Interview mit Nikita Kamprad von Der Weg Einer Freiheit

Interviews werden in der Regel in der Promophase zu einem Album oder einer Tour geführt – und dann über diese Themen. Doch Alben und Shows gäbe es nicht, wären die Gesprächspartner nicht so begeisterte Instrumentalisten. In unserer Serie „Saitengespräche“ wollen wir dem Rechnung tragen – mit Interviews, die sich ganz um Instrumente, Verstärker, Effekte und andere Technik drehen. Von Gear-Nerds für Gear-Nerds – und solche, die es werden wollen.

In Teil 3 der Serie unterhalten wir uns mit Nikita Kamprad von DER WEG EINER FREIHEIT, der auch selbst als Produzent aktiv ist.

Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Ja, alles gut bei mir, danke! Ich bin persönlich als auch beruflich noch einigermaßen glimpflich durch die Krise gekommen und auch die Band hat bisher noch keinen großen Schaden genommen. Außer dass wir unsere Zukunftsplanungen etwas umstrukturieren müssen, gerade weil wir momentan auf ein neues Album hinarbeiten und hier natürlich ein langer Rattenschwanz dran hängt, der jetzt irgendwie neu organisiert werden muss. Wir versuchen das Beste draus zu machen und nutzen die Freiräume, um uns umso mehr aufs Songwriting zu konzentrieren.

Wann hast du angefangen, Gitarre zu spielen?
Das war (so richtig) 2004. So richtig deshalb, weil ich genau ein Jahr zuvor bereits eine Gitarre in die Hand genommen hatte, es aber so gar nicht funktioniert hat und die Motivation nach einem Tag wieder weg war. 2004 hat es aber irgendwie geklickt und seitdem bin ich dem Instrument treugeblieben.

 Was hat dich damals dazu gebracht, Gitarre zu lernen?
Ehrlich gesagt weiß ich das wirklich nicht mehr so genau. Ich habe Anfang der 2000er-Jahre angefangen, härtere Gitarrenmusik zu hören und wollte wohl einfach wissen, wie das funktioniert. Ich weiß jedoch noch ziemlich genau, dass ich, direkt nachdem ich aus einem Italien-Urlaub über die Pfingstferien zurückgekommen bin, nach der Gitarre gegriffen habe. Ich habe auf langen Autofahrten und generell im Urlaub fast ausschließlich Musik über meinen Walkman gehört – das könnte gut der Auslöser dafür gewesen sein, dass ich dann einfach mal selbst probieren wollte, Musik zu machen.

Hast du vorher schon ein anderes Instrument erlernt beziehungsweise erlernen müssen?
Da war die Blockflöte in der Grundschule und ein wenig später, bis ich etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt war, das Klavier. Beide Instrumente haben mir nicht sonderlich viel Spaß gemacht – für den Klavierunterricht bin ich mittlerweile jedoch sehr dankbar, da er mir echt viele Grundlagen der Musik und Theorie nähergebracht hat, die ich heute beim Schreiben und Produzieren anwende. Ich habe die Liebe zum Klavier (die eigentlich gar keine war) vor ein paar Jahren auch wiederentdeckt und spiele seitdem immer mal wieder ein paar Stücke von Chopin oder improvisiere. Du deckst am Klavier einfach sämtliche Stimmen mit deinen zwei Händen ab und kannst somit sehr einfach harmonische Zusammenhänge herstellen. Das hilft ungemein beim Songwriting und frischt immer wieder das musikalische Verständnis auf.

Weißt du noch, welches Modell deine erste Gitarre war?
Meine erste eigens gekaufte Gitarre war eine Ibanez Iceman (ich war damals riesengroßer System-Of-A-Down-Fan). Wirklich gelernt habe ich aber auf einem Tele-Nachbau der Marke Hoyer von meinem Onkel. Die musste ich aber (leider) irgendwann wieder zurückgeben.

Wie viele Gitarren und Bässe besitzt du heute?
Sieben Gitarren und einen Bass.

Haben die Instrumente für dich unterschiedliche Einsatzbereiche, also hast du etwa verschiedene für unterschiedliche Bands oder Anlässe, etwa Studio, Liveauftritte und den Urlaub?
Drei der Gitarren spiele ich ehrlich gesagt selten und überlege auch, sie zu verkaufen. Die restlichen Gitarren haben für mich aber alle einen eigenen speziellen Wert. Die Ibanez RG3521 spiele ich beispielsweise seit 2013 bei jedem Konzert. Ich habe das Gefühl, dass sie klanglich reift, je öfter ich sie spiele. Leider sieht sie aber einfach nur nach einer absoluten standard-schwarzen Superstrat aus. Ich mag sie aber trotzdem sehr.

