Seit bald 40 Jahren prägt Sakis Tolis mit seinen Bands ROTTING CHRIST und THOU ART LORD die Metal-Szene. Mit „Among The Fires Of Hell“ hat er nun erstmalig ein Soloalbum unter eigenem Namen veröffentlicht. Wie es dazu kam, was ihn bei Rotting Christ einschränkt und wie es dazu kam, dass er am neuen Manowar-Album mitwirkt, berichtete uns der sympathische Grieche auf dem Wolfszeit Festival im Interview.
Du bist gerade aus Amerika zurückgekommen, wo ihr mit Rotting Christ eine Show gespielt habt. Wie wars, was für Erinnerungen nimmst du aus Amerika mit?
Ja, wir sind aus Dänemark nach Las Vegas geflogen und haben dort noch am gleichen Tag gespielt. Wobei das aufgrund der Zeitverschiebung gut für uns war. Ich mag Amerika, es ist eine andere Welt. Es sind wieder ganz andere Fans – aber die Distanzen dort sind enorm, man fliegt so lang! Aber als ROTTING CHRIST spielen wir auf der ganzen Welt, überall, wo es Metalheads gibt. Jetzt sind wir wieder in Deutschland – das Wolfszeit ist aber das letzte Festival für diesen Sommer.
Zuvor hast du auch schon in Deutschland, aber nicht mit ROTTING CHRIST, sondern um mit Manowar an deren neuem Album zu arbeiten. Was war dabei deine Rolle, und was für eine Erfahrung war es, mit einer so großen Band zusammenzuarbeiten?
Ich übersetzte einige Texte ins Altgriechische. Ich war für dieses Projekt viele Wochen mit Manowar zusammen – das war natürlich eine großartige Erfahrung für mich, weil ich selbst auch Manowar-Fan bin. Es war schon spannend, dabei gewesen zu sein und jetzt auch Teil des nächsten Manowar-Albums zu sein.
Hast du Altgriechisch in der Schule gelernt? Es ist ja eine ziemlich andere Sprache als Neugriechisch, die längst nicht jeder Grieche beherrscht?
Ja, genau. In der Schule … aber ich lerne generell sehr gerne Sprachen. Ich kann viele Sprachen. Nicht so, dass ich sie wirklich sprechen könnte, aber kleine Schnipsel: „Ein bisschen ich spreche Deutsch, aber nur ein bisschen“ Wir touren viel, und wenn du beispielsweise in Südamerika bist, musst du ein paar Wörter sprechen können: Niemand kann da Englisch, also spreche ich auch ein wenig Spanisch. Mich interessieren aber auch generell verschiedene Kulturen und lerne gern etwas darüber.
Wussten Manowar, dass Altgriechisch eine andere Sprache ist als Neugriechisch?
Nein, das wussten sie nicht. Das hat Joey ziemlich umgehauen, dass man das nicht einfach so ins Altgriechische übersetzen kann, dass es da einen Unterschied gibt. (lacht)
Du hast zuvor schon an einem Track von ihnen zu Homers „Odyssee“ gearbeitet, den sie für eine Show in Griechenland produziert haben. Wie kam diese ganze Kooperation zustande?
Ich kenne viele Leute, und einer meiner Freunde hat mir dann erzählt, dass Manowar etwas ins Altgriechische übersetzt haben wollen – und ich kann Altgriechisch. Also habe ich gesagt: Das wird sicher eine spaßige Angelegenheit, ich mach das! Es war viel Arbeit, und ich habe noch Hilfe von ein paar Freunden bekommen. Aber es hat einfach Spaß gemacht. Die Jungs sind supernett, es lief einfach gut. Und am Ende hat es sich für mich schon darum gelohnt, weil ich mal miterleben konnte, wie so große Bands arbeiten. Das ist schon etwas anderes als unsere Arbeitsweise.
Was genau ist da der Unterschied – und was hast du für dich persönlich daraus mitgenommen?
