Wohl kein Produzent hat den deutschen Black Metal geprägt wie er – Markus Stock deshalb jedoch als Black-Metal-Produzenten zu betiteln, würde dem Mann , der als Haus- und Hof-Produzent für Prophecy Productions, aber auch als Gitarrist und Kopf von Bands wie Empyrium, The Vision Bleak, Ewigheim oder Noekk bekannt wurde, dennoch nicht ganz gerecht. Denn in seiner Klangschmiede Studio E wird weit mehr als nur Schwarzmetall bearbeitet.
Hallo Markus, danke für deine Bereitschaft, an diesem Special mitzuwirken!
Alles gut bei dir?
Bei mir ist alles gut, danke!
An welchem Projekt arbeitest du aktuell und was kannst du bereits zum Resultat verraten?
Ich habe gerade ein für mich sehr anstrengendes Projekt beendet: Ein Live-Mix der Empyrium-Bochum-Show, der noch in diesem Jahr von Prophecy veröffentlicht wird. Eine Live-Aufnahme von der eigenen Band (und auch eigenen Performance) zu mischen ist natürlich doppelt schwer, da man sehr genaue Vorstellungen davon hat wie es klingen soll und die Aufnahmen und auch die Performances live natürlich nicht immer so ideal sind wie bei einer Studio-Aufnahme.
Fangen wir ganz am Anfang an: Wie bist du zu deiner Produzententätigkeit gekommen? Ist das dein erlernter Traumberuf oder bist du ein „Quereinsteiger“?
Als wir mit Empyrium 1994 unser Demo in einem professionellem Studio aufgenommen haben, war ich von der ganzen Atmosphäre, den blinkenden Lichtern, den Studiogeräten und dem Mischpult, sowie der kreativen Atmosphäre so geflasht, dass ich wusste: das möchte ich auch machen. Als damals 16-jähriger hatte ich natürlich noch nicht die Mittel, mir Studioequipment zu kaufen, aber nachdem die ersten beiden Empyrium-Alben sich dann sehr gut verkauft haben und dementsprechend auch etwas Geld herein kam, habe ich mir davon ein Mischpult, einen Kompressor, ein Multieffektgerät und zwei 8-Spur-HD-Recorder von Fostex gekauft. Ich habe dann in meinem Elternhaus ein leer stehendes Zimmer in Beschlag genommen, welches so etwas wie meine kreative Höhle wurde. Dort habe ich mich hauptsächlich damit beschäftigt, neue Empyrium-Songs zu komponieren, aber auch für befreundete Bands Aufnahmen zu machen (die allesamt ziemlich scheußlich klangen). Das war 1998. Ein Jahr später kam das Angebot von Martin/Prophecy, das Studio professionell zu machen und in Zukunft so etwas wie der Haus- und Hof-Produzent von Prophecy zu werden. Da war ich 20 Jahre alt, habe meine Sachen gepackt, meine Ausbildung geschmissen und bin an die Mosel gezogen und habe zusammen mit Martin das Studio E gegründet. Wie sagt man so schön, the rest is history …
Du hast im deutschen Black- / Pagan-Bereich mittlerweile ja eigentlich jede Band bei dir im Studio gehabt – seien es nun Dark Fortress, Samsas Traum, Helrunar, Eluveitie oder Secrets Of The Moon. Achtest du auf Abwechslung in deinem Produktionsplan, oder nimmst du die Termine, wie sie kommen, und wenn es für dich auch bedeutet, fünf Black-Metal-Platten hintereinander zu produzieren?
