SCHÄDLICH & SÖHNE ist das neue Projekt von Yantit (Eisregen, Ewigheim, Goatfuneral) und dem Sänger Guido Meyer De Voltaire (ex-Bethlehem, Ardvaarks, Aach & Kraach). Vor kurzem hat das Kollektiv mit seinem Debüt „Zweckpessimismus“ erstmals den Giftschrank geöffnet und damit ziemlich Eindruck hinterlassen. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns mit den beiden Giftmischern über ihre Kollaboration, die Welt am Abgrund und die Notwendigkeit von Zweckzynismus zu unterhalten.
SCHÄDLICH & SÖHNE kamen gefühlt aus dem Nichts. Erzählt doch mal wie es zur Gründung des Projektes kam
Yantit: Es stimmt, ich habe in den vergangenen Jahren sehr viel Musik gemacht, einfach für mich und ohne Hintergedanken an ein Album oder gar an eine „neue“ Band. Irgendwann ist mir dann beim Durchhören aufgefallen, dass es dabei so eine Art „roten Faden“ gibt, der alles zusammenhält und da hat es „klick“ gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits fast die komplette zweite Hälfte von „Zweckpessimismus“. Der Rest war dann eher Feinabstimmung und hat sich ergeben, als ich mir Gedanken darüber gemacht habe, welche Art von Stücke es noch gebrauchen könnte, um aus dem Ganzen ein „rundes“ Album zu machen und eben das Textkonzept. Danach kam dann Guido ins Spiel.
Guido: Als Yantits Mail Anfrage kam, hatten wir erstmal ausgiebig telefoniert. Da war ich schon neugierig. Als er mir dann die ersten vier Songs geschickt hatte, war mir klar, dass ich sowohl mit den Songs als auch mit den Texten sehr gut klarkam. Überraschend gut. Ich habe dann schnell die ersten Gesangsversuche aufgenommen und da das Yantit gefallen hat, haben wir dann schnell ein Deckel drauf gemacht und gesagt los geht’s. Album wird gemacht. Wichtig war für mich, dass wir keinerlei Zeit- und Termindruck hatten, um mit der nötigen Akribie an die Songs zu gehen. Die waren so unterschiedlich, dass jeder eine eigene Herangehensweise benötigt. Da das sowohl von Yantits Seite als auch erfreulicherweise von Massacre kein Problem war, war das Projekt schnell in trockenen Tüchern.

Nun seid ihr beide ja keine Unbekannten. Guido, du hast die „Alexanderwelt“-Trilogie für Bethlehem besungen und Yantit, dich kennt man vor allem als Songwriter bei Eisregen und Ewigheim. Wie hat euer musikalischer Hintergrund die Entstehung von „Zweckpessimismus“ beeinflusst?
Yantit: Das mit dem eigenen Hintergrund als „Einfluss“ ist so eine Sache. Als musizierender/Texte schreibender Mensch kommt man ja „nicht aus seiner Haut“ und am Ende klingt man dadurch logischerweise auch immer nach „sich selbst“. Bei SCHÄDLICH & SÖHNE war es aber tatsächlich eher andersherum, da hab ich ganz bewusst versucht Dinge (Akkordfolgen, Songstrukturen oder Skalen) auszuprobieren, die es bei meinen anderen Bands bislang nicht gab. Mein größter Einfluss sind aber schon seit Ewigkeiten und bei fast allem was ich mache Bethlehem. Dabei spielt dann auch Guido schon immer eine wesentliche Rolle und der Kreis schließt sich.
Guido: Es war natürlich schön zu hören, dass meine Stimme Yantit von Anfang an zum Schreiben dieser Songs inspiriert hat. Aber ich habe schnell festgestellt, dass das wirklich so weit ging, dass es sowohl von der Lage als auch der Phrasierung her genau gepasst hat. Egal ob Klargesang, Growls, Screams oder Chöre. Alles hat sich gefügt. Da ich, was meine Hörgewohnheiten angeht einen extrem weit gefächerten musikalischen Hintergrund habe, kann ich nie vorhersagen, welcher Einfluss davon letztendlich in einem Song landet. Umso schöner, wenn man wie hier die Freiheit hat, alle Spektren auszuschöpfen.

Wie lange habt ihr an „Zweckpessimismus“ gearbeitet? Gab es besonders schöne, oder besonders schwierige Momente während des Entstehungsprozesses an die ihr euch erinnert?
Yantit: Die ersten Ideen/Aufnahmen stammen von 2018, damals aber noch nicht vor dem Hintergrund eines Albums oder gar einer neuen Band. Im März 2023 hatte ich dann die Musik und alle Texte fertig. Von da an hat Guido ziemlich genau ein Jahr lang am Gesang gearbeitet und ihn auch selbst aufgenommen. Im Frühjahr diesen Jahres sind wir dann zu Markus ins Studio E, er hat den Bass eingespielt und sich um den Mix und das Master gekümmert.
