Interview mit Nicolas van Dyk von Redemption

Mit ihrem dritten Album „The Origins of Ruin“ sind die fünf Amerikaner von REDEMPTION ausgezogen, um mächtig Aufsehen in der Szene zu verursachen. Seit Langem hat es keine Band mehr dermaßen überzeugend geschafft, Melodie, Härte und Gefühl so gut unter einen Hut zu bringen. Wir sprachen mit Bandleader und Songwriter Nicolas van Dyk über seine Begegnung mit Ray Alder, seine Einflüsse und natürlich über das sehr persönliche neue Werk.

English original…

Da das dein erstes Interview mit Metal1.info ist, möchte ich dich bitten, unseren Lesern deine Band kurz vorzustellen. Bitte erzähl uns ein wenig von eure Band-Geschichte und wie du in Kontakt mit Alder kamst.
Es war wirklich ein glücklicher Zufall. Ich habe nie ernsthaft daran gedacht, ein Vollzeitmusiker zu werden; ich verfolgte eine Karriere als ein leitender Angestellter in der Unterhaltungsindustrie. Ich habe über die Jahre hinweg, sehr viel Musik geschrieben und ich nahm nicht an, dass sie jemals das Licht der Welt erblicken würde. Eines Abends sah ich Ray Alder bei einer Clubshow in Los Angeles und ich ging einfach zu ihm rüber und sagte „Hallo“ – als anerkennender Fan. Ein paar Wochen später sah ich ihn bei einer anderen Show wieder und wir fingen eine Unterhaltung an. Eines führte zum anderen und wir wurden gute Freunde. Er sprach davon ein Soloprojekt starten zu wollen und aus diesem Grund spielte ich ihm einiges, von dem was ich geschreiben hatte, vor. Er mochte eines der Riffs so gerne, dass es Platz auf der ersten Engine CD fand, aber das meiste Zeug war zu progressiv für die Ausrichtung, die Alder für sein Soloprojekt im Auge hatte. Stattdessen fragte ich ihn, ob er mir dabei helfen würde, eine CD zu produzieren, die, wie ich damals annahm, hauptsächlich für mein eigenes Vergnügen sein würde. Ich kannte Bernie zu dieser Zeit bereits und er hatte einige Songs, die sich ziemlich von den Sachen unterschieden, die er mit Agent Steel machte. Ich traf Jason Rullo von Symphony X beim ersten ProgPower Festival und fragte ihn, ob er zum Einspielen des Schlagzeuges zur Verfügung stand. Er stimmte zu und wir nahmen alles auf und stellten Rick Mythiasin von Steel Prophet, der im selben Studio probte, in dem wir die Drums aufnahmen, ein, um den Gesang einzusingen. Und das war eigentlich das erste Line-up.Wer würdest du sagen, sind deine musikalischen Vorfahren?
Als ich aufwuchs, hörte ich NWOBHM und frühe Thrash Bands, da ich in der Nähe von San Francisco groß wurde. Später entdeckte ich die progressive Seite der Musik, mit Bands wie Rush, Kansas, Yes, Genesis, usw. So ich fing als Heavy Metal Typ an und später wurde ich zum Prog-Fan. Das ist wahrscheinlich ein Grund dafür, warum wir heavier klingen, als die meisten Progressive Bands.Wie lange hast du an „The Origins of Ruin“ gearbeitet (geschrieben, produziert) und gab es gröbere Probleme während des Entstehungsprozesses?
Keine Probleme, die der Rede wert wären, nur das wir mit der Platte fertig wurden, als wir noch keinen Vertrieb hatten, also lagen zwischen der Fertigstellung und dem Release ca. 6 Monate. Ein Problem gab es: Ich flog für den Mix nach Deutschland und die Festplatte, auf der die ProTools Dateien gespeichert waren, gab den Geist auf. Glücklicherweise hatte ein Freund von mir Zugang zu meinem Haus und er hat uns die Dateien auf einen Server geladen und wir hatten so die Möglichkeit sie runter zu laden. Wir musste hier also ein bisschen ringen, aber schlussendlich ging alles gut. Was das Schreiben anbelangt, hat es mich etwa 3-4 Monate gekostet, exklusive eines Songs, der während den Aufnahmen entstand.

