Interview mit Rock'N'Rolf von Running Wild

Running Wild Mainman Rock’N’Rolf sprach mit unserem Redakteur Daniel P. über die Vergangenheit, die Zukunft und die Szene.

Hallo Rolf. Erst einmal vielen Dank, dass Du Dir trotz des ganzen Tour-Stresses Zeit für mich genommen hast.

Kein Problem!

Wie ist es denn bisher gelaufen?

Das ist ja erst die zweite Show heute und München war gestern. War sehr voll und die Leute waren gut drauf.

Mit Running Wild bist Du ja schon seit den 70ern in der Szene aktiv. Wie empfindest Du sie heute? Was hat sich verändert?

Natürlich hat sich was verändert, und zwar in dem Sinne, dass Newcomer-Bands es heute einfach viel schwieriger haben, von der Öffentlichkeit zur Notiz genommen zu werden. Denn es gibt einfach zu viele. Und die meisten Bands heutzutage haben immer das Problem, dass sie nicht mehr so viel Eigenständigkeit haben, wie Bands zu der Zeit, als wir angefangen haben. So: Zwei Akkorde und du weisst, wer wer ist. Heute klingt das alles so ein bißchen ähnlicher. Das machts natürlich nicht einfacher. Insofern ist die Situation mit Plattendeals natürlich schwieriger. Du kannst wohl ganz gut einen Plattendeal kriegen, aber ob du ihn behälst oder obs wirklich was wird ist die andere Sache. Als ich angefangen hatte wars so, dass wenn du einen Plattendeal hattest, wars klar. Wenn du einen Plattenvertrag hattest, dann wars das einfach.

Gibt es, gerade bei euch in Hamburg, überhaupt noch die klassische, so hoch gepriesene Szene?

Da kann ich eigentlich gar nichts zu sagen, weil ich seit acht Jahren nicht mehr in Hamburg lebe. Ich lebe jetzt in Hannover. Insofern habe ich da so ein bißchen den Anschluss verloren. Ich unterhalte mich öfter mit Oliver Otto vom Headbangers Ballroom, weil der für uns auch mal das Merchandising gemacht hat, aber ich selber bin sozusagen nicht mehr so vertraut damit.

Viele, die zum ersten Mal mit Metal in Berührung kommen, wenden sich den extremeren und düstereren Stilrichtungen zu. Was denkst Du als Musiker einer „klassischen“ Metal-Band darüber?

Ich meine: Musik ist immer Geschmacksfrage. Meine Welt ist es nicht. Aber wems gefällt ist völlig in Ordnung. Und natürlich: Eine Band wie Running Wild ist schon lange dabei. Da wird man als Metal-Fan, egal welcher Coleur man da jetzt anhängt, nicht unbedingt dran vorbei kommen. Das ist genau wie eine Band wie Motörhead oder Iron Maiden. Die gehören halt zu den Klassikern.

Aber lass und auch mal ein wenig über die Musik reden. Wie sind die Reaktionen auf euer neustes Werk „Rogues En Vogue“ bisher?

Eigentlich sehr gut. Die Platte hat sich sehr gut verkauft, obwohl sie halt die letzte Platte von GUN Records war. Das heisst, dass es immer so ein bißchen Probleme gibt. Wenn der Deal ausläuft, dann macht die Plattenfirma nicht mehr so viel. Aber insofern sind wir doch sehr zufrieden damit, wies bisher gelaufen ist und ich denke auch, sie wird sehr gut angenommen und das sehen wir jetzt hier auf der Tour bestätigt. Ich weiss nicht, wieviele Leute heute Abend kommen werden, aber wir haben auf jeden Fall schon einen sehr grossen Vorverkauf. Das sind bisher weit über 600 Karten im Vorverkauf und dann wollen wir mal abwarten, wies aussieht.

Viele Fans sind ja auch der Ansicht, dass kein Werk mehr an die Überalben „Under Jolly Roger“, „Pile Of Skulls“ und „Black Hand Inn“ herankommen kann. Wie gehst Du mit dieser Meinung um? Hast Du Verständnis für diese Ansicht?