Dass sie sehr langsam, aber sehr professionell arbeiten – das können wir so gar nicht umsetzen, weil du als Band unserer Größe nicht das Budget dafür hast. Aber was ich auch gesehen habe, ist, dass sie immer noch für die Sache brennen. Auch die großen Bands haben noch Leidenschaft. Es geht nicht nur ums Geld. Ich meine, warum solltest du das alles noch machen, wenn du 70 Jahre alt bist? Du tust es, weil du liebst, was du tust. Das war eine gute Lehrstunde für mich, all das wirklich bis zum Ende weiter zu machen. Das war für mich sehr wichtig.
Und, aus Fan-Perspektive – sind Manowar heute noch Manowar?
Ja! So verrückt es sein mag, aber es sind immernoch Manowar! Ja. Eigentlich sind sie wie eine Underground-Band, die zufällig sehr berühmt ist. Sie sind extrem fannah. Das ist zumindest der Eindruck, den ich bekommen habe. Was wirklich abgeht, weiß ich natürlich nicht, aber das ist, wie ich es empfunden habe.
Lass uns nun über deine eigene Musik sprechen – du hast ein Soloalbum geschrieben und digital veröffentlicht – was war die Idee dahinter, die Musik einfach online verfügbar zu machen? Season Of Mist hätten das Album doch sicher mit Handkuss genommen …
Ja, sicher … aber ich wollte das alleine machen. Ich hab die Schnauze voll von Labels, Verträgen und so weiter. Ich hatte Zeit übrig, habe Musik geschrieben und alles selbst aufgenommen … und dann habe ich es online gestellt. Gratis, einfach zum Anhören. Darum geht es doch beim Musik machen. Ich habe mich gefühlt wie in meinen Jugendtagen, als ich eine Band gegründet habe, ohne Visionen und Verträge, die es zu erfüllen gab. Ich wollte einfach Musik machen, den Leuten etwas anbieten – gerade in diesen Zeiten. Die Welt steckt wirklich tief in einer Krise – wenn du dann auch noch alles nur fürs Geld machst … das ist nicht mein Ding. Ich habe noch dieses Underground-Mindset. Ich hab das Album einfach nur gemacht, weil ich es machen wollte.
Die Metal-Fans hängen allerdings sehr an physischen Tonträgern – jetzt ist es zumindest als LP erschienen. Wie kam es dazu
Nach einem Jahr habe ich gesagt: OK, lasst uns auch eine physische Version machen. Für mich als Musiker ist es nicht wichtig, ob es das Album auch physisch gibt. Ich wollte einfach nicht mit all dem Drumherum konfrontiert sein, Labels, Verträgen … ich wollte da einfach frei sein, wie ich es früher war. Aber ich weiß, dass es für die Fans wichtig ist – viele Leute wollen einfach etwas in der Hand halten. Also habe ich zugestimmt. Als Fan ist mir das auch wichtig: Wenn ich ein Album physisch habe, habe ich das Gefühl, dass es mir gehört, dass ich es habe. Ich sammle seit 1987 Schallplatten!
Wird auch eine CD noch folgen?
Vielleicht kommt auch noch eine CD, aber das ist mir eigentlich egal.
Dass du das Album auf diesem Wege herausgebracht hast, hatte auch zur Folge, dass es quasi keine Promotion gab – wenn ich nicht irre, ist das hier das erste Interview, das du dazu gibst …
Nein, es gab keine Promotion. Genau. Und ich wollte auch keine. Ich will auch keine Band SAKIS TOLIS, die um die Welt tourt. Es ist einfach ein Projekt, mit Musik, die ich veröffentlicht habe. Wenn es dir gefällt, wenn ich dir damit helfen kann, in diesen verrückten Zeiten eine gute Zeit zu haben, bin ich glücklich.
Gibt es trotzdem Pläne, die Musik live umzusetzen?
Ja … sie haben mir angeboten, nächstes Jahr das Inferno Festival in Norwegen zu spielen. Ich weiß nicht recht. (lacht) Ich habe ja gesagt. Weil ich immer ja sage. (lacht) Das Problem ist, dass ich gar nicht weiß, ob irgendwer einfach nur SAKIS TOLIS sehen will. Vielleicht probiere ich es mal mit ein, zwei Shows, um zu schauen, wie es funktioniert. Und wenn es funktioniert, mache ich vielleicht auch weiter.
