Gut zwei Jahre nach „Death Kult Legions“ haben sich die Death-Metaller von REVEL IN FLESH eindrucksvoll zurückgemeldet und sich mit ihrem neuesten Werk „Emissary Of All Plagues“ auch gleich unseren Titel „Album des Monats Dezember“ geschnappt. Wir sprachen anlässlich der Veröffentlichung mit Sänger Haubersson über das neue Album, darüber, wie die Band auf den Namen zum Album kam und wo sich dieses in der Entwicklung der Band einordnet. Aber auch ein kleiner Rückblick auf 2016 durfte natürlich nicht fehlen.
Moin. Zunächst einmal Glückwunsch zu einem weiteren gelungenen Album. Wie geht es dir?
Servus, Metal1-Leserschaft. Danke für eure Zeit. Im REVEL-IN-FLESH-Camp brennt es seit dem Release auf Hochtouren. Wir haben irre viele Bestellungen und die Vinyl-Version von „Emissary Of All Plagues“ ist bei uns und dem Label bereits jetzt (circa zehn Tage nach Release) ausverkauft. Wir bekommen klasse Feedback, aber die Band ist gerade auch zeitintensiver als je zuvor, vor allem mit der Arbeit hinter den Kulissen, die man als Außenstehender nicht erkennt.
„Emissary Of All Plagues“ ist Album Nummer vier in fünf Jahren und dazu gesellen sich diverse Splits und EPs. Da stellt sich die Frage, wann und wie schreibt ihr eure Songs? Läuft das alles nebenbei ab?
Ja, das hört sich an, als würden wir ein totales „Freak-Leben“ führen, aber glaube mir, bei uns hat auch jeder seinen Alltag. Fakt ist, dass wir den Vorteil haben, dass Maggesson (Gitarrist – Anm. d. Red.) mit den Vault-M.-Studios über ein eigenes Home-Studio verfügt und wir im Vergleich zu anderen Bands quasi im Studio Songs schreiben und direkt aufnehmen können. Wir waren noch nie die typische Proberaum-Band. Für uns hat sich diese Arbeitsweise als effektiver und produktiver erwiesen, vor allem, da wir alle nicht am selben Ort wohnen, sondern zum Teil 150 Kilometer Distanz voneinander haben.
Wird eventuell auch mal Material für „schlechte Zeiten“ zurückgehalten?
Nein, es gab zum ersten Mal in einer Album-Session keine Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben. Wir hatten für „Emissary Of All Plagues“ eine ganze Bandbreite an Ideen und Songfragmenten, waren jedoch in der Auswahl enorm selbstkritisch und hatten mehr Debatten als üblich. Am Ende haben es neun Tracks plus das UFO-Cover auf das Album geschafft. Ich denke, dass wir in vielen Fällen oft unsere schärfsten Kritiker sind.
Aber zurück zum aktuellen Album. Was steckt hinter dem Albumtitel? Seht ihr euch selbst als die Abgesandten?
Hier muss ich etwas weiter ausholen. Das Artwork von Juanjo Castellano war eine bereits fertige Arbeit, welche unser spanischer Artwork-Guru eigentlich für ein eigenes Projekt zurückhalten wollte. Im Zuge der Diskussion um ein neues Cover für REVEL IN FLESH zeigte er mir diese Arbeit und ich war sofort Feuer und Flamme. Glaube mir, es war kein leichtes Unterfangen, ihm dieses Cover abzuschwatzen.
Mir schwebte ein Artwork vor, das auf einer zentralen Figur aufgebaut ist. Die Arbeit hatte bei Juanjo Castellano bereits den Namen „Emissary Of All Plagues“ und der hörte sich so verdammt gut und treffend an, dass ich ihn als Albumtitel durchgeboxt habe. Den Titel hat also der Coverkünstler verbockt. Hinter dem Bild steckt vom Künstler die Idee, dass die „mythische Gestalt“ eine Art Besessener ist, der verurteilt und lebendig begraben wurde. Entgegen aller Erwartungen kehrt er jedoch aus der Unterwelt zurück und rächt sich mit fürchterlichen Plagen an seinen Peinigern. Kurzum: Dieser Stoff ist geradezu perfekt für einen ordentlich gesalzenen Death-Metal-Text, wobei der Abgesandte in den Lyrics für unseren „Kult Of Death“ steht. Sprich, nichts und niemand kann diesen endgültig zu Grabe tragen, außer er selbst. In dem Text zum Titelsong tauchen viele Querverweise zu anderen REVEL-IN-FLESH-Texten auf, sodass dieser Opener auch textlich eine ganz klare Botschaft hat: REVEL IN FLESH sind zurück!
Wo seht ihr die größten Unterschiede zwischen „Emissary Of All Plagues“ und den vorangegangenen Werken?