Ich muss Dir ehrlich sagen, in dem Zustand, in dem die Musikindustrie gerade ist, bleibt einem keine Wahl, als möglichst viel von dem zu machen, was reinkommt. Ich habe damit aber kein Problem. Ich kann mich mit 99% der Musik die ich bisher aufgenommen habe, in gewisser Weise identifizieren oder finde zumindest Gefallen an gewissen Elementen, die eine Band ausmachen, die mir dann den Spaß am Produzieren und an der Zusammenarbeit mit entsprechender Band bringen (z.B. ein super Drummer, eine echt tolle Sängerin, ein eigenständiger Gitarrist oder auch die persönliche Chemie zwischen der Band und mir). Zudem habe ich ein großes Einfühlungsvermögen und kann mich sehr gut in verschiedenste Arten von Musik hinein versetzen. Auch, wenn ich fünf Black-Metal-Bands hintereinander mache – jede Band besteht aus anderen Persönlichkeiten und anderen Musikern, mit denen man schließlich einen anderen Umgang und auch eine andere Arbeitsweise pflegt und auf verschiedene Sachen beim Produzieren Acht geben muss. Es bleibt also immer interessant.
Ich könnte mir vorstellen, dass man sich in ein Album intensiv hineinhören muss, um ihm den passenden Sound zu verpassen. Muss man die Musik, die man produziert, also immer auch gut finden, oder geht das auch, wenn man die Musik nicht mag?
Ich folge da ganz meinem Bauchgefühl und oftmals ergibt sich der Sound einer Produktion einfach während man daran arbeitet. Ich meine, jeder Produzent hat seinen „Bag of Tricks“, eigene, über die Jahre entwickelte Standardmethoden, von denen man weiß, dass sie funktionieren. Natürlich muss man immer auf den entsprechenden Musiker eingehen – der Sound wird schließlich zu einem Großteil vom Spielvermögen des Musikers bestimmt.
Ich habe es immer ganz gerne, wenn bei den Drumrecordings idealerweise ein Bassist und ein Gitarrist schon vor Ort sind und dem Drummer zusammen mit einem Click Track einen Guide geben. Da kann man schonmal eventuelle Probleme, die beim Gitarren- bzw. Bass-Aufnehmen auftreten könnten aufschnappen und hat zudem die Arrangements und Richtung der Songs im Visier. Der Rest ergibt sich durch die Interaktion mit der Band. Auch wenn ich natürlich (qualitätsmäßig) von vorneherein weiß, was ich hören möchte. Das Ohr entwickelt sich einfach im Laufe der Zeit und man kann innerhalb von Sekunden sagen, ob ein Sound gut ist und funktionieren wird oder nicht.
Beeinflusst das Produzenten-Dasein deinen Musikgeschmack auch in umgekehrter Weise – hörst du privat also (mittlerweile) andere Musik als die, die du produzierst? Hast du gewisse Genres beruflich bedingt totgehört?
Eigentlich hat sich mein Musikgeschmack in den letzten 15 Jahren kaum geändert. Ich war schon immer sehr open-minded und noch nie der reine Die-Hard-Metaller. Ich höre allerdings oft Musik nur wegen ihrer Produktion. Ich höre zum Beispiel, was andere Produzenten-Kollegen aus dem Genre gerade so machen oder höre mir Radio-Rock-Sachen, die Chris Lord Alge oder Randy Staub gemischt haben, an – da interessiert mich die Musik oft überhaupt nicht, sondern nur die Produktion.
Allerdings, wenn ich gerade eine brutale, super schnelle Black-Metal-Band aufnehme, werde ich mir im Auto auf der Heimfahrt vom Studio nicht gerade „Panzer Division Marduk“ auflegen – das ist klar.
Wie stark wirst du von der Arbeit anderer Produzenten beeinflusst? Wenn du privat ein Album hörst und dessen Sound gut findest, informierst du dich dann, wer das produziert hat und mit welchem Equipment? Wenn ja, ist es vorgekommen, dass du aufgrund dessen auch deine eigene Studioausstattung verändert oder erweitert hast?
