Interview mit Vespasian von Imperium Dekadenz

Interviews werden in der Regel in der Promophase zu einem Album oder einer Tour geführt – und dann über diese Themen. Doch Alben und Shows gäbe es nicht, wären die Gesprächspartner nicht so begeisterte Instrumentalisten. In unserer Serie „Saitengespräche“ wollen wir dem Rechnung tragen – mit Interviews, die sich ganz um Instrumente, Verstärker, Effekte und andere Technik drehen. Von Gear-Nerds für Gear-Nerds – und solche, die es werden wollen.

In Teil 25 der Serie unterhalten wir uns mit Vespasian, Songwriter (und Schlagzeuger) von IMPERIUM DEKADENZ.

Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Servus! Ja, alles gut soweit. Wir leben ja alle bekanntlich gerade in seltsamen und vor allem herausfordernden Zeiten. Uns sind einige wirklich tolle Konzerte im In- und Ausland weggefallen, was natürlich sehr ärgerlich ist – aber eben auch notwendig. Hier kann man aber aus der Not eine Tugend machen. In meinem konkreten Fall heißt das, dass ich längst überfällige, kleinere Renovierungsarbeiten in meiner Wohnung vorgenommen habe und ich mich voll ins Songwriting gestürzt habe. Paradoxerweise sind die aktuellen Umstände sehr förderlich für das kreative Arbeiten.

Wann hast du angefangen, Gitarre zu spielen?
So richtig ernsthaft habe ich um das Jahr 2000 begonnen mich mit der Gitarre zu beschäftigen. Ich hatte bereits einige Jahre zuvor in London eine erste Klampfe gekauft … die war allerdings dermaßen schrottig, dass ich das Projekt „Gitarrespielen lernen“ erstmal wieder ad acta gelegt hatte.

Was hat dich damals dazu gebracht, dass du Gitarre lernen willst?
Ich bin ja in den Untiefen Südbadens aufgewachsen. Mein erstes Instrument war seinerzeit das Schlagzeug. Irgendwann begann man in ersten Schülerbands zu spielen und Rock-’n’-Roll-Luft zu schnuppern. Leider waren die Musiker in meiner Gegend nicht allzu begeistert von extremeren Metalspielarten und nahmen das Musizieren auch nicht so ernst wie meine Wenigkeit. So wurde mir allmählich klar, dass ich keine andere Wahl habe, als mir selber nebst Schlagzeug auch das Gitarre- und Bassspielen beizubringen, wenn ich meine musikalischen Ideen ohne Kompromisse umgesetzt sehen möchte. Mehr noch: Ich habe zu dieser Zeit auch noch angefangen, mich mit der Welt des Recordings zu befassen. Ich habe mich sozusagen zu einer One-Man-Band fortgebildet. (lacht) Die Voraussetzungen, um ernsthaft Musik zu machen, waren wirklich mehr als bescheiden in dieser Gegend. Da ich mich aber schon immer für verschiedenste Instrumente und auch den Aufnahmeprozess interessiert habe, war das alles nicht lästig – im Gegenteil: Die ersten Akkorde unfallfrei aufs Griffbrett zu bekommen und erste Demos zu recorden – das war ein geniales Gefühl!

Hast du vorher schon ein anderes Instrument erlernt oder erlernen müssen?
Wie bereits erwähnt war mein erstes Instrument das Schlagzeug. Nachdem ich als Dreikäsehoch das elterliche Sofa immer zu einem Drumset umfunktioniert habe und wie von Sinnen mit den Stricknadeln meiner Mutter darauf eingeschlagen und dabei den harten Rocker gespielt habe, sahen meine Eltern keine andere Möglichkeit als ich mich in die Musikschule zu schicken. So bekam ich bald nach dem Xylophon eine erste Snaredrum und das Sofa hielt noch einige Jahre. (lacht)

Weißt du noch, welches Modell deine erste Gitarre war?
Ja, es handelt sich um eine Ibanez RG aus dem Jahre 2000. Sie ist witzigerweise bis heute meine Lieblingsgitarre und – neben anderen Gitarren – auf allen IMPERIUM-DEKADENZ-Alben zu hören.

Wie viele Gitarren besitzt du?
Ich besitze fünf E-Gitarren, vier Akustikgitarren und vier E-Bässe.

