Interview mit Magister Albert von Reverend Bizarre

Traurig, aber wahr: REVEREND BIZARRE veröffentlichen mit „III: So Long Suckers“ ihr letztes Album. Warum es der Schlußstrich sein wird, erzählt uns Sänger und Bassist Magister Albert in einem emotionalem Interview.

English original…

Hi! Ich danke dir vielmals, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht’s dir?
Hallo! Mir geht’s gerade recht gut, danke der Nachfrage. Ich bin nur sehr, sehr erschöpft, weil ich letzte Nacht wegen Schlaflosigkeit kein Auge zugemacht habe. Wenn ich mich entscheide, keine Medikamente zu nehmen, schlafe ich nicht. Ich leide auch an ewig dauernden Kopf- und Zahnschmerzen, aber an soetwas bin ich gewöhnt, also bin ich bereit, mit diesem Interview fortzufahren!

Ganz zu Anfang möchte ich euch zu „III: So long Suckers“ gratulieren und mich auch dafür bedanken, das Album ist ein gottverdammtes Meisterstück!
Schön, dass es dir gefällt! Wir sind selbst damit zufrieden, was für uns ein ungewohntes Gefühl ist… zumindest für mich.

Wie kamt ihr dazu, ein Lied über Caesar zu schreiben? Er scheint mir etwas aus der Reihe zu fallen, wenn ich mir ansehe, worüber ihr sonst so gesungen habt. Der Song ist übrigens verdammt episch.
Peter hat diesen Song geschrieben. Ich bin sicher, er hat da tiefere persönliche Gründe für, aber zumindest der Refrain hat eine Verbindung zu Ragnar Redbeards „Might is right“, das als Bibel des Sozialdarwinismus gilt, wobei es eigentlich nur eine Verhöhnung der ganzen Sache und der ganzen Welt und der Dummheit der Menschen ist. Die Idee von Caesar hat natürlich einen starken Symbolwert und verschiedene Aspekte. Caesar ist so eine Art Archetyp.

Wer oder was ist Kundalini?
Kundalini ist eine spirituelle Schlange, die erweckt werden kann. Das Wort ist Sanskrit und bedeutet sowas wie „gewunden“, in diesem Falle „gewunden wie eine Schlange“. Es heißt, dass Kundalini im Rückgrat eines menschlichen Wesens schläft und seine Kraft durch bestimmte Dinge entfesselt werden kann. Es gibt da sexuelle Nebenbedeutungen. Ich kann nicht sagen, dass ich ein Hinduismus-Experte bin, auch wenn ich darüber gelesen und auch kein paar Kurse dazu besucht habe, aber der Grund und die Inspiration für diesen Song, „Kundalini Arisen“, kommt aus dem wahren Leben und ich mag die Idee, so eine Symbolik zu verwenden, die ein bisschen ungewohnt für Reverend Bizarre ist. Ich habe schon zuvor über diese Dinge nachgedacht, hatte sie aber vergessen oder nicht aktiv darüber nachgedacht für eine Weile, und dann kam das alles plötzlich zurück, als wir kurz davor waren, ein improvisiertes Instrumental aufzunehmen. So kam das Lied also zu seinem Titel und auch zu seiner Form und seinem Rhythmus. Der Gedanke, meinen eigenen Kundalini zu erwecken, hat mich dazu gebracht, diese Dinge zu spielen.

Denkst du, dass man aus Finnland (oder Skandinavien) kommen muss, um solche unglaubliche Grabesstimmung wie in „Sorrow“ in einen Song zu bekommen? Immerhin ist es bei euch im Jahr eine ganze Zeit lang verdammt lange dunkel.
Naja, es ist schwer zu sagen, wie sehr es mich beeinflusst hat, hier geboren worden zu sein. Sicher hat das einiges ausgemacht, aber um den Song wirklich zu verstehen, solltest du das Leben gelebt haben, das ich gelebt habe und meine Wirren und Schwankungen geteilt haben. Ich glaube nicht, dass nach Finnland zu kommen es dir eröffnen würde. Aber ich würde mich wiederum nicht auf diese Weise mit diesen Dingen beschäftigen, wenn ich von Honolulu käme. Die Kultur hätte mir andere Herangehensweisen an diese Dinge mitgegeben. Was Skandinavien betrifft, ist Finnland ganz anders als die übrigen Länder. Ich mag die Tatsache, dass Finnland auf dieser Welt wirklich allein ist. Und ja, hier gibts viele kaputte Leute, in dem Sinne verstündest du unsere Musik wirklich besser, wenn du ein bisschen Zeit hier verbringen würdest.