Es ist natürlich immer so eine Sache, wenn du so Alben geschrieben hast, die sehr erfolgreich sind, oder als Klassiker gelten. Wobei das eine nicht immer unbedingt was mit dem anderen zu tun haben muss. Weil gerade wo du sagst „Black Hand Inn“: Das ist die schlechtst verkaufteste Running Wild Scheibe überhaupt. Von allen. Und das kann also, wie gesagt, sehr diskrepant sein. Obwohl die Platte für mich auch sehr wichtig gewesen ist, als Musiker. Deswegen muss ich damit leben. Wenn du als Band so lange da bist, wirst du an dem, was du bisher gemacht hast, immer gemessen. Das ist einfach so. Wenn du jetzt eine neuere Band bist, dann wird halt das von dir abgefeiert, was du gerade machst. Und wenn du lange dabei bist, dann wirst du immer an dem gemessen, was du bisher gemacht hast und zwangsläufigerweise, verändert sich das, was du machst, im Laufe der Zeit. Das ist klar. Du kannst nicht zwanzig Jahre genau das Gleiche machen. Das geht einfach nicht. Das ist Quatsch. Du veränderst dich als Mensch, du veränderst dich als Musiker und auch wie du dich fühlst und wie du die Musik machst. Also muss man damit insofern leben. Da bin ich auch nicht der einzige. Ist klar. Insofern ist das nicht das Problem.

Und wie sieht das auf dem Live-Sektor aus? Ich kann mir vorstellen, dass es Dir langsam auf die Nerven geht, die Stücke von diesen Alben immer wieder spielen zu müssen.

Nein. Denn das Problem von Running Wild ist eigentlich eher, dass wir so viele Klassiker haben, dass wir sowieso nicht alle spielen können. Das heisst ich habe so eine Art Rotationsprinzip eingeführt. So: Das sind diese Songs, die spiel ich dies mal. Bis auf die Hammerklassiker, so wie „Under Jolly Roger“, die müssen wir einfach spielen. So: Die sind dies Mal dabei und auf der nächsten Tour ein anderer dafür. Damit man das einfach so ein bißchen alternierend macht. Du kannst sowieso nicht jeden zufrieden stellen. Das geht gar nicht. Es gibt einfach zu viele Songs, zu viele Platten und da muss man einfach sehen, dass man irgendwie klar kommt.

Viele Fans haben den sehr elektroniklastigen Drum-Sound der letzten Scheiben kritisiert. Auf „Rogues En Vogue“ ist Schluss damit und Du hast Dich auf alte Tugenden besonnen. Eine Reaktion auf die Kritik der Fans?

Nein. Das ist einfach, weil es ein anderer Schlagzeuger ist. Das war jetzt einfach die erste Platte, die Matthias so richtig gemacht hat. Es war sowieso schon länger klar, dass ich mit Matthias arbeiten wollte. Bei der „Brotherhood“ gings nicht, weil er einfach andere Sachen zu tun hatte. Das heisst, es hat sich einfach verschliffen, so dass Andre noch mal die Sache übernommen hat. Aber es war klar, dass ich mit Matthias arbeiten wollte, weil auch klar war, dass er dann auch wirklich live spielt und die Platten macht.

Mit „Skull&Bones“ steht auch wieder ein Track auf dem Silberling, der die traditionelle Piraten-Thematik von Running Wild weiterführt. Was fasziniert Dich gerade an diesem Thema so sehr?

Sagen wir mal so: Es hat ja viel mit Freiheit zu tun. Eigentlich auch mit der heutigen Situation, in der die meisten Leute so sind. Es ist schon wieder sehr ähnlich: Es gibt viele Leute, die eher arm sind, die nicht wissen, wie sie klar kommen sollen und einige schwerst reiche, die das ausnutzen. Daraus ist ja die Piraterie eingentlich erst entstanden. Das Ganze kam eigentlich durch „Under Jolly Roger“, klar. Durch den Song. Das Ganze hat sich also so entwickelt, wie ein Stein, der ins Rollen kam. Das war also keine geplante Sache, dass wir gesagt haben: „Wir brauchen jetzt ein Image!“, oder sowas, sondern es hat sich einfach entwickelt über den Song und es ist einfach von Zeit zu Zeit mal aufgetaucht und solange ich gute Ideen dazu habe, werd ichs auch machen. Auf der „Victory“ zum Beispiel war gar kein Titel zu dem Thema, weil ich da einfach nicht die zündenden Ideen hatte, oder andere halt besser waren. Das kann man einfach nicht voraus planen. Das ist einfach eine Sache, wo die Fans immer was mit verbinden, mit dem, was wir da so machen.

Ausserdem ist ja von Remedy Records ein Tribute Sampler für euch veröffentlich worden. Wie stehst Du zu solchen Compilations im Allgemeinen und zu jener für euch im Besonderen?