Haben die Instrumente für dich unterschiedliche Einsatzbereiche, also hast du etwa verschiedene für verschiedene Bands oder Anlässe, etwa Studio, Liveauftritte und den Urlaub?
Für IMPERIUM DEKADENZ ist meine Ibanez RG das wichtigste Instrument. Ich besitze zudem eine Ibanez RG mit 7 Saiten, die auch hier und da bei IMPERIUM DEKADENZ zum Einsatz kommt. Für mein Doom-Projekt benutze ich fast ausschließlich die 7-Saiter-Gitarre. Ich habe eine recht teure Akustikgitarre von Ibanez, die ich für Studioarbeiten benutze … wenngleich meine aktuelle Lieblingswesterngitarre die Harley Benton Custom Line CLD-1048SCE NS ist. So günstig, und so genial zu bespielen, nicht zuletzt dank der Sattelbreite von 48 mm. Gutes muss nicht immer teuer sein! Und für zünftige Jamsessions am Lagerfeuer oder Strand habe ich noch eine ganz primitive Westerngitarre von Squier. Für sämtliche Bass-Recordings benutze ich seit einigen Jahren einen Yamaha TRBX 505 TBL.
Noch eine kleine Anekdote: Die Akustikgitarren bei unserem Song „Autumn Serenade“ von „Procella Vadens“ aus dem Jahr 2010 habe ich mit einer Klampfe aus dem Lidl eingespielt. Kostete 49 Euro und war für mittellose Studenten ein Schnäppchen! (lacht)

Worauf legst du aus technischer Sicht besonderen Wert, welche Kriterien muss ein Instrument für dich erfüllen, damit du damit zufrieden bist?
Ein Instrument muss sich für mich einfach richtig anfühlen. Wenn ich Musik schreibe, möchte ich mich nicht mit Unzulänglichkeiten eines Instruments beschäftigen, sondern mich auf die Musik konzentrieren können. In diesem Moment ist für mich das Instrument nichts anderes als ein Werkzeug, das seinen Dienst zu erfüllen hat.

Man hört ja oft von Musikern, die eine spezielle Verbindung zu ihrem Instrument zu haben scheinen. Empfindest du das auch so? Hast du ein Lieblingsinstrument?
Ja, das empfinde ich auch so. Meine erste Ibanez RG spiele ich seit 20 Jahren, sie war und ist mir bis zum heutigen Tag ein treuer Begleiter. Sie ist demnach mein wichtigstes Instrument überhaupt. Ich empfinde ihr gegenüber tatsächlich so etwas wie Liebe. (lacht) Ob seinerzeit in meiner verranzten Studentenbude, in meinem Homestudio, oder im Proberaum … sie war und ist immer da und macht, was sie soll.

Hast du daran spezielle Modifikationen vorgenommen? Kannst du uns hier die technischen Details nennen?
Nein, ich habe keinerlei Modifikationen vorgenommen. Es ist eine typische RG mit Tremolo – darauf könnte ich verzichten. Lediglich die Buchse wurde mal getauscht. Das war es auch schon.

Gibt es ein Modell, etwa das Instrument eines großen Vorbilds, das du gerne einmal spielen würdest?
Oh ja, das gibt es. Mein Traum ist, irgendwann mal stolzer Besitzer eines Rickenbacker-Basses zu sein. Für mich gibt es kein schöneres Instrument. Kein Instrument strahlt so viel Rock ’n’ Roll aus. Als Motörhead-Verrückter hat man wahrscheinlich ohnehin einen besonderen Bezug zu diesen herrlichen Bässen. Ich konnte mir diesen Traum aber mittlerweile teilweise erfüllen: Ich habe erst kürzlich eine tolle Replik eines Rickenbacker gekauft. Die Form stimmt zu 90% und der Sound ist wirklich sehr dicht am originalen Rick-Sound.

Welche Plektren spielst du und warum genau diese?
Meistens habe ich ein Plek von Harley Benton zu Hand. 0,46 mm mit gutem Grip. Mehr braucht es nicht. Ideal für unser Tremolo-Picking. Wenn es rockiger wird, switche ich gerne zu etwas dickeren Ausführungen, etwa 0,81 mm.