Die andere ist meine potenzielle neue Live-Gitarre, eine Ibanez RC2720. Eine absolut vielseitige Gitarre, bei der man insgesamt neun Sounds einstellen kann. Durch die speziellen Tonabnehmer kann man zwischen Singlecoil-, P90- und, beide zusammen geschaltet, einem Humbucker-Sound wählen und hat so immer den passenden Sound in nur einem Instrument. Klingt super, lässt sich wahnsinnig gut spielen und schaut auch noch sehr gut aus.

Die dritte ist ein Talman-Modell, ebenfalls von Ibanez, mit einer klassischen SSS-Bestückung und daher sehr „stratig“. Ich hatte mir die Gitarre vorerst testweise für die „Finisterre“-Albumaufnahmen bestellt, fand sie aber so gut, dass ich sie behalten und fast die Hälfte des Albums damit eingespielt habe. Leider ist sie mir noch während der Session runtergefallen und hat eine Macke am Hals. Erinnert mich aber damit immer wieder an die Aufnahmen.

Die letzte ist eine cremeweiße Squier Strat aus den ’90ern – made in Japan – und ein Erbstück meines bereits oben erwähnten Onkels. Diese Gitarre hat für mich das gewisse Mojo im Sound, was bisher noch keine andere Gitarre für mich hatte. Leider ist sie aufgrund ihres Alters nicht besonders zuverlässig und die Elektronik müsste vielleicht mal wieder aufgefrischt werden. Immer wenn ich die Gitarre in der Hand habe, fühle ich mich sehr inspiriert – allein von der Haptik, dem Look und natürlich dem Sound. Deshalb verwende ich sie oft zum Songwriting.

Worauf legst du aus technischer Sicht besonderen Wert, welche Kriterien muss ein Instrument für dich erfüllen, damit es dich zufriedenstellt?
Wenn es eine Gitarre mit Humbuckern ist, bin ich sehr glücklich, wenn ich diese splitten kann. Ist kein Muss, aber ich mag Clean-Sounds mit Humbuckern einfach nicht. Ansonsten muss sie einfach gut verarbeitet sein und darf einem nicht das Gefühl geben, dass man sie kaputt macht, wenn man sie anfasst.

Man hört ja oft von Musikern, die eine spezielle Verbindung zu ihrem Instrument zu haben scheinen. Empfindest du das auch so? Hast du ein Lieblingsinstrument?
Ja, das gibt es auf jeden Fall. Für mich wäre das die oben erwähnte Squier Strat. Das ist wie gesagt mein absolutes Lieblingsstück. Vielleicht wundert sich jetzt der eine oder andere, warum Squier und nicht Fender? Erstens kann man sich ein Erbstück natürlich nicht aussuchen und zweitens ist das Instrument qualitativ wertiger als viele originale Fender Strats, die ich bisher gespielt habe. Unser Album „Stellar“ wurde fast ausschließlich mit dieser Gitarre aufgenommen, was sie auch noch mal sehr besonders für mich macht.

Hast du daran spezielle Modifikationen vorgenommen? Kannst du uns hier die technischen Details nennen?
Nein, hier wurde, soweit ich weiß, nichts verändert und ich habe auch nicht das Bedürfnis, etwas zu ändern. Es sei denn, ein kleines Elektronik-Update, neue Potis, Kabel, Buchse – es brummt und britzelt hier und da manchmal doch ein wenig viel.

Gibt es ein Modell, etwa das Instrument eines großen Vorbilds, das du gerne einmal spielen würdest?
Ich würde sehr gerne eine Jaguar oder Jazzmaster spielen oder zumindest besitzen. Rein vom Look gefallen mir diese Gitarren am besten. Die weiter oben erwähnte Ibanez RC2720 geht ja auch in diese Richtung, was mir gut gefällt. Außerdem finde ich Aristides-Gitarren sehr interessant, wie sie etwa Ihsahn oder Leprous spielen. Ich hatte zwar noch nie eine in der Hand, aber das ist eine von wenigen modernen Gitarren, die mich wirklich interessieren.

Und womit spielst du deine Gitarren – welche Plektren verwendest du und warum diese?
Wir spielen bei DER WEG EINER FREIHEIT alle Dunlop Max-Grip 1 mm Plektren. Wie der Name schon sagt, haben die enorm guten Grip und das ist bei unserer Spielweise schon ziemlich sinnvoll. Das Plektrum bleibt durch die sandig-geriffelte Beschichtung fast am Finger kleben, was ich eigentlich sehr angenehm finde. Auch mit sehr verschwitzten Fingern passiert da nichts. Ich hatte nie ein besseres Plektrum in den Händen.