Guido: Zwei Momente in der Entstehung des Gesangs sind mir sehr in Erinnerung geblieben. Als der Nachzüglersong »Schädlich & Söhne« in meinem Postfach landete und ich diesen intoniert hatte, war für mich klar, dass dieser Song – der ja eigentlich nur als eventueller Bonustitel gedacht war – die Essenz des Albums so, wie ich es empfunden habe, perfekt wiedergibt. Zum Glück hat Yantit das dann genauso gesehen (lacht). Der zweite war, als ich mich anfangs recht mühevoll durch den Drei-Song-Moloch gearbeitet hatte und die Vocals für »St. Nimmerlein« eingesungen beziehungsweise -gesprochen hatte. Der Songtext ist so herrlich abgründig, das spüre ich heute noch bei jedem Hören.
Es ist für euch beide nicht das erste Mal dass ihr mit Markus Stock als Produzent zusammengearbeitet habt. Er hat auch den Bass auf „Zweckpessimismus“ beigesteuert. Was schätzt ihr an ihm als Produzent und Musiker?
Yantit: Markus ist (sowohl als Produzent, als auch als Instrumentalist) einer der begabtesten und leidenschaftlichsten Menschen, die ich kenne. Er macht alles aus dem „Bauch heraus“ und ich denke, das hört man auch. Ein zweiter, wichtiger Punkt ist, dass der Bass für Markus im Mix immer eine sehr wichtige Rolle spielt. Da ist es praktisch, wenn er sich beim Einspielen auch gleich den Sound sucht, den er sich am Ende für den Mix vorstellt. Außerdem ist er schon sehr lange ein enger Freund und es ist immer schön, ein paar Tage mit ihm zu verbringen.
Guido: Für mich ist es ja nun das vierte Album, das ich mit Markus aufgenommen beziehungsweise produziert habe. Er hat sowohl als Musiker als auch als Engineer ein immenses Wissen. Dazu kommt, dass er ein absoluter Ruhepol in der Zusammenarbeit ist und auch als Producer immer wieder gute Ideen hat einen Song zu inszenieren oder nach vorne zu bringen. Von daher war es für mich noch ein Grund mehr bei diesem Projekt mitzumachen, als ich gehört hatte, dass Markus das Album produzieren wird.

Aus Eurem Pressetext geht hervor, dass Markus auch zum regulären Line-up gehört. Bei der Promo zum Album tauchte er allerdings nicht auf. Wieso nicht?
Yantit: Keine Ahnung, darüber haben wir uns ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht (lacht). Wenn wir im Studio sind und er den Bass einspielt, ist er ja zwangsläufig auch ein Teil der Band. Andererseits geht es darum wie er spielt und nicht was. Auf den Demos habe ich den Bass programmiert und er spielt ihn dann „in natura“ ein. Weiteren Einfluss auf die Kompositionen hatte er nicht und auch im Vorfeld nichts mit der Entstehung der Musik zu tun.
Die Texte auf eurem Debüt beleuchten Themen wie das Sterben, die Ironie des Lebens, Sinnsuche, aber sie persiflieren auch hier und da den Nihilismus. Habt ihr euch bei den Texten aufgeteilt oder stammen alle aus einer Feder?
Yantit: Die Texte sind von mir, Guido hatte allerdings sowohl inhaltlich als auch bei den Wiederholungen und Phrasierungen immer die Freiheit bestimmte Dinge nach seinen Vorstellungen zu ändern. Das hat er dann auch des Öfteren, insbesondere bei den Phrasierungen.
Wenn man will, kann man „Zweckpessimismus“ durchaus auch als zynischen Kommentar auf die Gesellschaft begreifen. Gerade Texte in deutscher Sprache können schnell fehlinterpretiert werden. Welche Botschaft wollt ihr ganz persönlich mit Eurem ersten Album dem Hörer mitgeben?
Yantit: Das mit dem zynischen Kommentar auf die Gesellschaft hätte man kaum treffender formulieren können! Vor allem sehe ich es aber als Statement gegen die glattgebügelte und von Inhalten befreite „Kunst“ der heutigen Zeit. Von daher geht es auch nicht darum, dass etwas falsch interpretiert werden könnte, sondern darum, dem Hörer überhaupt die Möglichkeit zur Interpretation zu geben. Kunst ist etwas, mit dem man sich beschäftigen muss und nichts, von dem man sich 30 Sekunden lang bei Spotify berieseln lässt. Und ja, Kunst darf auch mal weh tun! Da sind wir dann auch bei der Botschaft – es gibt keine. Dafür können sich die Leute mit eigenen Erkenntnissen und Gedanken belohnen. Kunst eben.