Ich checke immer wieder die Arbeiten anderen Produzenten und lasse mich sicher auch davon beeinflussen. Ich bin eine ganze schöne „gearslut“ und auch in vielen Recording-Foren unterwegs. Man hat eigentlich immer Lust auf irgendein neues Gerät für’s Studio – allerdings sollte man immer auch Kosten-Nutzen-Faktor im Auge behalten.
Meine Lieblingsproduzenten/Mixer sind derzeit sicher Jens Bogren, David Castillo, Randy Staub und Chris Lord Alge. Letztere sind ja fast ausschließlich im Rockbereich tätig, fahren aber einen Wahnsinnssound, den sie über Jahre perfektioniert haben!
Liest du Reviews zu von dir produzierten Platten, und wenn ja: Grämt es dich, wenn in positiven CD-Kritiken nur auf die Musik eingegangen wird und der gute Sound, der dieser erst ihre Wirkung verleiht, unerwähnt bleibt?
Für gewöhnlich verfolge ich schon nach einer Produktion, wie die generelle Rezeption des Albums ist. Manchmal hat man nach einer Produktion die Schnauze voll und gönnt sich erstmal Abstand von der Band und Produktion und ein anderes Mal ist man nach der Produktion noch emotional so involviert, daß man es kaum erwarten kann, die Reaktionen darauf zu erhalten.
Mir macht es nichts aus wenn die Produktion in Reviews unerwähnt bleibt – sie ist schließlich immer ein Teil des Erfolges und ein Teil dessen, warum eine Platte genau so (gut) geworden ist.
Und ist man stolz, wenn ein Album dann auch einmal bspw. einen Charteinstieg verzeichnet?
Charterfolge bedeuten mir persönlich nicht so viel, sind aber natürlich eine gute Referenz für die eigene Arbeit was das allgemeine, öffentliche Ansehen angeht.
Würdest du sagen, dass die Arbeit, die ein Produzent in ein Album steckt, beziehungsweise dessen Anteil am Erfolg einer Platte, generell unterschätzt wird? Ich habe manchmal das Gefühl, dass ein perfekter Sound von vielen heutzutage als Selbstverständlichkeit angesehen wird, nicht mehr als respektable Leistung …
Wenn der Sound einer Platte nicht zur Musik passt, verliert die Platte viel (im schlechtesten Fall alles) von ihrer Kraft und Ausstrahlung. Die Produktion ist immens wichtig, um die Emotion, Energie und Atmosphäre die der Band vorschwebte, zum Vorschein zu bringen. Es gibt heute sehr viele wirklich talentierte Audio-Engineers/Produzenten, leider aber auch das Problem, dass viele Produktionen sich wahnsinnig ähneln, da oftmals die gleichen Produktionsmethoden verwendet werden.
Ich hab mir da, das denke ich mir zumindest, eine eigene Nische geschaffen. Mein Sound ist poliert und druckvoll aber behält immer den rauhen Charme und die Energie, die der Band eigen sind. Das ist auch meine generelle Philosophie: Die Band so klingen lassen wie sie klingt – nur in gut, haha….
Denkst du, das war in Zeiten, in denen nicht jeder Musiker (und welcher Metaller sieht sich selbst nicht auch als Musiker) selbst mit Pro-Tools, Logic und dergleichen herum gewurschtelt hat, anders?
Ich habe ja in der Vor-Cubase-Homerecording-Zeit (damals war Cubase noch ein reiner Midi-Sequencer) angefangen zu produzieren. Anfang der 2000er kam dann die erste, große Homerecording-Welle. Manche Bands, die mit mir aufgenommen haben, haben ihr nächstes Album zu Hause „produziert“, sind aber dann spätestens mit der nächsten Platte wieder zu mir gekommen. Eins ist doch klar: ein Haufen Plugins und die Möglichkeit, alles Mögliche machen zu können, ersetzen keine 15-jährige Berufserfahrung. Wenn du mir zuschauen würdest, wenn ich einen Gitarrensound einstelle, würdest du einen Typ sehen der einen Amp aussucht, ein paar Bodentreter vor den Amp verkabelt, eine Gitarrenbox auswählt, ein Mikrofon nimmt und es an eine gewisse Stelle vor der Box platziert. Der ganze Prozess dauert 30 Minuten – dann ein wenig „tweaken“, Mikrofonposition verfeinern – fertig. Dass allerdings jahrelange Erfahrung dahinter steckt, dass das mit solch einer schlafwandlerischen Sicherheit funktioniert und einen sehr guten Sound bringt, sollte klar sein.
