sind uns selbst gegenüber authentisch.
Marquis: 0%
Johannes: Nicht wirklich wichtig für mich.

Einerseits legt ihr Wert darauf, dass ihr noch echte Spielmänner seid, die durchaus ernste Absichten verfolgen und sich z.B. von der kommerziellen Welt von heute lossagen. Andererseits sind eure Liveshows bekannt für ihren Humorfaktor. Seht ihr darin einen Widerspruch und könnte man mit zu übertriebener Comedy den Menschen ein „falsches Bild“ vermitteln?
Dextro: Diese Frage kann ich als den größten Irrtum der mit Mittelalter verbunden werden kann bezeichnen ;)
Als erstes gilt es mal zu klären: Was ist ein Spielmann? Was heißt es sich von der kommerziellen Welt zu entsagen? Was heißt hier „falsches Bild“? Wollen wir überhaupt ein Bild vermitteln? Wenn ich etwas vermitteln will, dann heißt es, wie oben gesagt Spaß, dazu gehört nun mal Humor. Ein Spielmann muss auch von etwas leben, also konnte man und kann man sich auch nie dem irdischen gänzlich versagen, sprich: Geld, Kaurimuscheln oder Goldmünzen gehörten schon immer dazu. Der Spielmann im klassischen Sinne beherrschte 7 Instrumente und er lebte als eine Art Outlaw, beide Vorraussetzungen erfülle ich, also darf ich mich getrost Spielmann nennen ;)
DesDem: Wer behauptet, dass ein Spielmann sich notwendigerweise von der kommerziellen Welt von heute lossagen muss? Ist nicht auch ein Musiker wie Robin Williams, Phil Collins, Herbert Grönemeyer oder wie sie auch alle heißen, ein Spielmann? Spielmänner/frauen sind doch nicht ausgestorben, nur weil wir im Jahre 2006 leben. Nein, es gibt sie heute noch genauso wie seit je her. Humor und Comedy ist immer ein Spiegel – Wer das als zu übertrieben empfindet, sollte mal hineinblicken.
Luzi: Aus Bonn????!!????
Rimsbold: Nein, denn das was auf der Bühne passiert, das kommt von uns, das sind wir. Es ist ja nicht so, dass wir mit modernen Absichten versuchen, die Leute zu unterhalten für Geld. Wir haben einfach Spaß an dem, was auf der Bühne so abgeht und wenn das den Leuten gefällt, dann sehe ich das nicht so, dass wir da irgendwas verkehrt machen!
Sakepharus: Wenn ich mich von der heutigen kommerziellen Welt lossagen wollte, würde ich keine Musik machen, sondern nach Nepal ins Kloster ziehen. Und wovon sollen wir den Menschen ein falsches Bild machen? Die Welt ist nun mal materialistisch und verlogen- das ist ne Tatsache. Was sollen wir jetzt machen? In den Keller gehen und darüber jammern? Ich ertrage das einfach besser mit einem Bier in der Hand und einem blöden Spruch auf den Lippen. So einfach ist das. Und wer schlau ist, macht’s genauso.
Fragor: Bitte formulieren sie die Frage anders… J
Marquis: The show that we make on stage is who we are. In „real life“ we are just the same. We are not trying to present the audience with a picture of us which isnt real, its just us.

Sind Fans von mittelalterlicher Musik anders als andere? Wenn ja, inwiefern?
Dextro: Ich glaube Fans jeder Musikrichtung sind gleich, sie lieben ihre Band und sie lieben ihre Musik, jeder auf seine Art, und auch in diesem Interview spreche ich es aus und meine es auch so: Wir haben die besten Fans.
DesDem: Nein, Fans sind in jeder Hinsicht treue und teure Wegbegleiter einer jeden Band und einer jeden Musikrichtung. Sie lieben es am Bandgeschehen teilzuhaben, sie unterstützen ihre Band und ohne sie hätte keine Band Erfolg.
Luzi: Nein. Sie haben Spaß an der Musik und feiern mir den Musikern zusammen eine große Party. Das ist wohl bei jeder Band so…
Rimsbold: Nein. Fans sind Fans. Die Interessen, die sie verfolgen sind anders, klar, aber ansonsten sind sie Fans von Bands, besuchen Konzerte, kaufen CDs und hören die Musik!
Sakepharus: Ich denke, dass es für Fans mittelalterlicher Musik eine große Rolle spielt, sich eben nicht dem kommerziellen Mainstreamgedudel zu unterwerfen, sondern ganz bewusst anders zu sein und andere Musik zu hören. Dadurch sind viele natürlich auch sehr misstrauisch, wenn man anfängt, „ihrer“ Musik moderne (Mainstream-) Elemente hinzuzufügen.
Fragor: Nö.. Fans sind alle gleich verrückt J
Marquis: I think fans of medieval music are fun loving and open. They want to have a good time, and have no problems showing this. Everyone enjoys music in there own way, our fans do this by dancing, singing, and generally just having a fucking great time.
Johannes: Mmh… schwere Frage. Aus meinen Erfahrungen in Metal – Bands kann ich sagen, dass viele Metal – Fans sich sehr ernst nehmen und oft unter „Spass“ Dinge verstehen, die mit dem „Spass“ auf einem Schelmish – Konzert nichts zu tun haben. Das macht sie sicher anders, ohne, dass ich da jetzt irgendwie werten möchte…