Neben dem Instrument und dem Verstärker haben Soundeffekte einen wichtigen Anteil am Klang. Setzt du auf einzelne Tretminen, ein Multieffektboard oder eine Kombination?
Im Homestudio arbeite ich fast ausschließlich mit Plugins. Viele Jahre habe ich während des Songwritings über einen Engl Thunder 50 gespielt, aber mittlerweile recordet man ja auch gleich die Ideen, das heißt, man sitzt mit der Gitarre vor dem Rechner und nicht mehr auf der Couch. (lacht) Hier arbeite ich mit meist mit den üblichen Verdächtigen wie Guitar Rig oder Amplitube. Generell macht es mir immer Freude, die Sounds mit tollen EQs zu optimieren, beziehungsweise in bestimmte Richtungen zu schieben. Hier arbeite ich gerne mit Plugins von UAD und Fabfilter. Ansonsten sind bei unserer Musik Reverb und dezente Delays sehr wichtig. Ich habe unzählige Reverb-Plugins auf dem Rechner. Einer meiner To-go-Reverbs ist der Valhalla VintageVerb. Geniales Plugin! Im Studio werden unsere Gitarrenspuren aber selbstredend gereampt. Unser Haus- und Hofproduzent Christoph Brandes hat einige der edelsten Amps am Start. So kommen auf unseren finalen Produktionen regelmäßig Amps von Marshall, Engl oder auch Mesa Boogie zum Einsatz.

Ist dein Plugin-Set „fertig“ oder in stetem Wandel?
Ich kann hier nur von meinen generellen Recordingsetup sprechen. Man möchte ja immer einigermaßen am Ball bleiben … somit laufen einem immer wieder neue Plugins über den Weg, denen man nicht wiederstehen kann. Ich bin da immer offen für Neues. Gerade in Zeiten, in denen etwa leckere Vintage-Reverb-Algorithmen, Tape-Machines oder fantastische Channel-Strips in atemberaubender Qualität als Plugins verfügbar sind, muss man doch immer wieder zugreifen, obwohl man ja eigentlich schon alles hat. (lacht)

Gedankenspiel: Du darfst als Gitarrist nur einen Einzel(!)effekt mit auf die Bühne nehmen – für welchen entscheidest du dich? Welches Effektpedal macht deinen Sound aus?
Um ganz sicher zu gehen, würde ich meine alte Line-6-Tretmine rekrutieren. Mit diesem Teil kann man eigentlich die meisten, benötigten Sounds abdecken.

Hast du zum Abschluss noch einen Tipp für angehende Musiker?
Weniger ist mehr! Und ganz wichtig: Macht euch frei von diesem „höher, schneller, weiter“-Wettrüsten, wie man es vor allem auf YouTube immer wieder sieht. Da gibt es Instrumentalisten, die mich mittlerweile mehr an Zirkusakrobaten als an Musiker erinnern. Mir ist wichtig, ob jemand wirklich einen eigenen Sound und gute Songs abliefern kann. Wer den schnellsten Blastbeat hämmert oder in Lichtgeschwindigkeit über das Griffbrett wuseln kann, interessiert mich nicht die Bohne. Der Song ist das wichtigste! Viele junge Musiker sind technisch unglaublich fit … aber gute Songs und ein stimmiges Gesamtkonzept, und vor allem ein eigener Sound sind dennoch Mangelware. Es ist sicherlich ein Segen, dass man heutzutage binnen Sekunden an wertige Tutorials rankommt. Was aber für mein Dafürhalten verloren geht, ist die individuelle Herangehensweise an Musik: Viele originelle Musiker haben über die Jahre ihren eigenen Stil und ihre Trademark-Sounds ja gerade deshalb entwickelt, weil sie eben nicht genau nachvollziehen, oder nachschauen konnten, was die anderen Musiker machen oder wie sie spielen. Es klingt blöd, aber IMPERIUM DEKADENZ klingt zum Beispiel so typisch nach IMPERIUM DEKADENZ, weil wir es einfach nicht besser wussten und wir gezwungen waren, unsere eigenen Wege zu finden. Wir hatten diesen Informations-Overkill damals einfach nicht. Fragt euch nicht, was ihr tun müsst, um wie Musiker XY zu klingen – fragt euch vielmehr, welche eurer Emotionen ihr mit eurer Musik abbilden, beziehungsweise erzeugen wollt.


Im nächsten Teil der Serie kommt TorO von LEPROUS zu Wort!


Die bisherigen Teile der Serie findest du hier:

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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