Gibt da eine schöne Geschichte von Picasso: Picasso beim Abendessen im Restaurant. Ein weiterer Gast erkennt ihn, geht zu ihm an den Tisch und fragt nach einem Autogram. Picasso schmiert seine Signatur also auf eine Serviette und übergibt sie dem Gast mit den Worten: „Das kostet 1 Million Dollar“. Der Gast sagt: „Was, eine Millionen? Das hat doch gerade mal 5 Sekunden gedauert“. Picasso: „Nein, das hat mein ganzes Leben gebraucht …“
Trotzdem ist Home-Recording grade für kleinere Bands ja immer eine reizvolle Alternative zu teurer Studiozeit, die dann nur noch zum Mischen und/oder Mastern in Anspruch genommen wird. Hältst du diese Vorgehensweise für sinnvoll und würdest du so arbeiten, oder ist dir wichtig, dass du bei einem Projekt von Anfang an dabei bist und auch schon in den frühen Stadien einer Produktion deine Erfahrung einfließen lassen kannst?
Wenn das Budget einer Band es nicht anders zulässt, ist folgende Arbeitsweise eine gute, erprobte Alternative zur vollen Produktion im Studio: Drumaufnahme und eventuelle Edits bei mir im Studio. Die Band nimmt die fertigen Drumspuren oder einen Stereo Roughmix der Drumspuren mit nach Hause und nimmt dort mit „vernünftigem“ Equipment Gitarren und Bass auf. Ganz wichtig, dass ich hochwertige DI Signale aller Gitarren- und Bass-Spuren bekomme, so kann ich diese später mit meinem Equipment reampen. Die Band schickt mir am besten bevor sie die Aufnahme beginnen ein Gitarren-DI-Testfile als .wav und ich gebe der Band dann grünes Licht. Reampen, Vocal-Aufnahmen und Mix dann wieder bei mir im Studio.
Ich habe es natürlich am liebsten, wenn ich bei einem Album von Anfang bis Ende dabei bin, da ich dann auch Einfluss auf Spieltechnik und Arrangments habe, aber oben erwähnte Arbeitsweise hab ich schon recht häufig praktiziert und die Ergebnisse waren immer zufriedenstellend.
Du spielst für viele Bands, die du produzierst, Gastbeiträge ein. Ist dir das ein persönliches Anliegen, ein gemeinsames Unterfangen mit der Band, das aus Spaß entsteht, oder ein Gefallen, den du den Bands tust?
Das passiert meist spontan im Studio. Ich habe bspw. eine Idee, die ich dem Gitarristen zeigen möchte, oder einen Tipp, wie er eine bestimmte Passage besser spielen kann und spiele es ihm auf der Gitarre vor und da passiert es dann und wann, daß der Satz fällt: „Hey, dann spiele es doch einfach selbst gerade ein.“ Hin und wieder fragen mich auch Bands vorab schon, ob ich mir einen Gastbeitrag an Gitarre, Percussions, Bass, Keyboard oder Gesang vorstellen kann und dann schauen wir einfach bei den Aufnahmen, wo es passt. Manchmal hat mir die Band dann auch schon einen Part reserviert. In 95% der Fälle geschieht es allerdings ganz spontan in der kreativen Situation im Studio.