Wie wichtig ist euch der Kontakt zu euren Fans?
Dextro: Absolute Priorität. Die Fans lassen Dich Deinen Traum leben und begleiten Dich und haben es überhaupt möglich gemacht, auf einer Bühne zu stehen.
Luzi: Sehr wichtig
Rimsbold: Fan Kontakt ist sehr wichtig für uns. Es gibt einfach nichts besseres für Musiker, als die Bestätigung für die Musik zu bekommen. Das geht von den Fans aus und ich freue mich immer sehr, mit Leuten reden zu können, die unsere Musik gut finden und sogar deswegen lange Strecken hinter sich lassen, nur um uns zu sehen. Die haben mindestens genauso viel Respekt verdient, wie die Musiker selber.
Sakepharus: Das Wichtigste überhaupt. Wenn der verloren geht, kannst du dichtmachen, denn dann machst du es nur noch für die Kohle. Und das ist zuwenig.
Fragor: Sehr wichtig… Ich halte es für wichtig, Kontakt mit den Fans zu haben. Man selber bleibt auf dem Teppich und die Fans freuen sich, wenn sie nach dem Konzert noch ein Autogramm bekommen und mal ein bisschen mit einem quatschen können.
Marquis: Very very important. Without our fans, where would we be?
Johannes: Extrem wichtig.

Früher gab es weder Handys, noch Internet oder MP3. Bringen diese neuen Möglichkeiten wie z.B. mehr Menschen weltweit mit eurer Musik zu erreichen für euch mehr Vor- oder Nachteile mit sich? Und ist sie überhaupt vereinbar mit eurem Spielmannsdasein?
Luzi: Es ist mit der Zeit auf jeden Fall einfacher geworden den Leuten seine Musik näher zu bringen. Wo früher Lieder von Spielmann zu Spielmann weitergegeben wurden, geben Cds oder das Internet viel mehr Möglichkeiten seine Werke unter die Leute zu bringen.
DesDem: Diese Medien bringen in unserer heutigen modernen Zeit auf jeden Fall den Vorteile, dass sie die Verbreitung der Musik beschleunigen und einer größeren Menge von Menschen in kürzerer Zeit die Musik zugänglich machen.
Rimsbold: Ich finde es gut, dass es so was gibt. Ich könnte auch nicht mehr ohne. Ich meine, nur weil wir ein gewisses Image verfolgen, heisst das nicht, dass wir unbedingt auf diverse Medien verzichten können. Ich meine, wir selber benutzen diese Sachen Tag für Tag und müssen das auch tun für CD Aufnahmen. Wir leben nun mal nicht im Mittelalter. Und wenn so was durch das Netz zum Beispiel geht, dann ist das auch ein Vorteil für uns, denn so können wir ja auch mehr Leute erreichen
Sakepharus: Letzten Endes bleibt es sich wohl gleich. Es ist zwar wesentlich einfacher geworden, eine Masse Leute zu erreichen, andererseits ist die Zahl der Angebote dadurch so explodiert, dass ich manchmal gerne wieder auf dem Baum hocken und herrlich ahnungslos ne Banane mit Schale fressen würde. Wir können nun mal aber nicht in die Steinzeit zurück, also müssen wir dieses Chaos wohl mit unserem Spielmannsdasein vereinen.
Fragor: Toll ists natürlich nicht, dass sich Leute die Musik ausm Netz ziehen… aber kann man ja nicht wirklich was gegen tun… und da wir ja nicht mehr im Mittelalter leben und selber so Teufelszeug wie Handy, Internet und sogar Toaster nutzen, muss es ja wohl super mit dem Spielmannsdasein vereinbar sein…
Johannes: Eigentlich überwiegen doch eindeutig die Vorteile. Die Möglichkeit, sich mitzuteilen wenn man das möchte und seine Musik zu verteilen ist doch unglaublich, oder? Die wenigen Nachteile, die zum Beispiel durch Tauschbörsen oder ähnliches entstehen, muss ich dabei hinnehmen. Wobei es ja auch oft so ist, dass diese für mich wirtschaftlich nachteiligen Sachen sich dann doch wieder als gut herausstellen, denn viele Leute, die einzelne Tracks aus dem Netz laden, kaufen anschließend CDs oder kommen zu Konzerten. Damit sind Tauschbörsen und ähnliches sicher eine gute Art der Werbung. Nachteile haben doch nur die Leute, die auf die Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit ihrer „Produkte“ bauen und durch jede nicht genehmigte Kopie was verlieren, denn diese Massenware wird sicher nicht anschließend gekauft… bis ich sie kaufen würde, ist sie schon wieder verschwunden.

Wortspiel (das erste, was euch zu folgenden Begriffen in den Sinn kommt):
Dextro: Da will der Interviewer wohl ein Statement! Bekommt er aber nicht ;)

Corvus Corax – professionelle Kollegen, die ihren eigenen Weg gehen
Schandmaul – professionelle Kollegen, die ihren eigenen Weg gehen
In Extremo – professionelle Kollegen, die ihren eigenen Weg gehen
Subway to Sally – professionelle Kollegen, die ihren eigenen Weg gehen
Spielmänner und Spielmannsleben – hart, aber schön
Tradition oder Fortschritt – gehört beides zusammen
Plugged oder unplugged – lieber plugged
Tokio Hotel – kennen wir nicht, also keine Aussage

Geschrieben am von Metal1.info

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