Interview mit Piotr Grudzinski von Riverside

RIVERSIDE aus Polen sind längst zu einer der führenden Bands des Progressive Rock aufgestiegen. In ihrer Heimat stand ihr 2009er Werk „Anno Domini High Definition“ in den Albumcharts sogar ganz oben und auch ihr aktuelles Album „Shrine Of New Generation Slaves“ ist mehr als erfolgreich auf Platz 3 in Polen und Platz 33 in Deutschland eingestiegen. Wir haben uns mit Gitarrist Piotr Grudzinski ausführlich über die Arbeit an der neuen Platte, den Eurovision Song Contest und die Schnelllebigkeit unserer technokratischen Zeit unterhalten.


Hi! Zunächst einmal möchte ich dir danken, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht es dir heute?
Hi! Ich fühle mich großartig, danke!

Kommen wir gleich zu eurem neuen Album „Shrine Of New Generation Slaves“, das ja gerade erschienen ist. Der Titel ist ziemlich cool, aber irgendwie auch ein wenig sperrig. Wessen Idee war es, die Platte so zu nennen?
Der volle Titel klingt vielleicht etwas unhandlich, aber die Abkürzung („Anm. d. Red.: „SONGS“) macht ihn sehr viel einfacher. Natürlich ist unser Sänger und Bassist Marius derjenige, der mit der Hauptidee für das Album ankam. Er schreibt die Texte und kreiert die Geschichten hinter den Titeln.

Thematisch beschäftigt sich das Album ja mit der Rastlosigkeit und den Erwartungen unserer modernen Zeit, die uns alle sozusagen zu „modernen Sklaven“ macht. Warum habt ihr euch entschieden, Songs über dieses Thema zu schreiben?
Zunächst einmal ist dies kein Album über Revolution. Wir verarbeiten unsere Beobachtungen und wir überlassen die Schlussfolgerungen unseren Hörerinnen und Hörern. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass sich in den letzten 30 Jahren die Zeit stark beschleunigt hat und dass das nicht nur eine Sache des Generationswechsels ist. Alles verändert sich so schnell, dass wir nicht einmal die Zeit finden, darüber nachzudenken, ob die Veränderungen gut oder schlecht für uns sind. Wir gewöhnen uns einfach an sie.

Was kann uns deiner Meinung nach denn aus dieser modernen Art von Sklaverei, wie ihr das ja nennt, führen? Wo können wir Erleichterung und Schutz finden?
Es ist vielleicht ein Klischee, aber wir sind unsere eigene Erleichterung. Natürlich sind wir seit jeher nicht mehr als Ameisen oder Bienen. Wir arbeiten nur nicht für eine Königin und für das Überleben des ganzen Nests; wir arbeiten für eine Reihe von Göttern bzw. Herren, um deren Leben großartiger zu machen. Ich denke die Menschen, vor allem junge Menschen, sollten sich ihre Zukunft wirklich weise aussuchen und versuchen Dinge zu tun, die sie wirklich tun möchten, anstatt nur das zu tun, was sie tun müssen. Ich denke, meist ist es so, dass unsere Entscheidungen über unser ganzes Leben bestimmen – also sollten wir vielleicht besser auf sie achten.

Als ihr mit der Arbeit an der neuen Scheibe begonnen habt, hattet ihr da irgendein Konzept, wie sie klingen sollte?
Wir wussten ganz sicher, wie sie nicht klingen sollte. Wir wollten auf diesem Album keine Metal-Einflüsse. Der Sound entwickelte sich während der Aufnahmen. Einige Parts waren von Anfang an klar und offensichtlich, aber andere nicht. Es war eine große Freude zu sehen, wie die Songs sich veränderten und ihre endgültige Form annahmen.

Ist es für euch harte Arbeit ein neues Album zu schreiben oder fließt die Musik nur so aus euch heraus?
Verglichen mit den vorherigen Alben würde ich sagen, dass es dieses Mal wirklich harte Arbeit war. Wir wussten, was wir nicht wollten, aber eben nicht genau, was wir wollten. Wir hatten also einige Entwürfe, aber wir verbesserten diese in kleinen Schritten. Glücklicherweise hatten wir jede Menge Zeit. Wir nahmen vom März bis November 2012 auf, jeweils in kleine Abschnitte getrennt; so konnten wir uns wirklich Zeit lassen und mussten keine übereilten Entscheidungen treffen.

Gibt es einen Song auf dem Album, auf den du besonders stolz bist? Warum?
Ich bin auf das ganze Album stolz. Es ist ein sehr reifes Werk und das wird schon mit den ersten Songs klar.

Die Special Edition der CD bietet zwei „Night Session“ Bonustracks. Was hat es damit auf sich?
Die Geschichte ist recht simpel. Wir wollten eine Doppel-CD-Version machen, hatten aber kein Material für die Bonus-CD. Also mussten wir eine weitere Woche im Studio verbringen, um zusätzliche Musik zusammenzutragen. Seit dem Beginn unserer Karriere mögen wir es, elektronische Einflüsse und Ambient-Stimmungen in unsere Musik einzuarbeiten. Das war also keine schwere Aufgabe. Wir begannen mit Song-Ausschnitten des Albums, vor allem von „Deprived“, und hatten viel Spaß diese zwei Nummern aufzunehmen.