Hast du dich jemals so gefühlt, wie es in diesem Lied beschrieben wird?
Ja. Ich fühle mich auch jetzt gerade so. Auf diesem letzten Album stammen die meisten textlichen Sachen aus meinem eigenen Leben.

Um dieses traurige Thema kurz anzuschneiden: Was ist denn nun eigentlich der Grund dafür, dass der Reverend in sein Grab steigt?
Das ist jetzt eine großartige Überleitung… es langweilt mich ziemlich, diese Frage zu beantworten, aber jetzt geht das leicht. Ein wichtiger Fakt ist, dass ich das Leben führe, das auf diesem letzten Album beschrieben wird. Das Leben hat mich zu Boden gedrückt und ich brauchte Platz für meine eigenen Gedanken und dafür, wieder unter die Lebenden zu kommen. Reverend Bizarre war in vielen Dingen eine verdammt gewichtige Sache geworden. Ich hatte das Gefühl, dass es mich erstickte. Natürlich gab es da auch andere Sachen.

War die Auflösung der Band von Anfang an eine klare Entscheidung?
Ich dachte das erste Mal daran, die Band zu verlassen, nachdem unsere Demo 1999 rauskam. Das nächste Mal hatte ich nach unserem ersten Album von allem die Schnauze voll. 2003 lösten wir uns nach einem Gewaltausbruch hinter der Bühne, der nach einem Gig passierte, sogar auf. Es war immer so, soweit ich zurückdenken kann. Im, wann war das, März 2006 hatte ich keine Wahl mehr. Es galt: Entweder ich oder die Band. Als ich die Entscheidung traf, wurden die Dinge eine Zeit lang etwas leichter und ich musste mich „nur“ mit den ziemlich harten Sachen in meinem Privatleben auseinandersetzen. Das tue ich immer noch. Es ist jetzt trotzdem besser. Schlimmer konnte es nicht werden.

Doom Metal ist ja eine der am wenigsten verbreiteten Metalvarianten. Wie habt ihr damals in euren Anfangstagen entdeckt, dass ihr Doom spielen wollt?
Ich machte mehr experimentelle Musik, aber da ich als Fan mehr und mehr zum Doom Metal kam, wollte ich das selbst mal versuchen. Das war alles ganz üblich. Ich liebte einfach die Musik und damals war das ganze noch esoterischer, weil es keinen Internetzugang und keine Magazine gab, die über Doom schrieben. Dieses Mysterienspiel machte es sehr faszinierend und inspirierend.

Haben sich die Beziehungen zwischen euch dreien im Laufe der Bandgeschichte stark verändert?
Sie haben sich jetzt zum Besseren gewandelt, seit wir dem Ende entgegensehen. Das war für uns alle ein ziemlich wilder Ritt. Wir verbringen nie viel Zeit zusammen, wenn wir nicht aufnehmen oder live spielen.

Hand aufs Herz – habt ihr eure Lieder immer im Originaltempo eingespielt oder auch mal mit dem Computer verlangsamt?
Ha hah! Alles ist im Originaltempo aufgenommen. „So long Suckers“ ist das erste Album, bei dem wird digitale Bearbeitung angewendet haben, und selbst diesmal war es nur das Zusammenfügen einzelner Drumtakes. Die meisten Aufnahmen sind zur Hälfte analog aufgenommen. Wir haben unseren Kram wirklich auf die harte Tour gemacht. Ich zum Beispiel habe für meinen Gesang nie Auto-Tuner verwendet.

Ich stelle es mir unheimlich schwer vor, das schleppende Tempo einiger eurer Songs auf der Bühne zu halten, da man ja vielleicht öfter mal abgelenkt ist. Wie gut ist euch das gelungen und wie schafft man das?
Das hing von so vielen Dingen ab… der Stimmung, wie erschöpft wir waren, wie gut wir uns gehört haben und vom eigenen Spiel und wie viele Gigs wir hinter uns hatten. Im besten Fall hats ziemlich gut funktioniert. Es ist sehr schwer, diese Songs zu spielen, aber irgendwie haben wir gelernt, es zu tun, auch wenn wir mit Sicherheit keine Virtuosen sind. Ich muss sagen, dass ich beim Anhören einiger Liveaufnahmen fast überrascht bin, wie gut wir einige ziemlich schwere Songs wie „Demons annoying me“ oder „The Hour of Death“ spielen. Die Geister waren mit uns. Manchmal haben wir natürlich auch alles total verschissen.