Wie haben die Fans und die Kritiker das Album bis jetzt aufgenommen?
Sehr positiv. Wir wussten, dass wir eine große Hürde zu überwinden hatten, wenn man in Betracht zieht, wie gut „The Fullness of Time“ bei den Leuten ankam. Schlussendlich ist es nicht wichtig, ob die einen den Vorgänger, die anderen aber das aktuelle Album bevorzugen, beide sind gleich stark und ich glaube, wir haben damit erreicht, was wir wollten.

Bitte beschreibe das Cover und was wir darauf sehen können.
Ich habe für dieses Cover wieder mit Travis Smith zusammengearbeitet. Das Konzept für das Artwork entstand aus einem Film, den ich vor vielen Jahren gesehen habe. Der Film handelt von einem Anwalt, der keine Sinn und Zweck in seinem Leben mehr sieht. Ich hatte die Vorstellungen eines Typen an seinem Schreibtisch, körperlich und gefühlsmäßig erschöpft, mit seinen Kopf in den Händen. Das lustige daran ist, dass ich später das Artwork für den Film (der „The Verdict“ heißt) sah und es sah nicht annähernd so aus, wie ich es im Kopf hatte. Es ist interessant wie, wir Dinge interpretieren und sie von unserem Geist mit der Zeit verändert werden und eigene Formen annehmen.
Auf jeden Fall erklärte ich Travis was ich wollte und er erschuf dieses großartige Cover. Ich mag es auch, das Thema der Zweideutigkeit beizubehalten: Vorne am Cover sieht man diesen Typen, der in seiner grauen, eintönigen, kleinen Welt und auf der Rückseite (hinter der CD) sieht man wie er die Entschlossenheit aufbringt, die Tür öffnet, nach draußen geht und durch den Türspalt sieht man eine helle, schöne Welt. Das ist ein kleines Zeichen des Triumphes. One Little Victory, wie Rush sagen würde.

Was sind „die Ursprünge des Ruins“? (Origins of Ruin)
Das Titel wurde durch etwas was ich gelesen habe inspiriert und nimmt Bezug auf die Wurzel unserer Probleme als Menschen. Dieses Thema zieht sich durch Songs – sie beziehen sich auf Dinge wie Missverstände in der Kommunikation, das Ausnutzen von Leuten, Extremismus, Bedauern, Selbsthass, Angst und so weiter. Letztendlich enthalten die Songs aber auch positive Elemente, vor allem gegen Ende entwickelt sich der erzählerische Bogen von dunkel zu dunkler zu heller. Alle Songs verbindet dieses Thema der Probleme, die wir als Menschen bewältigen müssen.

Würdest du sagen, dass es eine merkbare Entwicklung zwischen „The Origins of Ruin“ und „The Fullness of Time“ gibt?
Ich würde sagen, es gibt einen großen Vorschritt in Sachen Produktionsqualität. Ansonsten gibt es hie und da kleinere Änderungen, aber wir haben unseren Sound mit „The Fullness of Time“ gefunden und ich sehe keinen Grund dies grundlegend zu ändern, nur um anders zu sein. Solange die Songs stark sind und das Interesse des Hörers auf sich ziehen und die emotionale Kraft haben, für die wir bekannt wurden, sehe ich keinen Grund etwas zu ändern. Andererseits wollen wir uns auch natürlich nicht zu oft wiederholen, deswegen werde ich mein Songwriting weiter ausloten. Wir basieren auf zwei Dingen: (1) Gegensätze (sehr harte Musik mit starken Melodien, Komplexität mit einen lieder-orientiertem Ansatz, düstere Theme, die ablehnen nihilistisch zu sein) und (2) einen Sinn für emotionalen Druck in unseren Songs. Ich glaube diese Themen können weiter erforscht werden, ohne uninteressant zu werden.

Warum hast du dich gegen ein Konzept auf „The Origins of Ruin“ entschieden?“
Ich wollte das klischeehafte Prog-Ding vermeiden…es scheint ganz so, als habe jede Progressive Metal Band ein Konzeptalbum und weil wir in der Vergangenheit schon nahe dran kamen, wollte ich es hier nicht wiederholen. Auf der letzten CD spielte ich früh mit dem Gedanken ein Konzeptalbum zu machen, aber ich nahm von der Idee Abstand. Ich hatte noch immer vier Lieder, die miteinander verbunden waren, aber ich wollte, dass jeder Song für sich alleine stand, als einen Song daraus zu machen, also habe ich ihn aufgeteilt. Jeder Song kann so alleine genossen werden. Es ist in Wirklichkeit nur das Ende von „Transcendence“, das die anderen Teile verbindet. Trotzdem sprechen viele Leute von einem „20 Minuten langen Song, der in Teile zerbrochen wurde.“ Mit der neuen CD wollte ich sicherstellen, dass das keiner machen kann.
Was wir hier haben, ist eine Sammlung von Songs, die kein Konzept formen, die aber thematisch alle das Thema „menschliche Schwächen“ behandeln.