Tribute Sampler ist immer so eine Sache. Es gibt ja diese normalen Tribute Sampler, wo sich eine Plattenfirma möglichst grosse Bands holt, die wählen sich aus einem Pool von Songs was aus und daraus wird dann ein Tribute Sampler gemacht. Dieser ist ja anders entstanden. Er ist eigentlich entstanden über die Homepage. Über den Jens Pohl. Der hat halt die ganzen Sachen gesammelt und ursprünglich sollte Sanctuary das machen. Die wolltens dann aus dem Grund nicht machen, weil eben keine grossen Bands dabei sind. Insofern hatte ich das dann aus den Augen verloren. Und irgendwann hörte ich dann, dass Remedy Records das machen wollen. Das fand ich eine gute Idee, weils wirklich eine Sache ist von Fans für Fans. Das ist einfach nicht so eine abgehobene Geschichte wegen Geld, sondern es kommt wirklich von den Fans selber. Und das finde ich auf jeden Fall eine gute Geschichte.

Hattet ihr selber die Chance an dieser Scheibe mitzuwirken? Oder wolltet ihr das bewusst den anderen überlassen?

Ich hab das bewusst den anderen überlassen. Als die Sanctuary Sache lief – als also im Gespräch war, dass dies wahrscheinlich machen – hab ich mich als Verhandlungspartner angeboten. Aber ich hab von vorn herein gesagt: Ich will mich da nicht einmischen. Weder in die künstlerische Angelegenheit noch sonst nicht. Denn das ist Sache der Bands. Das muss von denen ausgehen und jetzt ist es ja auch wirklich so passiert, dass die Bands das selber so entschieden haben. Und das ist natürlich eine gute Geschichte, weil das dann auch wirklich authentisch bleibt.

Aber ein Bonus-Track aus eurer Feder wäre sicher interessant gewesen. Hattet ihr einfach nicht die Möglichkeit dazu, oder vielleicht kein Material zur Verfügung?

Das wär zeitlich gar nicht gegangen! Weil wir da mit unserem Album schon fertig waren, wir waren schon in der Promotion-Phase für das Album und wir waren schon in der Planung zu der Tour. Insofern hätte ich da gar keine Zeit mehr zu gefunden, da irgendwie dran teil zu haben.

Wie siehts denn überhaupt mit neuem Material aus? Hast Du schon Ideen?

Es gibt gewisse Grundideen. Wobei die erste Arbeit daran wahrscheinlich so sagen wir Anfang kommenden Jahres statt finden wird. Weil ich vorher im Studio noch einiges umbaue und daran arbeite. Es sind also noch einige Sachen, die mir noch nicht gefallen und so weiter und so fort und das ich mir da einfach bessere Arbeitsmöglichkeiten schaffen will. Das ist einfach so eine Sache, die sich über das nächste Jahr hinziehen wird. Deshalb spielen wir auch 2006 keine Shows. Sondern jetzt wird praktisch geplant für 2007. Wir haben also Angebote für Wacken, wir haben Angebote fürs Swedenrock.

Und wann darf man dann mit der nächsten Veröffentlichung rechnen?

Ich nehme an, dass man sie direkt Anfang 2007 so erwarten kann. Meine Planung ist einfach das irgendwann im Herbst abzugeben, weil du einfach auch einen Vorlauf von zwei, drei Monaten brauchst. Und das ist im Moment so mein grober Plan.

Eine ganz eigene Sache bei Running Wild ist immer das Thema Line-Up. Die Band ist mittlerweile eigentlich zu einem Projekt von Dir geworden. Bereust Du diesen Schritt, oder fühlst Du Dich damit besser?

Es ist ein Solo-Projekt. Definitiv! Aber es war kein Schritt, es war eine konsequente Entwicklung. Der ursprüngliche Anstoss kam sogar von den Musikern selber, die gesagt haben: „Wir möchten gerne pro Platte bezahlt werden und pro Show.“ Das ging damals eigentlich von Bodo aus. Das war eine Sache, mit der man so ganz gut arbeiten konnte und das hat sich so jetzt einfach darauf hin bewegt. Das jetzt PJ dabei ist und nicht mehr Bernd war klar, weil Bernd einfach das Angebot hatte die Brotherhood-Tour zu spielen und die anhängigen Festivals. Das Problem war aber eigentlich, dass er nicht aus Hannover kam. Diese Band ist jetzt wirklich aus Hannover, so dass wir uns wirklich immer treffen können und proben können, ohne das wir das wirklich am Block machen müssen und die Hotelkosten tragen müssen.

Da gab es ja auch einmal diese unrühmliche X-Wild Geschichte, die Deine ehemaligen Mitstreiter aufgezogen haben. Wie siehst Du das rückblickend?

Was ich von Anfang an gesagt habe: Es war sicherlich eine gute Idee, sich zusammen zu tun und zusammen Musik zu machen. Es war aber auch eine sehr saudumme Idee zu versuchen, Running Wild zu kopieren. Weil es klar ist, dass niemand eine Kopie braucht, der das Original hat. Zumal Running Wild ja auch klar weiter gemacht haben. Insofern war das sehr ungeschickt. Das haben sie ja auch mittlerweile gemerkt, dass das sehr ungeschickt war, denn sie hatten halt keinen Erfolg. Wie gesagt: Es ist halt ein bißchen unglücklich für die gelaufen. Sie hätten da mehr draus machen können, wenn sie sich da anders entschieden hätten.

