Was kommt heraus, wenn Country auf Folk und zweifelhafte Verwandtschaftsverhältnisse trifft? RODEO 5000. Wir haben mit Simon (Mr. Hurley und die Pulveraffen) und Jonas (Pressgëng) über ihr neues Party-Projekt gesprochen, das gerade anfängt, so richtig durchzustarten. Wie die beiden Chaoten das parallel zu ihren Hauptprojekten gemanaget bekommen und warum es dabei hilft, kein unbeschriebenes Blatt zu sein – das alles und noch viel mehr verraten die beiden Musiker in ihrem ersten Interview.
Jonas, du bist bei der Pressgëng aktiv. Simon, du tourst mit Mr. Hurley & Die Pulveraffen quer durch’s Land. Wie habt ihr die Zeit gefunden, RODEO 5000 ins Leben zu rufen und warum wolltet ihr das unbedingt zusätzlich tun?
Jonas: Trotz aller beruflichen und familiären Aufgaben lädt sich mein Akku eher auf, wenn ich an Projekten mit Leidenschaft arbeite. Die Pressgëng spielt zudem (und im Gegensatz zu den Pulveraffen) auch nur einige Konzerte im Jahr. Ich habe meinen Bruder zum Geburtstag mit einer kleinen Country-Performance überrascht und alberne Songs geschrieben. Ich erinnere mich zwar nur dunkel, aber die Videos von dem Abend habe ich Simon geschickt, als wir über Musik sprachen.
Simon: Da stellte sich raus, dass wir beide große Fans der Musikrichtung sind. Ich hatte noch eine Cowboy-Nummer in der Schublade, die ursprünglich für meine mittlerweile aufgelöste Band Knasterbart gedacht war. Wir kamen ins Träumen und Spinnen und innerhalb von zwei Wochen waren mehr als zehn Song-Ideen aus unseren Köpfen gepurzelt. Die Zeit dazu haben wir natürlich eigentlich überhaupt nicht – aber es macht einfach viel zu viel Spaß!
„Wir haben bei der Namenssuche ein ganz traditionelles Brainstorming gemacht. Um 5 Uhr morgens auf’m Hamburger Kiez – gewissermaßen eine Getränkemeditation.“
Wie seid ihr ausgerechnet auf RODEO 5000 gekommen? Hattet ihr andere Namensideen?
Simon: Wir haben bei der Namenssuche ein ganz traditionelles Brainstorming gemacht. Um 5 Uhr morgens auf’m Hamburger Kiez – gewissermaßen eine Getränkemeditation.
Jonas: Es entstand eine legendäre Liste. „The-Horsefaces“ oder „Die Pick-Up-Boys“ wurden dort z.B. notiert. Auf Rodeo konnten wir uns dann aber schnell einigen.
Simon: “Rodeo” allein war uns aber nicht großspurig genug.
Jonas: Daher standen auf der nächsten Liste u.a. „Rodeohead“, „Bunny-Rodeo“ oder „Rodeo-Patrol“. Dann kam der Gedanke eine Zahl anzuhängen. Die sollte aber auffällig überdimensioniert wirken und auf unseren ironischen Ansatz hinweisen.
Simon: Wir finden RODEO 5000 transportiert ganz gut, dass es zwar um Country/Bluegrass geht, aber sich die Sache inhaltlich nicht zu (bis gar nicht) ernst nimmt.
Wie sind eure Verbindungen zur Country-Musik?
Jonas: Ich meiner Kindheit prägte mich die Skiffle-Musik meines Vaters. Wenn im Keller geprobt wurde, hörte ich im Kinderzimmer das Banjo und das Waschbrettgeschrammel.
Mit „Rodeo 5000“, „Gaspedal“ und „Der Hammer“ habt ihr bereits drei Songs veröffentlicht. Sind weitere Releases geplant? Wird es weitere einzelne Stücke geben oder auch ein Album?
Simon: Wenn dieses Interview erscheint, werden es schon mindestens sechs Songs sein! Also ja, da kommt noch eine ganze Menge.
Jonas: Auf der Tour kann man auch schon viele Songs hören, die wir in den nächsten Monaten veröffentlichen werden. Mit „Hoch die Becher“ wird z.B. bald der 7. Song erscheinen. Für mich ein ganz besonderer Track, denn es war einer meiner ersten Textvorschläge und auch der erste Demo-Rodeo-Song, den ich eingesungen habe.
Simon: Aus pragmatischen (vor allem zeitlichen) Gründen machen wir ein so genanntes Waterfall-Release. Soll heißen, wir veröffentlichen die Songs, sobald sie fertig geschrieben, komponiert, eingespielt und gemischt sind. Sobald wir das Gefühl haben, es sind genug, gibt’s dann eine CD.