Für Touren werden Verstärker ja oft geleast – ist das für dich in Ordnung oder hast du deinen eigenen Amp dabei? Welches Modell spielst du?
Ich fände Leasen sogar sehr okay, wenn ich live noch richtige Amps spielen würde. (lacht) Wenn man die Backline für eine Tour über einen Service mietet, kann man davon ausgehen, dass die Teile top gewartet sind und falls doch mal was ausfällt, wird schnellstens Ersatz beigeschafft. Ich selbst spiele aber seit fast vier Jahren einen Kemper und der wird von Backline-Firmen immer noch kaum zum Mieten angeboten – zumindest habe ich ihn noch auf keiner einzigen Festival-Backline entdecken können. Eigentlich etwas verwunderlich, da dieser Amp mittlerweile so weit verbreitet ist und selbst von den absoluten Szenegrößen oft echten Amps vorgezogen wird. Und am Ende braucht man seine Performance nur per USB-Stick draufzuladen und kann sein Setup spielen, wie man es auch sonst kennt. Ich bin für live auf jeden Fall Verfechter des Kempers, einfach aufgrund seines Praxisnutzens und des Gewichts. Vielleicht ändert sich das auch irgendwann wieder, aber für unser momentanes Band-Setup funktioniert es so sehr gut und wir sparen viel Gewicht, Platz und Zeit beim Soundcheck. Im Studio bevorzuge ich aber auf jeden Fall echte Amps und setze noch immer auf einen Engl Fireball, den ich schon seit über zehn Jahren besitze. Ich finde, das ist ein super Amp, der viele Sounds abdeckt und auch geboostet wunderbar klingt. Bei meinen letzten Produktionen im Studio habe ich auch oft einen alten Marshall JMP mit einem Booster davor verwendet, was auch für Metal-Sounds sehr gut funktioniert. Im Studio finde ich es wichtig, gar nicht zu viel Auswahl zu haben, daher nutze ich hier den Kemper eher ungern. Manchmal findet man mit einem Einkanaler und ein paar Tretern schneller den gewünschten Sound, als sich durch 1000 verschiedene Profile und Effekte zu spielen.

Neben dem Instrument und dem Verstärker haben Soundeffekte einen wichtigen Anteil am Klang. Setzt du auf einzelne Tretminen, ein Multieffektboard oder eine Kombination?
Live setze ich wie gesagt auf den Kemper und seine integrierten Effekte. Die funktionieren super für das, was ich brauche. Im Studio nutze ich meistens einzelne Treter, die ich spontan Song- oder Part-spezifisch nacheinander schalten kann. Ich habe da auch so meine Go-to-Effekte, von denen ich weiß, dass sie auch in Kombination oder vor diesem oder jenem Amp gut funktionieren.

Lass uns ins Detail gehen: Erkläre uns doch bitte die Elemente deiner Effektschleife. Welche Geräte nutzt du, in welcher Reihenfolge geschaltet und warum?
Meine Effekte im Kemper, die ich für meinen Live-Sound nutze, basieren quasi auf den Effekten, die ich vorher jahrelang in meinem herkömmlichen Pedalboard/Amp-Setup benutzt habe und daheim und im Studio immer noch nutze. Das sind im Grunde auch nur ein Delay und Reverb, deren Einstellungen von Song zu Song ein wenig variieren. Das Delay hat manchmal noch einen leichten Modulationseffekt und man kann es auf minimal eingestellter Delay-Zeit sogar als Chorus-Effekt nutzen. Der Reverb ist meistens auf einer ganz einfachen Hall- oder Plate-Einstellung mit zwei bis drei Sekunden Decay.

Für mein analoges Setup nutze ich das Boss DD-7 und das Boss RV-5. Vereinzelt findet noch ein Tremolo-Effekt (Boss TR-2) Verwendung (etwa im Intro des Songs „Repulsion“) und ein EQ (Mooer Graphic G), mit dem ich für bestimmte Parts die Bässe und Höhen cutte. Dazu nutze ich seit einiger Zeit noch einen Tubescreamer, der den Grundsound zwar vielleicht etwas dreckiger macht, aber dafür kompakter im Bass und insgesamt einfach ausgewogener und gleichzeitig voller. Ich nutze ihn aber weniger als Zerre, sondern eher als kleinen Booster, um einfach etwas heißer in den Amp zu fahren. Die Effekte sind in der folgenden Reihenfolge geschaltet: Tuner → Tubescreamer → EQ → Tremolo → Delay → Reverb. Für getragene, postige Lead-Sounds sind meistens Delay und Reverb gleichzeitig aktiv.