Das neue Album führt die Entwicklung, die bereits auf „Death Kult Legions“ zu hören war, konsequent weiter. Das heißt, es gab auf dem Vorgänger schon mehr Groove und Heaviness. Auf dem neuen Werk wurde die Dosierung der Melodien und des Epik-Faktors noch intensiviert. Wir haben definitiv nicht mit den Wurzeln gebrochen, sondern uns logisch und für den Hörer nachvollziehbar weiterentwickelt. Der größte Unterschied ist sicher, dass „Emissary Of All Plagues“ einen unheimlich hohen Melodien-Anteil hat.
Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass das Tempo zwar etwas gemäßigter ist als auf dem Vorgänger, aber der Druck aus den Boxen ist trotzdem gewachsen. Habt ihr den Aufnahmeprozess bzw. die Produktion überhaupt großartig verändert?
Wir haben gewiss Uptempo-Nummern, aber waren noch nie eine „Baller-Band“. Wir wissen aufgrund der Live-Erfahrung zwischenzeitlich sehr gut, was bei REVEL IN FLESH funktioniert und was nicht. Ich denke, in Sachen Produktion haben wir mit „Emissary“ – Dank der Unterstützung von Dan Swanö (Edge Of Sanity, Witherscape etc.) an den Reglern – noch einiges an Tiefe gewonnen. Der Sound klingt lebendiger als je zuvor und vor allem die Gitarren haben einen gelungenen Mix aus HM2-Pedal-Bratzsound und der nötigen Wärme. Wir haben dieses Mal auch erstmals mit Re-Amping gearbeitet und im Vorfeld gab es zur Vorbereitung der Gitarrenspuren von Dan Swanö zudem ein paar hilfreiche Tipps. Unverändert war jedoch die Tatsache, dass wir die Rohaufnahmen in Eigenregie gemacht haben. Der komplette Mix- und Mastering-Job ging hingegen wieder an Dan Swanö, welcher jedoch in unseren Produktionen auch eine feste Konstante ist.
Ich will gar nicht auf jeden Song im Einzelnen zu sprechen kommen. Vielleicht fangen wir mal mit dem UFO-Cover an. Wie seid ihr auf den Song gekommen?
Ja, für das neue Album musste „Doctor, Doctor“ von UFO für uns herhalten. Es ist in der Tat so, dass wir allesamt auch einiges an altem Hardrock/Rock durch die Boxen ballern lassen, wenn wir auf Konzerte fahren. Dazu fließt das Bier immer noch am besten. Da ist schon auch eine heimliche Liebe zu besagtem UFO-Song entstanden. Mir ist klar, dass die „Schenker-Vintage“-Gitarren im Original nicht zu toppen sind, aber ich finde, wir haben es durchaus geschafft, dem Song auf unsere Weise ein Stück REVEL IN FLESH zu verpassen. Es wird ein „Take it or leave it“-Ding sein. Ich denke auch, nicht jede Death-Metal-Band traut sich an eine solche Nummer heran.
Mein persönliches Highlight ist „Fortress Of Gloom“. Kannst du ein bisschen was zu dem Song sagen?
Einer der Tracks, der ganz klar auch eine Weiterentwicklung der Band kristallisiert. Die Grundidee stammt von Maggesson. Als ich die Demoversion zu dem Song erstmals gehört habe, blieb mir sofort die melodische Hookline im Kopf. Vom Feeling her hat der Song etwas Kaltes und Dunkles. Ein paar der Parts erinnern mich persönlich auch sehr an UNANIMATED. In Verbindung mit den Lyrics und den Vocals hat der Track noch eine viel größere Bandbreite bekommen und schafft entsprechende Stimmungsbilder. Wir haben zu diesem Track übrigens auch ein cool animiertes Lyric Video gemacht. Check it out.
Ein aus meiner Sicht vermutlich sehr guter Live-Song dürfte „Dead To This World“ sein. Habt ihr solche Faktoren beim Schreiben der Songs durchaus im Hinterkopf?
Ich muss dich enttäuschen, denn bisher taucht „Dead To This World“ nicht auf unserer Setlist auf. Absolute Livesongs vom neuen Album sind bisher der Titeltrack und „Casket Ride“. Live bewähren sich für uns in der Regel Songs, die grooven und ein gewisses Maß an Energie freisetzen. „Dead To This World“ hat einen großen Epik-Faktor. Das könnte live in entsprechender Kulisse funktionieren, aber wenn nicht, auch entsprechend den Wind aus den Segeln nehmen. Ich kann mehr dazu sagen, wenn wir das mal live probiert haben. Wie gesagt, bisher haben wir lediglich die Album-Release-Show mit dem neuen Material bestritten.
