Interview mit René Kögel von Purgatory

Der Regen dieser Festivalsaison tat nicht nur Kleidung und Gesundheit nicht gut, nein auch andere Gegenstände im Zelt – wie etwa ein Diktiergerät – kamen nicht nur mit dem Schrecken davon. PURGATORY waren die Datenwiederherstellung dennoch wert – mit Gitarrist René Kögel sprach unser Redakteur Dennis Piller über ihre neue Scheibe „Cultus Luciferi“ und die mittlerweile 15-jährige Bandgeschichte der sächsischen Death Metal-Kapelle.

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Servus René! Schön, dich hier zu treffen – ihr gehört ja praktisch schon zum alten Eisen hier auf dem Party.San.
Ja, jetzt sind wir mittlerweile zum vierten Mal hier.

Dann fehlt euch dieses Jahr ohne Regenchaos, Unterbrechungen und dergleichen bestimmt was, oder?
Ja, ist langweilig (lacht). Ne, das braucht’s so schön auch einfach mal, das Wetter ist jetzt schon ganz in Ordnung.

Wie kamt ihr letztendlich auf den Namen „Purgatory“? Doch bestimmt nicht wegen der großen musikalischen Paralellen zu Iced Earth, die ja auch mal so hießen.
Nein, das wirklich nicht (lacht). Für uns bedeutet der Name mehr oder weniger, dass man seinen eigenen Weg geht. Letztendlich ist es nur ein Name, den man sich gegeben hat, aber wir verbinden damit wirklich ein Stück weit den Gang unserer eigenen Wege, das Herauskehren unseres Ichs. „Fegefeuer“ hat dann ziemlich gut gepasst, aber das waren die eigentlichen Gründe für die Namenswahl.

Warum musste die Fangemeinde über 4 Jahre auf das neue Album „Cultus Luciferi“ warten?
Die letzten Jahre war es eigentlich immer so gewesen, dass wir ein bisschen länger gebraucht haben. Was bei uns jedes Mal dazu kam, war irgendein Besetzungswechsel an der Bass-Position – wir haben ja mittlerweile auf jeder CD einen anderen Basser. Das wirft eine Band natürlich immer extrem zurück. Außerdem lassen wir uns im Songwriting-Prozess immer sehr viel Zeit und feilen so lange an den Titeln herum, bis jeder damit zufrieden ist. Und auf der anderen Seite sehen wir es auch so, dass kein Schwein jedes Jahr ein neues Purgatory-Album braucht. Eine halbgare Sache abzugeben ist sowieso nicht unser Ding, da sollen die Fans lieber ein halbes oder ganzes Jahr länger warten und was Handfestes bekommen, wohinter wir auch zu 100% stehen. Wie die Leute reagieren lässt sich im Vornherein eh nicht einschätzen, aber wir selber müssen damit absolut zufrieden sein und dahinter stehen.

Absolut zufrieden könnt ihr auch mit dem sehr stimmigen Cover sein – worum ging’s euch dabei und wer hat’s gezeichnet?
Das Layout und das Cover an sich hat der Andi von Animate entworfen. Das vom Digipack und der Platte – dieses Siegel mit dem Chaosstern, mit diesem Pentragram und Siegel of Lucifer – hat unser Tätowierer gezeichnet. Wir wollten zwei verschiedene Sachen machen, die aber indirekt miteinander verbunden werden können. Für das Cover haben wir beim Andi unsere Vorstellungen abgegeben und er hat es dann auch ganz cool umgesetzt. Teilweise saßen wir mit ihm zusammen und haben immer wieder dran rumgefeilt, ein paar kleine Details verändert. Wie du schon sagst: es lässt sehr viel Spielraum, aber den sollen sich die Leute dann für sich selber füllen.

Ihr spielt, im Gegensatz zu anderen Deathern, allgemein viele Covers – fast auf jeder Scheibe. Steht noch irgendein spezielles Cover an?
Da haben wir eigentlich keine konkreten Vorstellungen. Es gibt sicher Sachen, die wir gerne mal machen würden, aber irgendwas spezielles… ne, eigentlich nicht. Vielleicht in Zukunft was, das dann mehr oder weniger wieder durch Zufall kommt. Wir hatten mal gedacht, einen alten Lord Of Putrefaction-Song zu covern – da werden wir vielleicht ein bisschen dran arbeiten, aber ansonsten ist nichts weiter geplant.