Obwohl euer Sound sehr hart ist, schaffst ihr es trotzdem eine Menge Emotionen in die Songs zu legen. Was würdest du sagen, macht eure Musik so emotional? Und wie viel davon kommt vom Songwriting und wie viel von eurem Sänger?
Ich denke es ist ein wenig was von beidem. Natürlich wurde die Musik geschrieben, um Emotionen hervorzurufen – jede Art von Musik wird eigentlich dafür geschrieben. Aber wir versuchen den Songs einen filmischen Aspekt zu verleihen und die Gesangslinie so einzusetzen, dass sie Spannung und emotionale Druck rüberbringt. Die Texte sind natürlich intimer als Geschichten über Drachen und Trolle und wie toll Heavy Metal ist – was ich grundsätzlich lächerlich finde. Ray’s Stimme ist markant und die Tatsache, dass er nicht damit angeben will, wie hoch er singen oder wie tief er growlen kann, hilft uns dabei, dem ganzen einen humanen Touch zu geben.

Wie viel von deinem Privatleben steckt in den Songs? Die Emotionen in „Memory“ klingen für mich zum Beispiel sehr real.
Sie sind sehr real. Ich würde sagen 80 % der Texte sind persönlich und 20 % sind künstlerische Freiheit.

Ich bin absolut vernarrt in den oben genannten Song. Bitte erzähl mir etwas mehr über den Hintergrund des Liedes: Wann hattest du die Idee dazu und wie lange hast du an dem Song gearbeitet?
„Memory“ ist eine thematische Fortsetzung von „Sapphire“, eines gefeierten Songs auf der letzten Platte. Die meisten Leute, die unsere Arbeit verfolgen, sagen, dass „Sapphire“ einer unserer bester Song ist, wenn nicht sogar überhaupt der beste. Der Song behandelt fehlgeschlagene Beziehungen und die Entscheidungen, die Menschen in ihrem Leben treffen – Liebe, Verlust und Bedauern. Das sind Themen mit denen sich die meisten Menschen identifizieren können. „Memory“ betritt das gleiche Gebiet und hat eine gute Dosis der Konzepte, die im Film „Eternal Sunshine of a Spotless Mind“ (deutscher Titel: „Vergiss Mein Nicht“, Anm. d. Red.) behandelt werden.
Das Lied entstand aus mehreren Teilen. Die Person, die das Stück „Sapphire“ singt, ist eindeutig noch nicht über den Verlust hinweg…und die Reaktion der Fans war außerordentlich, also dachte ich, dass es eine gute Idee wäre, das Thema fortzusetzen. Ich hatte die Idee für die Strophen als ich eines Tage in Los Angeles herumging. Die Melodie und der Text für den Refrain trafen mich ausgerechnet als ich eines Tages alleine Golf spielte. Insgesamt entstand der Track also innerhalb einiger Wochen.

Soweit ich weiß, bis du der alleinige Songwriter und stellst die Band immer vor vollendete Tatsachen. Was wäre wenn jemand aus der Band eine großartige Idee hätte, die er einbringen möchte, würde diese Person die Chance bekommen, seine Ideen auf einer Redemption Platte verewigen zu können?
Ich würde das sehr begrüßen. Wie auch immer, da drei der verbleibenden vier Mitglieder in anderen Bands spielen, möchte ich diese Leute nicht vor die Entscheidung stellen, welche Band denn nun die guten Ideen von ihnen bekommt. In letzter Zeit hat Sean (Bass) einige coole Sachen gespielt, bei denen ich gesagt habe: „Hey, spiel das noch mal, ich will einen Song darum entwickeln.“ Der Anfang von „Man of Glass“ von „Origins of Ruin“ entstand auf diese Weise.