Bis vor ein paar Jahren habe ich sämtliche Effekte immer in den FX-Loop des Amps gepackt, mittlerweile bevorzuge ich aber eher den Sound mit Effekten vor dem Amp. Der Unterschied ist hier natürlich die Position der Zerre. Im FX-Loop wird das Signal erst verzerrt und dann moduliert (Delay, Reverb etc.), wohingegen mit den Effekten vor dem Amp das Signal erst moduliert und dann verzerrt wird. Sprich Hall- oder Delayfahnen werden genauso verzerrt wie der Dry-Anteil des Signals, was sehr charakteristische Sounds erzeugt. Ich war früher kein Fan davon, es war mir einfach zu „dreckig“, mittlerweile finde ich es aber meistens fast besser. Aber das ist natürlich Geschmackssache und mit etwas komplizierteren Verschaltungen bzw. Verkabelungen (oder einfach einem Kemper) kann man auch die Vorteile beider Welten nutzen.

Gedankenspiel: Du darfst nur einen Einzel(!)effekt mit auf die Bühne nehmen – für welchen entscheidest du dich? Welches Effektpedal macht deinen Sound aus?
Ich glaube, mit dem DD-7 würde ich notfalls fast alle meine Sounds hinkriegen.

Hast du einen Effekt, den du ganz anders nutzt als eigentlich vorgesehen oder den du vielleicht sogar selbst (um)gebaut hast?
Eigentlich nicht, nein. Jedoch kann man etwa den Boss TU-3 Tuner wunderbar als Splitter verwenden, wenn man beispielsweise zwei Amps gleichzeitig ansteuern möchte. Dafür ist er schätze ich eigentlich nicht vorgesehen, durch seine zwei Ausgänge geht das aber. Er ersetzt zwar nicht einen wirklich wertigen Splitter und hat etwa keinen Phasenswitch, ich habe ihn aber so im Studio schon ein paarmal genutzt. Weil der zweite Ausgang immer aktiv ist, geht das live allerdings nicht. Außer es ist einem egal, wenn man dann beim Stimmen alles hört.

Benutzt du ein Noise-Gate?
Im Studio eigentlich nie, live hat es teilweise schon Sinn, um in Pausen einfach Ruhe zu haben. Der Kemper hat ja ganz am Anfang der Kette standardmäßig ein Noise-Gate eingebaut, das wir live auch nutzen. Jedoch sehr dezent, um keine Dynamikeinbußen zu haben und damit stehende Töne oder Feedbacks auch wirklich stehenbleiben und nicht unterdrückt werden.

Ist dein Effektboard „fertig“ oder in stetem Wandel?
Wie gesagt dreht sich eigentlich alles hauptsächlich um das Delay und den Reverb. Ich bin ehrlich gesagt gar nicht so der Experimentierfreudigste, was Equipment und Effekte angeht und halte es möglichst reduziert. Meistens bin ich happy mit dem, was ich habe und versuche auch meinen Sound darauf aufzubauen. Daher würde ich behaupten, dass ich seit Jahren eher mit einem „fertigen“ Effektboard spiele.

Hast du zum Abschluss noch einen Tipp für angehende Musiker?
Bevor ihr euch einen Kemper, AxeFX und Co. besorgt, ist es wichtig, erst mal die Grundlagen von Amps, Signalketten und Effekten zu verstehen. Ich sehe oft Gitarristen mit ganz verqueren Signalketten oder die zum Beispiel mit einer aktiven Cab-Sim in eine Gitarrenbox gehen und sich dann wundern, dass es nicht drückt. Es gibt heutzutage unendlich viele Möglichkeiten, seinen Sound zu formen, aber was hilft einem das, wenn man gar nicht weiß, was dem eigenen Spiel guttut? Und das findet man einfacher heraus, wenn man am Anfang erst mal etwas reduziert und erst nach und nach Elemente hinzufügt. Ich habe am Anfang monatelang nur clean über den Input meiner Stereoanlage gespielt. Als ich dann den ersten 30-Watt-Amp mit richtiger (Transistor-)Zerre bekommen habe, war ich total geflasht und wollte nichts anderes mehr, als den ganzen Tag spielen. Dann kam der erste Effekt – das müsste sogar das DD-7 gewesen sein – und das war der nächste Gamechanger. Solche Erfahrungen sind wichtig für das eigene Spiel und die sammelt man weniger, wenn man sich sofort das beste und teuerste Equipment zulegt, ohne zu wissen, was man überhaupt will. Und natürlich: spielen, spielen, spielen – anders lernt man sich und seine Musik nicht kennen. Nicht so viel auf das schauen, was andere machen, sondern seiner eigenen Intuition folgen und herausfinden, was einem guttut und was nicht. Das ist generell so im Leben.


Im nächsten Teil der Serie kommt Barney Ribeiro (NERVECELL) zu Wort!


Die bisherigen Teile der Serie findest du hier:

Publiziert am von und Juan Esteban

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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