Guido: Nun fiel die Entstehung dieses Albums ja genau in eine Zeit, in der zunehmend die AI Einzug in die Komposition – gefühlt auch im Metalsektor – gehalten hat. Was wir hier zusammengebraut haben, würde ich als Gegenentwurf dazu bezeichnen. »Zweckpessimismus« ist durch und durch aus Gefühl geboren und nicht aus Blaupausen und Kalkül.

„Zweckpessimismus“ hält sich (zumindest für mein Verständnis) sehr zurück, wenn es um politische Standpunkte geht. Damit steht das Album durchaus im Gegensatz zum letzten Eisregen-Output „Abart“. Wie steht ihr zu politischen Statements in der Musik, sowohl in Bezug auf SCHÄDLICH & SÖHNE, als auch ganz allgemein?
Yantit: Absolut und im Gegenteil, wir haben sogar ganz bewusst darauf geachtet, dass wir uns bei SCHÄDLICH & SÖHNE so unmissverständlich wie möglich ausdrücken. Es geht hier nicht ums „Tagesgeschäft von 2024“, sondern um (etwas sehr Persönliches), das mit der menschlichen Psyche zu tun hat. Etwas, das es schon immer gab und das es wohl geben wird, solange es Menschen gibt. Bei Eisregen geht es um andere Dinge und natürlich kann man darüber auch geteilter Meinung sein oder nur eine zu lassen. Aber (siehe auch die Sache mit der Kunst, in der vorhergehenden Frage), wir haben unsere und dafür lassen wir uns weder vor irgendeinen Karren spannen, noch in eine bestimmte Ecke stellen. Das haben wir in der Vergangenheit, zum Beispiel bei einem Bonusstück von „Leichenlager“, so gehalten und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Auch nicht auf die Gefahr hin, dafür Prügel oder Beifall von den „billigen Plätzen“ zu bekommen. Und da sind wir wieder bei SCHÄDLICH & SÖHNE, wenn ich im Titelstück schreibe: „… Schädlich und Söhne – aus einer anderen Zeit, hier kauft man Glück und sein Totenkleid, das schmerzhaft zu tragen, doch würdevoll zugleich, nicht mehr als des Menschen Vergänglichkeit zeigt“, meine ich damit, dass man sein Glück suchen soll, solange man es noch kann und vor allem ohne dabei seine Würde zu verlieren. Für mich ist das selbstverständlich, aber ich denke, viele Menschen haben es verlernt. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sie meinen sich mit einem „like“ oder einem „dislike“ für etwas entscheiden zu müssen, anstatt sich Gedanken über sich selbst zu machen oder sich auch mal selbst infrage zu stellen. Aber so „einfach“ ist es nicht und vor allem will ich kein Teil davon sein.
Guido: Wenn man heutzutage von »politischer Korrektheit« schreibt, meint man ja oft eher gesellschaftlich akzeptierte Meinungen und Aussagen. Oft hat das mit eigentlicher Politik gar nichts zu tun. Auch wenn ich für die Texte nur zu einem kleinen Teil verantwortlich bin, kann ich sagen, dass sie aufgrund des extrem persönlichen Bezugs zu Yantits Vita nicht zeitgebunden sind und somit auch nicht zeitgeistgebunden. Statements und Botschaften wären hier völlig fehl am Platz. Kontrovers ist der ein oder andere Song dennoch und wird auch anecken. Das finde ich aber völlig in Ordnung. Grob vereinfacht: wenn man ein Death- Metal-Album schreibt, wäre es ja auch etwas heuchlerisch sich zu beschweren, dass die Songs nicht im bei 1Live in der Heavy Rotation laufen. Alles hat Konsequenzen. Künstlerische Entscheidungen hatten das schon immer. Sobald man beginnt, diese Entscheidung aufgrund einer insbesondere kommerziellen oder populären Zielrichtung zu fällen, beginnt man das Ergebnis zu verwässern.
Kommen wir nochmal zurück zur Musik. „Zweckpessimismus“ ist stilistisch sehr breit aufgestellt. Der Gothic-Liebhaber wird von Euch genauso bedient wie Freunde elektronischer Musik und des Black Metals. Was oder wer hat euch beim Schreiben musikalisch beeinflusst?