Generell reden Musiker in Interviews ja oft davon, dass große Teile des Kreativprozesses erst im Studio stattgefunden haben – wie stehst du dazu? Findest du gut, wenn noch im Studio an den Songs gefeilt wird, oder nervt dich das eher?
Das kommt natürlich auf den Umfang der „kreativen Freiräume“ an. Kommt eine Band unvorbereitet, nervt das zu Anfang schon, da man viel Zeit und Energie damit verbringt, Arbeiten zu erledigen, die die Band schon während des Songwritings erledigt haben sollte. Lässt eine Band aber bewusst manche Passage unpoliert, um sie im Studio in einer kreativen Atmosphäre zu erledigen, ist das eine tolle Sache und fördert oftmals auch die Stimmung und Kreativität die während der Aufnahme herrscht.
Wie viel Einfluss nimmst du idealerweise auf ein Album? Mischt du dich auch mal in den Kreativprozess ein und steuerst Ideen bei, oder siehst du dich als bloßes Instrument der Musiker, dem Album den Sound zu verleihen, den sie sich vorstellen?
Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Bei manchen Bands steuere ich Keyboard-Arrangements bei, wir ändern viele Gitarren, Bass und Drumparts im Studio und bei anderen Bands bin ich der reine „technische“ Aufnahmeleiter, der aber freilich auch hier und da in Arrangements und Spieltechniken eingreift – nur halt nicht in dem oben erwähnten Umfang.
Wie großen Anteil hat das persönliche Verhältnis zu einer Band auf das Resultat? Versuchst du dich, bevor du einen Job annimmst, zu informieren, was für Erfahrungen andere Produzenten mit Bands gemacht haben, gerade auch, was das disziplinierte Verhalten im Studio angeht?
Da ich ein sehr umgänglicher Mensch bin, der sich gut auf andere Menschen einstellen und einlassen kann, hatte ich bisher nur sehr, sehr selten persönliche Probleme mit einer Band, mit der ich ein Album realisiert habe. Manche Bands sind sogar zu echten Freunden geworden, mit denen man auch außerhalb der Musik Sachen unternimmt. Zu anderen Bands habe ich eine professionelle Beziehung – man arbeitet zusammen und versteht sich auch gut, aber wenn die Aufnahmen abgeschlossen sind, gibt es dann nur noch wenig bis keinen Kontakt. Eine gute Arbeitsatmosphäre ist im Studio natürlich eminent wichtig. Man muss nicht unbedingt befreundet miteinander sein – aber Freude an der Sache und dem Arbeiten am Album hört man dem Endresultat definitv an!
Trinkst du mit Bands, die ein bisschen länger da sind, nach Feierabend auch mal ein Bier oder zwei, oder geht so etwas im Normalfall über das Verhältnis zwischen Produzent und Musiker hinaus?
Klar kommt das vor! Heute jedoch schon seltener als früher. Man wird älter, die Kater werden strapaziöser und man möchte ja auch nicht, dass das Ergebnis unter der Sauferei leidet. Zudem habe ich ja auch eine Familie und möchte die nicht allabendlich daheim sitzen lassen und selbst zum Alkoholiker verkommen.
Digital, Analog, Vintage-Amps, modernste Geräte, Reamping … die Frage der Technik geht ja fast in den religiösen Bereich. Auf was schwörst du, und wo siehst du die Vorzüge deiner Arbeitsweise?
Meine Philosophie diesbezüglich kann ich Dir ganz einfach anhand meiner zwei Lieblings- gitarrenverstärker veranschaulichen:
Marshall JCM 800, Baujahr 1982
– puristischer, Vintage-Vollröhrenamp
Kemper Profiling Amplifier, Baujahr 2011
– top-moderne, digitale Gitarrenamp-Wunderkiste.
Will heißen – ich suche mir die Tools heraus, die zu meiner Arbeitsweise passen und meinen Klangidealen entsprechen – ganz egal, ob vintage oder modern.