Was ist euer Ziel mit diesem Album?
Wir wollen mit jedem Album beweisen, dass wir eine gute und interessante Band sind. Dass wir wachsen und dass unsere Musik keine gedankenlose Kopie von altbekannten Mustern ist. Dass wir unsere Hörerinnen und Hörer immer noch überraschen und entzücken können.

Ihr habt außerdem einen großartigen Videoclip zur ersten Single des Albums, „Celebrity Touch“, veröffentlicht. Du spielst ja auch eine Rolle in dem Clip. War es für dich schwierig, die Rolle auf die Art und Weise auszufüllen, wie es für die Produktion nötig war, oder konntest du ganz du selbst sein, als die Kameras liefen?
Ich denke, da wir keine Filmstars sind, basiert unser Schauspiel ganz darauf, dass wir wir selbst sind.

Ab März seid ihr auf Tour, um euer neues Album live zu präsentieren. Warum sollten wir uns ein Ticket kaufen und unser hart verdientes Geld für einen Abend mit RIVERSIDE ausgeben?
Wenn ihr euer hart verdientes Geld für eine Riverside-CD oder -LP ausgegeben habt und euch diese auch tatsächlich Spaß gemacht hat, solltet ihr euer hart verdientes Geld auch ausgeben, um diese Songs live zu hören. Natürlich können wir keine Show im Roger-Waters-Style anbieten, aber am wichtigsten sind immer noch die Musik und die Gefühle, die sie hervorbringt.

Gibt es Pläne für eine Live-Blu-ray?
Wir haben darüber nachgedacht, aber es gibt noch keine Details.

RIVERSIDE sind jetzt seit mehr als zehn Jahren aktiv. Was hat sich seit euren Anfangstagen geändert, abgesehen davon, dass ihr nun ziemlich bekannt und erfolgreich in der Prog-Szene seid?
Das hängt sicherlich vom Blickwinkel ab, aber ich würde sagen, dass sich unsere Leben völlig verändert haben. Damit meine ich nicht Erfolg. Am Anfang war RIVERSIDE unser Hobby. Wir hatten Jobs und nach dem Feierabend hatten wir Spaß daran, Musik zu machen. Seit einigen Jahren leben wir aber jetzt davon, Musiker zu sein. Das ist ein ganz anderer Lebensstil. Wir bekommen kein monatliches Gehalt. Wir müssen alles etwas anders planen. Viele Dinge sind aber auch geblieben wie früher – wir sind immer noch ganz normale Jungs.

Gibt es etwas, was von den Medien oder den Fans über die Band geschrieben oder gesagt wird, was du einfach nicht mehr hören kannst?
Wir versuchen, uns nicht um seltsame oder dumme Dinge zu kümmern, die die Leute sagen. Aber ich schätze, mit dem neuen Album befreien wir uns endgültig von den Porcupine-Tree-Vergleichen.


In eurer Heimat Polen seid ihr sehr groß und erfolgreich. Was hältst du von der Idee, Polen im Eurovision Song Contest zu vertreten, ganz so wie Lordi oder Pain Of Salvation?
Wir hatten diesbezüglich ein paar Anfragen, sind aber nicht daran interessiert. Ich finde die Richtung des Festivals – in Bezug auf Künstler und Songs – einfach peinlich. Meiner Meinung nach trägt dieses Festival nichts zur Qualität der europäischen Musik bei. Zudem sind die meisten Künstler und Bands, die daran teilnehmen, in ihren eigenen Ländern gar nicht sehr bekannt.

Zu guter Letzt noch unser Brainstorming. Was fällt dir ein, wenn du die folgenden Begriffen hörst?
Lieblingsort in Deutschland und warum: Wir sind viel durch Deutschland gereist. Ich kann natürlich nicht sagen, dass ich alles gesehen habe, aber bis jetzt habe ich die Straße entlang des Rheins von Wiesbaden bis zur Loreley sehr genossen.
Djent: Ich mag diese Stilrichtung. Ich mag Sybreed, Periphery, Vildjharta
Ich würde gerne Musik machen mit: Bredan Perry
iPhone: Ich hab eins. Ich mag es sehr.
Dein Lieblingsalbum 2012: Dead Can Dance – Amnesia
Prometheus: Nicht beeindruckend
Facebook: Ein Werkzeug
Robert Fripp: Respekt
Ein RIVERSIDE-Song den Leute, die euch noch nicht kennen, anchecken sollten: The Depth of Self Delusion

Ok! Ich danke dir nochmals für deine Zeit. Ich wünsche euch nur das Beste für euer neues Album und freue mich darauf, euch dieses Jahr live zu erleben. Um dieses Interview abzuschließen – hast du noch was auf dem Herzen?
Vielen, vielen Dank. Nochmal: Wenn ihr unsere Musik mögt und eure hart verdientes Geld ausgegeben habt, um uns live zu sehen, dann gebt weiter, dass wir gut waren und für unser Geld hart gearbeitet haben.

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