Allerdings hast Du natürlich, wie üblich, mal wieder den Löwenanteil der Arbeit getragen. Wird Dir das nicht irgendwann zu viel? Alle Songs schreiben, den Gesang und alle Gitarren aufzunehmen ist schließlich kein Pappenstiel!

Den Gesang habe ich nicht aufgenommen. Das macht ein Toningenieur für mich in einem anderen Studio. Und zwar genau deswegen! So dass ich wirklich nur vorm Mikrofon stehe und singe. Er macht die ganzen anderen Sachen und dann wird das rüber geschossen in mein Studio. Insofern habe ich das einfach schon mal von mir weg, weil ich mich da einfach nur auf den Gesang konzentrieren will. Bei den Gitarren ist das einfach nicht so das Problem. Die habe ich bei der Bortherhood auch schon selber aufgenommen. Zumindest in Teilen. So dass das klar war als konsequente Entwicklung, dass es sich langsam dahin bewegt, dass ich alles aufnehme.

Live ist das natürlich nicht zu realisieren. Wer unterstützt Dich dies Mal?

Wie schon das letzte Mal Matthias (Liebetruth – Anm.d.Red.), Peter Pichl am Bass und PJ (Peter Jordan – Anm.d.Red.) an der zweiten Gitarre.

Mit Deinen 45 Lenzen gehörst Du ja auch nicht mehr zu den jüngsten Genre-Vertretern. Hast Du schon einmal überlegt mit der Musik aufzuhören? Und was würdest Du dann machen?

Eigentlich nicht. Musik wird sicherlich immer eine Sache sein, mit der ich mich beschäftige. Egal auf welche Art und Weise. Aber da mache ich mir eigentlich keine Gedanken zu, solange die Situation nicht entstanden ist. Solange ich noch auf der Bühne stehen kann und mir das auch Spass macht, und solange ich an Platten noch Spass hab werde ich das auf jeden Fall noch weiter machen.

Letztendlich möchte ich noch auf das Thema Internet zu sprechen kommen. Was hälst Du von diesem Medium?

Ist natürlich zwiespältig. Als Musiker nutze ichs. Als Privatperson interessiert es mich überhaupt nicht. Ich habe also überhaupt keinen Computer zu Hause, ausser in meinem Studio das Hard Disc Recording System. Und es ist einfach nie so mein Metier gewesen. Technik ist nicht so mein Ding, nicht meine Welt.

Und wie stehst Du zu der Download-Problematik? Sind Running Wild eventuell selber schon einmal davon betroffen gewesen?

Das ist sicherlich auch ein Problem für jeden Künstler heutzutage. Wobei ich glaube, dass die Metal Bands davon nicht ganz so von betroffen sind, wie Pop Bands, wo eine Platte ungewollterweise raus kommt bevor sie auf dem Markt ist. Also das ist nicht ganz so unser Problem. Es ist natürlich schon so, dass die Verkaufszahlen schon ein bißchen eingeschrumpft sind. Aber da kann man auch nicht unbedingt den Fans die Schuld geben, sondern man muss den Plattenfirmen die Schuld geben, denn die haben verpennt es vorher rechtzeitig zu regeln. Dadurch ist einfach dieses Chaos entstanden. Wobei man da wirklich den grossen Plattenfirmen, den Major Companies erhebliche Vorwürfe machen muss.

Durch das Internet hat sich ja auch eine ganz neue Form der Kommunikation innerhalb der Szene ergeben. Ich rede von Online-Magazinen. Was hälst Du von solchen Magazinen?

Finde ich auf jeden Fall gut. Denn ich meine: Es ist immer gut, wenn Fans mit einander vernetzt sind und auch Informationen getauscht werden. Zumal Metal jetzt auch nicht die medienträchtige Musik ist. In den grossen Zeitschriften ist also nichts darüber und VIVA und MTV sind halt so Sender: Lieber nicht Metal. So: Bähbäh! Ausser irgendwie so ganz traditionelle Geschichten oder so. Insofern ist das natürlich auch gut, um die Szene irgendwie am Leben zu erhalten.

Hast Du eventuell sogar schon einmal was von Metal1 gehört?

Kann ich jetzt so nicht bestätigen. Kann durchaus sein, aber so nicht bewusst.

Hätte ja sein können. Gut. Dann bedanke ich mich bei Dir.

Ke
n Problem.

Und ich hoffe auf einen schönen Abend!

Ja. Ich auch.

Geschrieben am von Metal1.info

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