Yantit: Wie ich eingangs schon gesagt habe, es ging eher darum, Dinge auszuprobieren, die ich so oder besser gesagt, so extrem noch nicht gemacht habe. Dabei war vor allem der Kontrast spannend. „Tanz!“, ist ein gutes Beispiel, es startet fast komplett elektronisch und wandelt sich zum Ende hin zu einer sehr gradlinigen Rock-Nummer. Oder eben „Katze Fröhlich“ und „Mit den Augen eines Toten“. Beide Titel sind sehr reduziert, was sie dann im Verhältnis zu den harten Stücken wie „St. Nimmerlein“ nur noch spannender macht. Eigentlich ist diese stilistische Vielfalt auch genau das, was ich mir beim Hören fremder Musik selbst wünsche beziehungsweise das, was ich an Bands wie Type O Negative der Bethlehem schon immer mochte. Es darf am Ende halt nicht zusammengewürfelt oder gewollt klingen, aber ich denke, dass haben wir ganz gut hinbekommen.
Guido: Da für mich die Hauptaufgabe der Musik schon immer das Auslösen und Verstärken von Emotionen jedweder Art war, stellte sich bei mir in jedem Song die Frage, wie inszeniere ich die Atmosphäre, die Text und Musik hergeben durch meinen Gesang. Beim Hören des Albums wird einem schnell klar, dass man hier bei fast jedem Song neu ansetzen musste. Das kostet viel Zeit, führt aber zu einem zumindest für mich sehr befriedigenden Ergebnis. Dass wir unter dem weiten Mantel des »Dark Metal« eine große, stilistische Bandbreite zur Verfügung hatten, hat natürlich geholfen.

Welchen Song des Albums würdet ihr jemandem empfehlen, der weder euch, noch euer Wirken kennt, dem Interessenten aber auf den Punkt zeigt, was „Zweckpessimismus“ ausmacht?
Guido: Für mich ganz klar der Titel- und Einstiegstrack »Schädlich & Söhne«. Der öffnet auf wunderbare Weise den Giftschrank, der dieses Album geworden ist. Er fängt dich sanft ein und führt dich durch die schönen Abgründe.
Ich meine in einem Social Media Thread gelesen zu haben, dass ihr Stand jetzt, nicht vorhabt SCHÄDLICH & SÖHNE auf die Bühne zu bringen. Warum nicht?
Guido: Dieses Gewitter der unterschiedlichsten Gesangstile, Chöre und Überlagerungen adäquat auf die Bühne zu bringen wäre doch eine ziemliche Mammutaufgabe und ginge nicht ohne Harddiscbackings. Ob jemals Zeit und Geld dafür da sind, um das in einer qualitativ hochwertigen Form auf die Bühne zu bringen, ist nicht unmöglich aber unwahrscheinlich.

Wie stehen die Chancen auf ein weiteres Album von SCHÄDLICH & SÖHNE?
Yantit: Die stehen gut, wir haben schon ein paar grundsätzlich Dinge besprochen und ich habe auch schon die ersten konkreten Ideen/Themen aufgenommen.
Guido: Und ich freu’ mich darauf.
Nun noch das abschließende M1 Brainstorming:
Optimismus heute:
Yantit: Leider Fehlanzeige – dafür Krieg, Egoismus, SUVs, gescheiterte „Politik“, der asozialste Kapitalismus aller Zeiten und Plastikmüll so weit das Auge reicht.
Guido: Ich bin optimistisch-zynischer Sarkast und die Hoffnung stirbt zuletzt.
Spotify:
Yantit: Siehe „Optimismus“, also die Sache mit dem Plastikmüll. Aber es passt in die Zeit und wird dazu führen, dass die Menschen irgendwann vergessen haben, was ein Album ist. So wie bei Amazon, man bestellt sich zehn Teile und neun davon landen im Müll. Gefallen muss es einem nicht. Hauptsache so viel wie möglich und Hauptsache günstig.
Guido: Ich bin ja schon ein Freund digitaler Musik, aber insbesondere Spotify ist der Feind des Musikers.
Björn Höcke:
Guido: Germany’s Next Goebbels. Ich hoffe auf seine Rente und bis dahin möglichst wenig Macht.
Eure Henkersmahlzeit:
Yantit: Vegetarisch und am besten selbst gesammelt und selbst gekocht.
Guido: Chicharrón con Arroz frito y Llajua
Schädlich & Söhne in zehn Jahren:
Yantit: Anfang, Mitte 60 und hoffentlich um drei Alben reicher.
Guido: Dem schließe ich mich – und zwar an.
Dieses Interview wurde im letzten Jahr vor Kenntnis der Verschiebung des Album-Releases geführt. Deshalb bilden die Fragen den Stand aus dem Oktober 2024 ab. Lest HIER noch einmal unser Review zum Album „Zweckpessimismus“ aus dem letzten Jahr.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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