Ich arbeite beim Aufnehmen mit hochwertigem Quellmaterial (Instrumente, Amps…), guten Mikrofonen, guten Mikrofon-Preamps und Kompressoren, um bereits ein möglichst ideales Klangbild in Pro Tools zu haben. Beim Mix schwöre ich auf die so genannte Hybrid-Methode: Ich mixe Instrumentengruppen in Pro Tools mit Plug Ins vor und lege diese dann auf Stereokanäle meiner analogen Audient-Konsole, um sie da dann noch analog zu veredeln. Ist für mich das beste beider Welten. Total Recall und Komfort von Pro Tools und der Schmutz und die „Non-Linearität“ analoger Bauteile, die den Mix zusätzlich färben.
Soundmäßig hat sich in vielen Metal-Bereichen in den vergangenen Jahrzehnten ja einiges getan, bis hin zu einem ausgeprägten Retrotrend in vielen Genres wie dem Thrash, so dass jede Zeit ihren eigenen Sound hat. Klingen Metal-Produktionen im Jahre 2013 besser als solche aus den 80ern, oder nur anders?
Insgesamt ist der Produktionsstandard schon höher als in den 80ern und 90ern. Leider klingen heute viele Produktionen sehr ähnlich und ich vermisse oft einen Vibe, eine Album-Atmosphäre, etwas Individuelles in vielen der modernen (technisch einwandfreien) Produktionen. Die richtig guten Produktionen von früher blasen auch noch viele moderne, aufgeblasenen Produktionen einfach weg – gerade emotional.
Vergleichbar in etwa mit Silikontitten und echten Brüsten: Die Silikon-Variante mag auf den ersten Blick echt beeindruckend sein und riesig und toll und was weiß ich was – aber irgendwie sehen alle Titten gleich aus und man wird auf kurz oder lang die Individualität und die Natürlichkeit (beim Anfassen) einer echten, wohlgeformten Brust vermissen.
Wünschst du dir als sicherlich sehr sound-fixierter Musikhörer manchmal bei einem Metal-Klassiker einen besseren Sound oder malst dir aus, wie das Album klingen würde, wenn du es produziert hättest?
Ich habe jetzt länger über die Frage nachgedacht und muss feststellen – sämtliche Klassiker sind perfekt so wie sie sind, denn sie haben sich mit ihrem ureigenen Sound dermaßen ins Hirn gebrannt, daß man daran auch nichts mehr ändern wollte. Ich kann dir aber ein Beispiel einer Band nennen, mit der ich nie warm geworden bin, wegen ihres sterilen, kalten, digital- zischeligen Klangbildes: Type O Negative.
„Studio E-Sound“ ist unter Kennern zu einem fixen Begriff geworden, weil du mit deinen Produktionen die deutsche Black- / Pagan-Szene maßgeblich beeinflusst hast. Ich würde fast soweit gehen, zu sagen: Der deutsche Black Metal verdankt einen Teil seiner Eigenständigkeit dem charakteristischen Studio-E-Sound. Würdest du das so unterschreiben?
Wow – danke für das Kompliment. Wenn das so ist, dann wäre ich sehr stolz darauf und könnte gut damit leben.
Ich versuche allerdings immer, der Band einen individuellen Sound zu verpassen – dass es manchmal Gemeinsamkeiten gibt, liegt natürlich an meinem persönlichen Geschmack und Klangempfinden. Man mischt ja alles immer so ab, wie man es selbst gerne hören möchte.
Gibt es ein Album, auf das du als Produzent besonders stolz bist? Wenn ja: Welches und warum?
Ich nenne Dir mal vier davon aus den verschiedenen „Studio E Zeitaltern“:
Dornenreich – Her von welken Nächten
Heute würde ich sehr vieles daran anders machen, aber an kaum eine Produktion habe ich so viele Erinnerungen. Unglaublich intensive Atmo während der Produktion, was sich dann auch in der wilden, aber strukturierten Energie, die die Produktion ausstrahlt, widerspiegelt. Die Band war damals unglaublich fokussiert. Ein früher Meilenstein für mich.