Anfang 2004 habt ihr Perverted Taste den Rücken gekehrt und seid zu Animate Records gewechselt. Was waren die Gründe dafür?
Animate sind seit langem gute Freunde von uns. In der Zeit, in der wir getrennt waren, hat im Hause Perverted Taste eine Umstrukturierung stattgefunden – es ging mehr weg vom Label und hin zum Mailorder. Also hätten sie nie die Zeit und das Geld investieren können, um das Label vernünftig zu betreiben, weil der Mailorder im Vordergrund stand. Man hat uns dort auch das Angebot gemacht, dass sie die 2004er Platte „Luciferianism“ machen würden, aber uns gleichzeitig auch geraten, wo anders hin zu gehen, wenn wir was besseres finden – zu Leuten, die sich mehr darum kümmern können. Das geschah praktisch im gegenseitigen Einverständnis, weil es für alle das Beste war. Perverted Taste hätten damit wohl auch ein Problem gehabt, weil sie sich bis dorthin immer zu 100% hinter die Scheibe gestellt haben, was dann nicht mehr funktioniert hätte.


Ihr wart schon mit verdammt vielen Größen der Szene unterwegs – Vader, Cannibal Corpse, Asphyx, Sinister und Nile, um nur mal ein paar zu nennen. Was lernt man von solchen Bands?
Da kann man einiges lernen und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Sehr spezifisch prägend waren für uns damals ’96 und ’97 die zwei Touren mit Vader, die wir gespielt haben. Was wir dort gelernt haben – und nicht nur auf musikalischer Basis, sondern auch das ganze drumherum, das Tourleben an sich und auch einige Kleinigkeiten – hat uns als Band ein ganzes Stück vorwärts gebracht. Es sind extrem viele Sachen, man kann sichunglaublich viel abschauen. Bei größeren Bands spielt die Erfahrung halt einfach eine Rolle, ich meine: wir sind jetzt mittlerweile auch einige Jahre unterwegs und aktiv, aber ich muss ganz ehrlich sagen: man lernt trotzdem nie aus.

15 Jahre habt ihr jetzt auf dem Buckel – was hat sich in der Szene geändert? Wie habt ihr euch verändert?
Über die ganzen Jahre… Als wir damals angefangen haben, war die Szene viel intensiver. Es gab nicht diese Menge an Bands, es war ein größeres Miteinander. Dann wurde die Szene über mehrere Jahre sehr von irgendwelchen Trends geprägt, da gab es dann den bekannten Black Metal-Trend, während dem plötzlich kaum noch Death Metal-Bands aktiv waren. Zur Zeit herrscht dieser Metalcore-Trend vor… Für uns war es nie Thema, auch nur ansatzweise nach den Leuten zu schauen oder auf irgendeinen Zug mit aufzuspringen oder einem Trend zu folgen. Aber das hat eigentlich auch die Szene ziemlich geprägt, was wieder dazu geführt hat, dass die Leute, die ihren Stil weiter verfolgt haben, enger zusammen gerückt sind. Das hat die Death Metal-Szene letztendlich wieder intensiver gemacht. Ich muss auch sagen, dass die deutsche Todesmetall-Szene an sich über die letzten Jahre extrem an Qualität gewonnen hat und auch zurecht international immer mehr Beachtung findet. Es gibt eine Unmenge an extrem geilen Bands und vor allem auch qualitativ guten, die sich international nicht zu verstecken brauchen. Da sind auch viele alte Bands, die über die Jahre ihren Stil gefahren haben – wie Harmony Dies, Fleshcrawl – aber es gibt viele neue Acts, die – egal ob im technischen Death Metal, auf dem Old School-Sektor oder sonstwo – an Qualität dermaßen zugelegt haben und eigentlich auch ein ordentliches Aushängeschild für den deutschen Death Metal geworden sind.

Ihr seid in den Augen vieler eine absolut geile Live-Band. Habt ihr noch nie dran gedacht, eine Live-DVD rauszubringen?
Würden wir auf jeden Fall gerne machen! Dann muss aber das Material stimmen, ja. Wir haben in letzter Zeit intensiver darüber nachgedacht, aber das ist eine Sache, die wieder nicht halbgar erledigt werden darf. Zur Zeit bringt jeder eine Live-DVD mit (manchmal) lieblos zusammengeschustertem Inhalt raus. Teilweise hast du jetzt bei jeder CD noch eine Live-DVD dabei. Das müsste bei uns wirklich von der Qualität her stimmen. Wir sind dabei, Live-Material zu sammeln, aber wie und in welcher Form das dann später mal erscheint… dazu kann ich dir im Moment echt noch nichts sagen. Aber mit Gedanken haben wir definitiv schon gespielt.