„Noch heute ist es im kreativen Prozess so, als ob ein neues Szenario freigeschaltet wurde. An einigen Tagen habe ich parallel an drei Songideen geschrieben.“
Thematisch bewegt ihr euch, u.a. mit fröhlichen Party- und Trinkliedern, in ähnlichen Gefilden wie die Pulveraffen und die Pressgëng. Viele Musiker gehen mit ihren anderen Projekten oft neue Wege, u.a. Eric Fish von Subway to Sally. Wolltet ihr „more of the same“, nur mit Banjo, Waschbrett und Fiedel?
Simon: Man kann ja nicht aus seiner Haut! Hand auf’s Herz, diese Art von selbstironischen Texten, die sich in einer bestimmten Erzählwelt abspielen und von tanzbarer Mucke begleitet sind, machen mir persönlich einfach am meisten Spaß. Ich habe auch das Glück, von Zeit zu Zeit für andere Künstler:innen schreiben zu dürfen, wo ich teilweise in ganz anderen musikalischen Sphären unterwegs sein kann.
Jonas: Mir geht es ähnlich. Ich möchte mit meiner Musik Menschen unterhalten. Für mich heißt das, neben einem geilen musikalischen Hörerlebnis auch auf sprachlicher/inhaltlicher Ebene zu unterhalten. Wir machen es uns dabei übrigens nicht leicht. Einige Texte liegen mir von Version eins bis Version 16 vor und sind trotzdem noch nicht reif für ein Demo.
Simon, du arbeitest sonst mit deinen drei Geschwistern an neuer Musik. Wie darf man sich die Aufgabenteilung und den kreativen Prozess mit Jonas vorstellen?
Simon: Der kreative Prozess ist insane! Weil es für uns beide gerade neu und aufregend ist, strömen die Ideen nur so aus uns heraus.
Jonas: Noch heute ist es im kreativen Prozess so, als ob ein neues Szenario freigeschaltet wurde. An einigen Tagen habe ich parallel an drei Songideen geschrieben.
Was sind für dich persönlich die größten Unterschiede zu den Pulveraffen?
Simon: Im Vergleich mit den Pulveraffen merke ich natürlich, dass wir bei RODEO 5000 noch in den Kinder-Cowboystiefeln stecken. Wir müssen uns – wie in einer Hobbyband eben üblich – um alles selbst kümmern. Vom Songwriting über die Tourplanung bis hin zur Buchhaltung. Das ist schon ein brutales Pensum gerade, aber macht auch enorm viel Spaß!
Du warst bzw. bist auch Mitglied und Texter von Knasterbart, die nur noch selten zusammen auftreten. Stecken einige Ideen von Knasterbart-Songs auch in RODEO 5000?
Simon: Siehe oben – eine Idee hat es mit rüber geschafft, zudem wird es im Live-Set vielleicht die ein oder andere kleine Überraschung dahingehend geben. Aber psssst!
Wollt ihr weiter deutschsprachig bleiben oder wird es auch z.B. englische Songs geben?
Simon: Ich nehme an, wir werden bei deutschsprachigen Eigenkompositionen bleiben.
Jonas: Ich möchte nichts ausschließen. Allerdings leben unsere Texte oft von Sprach- und Wortspielen in der vertrauten Muttersprache. Auf der Tour ergänzen wir unser Programm übrigens mit englischen Cover-Songs.
„Die Priorisierung liegt in meinem Fall schon sehr deutlich auf den Pulveraffen. Das ist nicht nur mein musikalisches Baby, sondern eben auch ein Familienprojekt und zudem 95% meines Broterwerbs.“
Eure Hauptprojekte sind sehr zeitintensiv, neben der eigentlichen Musik kommt dazu Social Media, Promo, Live-Shows, Bandproben und vieles mehr. Wie priorisiert ihr das nun und wie geht ihr diese Themen bei RODEO 5000 an?
Simon: Die Priorisierung liegt in meinem Fall schon sehr deutlich auf den Pulveraffen. Das ist nicht nur mein musikalisches Baby, sondern eben auch ein Familienprojekt und zudem 95% meines Broterwerbs.
Jonas: Bei mir steht die Familie und mein Job als Lehrer im Vordergrund. Ich denke, RODEO 5000 ist für uns beide ein herrliches Hobby, das uns einfach Spaß macht und etwas drumherum geplant werden muss.
Im März/April spielt ihr eine erste kleine „Redneck Randale“-Tour. Gibt es bereits weitere Pläne für Live-Auftritte im Sommer oder Herbst dieses Jahres?