The Vision Bleak – The Deathship Has A New Captain
Wahrscheinlich mein mutigster Mix bisher – ohne Rücksicht auf Verluste (und die gab es, haha) alles aufgeblasen bis zum „geht nicht mehr“ – dadurch hat die Platte ihren durchschlagenden und monumentalen Klang bekommen.
Secrets Of The Moon – Antithesis
Auch heute noch fragen mich viele Kollegen nach Details der Produktion und für viele Bands aus dem Genre, die zu mir kommen, ist es eine Referenzproduktion. Der Sound ist so gelungen, weil er durch seine direkte, druckvolle Art die Intention der Band zur damaligen Zeit perfekt rüberbringt.
Helrunar – Sol
Der Sound passt einfach wie der Arsch auf den Eimer. Atmosphärisch, druckvoll und mit einem zarten Nebelschleier bedeckt. Zudem liebe ich die Platte und verstehe mich künstlerisch wie persönlich mit der Band einfach blendend!
Was war das für dich interessanteste Projekt im vergangenen Jahr, und warum?
Wahrscheinlich die Aufnahmen und Mixe mit Helrunar und Arstidir Lifsins für eine Split, die wohl irgendwann bald erscheint. Zwei super Bands, nette Leute, Aften (googeln) bei vielen Beteiligten, super Musik, herausfordernde Mixe und hervorragend gelunge Endresultate!
Und was war das schwierigste / nervenaufreibendste und warum?
Die Live-Mixe für Empyrium. Habe daraus gelernt, daß es manchmal vielleicht besser wäre, Sachen aus der Hand zu geben, um sich vor dem eigenen Wahnsinn und Anspruchsdenken zu schützen.
Gibt es eine Band, mit der zusammenzuarbeiten dich noch wirklich reizen würde?
Ich nehme die Dinge wie sie kommen – also: alle und keine.
Wir nähern uns dem Ende des Interviews und mal ehrlich: irgendwann musste diese Frage ja noch kommen – was bedeutet eigentlich „Studio E“?
Das E stand am Anfang – wer hätte es gedacht – für Empyrium, da das Studio ja ursprünglich mehr als Kompositionsinstrument für mich geplant war. Tja, das hat wohl nicht so ganz geklappt.
Eine kleine Bitte zum Abschluss: Erzählst du uns noch eine Anekdote aus deiner Produzentenkarriere?
Was willst Du hören? Wie sich eine Band im Studio wegen Streitigkeiten gegenseitig aufs Maul gehauen hat? Wie eine andere Band im Streit um eine „Dorfmatratze“ sich in die Haare bekommen hat und die gesamte Pension in einer wilden Schlägerei verwüstet hat und die arme Herbergsmutter mich völlig verzweifelt und aufgelöst morgens um 5 angerufen hat, ob sie die Polizei rufen soll? Oder wie eine offensichtlich völlig betrunken Frau (deren Namen mir immer noch nicht bekannt ist) aus welchem Grund auch immer ihre Unterhose das Studioklo hinuntergespült hat, somit das Abflussrohr verstopft hat und der ans Studio angrenzende Antiquitätenladen Monate später von Musikerscheisse überflutet wurde….ich könnte noch tausend weitere solcher Geschichten erzählen, aber die bleiben besser im Verborgenen…
Um ehrlich zu sein, war das mehr, als wir uns bei der Frage erhofft hatten… haha. Das wars dann auch schon fast wieder. Vielen Dank für deine Zeit und die Antworten! Wenn du noch etwas loswerden willst, hast du dazu jetzt die Gelegenheit!
Ich danke Dir für das Interview. War mir eine Freude! Wer Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir hat bitte unter http://www.studioe.de einfach das Kontaktformular ausfüllen. Wir melden uns!