Ihr seid live recht viel unterwegs – gibts da keine Probleme wegen euren Berufen?
Da haben wir – ich will nicht sagen „keine Probleme“ – aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir die ganzen Jahre über ziemlich viel Glück damit und auch mit unseren Chefs gehabt. Die haben uns wenig Steine in den Weg gelegt. Es ist natürlich so, dass du deinen Urlaub und fast jede andere freie Minute in die Band steckst, aber das ist auch die Philosophie hinter Purgatory. Man muss halt alles geben. Purgatory ist definitiv für uns persönlich keine Hobby-Band mehr. Wir stecken einen Großteil unseres Lebens rein und da muss auch einiges Persönliche extrem hinten anstehen. Aber das ist die Philosophie, das wollen wir, das haben wir die ganzen Jahre so gemacht und werden wir auch nichts mehr dran ändern.

Wünscht man sich da nicht, von der Musik leben zu können, oder seid ihr mit der jetzigen Situation vollständig zufrieden?
Wir können einfach nur zufrieden sein, so wie es jetzt gerade läuft und ist. Jeder Musiker hat schon mal mit dem Gedanken gespielt, so vor sich hin geträumt, wie es wäre, wenn man davon leben könnte – wer das abstreitet lügt. Das klingt alles wunderbar, aber das bedeutet dann noch mehr Arbeit, noch mehr Druck und dann muss man sich fragen, ob das, was du mit deiner Musik machen willst, überhaupt noch geht. Du MUSST Alben veröffentlichen, du MUSST touren. Das ist kein „Ich will“ mehr, sondern ein „Ich muss“. Macht das dann noch genau so viel Spaß? Kommt die Musik dann noch aus dem Bauch? Kannst du das, was du mit deiner Musik vermitteln willst, noch? Steckst du dein Herzblut noch so intensiv rein? Das ist die andere Seite. Mal davon abgesehen, dass es für uns nie ein Thema sein wird, mit der Musik, die wir jetzt spielen, Geld zu verdienen. Da gibt es andere Bands, die daran zu knabbern hatten – wie lange hat es gedauert, bis die davon leben konnten. Cannibal Corpse oder Vader. Ich denke mal, das steht für uns nie zur Debatte

Aus welchen Augen siehst du dann die Bands, die wirklich davon leben können? Denkst du, dass die noch genügend Eigenständigkeit mit in die Musik bringen oder das eben nicht mehr der Fall ist.
Teilsteils, denke ich. Zu 80% werden die Bands ihre Eigenständigkeit wohl wirklich behalten. Wie Morbid Angel oder Cannibal Corpse – das sind dann Bands, die die Szene mitgeprägt haben. Die werden sich nie wegen diversen Sachen verbiegen, um ein paar Alben mehr zu verkaufen. Klar, da wird es die ein oder andere Geschichte geben. Aber die Band an sich… nehmen wir mal Morbid Angel: die fahren ihren Stil halt, was sollen sie auch anderes machen? Ob sie nun die Scheibe nur aus finanziellem Aspekt aufzunehmen – den hätten sie auch, wenn sie nebenher ihren Jobs nachgehen müssten. Andererseits wird man als „Nachrücker“ wahrscheinlich schon ein bisschen mehr unter Druck gesetzt und das ist der Punkt, wo ich eben sagte: man sollte sich genau überlegen, was man macht, wenn man mal in der Situation ist.

In manchen Bereichen hängt die Popularität auch ein Stück weit damit zusammen, ob die Texte Deutsch oder Englisch sind. Was hat euch dazu gebracht, sie nicht auf Deutsch zu verfassen?
Es ist einfacher, sich auszudrücken. Das wird einem Großteil so gehen. Es ist etwas besonderes, in Deutsch Texte zu verfassen. Wir hatten ja auf der „Luciferianism“ diesen „Lemming Project“-Coversong, der halb Englisch und halb Deutsch ist. Ich denke, es ist einfach schwieriger, seine Texte in Deutsch so rüberzubringen. Das wird der Hauptgrund sein, dass es der Großteil der Bands so handhabt. Es gehört schon mehr dazu, ein komplettes Album auf Deutsch rauszubringen, glaube ich.

Dann kommen wir jetzt zum traditionellen Metal1.Brainstorming. Was assoziierst du zu folgenden Begriffen?

Elvis: Der King
Olympische Spiele: weniger interessant
Malta: völlig geil
Papst: hat mich noch nie interessiert
Metal1.info: einfach eine geile Geschichte

Besten Dank, Jungs! Habt noch ne Menge Spaß hier. Habt ihr noch ein abschließendes Wort für die Leser?
Ich bedanke mich erstmal bei dir, Dennis, für deinen Support und das Interview. An die Leute da draußen: einfach in die Scheibe reinhören und Konzerte besuchen. Danke dir!

Geschrieben am von Metal1.info

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