Simon: Ganz genau! Darauf freuen wir uns riesig – gerade arbeiten wir ein sehr eskalatives Programm aus, es gibt mit Redwood fantastische Special Guests und bei uns ein hochkarätiges Line-Up auf der Bühne.
Jonas: Am ersten Tour-Wochenende ist zum Beispiel Ally (Subway to Sally) an der Geige dabei, am zweiten Maline (Eklipse). Bass spielt Chris, der sonst bei Vogelfrey aktiv ist, und wir haben mit Sjoerd einen Musiker gefunden, der das Banjo besser beherrscht, als wir es uns erträumt haben.
Simon: Im Sommer hat schon ein dicker Festival-Fisch angebissen, aber dazu dürfen wir noch nichts verraten. Und selbstverständlich wird es danach auch noch weitergehen mit Rodeo-Shows.
Jonas: Wir machen jetzt schon länger Musik und sind beide schon jetzt überzeugt, dass wir da eine Show entwickelt haben, die dem Publikum einen richtig geilen Partyabend garantiert. Das schreit nach weiteren Terminen.
„Während wir auf der Bühne performten, wurden im Publikum Tickets für die Randale-Tour geordert. Ein schönes Kompliment!“
Ist es einfacher für euch, mit diesem Projekt Fuß zu fassen, da ihr auf bestehende Label- und Veranstalterkontakte wie Fuego oder The Living Proof Agency zurückgreifen könnt?
Simon: Klar ist das einfacher, als wenn man bei Null anfangen müsste! Für mich persönlich ist es auch schön zu merken, dass die Geschäftspartner:innen an mich glauben, einfach weil ich ich bin. Ohne dass es scbon viel vorzuweisen gäbe mit Rodeo.
Jonas: Wir werden außerdem von vielen wundervollen Menschen aus unserem direkten und privaten Umfeld unterstützt, die nicht nur leidenschaftlich, sondern auch schwer kompetent sind. Ich denke da besonders an Feli. Nur durch ihren Einsatz sind unsere Hackfressen medial sichtbar und ohne Folgeschäden anzusehen.
Wie zufrieden seid ihr mit der Resonanz bisher?
Jonas: Wir sind sehr glücklich, dass sich so schnell so viele Menschen für unseren Quatsch interessieren.
Simon: Man darf ja nicht vergessen, dass das total nerdiges Liebhaberzeug ist. Daher freuen für uns über jeden freundlichen Kommentar und jedes verkaufte Ticket.
Jonas: Auch die Reaktionen bei unserem ersten kurzen Überraschungsauftritt waren überwältigend. Das Publikum ist sofort auf den Zug aufgesprungen und hat hart abgefeiert. Noch während wir auf der Bühne performten, wurden im Publikum Tickets für die Randale-Tour geordert. Ein schönes Kompliment!
Wie wichtig ist euch das Gesamtkonzept von RODEO 5000, also die Verbindung von eurer Musik mit einer entsprechenden Optik und Songinhalten?
Simon: Wie ich schon gesagt habe, ich habe am Texten in thematiaschen Welten große Freude und eben auch am Verkleiden.
Jonas: Mir hilft das Outfit, um in die Rolle zu schlüpfen. Wir wollen damit auch klar zu erkennen geben, dass wir als Bühnenfiguren in der Rolle nicht zu ernst nehmen sollte. Außerdem wollen wir auf der Bühne auch optisch eine entsprechende Atmosphäre schaffen.
Vielen Dank für eure Zeit. Zum Abschluss ein kleines Metal1-Brainstorming:
Truck Stop: Take it easy, altes Haus!
Hillbillys: Latzhosen, Pickup-Trucks, Schaukelstuhl, Banjo-Klänge und zweifelhafte familiäre Zusammenhänge. Kurz: RODEO 5000!
Feuerschwanz beim ESC: Wir hätten es ihnen sehr gegönnt. Eine der fleißigsten und sympathischsten Bands im Business.
Crowd-Funding: Legitimes Mittel, aber für uns Chaoten zu viel Planungsaufwand.
RODEO 5000 in 10 Jahren: Stell dir Willie Nelson vor. Nur in verbrauchter.
Die letzten Worte gehören euch…
Simon: Wir beenden dieses Interview mit einigen “famous last words” unserer kürzlich verstorbenen Redneck-Verwandschaft:
Jonas: “Der Hächsler sollte wieder gehen!”, “Wenn eine Klapperschlange klappert, dann freut die sich.”
Simon: “Du kochst schon fast so gut wie meine Ex!”, “Schwarzbären greifen Menschen niemals an.”
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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