Du spielt sowohl Gitarre als auch Keyboard. Wie wird diese doppelte Belastung auf Tour umgangen werden? Wirst du Gitarre oder Keyboard spielen und habt ihr jemanden bestimmten, der die entstehende Lücke füllen wird?
Wir haben dieses Jahr die Freude, mit dem außergewöhnlichen Talent Greg Hosharian auf der Tour zusammen zu arbeiten. Wenn wir live spielen, bevorzuge ich die Gitarre – du kannst dich damit besser bewegen und dadurch wird es einfacher mit dem Publikum zu interagieren, als wenn ich hinter dem Keyboard stehen müsste. Gitarren fühlen sich viel natürlicher an…sie fassen dich und lassen dich nicht mehr los. Mir macht es Spaß, für das Keyboard zu schreiben und damit auf unseren Album zu spielen, deswegen bin ich mir nicht sicher, ob ich diese Aufgabe abgeben würde, aber Greg ist ein fabelhafter Typ und ich hoffe wir werden noch lange Zeit zusammenarbeiten.

Gibt es bereits Pläne für eine Tour in Europa? Und mit welcher Bands würdet ihr gern touren, wenn ihr die Wahl hättet?
Wir kommen gerade aus Amsterdam zurück, wo wir beim Headway Festival als Headliner auftraten, was großen Spaß gemacht hat. Ich würde sehr gerne einige Termine in Europa zusammenstellen, aber ehrlich gesagt müssten wir dafür noch etwas bekannter werden. Es ist doch sehr teuer alle Leute nach Europa zu bringen, deswegen müssen die Promoter sicher sein, dass wir genügen Leute anziehen, damit sich das ganze bezahlt macht. Und was eine Wunschband für eine mögliche Tour betrifft: Ich stehe einigen in Europa bekannten Bands nahe (Evergrey, Mercenary, Symphony X) und wir würden uns freuen, mit ihnen spielen zu können.

Was denkst du über die „New Wave of American Metal“ Bewegung und Band wie zum Beispiel Mastodon, die von vielen als die Speerspitze einer neuen Progressive Metal/Post Metal Bewegung angesehen werden?
Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass ich nur etwa 20 Sekunden eines Songs gehört habe und das nur, weil sie sich in einer Veröffentlichung über Dream Theater ausgelassen haben und ich sehen wollte, wie sie klingen. Ich erinnere mich gehört zu haben, dass der Schlagzeuger etwas Spezielles sein soll. Mehr weiß ich von ihnen sonst nicht.
Ich mag Metalcore Bands nicht besonders, also bin ich nicht der größte Fan von NWOAM.

Welcher Band glaubst du gehört die Zukunft des Progressive Metal Genres?
Wenn du damit Qualitätsbands meinst, die es noch 20 Jahre geben wird, dann denke ich an Bands, die in den letzten 5 Jahren oder so groß geworden sind – Symphony X, Evergrey usw. – die sollten hoffentlich für eine längere Zeit da sein. Selbstverständlich hoffen wir ein Teil dieser Zukunft zu sein.

Als kleine Tradition am Ende jedes Interviews, möchte ich dich zu unserem berühmten Metal1.brainstorming einladen. Was kommt dir als erstes in den Sinn?
ProgPower:
Jedes Jahr eine tolle Zeit – wir freuen uns WIRKLICH darauf, wieder auftreten zu können.
Dream Theater: Haben das Genre definiert. Heute ist es zwar populär sie nicht zu mögen, weil sie nicht mehr der Geheimtipp sind, aber ich denke das ist Unsinn. Sie sind unglaublich und ich freue mich wirklich auf die neue CD.
Los Angeles: Ich liebe die Stadt jeden Tag, den ich hier wohne, mehr, obwohl es in Filmen oft schlecht wegkommt – man kann die Stadt nicht mit der Darstellung in Crash (dt. L.A. Crash) vergleichen.
Internet: Zweischneidiges Schwert, das die Welt und die Musik unwiderruflich geändert hat.
Literatur: Eine der größten Errungenschaften der Menschheit. In ihrer besten Form fast unantastbar.
Metal1.info: Ich kann kein Deutsch, aber ich bin froh, dass du mit mir redest! :)

Gibt es abschließende Worte für unsere Leser?
Vielen, vielen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung. Wir hoffen wir haben die Möglichkeit bald für euch spielen zu können.

Vielen Dank für deine Zeit und das wunderbare, neue Album und viel Erfolg für die Zukunft!
Vielen Dank, Roland. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.

Geschrieben am von Metal1.info

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