Wie steht es denn mit euren persönlichen Favoriten? Gibt es Songs, die ihr besonders hervorheben würdet?
Schwierig. Ich habe den kompletten Entstehungsprozess des Albums gerade vor Augen und ich denke, es ist wichtig, dass man dieses Album als Ganzes betrachtet. „Emissary Of All Plagues“ hat viele Details, welche es auch nach mehrmaligem Hören oder Entdecken mit Kopfhörern interessant macht. Persönliche Faves? Das kann ich euch vielleicht sagen, wenn wir mit dem Album mehrere Shows gespielt haben. Ich denke, durch das Livespielen entwickelt man zu den Songs noch einen ganz anderen Bezug. „Fortress Of Gloom“ und „Dead To This World“ sind jedoch Tracks, die dem REVEL-Universum etwas Frische verabreicht haben.
Mit Jonas Lindblood und Jimmy Lundqvist habt ihr noch zwei Gäste an Bord. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Ja, Jonas von Puteraeon hat ein Killer-Gastsolo bei „Servants Of The Deathkult“ abgeliefert. Mit Puteraeon verbinden uns nicht nur eine gemeinsame Split-7“-EP und zwei Minitouren, sondern auch ein gewisser derber Humor. Brüder im Geiste.
Mit Entrails haben wir auch schon zweimal die Bühne geteilt. Ich habe seit deren Demophase Kontakt zu Jimmy und er stimmte einem Gastsolo, das bei „The Dead Lives On“ zu hören ist, auch umgehend zu.
Im Prinzip liefen beide Solos als Home-Recordings, d. h. beide haben entsprechende Studiosoftware genutzt und die finalen Gitarrenspuren gingen via File-Sharing an uns. So läuft das im Zeitalter von Internet und Datenwahn. Die klassische Vorstellung von Gästen, die zu dir ins Studio kommen, ist veralteter Schnee von gestern, ha!
Ansonsten ist es sehr auffällig, dass ihr seit Jahren in einem konstanten Line-up spielt. Wie hilfreich ist das, um den eigenen Stil immer weiter zu verfeinern?
Ha! Stimmt! Wir sind halt schon ein spezieller Haufen, in den jeder seine speziellen Macken mit sich bringt, welche zum einen hilfreich, zum anderen aber auch herausfordernd sind. In Bezug auf die Musik ist es eben so, dass das Zusammenwachsen Zeit braucht und vor allem das Livespielen ist das größte Lernfeld. Ich denke, das neue Album zeigt, dass die Band mehr und mehr auch zusammengewachsen ist.
Wird es anlässlich des Releases von „Emissary Of All Plagues“ auch eine kleine Tour geben?
Dieses Album hätte eine amtliche Tour mehr als verdient. Das Problem ist einerseits unsere berufliche und alltagsbezogene Situation und andererseits, dass Touren im professionellen Booking-Bereich enorm Geld verschlingen. Aber wir arbeiten gerade an zwei kleineren Road-Trips, die einmal mit einer schwedischen Band und das andere Mal mit einer deutschen Band, die es schon seit den 90ern gibt und die noch schwedischer klingt als es REVEL IN FLESH, gedacht sind. Ein paar kleinere Einzelgigs und Festivals haben wir bisher auch am Start. Wir müssen schauen, was wir selber gebacken bekommen und vielleicht gibt es ja in Kürze noch das eine oder andere Booking-Highlight.
Welche weiteren Pläne gibt es denn für die Zukunft?
Wir werden zu Beginn von 2017 mit neuem Merch, neuem Video und möglichst vielen Shows wieder angreifen. Ich hoffe, dass wir 2017 auch wieder die eine oder andere Split-7“-EP rausklopfen können. Wir haben definitiv Bock auf mehr!
Ich habe gelesen, dass Schwäbisch Gmünd bekannt sein soll für die „Sing- und Geigschul“. Vielleicht könnt ihr ja dort unterrichten? Oder hat bereits jemand aus der Band Kontakt zu dieser Schule gehabt?
Ganz ehrlich, davon habe ich als Ureinwohner nie Kenntnis genommen. Schwäbisch Gmünd ist eigentlich auch „Gold- und Silberstadt“, also für Goldschmiedekunst bekannt. Zusätzlich sind wir die älteste Stauferstadt und das Münster ist das Wahrzeichen. Zurück zu deiner Frage: Musiktheorie war noch nie meine Stärke, der einzige in der Band, der sich offiziell Musiker schimpfen darf, ist Maggesson. Beim Rest fallen vielmehr die Noten von der Tafel abwärts, ha!
Gibt es abseits des (Death) Metal noch andere musikalische Projekte, die euch reizen würden?