Gibt es einen Gig, an den du dich in der Zukunft immer wieder erinnern wirst (in positiver Weise)?
Definitiv der letzte. Er hatte eine magische Atmosphäre und verlief sehr gut. Wir haben auch einige seltene Songs gespielt. Einige sogar zum ersten und letzten Mal.

Und vielleicht auch einen, den du am liebsten nie erlebt hättest?
Den ersten, den wir beim Semifinal in Helsinki gespielt haben. Ich hatte am Ende eine halbe Psychose wegen des Drucks, Depressionen und sehr ernste Schlaflosigkeit, die mich nächtelang wachhielt, selbst wenn ich massenweise Medikamente nahm. Wahrscheinlich haben wir schlechtere Auftritte gespielt, aber das war ein wahrer Alptraum für mich. Totaler mentaler Horror. Sehr beängstigende Sache. Zum Glück lief unser zweiter Gig dort sehr gut!

Ein Kollege von mir hier bei metal1.info schrieb in seiner Review zu „II: Crush the Insects“, dass „Doom over the World“ ihn an Manowar erinnert und sogar zum Tanzen animiert hätte. Was, denkst du, ist der richtige Tanzstil für eure Musik?
Warum nicht! Und mich erinnert er auch an Manowar! Er ist wahrscheinlich unser größter „Hit“.

Bist du während deiner Schaffenszeit bei Reverend Bizarre zu einer tiefgreifenden Erkenntnis gelangt?
Ja, aber nicht unbedingt direkt durch die Band, sondern durch die Orte, die wir gesehen und die Leute, die wir getroffen und die Schwierigkeiten, die wir durchgemacht haben. Ich fühle mich sehr glücklich, dass ich all das erfahren durfte. Wenn ich jetzt weiter meine Musik in einer etwas anderen Richtung weitermache, weiß ich viel mehr über viele Dinge. Auch die Arbeit im Studio ist sehr einfach geworden.

Wie wird es für euch nun weitergehen? Zieht ihr euch ganz aus dem Musikgeschäft zurück?
Nein. Wir werden alle weiter Musik machen. Ich habe mindestens zwei Scheiben, die dieses Jahr rauskommen. Die zweite 12″ meiner neuen Band The Puritan und die erste LP von Armanenschaft, einer Primitive Black Metal-Band, in der ich singe. Ich hoffe darauf, 2008 verschiedene Sachen aufzunehmen. Peter ist mit seiner Arbeit beschäftigt und hat auch Familie, sein zweites Kind kommt bald zur Welt, Musik ist im Moment vielleicht nicht das Wichtigste in seinem Leben, aber ich weiß, dass ihn nichts von diesem Geschäft fernhalten könnte. Er hat eine neue Band, Lord Vicar, und seine alte Progrock-Band The Orne läuft auch noch.

Wird der Reverend vielleicht eines Tages von den Toten auferstehen?
Nein. Wir sterben, wie wir gelebt haben. Wir halten unser Wort und wir haben uns entschieden, dass es das hier ist.

Okay, dieses Interview ist nun fast vorbei, doch vorher hast du noch die einmalige Gelegenheit, am famosen metal1.Wortspiel teilzunehmen! Sag‘ einfach, was dir zu diesen Begriffen als erstes einfällt:
Finnland: Liebe und Hass.
Black Sabbath: Die Offenbarung meiner Kindheit. Kraft. Reinheit.
Weihrauch: Hippies.
Bier (speziell deutsches): Gute und schlechte Zeiten.
Mallorca: Dragon Rojo.
Dethklok: Hah hah… absolut nichts… naja ok, es ist nah am Misfits-Haarschnitt dran. Und ja, myn glas loop tras . Die Zeit läuft ab.
metal1.info: Dieses Interview. Es war schön. Gute Fragen sind ein Luxus!

Ich sage tausend dank für dieses Interview und wünsche sowohl dir als auch deinen beiden Mitstreitern alles Gute für die Zukunft. Möget ihr weiterhin ein gutes und reiches Leben haben! Die letzten Worte gehören natürlich dir.
Vielen Dank dafür, dass du so viel Zeit und Gedanken für unsere Taten aufgewendet hast. Ich weiß es zu schätzen. Grüße an die Leser. Hoffentlich treffe ich einige von euch eines Tages in besseren Zeiten. Jetzt fange ich gerade an, Deutschland zu vermissen! Ich kann versprechen, dass ich eines Tages wieder dort spielen werde. So oder so.

Geschrieben am von Metal1.info

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