Wirst du das dann mit den Jungs von ROTTING CHRIST umsetzen?
Nein, nein. Ich würde mit anderen Musikern auftreten. Ich habe ja schon für viele Bands Songs geschrieben, für ROTTING CHRIST, THOU ART LORD und so weiter. Ich würde vermutlich, was das Personal angeht, aus diesen Bands ein „Best Of“ zusammenstellen. Aber wer genau das sein wird … ich habe noch keine Ahnung! Diesen Sommer war ich bisher extrem beschäftigt mit ROTTING CHRIST, ich habe über 20 Festivals gespielt, und auch sonst war es ein sehr arbeitsreiches Jahr – insofern hatte ich noch keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen und das zu entscheiden. Jetzt, nach dieser Show hier, habe ich dafür endlich Zeit – dann wird sich das auch klären.
Musikalisch ist das Album nicht weit von ROTTING CHRIST entfernt. Wie bist du beim Songwriting vorgegangen, wie hast du entschieden, welche Riffs sich für SAKIS TOLIS und welche für ROTTING CHRIST eignen?
Ich habe gar nichts entschieden. Ich habe gesagt: OK, ich habe zehn Songs, hört sie euch an. Das war es. Ich hatte während der Pandemie viel Musik geschrieben … ich habe immer noch etwa 20 Songs für ein neues ROTTING-CHRIST-Album fertig. Und hatte eben noch zehn weitere. Also habe ich die atmosphärischen Songs im Midtempo genommen, und als Album veröffentlicht. Ein paar waren eher für ROTTING CHRIST geeignet, die habe ich natürlich aussortiert. Aber ich habe einfach viele Songs, ich komponiere gerne. Und alles, was nicht zu ROTTING CHRIST gepasst hat, kam auf dieses Album.
Aber die Songs sind nicht grundsätzlich anders entstanden, du hast für SAKIS TOLIS nicht anders gearbeitet als sonst?
Nein, die Songs entstehen einfach ganz natürlich. Genau so, wie das bei ROTTING-CHRIST-Songs auch ist.
Du hast schon angesprochen, dass die Songs ein gemäßigteres Tempo haben – ansonsten unterscheiden sie sich aber auch nicht komplett von ROTTING CHRIST. Wie würdest du aus deiner Warte beschreiben, worin der Unterschied zwischen beiden Projekten liegt?
Der Unterschied ist, dass hier alle Songs im Mid-Tempo gehalten sind, ein wenig wie in der mittleren Schaffensphase von ROTTING CHRIST, in den 1990er-Jahren … „A Dead Poem“, „Sleep Of The Angels“ … diese Alben meine ich. Die Songs sind sehr atmosphärisch und auch eher kurz. Das ist ein Hauptunterschied Unterschied zu ROTTING CHRIST. Kurze Songs, sehr Gitarrenlastig, viel Atmosphäre.
Trotzdem ist es noch relativ nah an ROTTING CHRIST. Viele Musiker versuchen, bei einem Soloprojekt mal ganz neue Pfade einzuschlagen, Nergal (Behemoth) beispielsweise mit seinem Country-Blues-Projekt Me And That Man. Würde dich das auch mal reizen, komplett andere Musik zu schreiben?
Das habe ich auch schon gemacht. Ich habe Musik für Soundtracks geschrieben, Rock-Musik geschrieben … Die Sache ist die: Den Namen SAKIS TOLIS verbindet man mit dem Mann hinter ROTTING CHRIST, für diese Art von Musik bin ich bekannt. Ich wollte etwas von dem Vibe der mittleren Schaffensphase zurückbringen, der bei ROTTING CHRIST verloren ist: Die Band ist längst auf einem anderen Pfad unterwegs. Es wäre sehr schwer, mit ROTTING CHRIST nochmal dorthin zurückzukehren, heute nochmal so etwas zu machen wie wir es in den 1990ern gemacht haben. Man will ja auch nicht die Zeit zurückdrehen.