Einige von uns haben noch andere Bands bzw. Projekte laufen. Ich habe 2016 ein paar Guest-Vocals für Mark Riddicks neues Fetid-Zombie-Album angeliefert. Das Werk heißt „Epicedia“; vier Tracks in 36 Minuten. Extrem abgefahren und vielschichtig. Hier gibt es viel zu entdecken und auch die Verpackung ist enorm stylish.
Welche Bands und Musiker bevorzugst du privat?
Das Spektrum ist von Doom bis hin zum Extrem-Krach sehr groß. Heute waren z. B. Deadheads, Imperial State Electric, aber auch Nihilist, Morbid Angel und Incubus („Beyond The Unknown“ – Kult-Scheibe), nicht zu verwechseln mit der Pop-Band, auf dem Plattenteller. Die neue Scheibe der Schweizer Unlight habe ich heute auch schon gehört. Großartiger Black Metal mit viel Atmosphäre und vielschichtigen Kompositionen.
Da das Jahr 2016 nun vorüber ist, kannst du uns vielleicht auch eine kurze Zusammenfassung eurer musikalischen Highlights des Jahres geben? Welche Bands haben überrascht, welche enttäuscht?
Für Enttäuschungen will ich keine Zeit und keinen Platz verschwenden, denn niemand will und braucht diese!
Ich muss jedoch sagen, dass mir, angesichts des totalen Release-Overkills in der Death-Metal-Szene, das Beantworten dieser Frage immer schwerer fällt. Man wird monatlich mit derart vielen Releases konfrontiert, wobei vieles reingeht, aber trotzdem keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Oft liegt das schlicht an der Masse.
„Starspawn“ von Blood Incantation aus den USA finde ich grandios. Extremster Death/Black, der roh klingt, aber dennoch Raum für Experimente und Frische hat. Die neue „Entrapment“ ist ihr bisher bestes Werk. Vanhelgd haben ein Album mit unheimlicher Atmosphäre geschaffen. Die aktuelle High Spirits finde ich klasse, ebenso die neue Ghost-Mini. Die aktuelle Darkthrone ist auch spitze. Graveyard aus Spanien haben eine klasse Entwicklung mit ihrem neuen Album hingelegt und die neuen Alben von Escarnium und Mortem finde ich auch stark. Die neue Asphyx zählt im Bereich Death Metal auch zu den Highlights.
Gibt es vielleicht auch besondere Tourerlebnisse, die euch dieses Jahr im Gedächtnis geblieben sind?
Mit unserem Rattenpack ist jeder Ausflug ein Erlebnis! 2016 gab es auch einiges: Bandmitglieder, die sich selbst vom Festivalgelände aussperren oder den halben Abend auf der Bierbank verschlafen usw. Ich höre besser auf, denn wir möchten auch noch in Zukunft gebucht werden.
Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Donald Trump: Amerikaner haben eine andere Denkweise als wir. Ich möchte das deshalb nicht werten. Uns bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als abzuwarten und auf das Beste zu hoffen.
Bolt Thrower: Respekt für ihre Entscheidung zum Split–up! Diese Band stand für ein Ideal, das man in diesem Business leider zu selten bis gar nicht mehr findet! Jedes ihrer von mir erlebten Konzerte war eine Macht.
Live-Alben: Mag ich, wenn mich diese als Hörer in die entsprechende Zeit zurückversetzen und sie eine entsprechende Stimmung einfangen. Ich schaue mir auf Youtube unheimlich gerne alte Konzerte von Thin Lizzy, Black Sabbath, Kansas usw. an.
Brexit: Siehe Antwort Trump. Entscheidungen gilt es zu akzeptieren, ob man will oder nicht. Inselaffen… Scherz!
Dein Lieblingsalbum 2016: MORTEM (Peru) – Deinos Necromantis, weil es solchen Death Metal, mit dem Possessed-like 80ies-Touch, heute nicht von der Stange gibt.
Festivals: Meine Faves auf deutschem Boden: Party.San, Protzen, Chronical Moshers, In Flammen und Chaos Descends.
REVEL IN FLESH in 10 Jahren: Fett, mit Leberschaden und wahrscheinlich schon lange auf dem Bandfriedhof (lacht)
Damit sind wir auch am Ende angelangt. Ich bedanke mich, dass Du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Die letzten Zeilen gehören Dir.
Danke für das fette Interview. Coole Fragen. Haben Spaß gemacht. Checkt unsere FB-Seite für regelmäßige Updates bezüglich Gigs, Merchandise usw. Denkt daran, im Metal sind trotz tonnenweise Bands, Festivals usw. die Fans immer noch das tragende Element und wir danken allen Maniacs, die bisher REVEL IN FLESH auf die eine oder andere Weise supportet haben! Deathkult Eternal!