Aber würde dich reizen, mal ganz andere Musik zu schreiben?
Wenn ich die Zeit dafür habe? Ja! Ich schreibe viel Musik. Country nicht unbedingt, aber Classic-Rock … warum nicht?Mit SAKIS TOLIS kann ich das ja auch leicht machen – da muss ich mich vor niemandem rechtfertigen. Das ist meine Musik, wenn du sie hören willst, hör sie dir an. Kauf sie dir nicht. Wenn du kein Geld hast, klau sie – das ist meine Sicht auf diese Dinge, noch aus den Anfangstagen der Szene.
Was die Texte angeht – gibt es da konkrete Unterschiede zwischen SAKIS TOLIS und ROTTING CHRIST?
Ja, die Texte sind eher gefühlvoll – nicht so sehr rituell und okkult. Es geht um die Sterne und darüber, wie ich mich fühle … Alltagsthemen, sozusagen.
War es einfacher, diese Art von Texten zu schreiben?
Ja, definitiv. Es war viel weniger Arbeit. Man ist einfach freier.
Aber eigentlich wärst du mit ROTTING CHRIST ja auch frei, zu tun und zu lassen, was immer du willst – es ist deine Band. Oder fühlst du da einen gewissen Druck, bestimmten Erwartungen gerecht zu werden?
Ja. Bei ROTTING CHRIST gibt es viel Druck. Es gibt eine hohe Erwartungshaltung an ROTTING CHRIST. Ehrlichgesagt will ich gar keine Erwartungen haben – aber die Presse, die Labels, die Leute, die der Band folgen … das bedeutet schon auch Stress. An ROTTING CHRIST werden Erwartungen gestellt, leider. Natürlich spiele ich auch da die Musik, die ich mag, aber du bist trotzdem in gewisser Weise limitiert. Deshalb habe ich mit SAKIS TOLIS etwas komplett anderes gemacht.
Wirst du SAKIS TOLIS also als Soloprojekt weiterführen?
Wenn ich die Zeit dazu habe, ja. Warum nicht. Ich schreibe Musik, gebe sie den Leuten, und die freuen sich – und dann freue ich mich. Das ist der Spirit hinter diesem Projekt.
Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten. Zum Abschluss noch unser traditionelles Brainstorming:
Das letzte Album, das du dir angehört hast: Belphegors „The Devils“ – hat mir sehr gut gefallen!
Deutschland: Ich komme seit 1994 oder 1993 hierher … und ich bin immer gerne hier. Deutschland hat gute und schlechte Seiten, aber ich behalte nur die Guten in Erinnerung. Die Deutschen haben mir beigebracht, professioneller zu arbeiten. Die Bands aus dem Süden sind verdammt gut, aber haben oft Probleme mit der Professionalität und damit, wie Dinge organisiert werden. Dass man mit einem Zeitplan arbeitet, was sehr wichtig ist. Das habe ich mir aus Deutschland mitgenommen.
Dein Lieblingssong von Manowar: „Guyana (Cult Of The Damned)“!
Das Wolfszeit-Festival: Wir spielen hier zum ersten Mal, aber mir wurde auch viel Gutes über das Festival erzählt. Die Organisatoren sind tolle Leute. Wir genießen diese Hingabe an den reinen Metal-Spirit! Wir sind sogar für zwei Tage hier … wir wollten bei den Fans sein, und wir lieben die Natur, die das alles hier umgibt. Nur der verdammte Regen kann jetzt noch alles kaputtmachen …
Ein Gericht, das dich immer glücklich macht: Ich habe gesundheitliche Probleme, viel Cholisterol, also versuche ich, mich auf Tour gesund zu ernähren. Aber ich habe damit nie Erfolg. In Deutschland esse ich zum Beispiel sehr gerne Gulasch!
Dieses Interview wurde persönlich geführt.
Meintest du beim Lieblingssong vielleicht Guyana (the cult of the damned)? Diana gibt es meines Wissens nach nicht :D
Sehr aufmerksam, danke! Mit Dank an Autocorrect ausgebessert (und auf den vollen Titel ergänzt) ;)