Interview mit Brock Van Dijk von Panzerfaust

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Im letzten Jahr haben die Kanadier von PANZERFAUST ihr aktuelles Album „The Suns Of Perdition IV: To Shadow Zion“ veröffentlicht. Der abschließende Teil dieser Tetralogie erhielt unsererseits die Bestnote. Dies nahmen wir zum Anlass, mit Gitarrist, Songwriter und Sänger Brock Van Dijk über die Band, das Tourleben, die Ästhetik im Black Metal und die letzten vier Alben als Gesamtkunstwerk zu sprechen.

Hallo Brock! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für diesen kleinen Plausch nimmst.
Sehr gerne, es ist mir eine Freude.

Für jemanden, der PANZERFAUST noch nicht kennt: Wie würdest du eure Band vorstellen, und welchen Song würdest du als Einstieg empfehlen
PANZERFAUST ist – ob zum Guten oder zum Schlechten – eine Band, die hoffentlich zum Nachdenken anregt. Ich würde empfehlen, mit dem Anfang der Suns-Serie zu starten – „The Day After ‚Trinity‚“. Ich denke, dieser Song ist ein passender Vorbote für alles, was danach kommt.

„The Suns Of Perdition IV: To Shadow Zion“ wurde letztes Jahr veröffentlicht. Glückwunsch zu den 10 von 10 Punkten für das Album auf Metal1.info! Diese Veröffentlichung markiert das Finale einer Album-Quadrologie. Fangen wir von vorne an: Wie kam euch die Idee?
Vielen Dank! Die erste Triebkraft dieses Projekts war Ambition. Wir wollten das größte Konzeptalbum erschaffen, das bisher versucht wurde. Das kam natürlich nicht aus dem Nichts. Der Boden war bereits bereitet: Wir hatten einige Jahre lang keinen festen Schlagzeuger, während dieser Zeit schrieb ich alleine. So entstand ein riesiges Reservoir an Riffs und Ideen, die nur darauf warteten, Gestalt anzunehmen. Als Alex dann als Drummer dazukam, begannen viele dieser Ideen – und unzählige neue – Form anzunehmen.

In euren Texten greift ihr neben greifbaren Themen wie Krieg („War, Horrid War“) auch metaphysische, philosophische und psychologische Ansätze auf. „To Shadow Zion“ ist ein weiteres Beispiel dafür. Was war die lyrische Idee hinter eurem aktuellen Album?
„To Shadow Zion“ verbindet zwei zentrale Ideen: Erstens „Zion“ im Sinne einer Utopie oder eines heiligen Ortes. Zweitens das jungianische Konzept des „Schatten“, das für das am meisten verdrängte Element des Bewusstseins steht. Der Titel steht im Einklang mit einem zentralen Thema der gesamten Suns-Reihe: dem, was Freud als „Enantiodromie“ bezeichnete – das Ineinandergreifen von Gegensätzen.

Falls man sich noch nicht mit der „The Suns Of Perdition“-Reihe beschäftigt hat – gibt es konkrete inhaltliche und musikalische Verbindungen zwischen den Alben?
Es gibt definitiv zentrale Themen, die sich durch alle vier Kapitel ziehen. Allerdings überlasse ich es dem neugierigen Zuhörer und Leser, diese für sich selbst zu entdecken, anstatt sie in diesem Interview zu entzaubern. Falls das wie eine Ausflucht klingt, bitte ich um Entschuldigung – das ist nicht meine Absicht.

Ihr habt auf euren letzten Alben nie davor zurückgeschreckt, fremde Einflüsse und Instrumente aus anderen Genres zu nutzen. Seid ihr allgemein offen für unterschiedliche Musikstile, und was inspiriert euch musikalisch außerhalb von PANZERFAUST?
Zwischen uns vieren variieren unsere musikalischen Vorlieben stark.

Ihr werdet allgemein dem Black Metal zugeordnet. Dieses Genre gilt als sehr konservativ. Wie steht ihr zur Kommerzialisierung dieser Musikrichtung?
Die Ironie besteht darin, dass ein Teil der Black-Metal-Community stark gegen Veränderungen ist, während sich die Musik gleichzeitig immer innovativer entwickelt. Black Metal war und sollte immer rebellisch sein – wie genau sich das äußert, ist eine ganz andere Frage.

Wie läuft der Songwriting-Prozess bei PANZERFAUST ab? Schreibt ihr gemeinsam im Proberaum? Beginnt alles mit den Texten? Wo fängt der Prozess an?
Der Schreibprozess hat sich im Laufe der Suns-Serie weiterentwickelt. Es ist zunehmend zu einem kollaborativen Prozess geworden, bei dem wir bewusst jedes Ego aus der Komposition heraushalten. Was die Texte betrifft: Ich schreibe praktisch ununterbrochen, fast in jedem wachen Moment. Das Schreiben hört im Grunde nie auf.

PANZERFAUST hat einen sehr eigenen Sound. Wie eure Texte hebt er euch stark hervor. Ihr habt für „To Shadow Zion“ erneut mit Greg Dawson zusammengearbeitet, der auch die anderen drei Teile von „The Suns Of Perdition“ produziert hat. Er kommt selbst eher aus dem Metal- und Hardcore-Bereich. Wie hat er euren speziellen Sound beeinflusst, und was schätzt ihr an ihm?
Wir arbeiten nun schon seit über 13 Jahren mit Greg Dawson zusammen. In dieser Zeit haben wir eine unglaublich enge Beziehung aufgebaut – sowohl musikalisch als auch, was noch wichtiger ist, als enge Freunde. Wir betrachten ihn als das inoffizielle fünfte Mitglied der Band. Er ist der letzte Filter, durch den unsere Musik fließt. Greg steckt sein Herz in jedes Album, das er produziert – vielleicht sogar noch mehr in jedes PANZERFAUST-Album. Ich sehe ihn als „den großen Übersetzer“, der die einzigartige Fähigkeit besitzt, die Essenz jeder Idee zu erfassen, die durch sein Studio geht. Ohne seinen Beitrag und seine Hingabe wäre die Suns-Serie nicht möglich gewesen.

Ihr wart mit Kanonenfieber auf großer Tour. Ich hatte das Vergnügen, euch 2022 in der Chemiefabrik Dresden zu sehen, damals auf Tour mit Uada. Die Atmosphäre eures Auftritts hat mich tief beeindruckt. Wie wichtig ist euch Atmosphäre – Licht, Location und all das?
Ich denke, dass man PANZERFAUST unbedingt live erleben muss, um die Band wirklich zu verstehen. Es ist die Gewalt der Aktion. Nach jedem Auftritt sind wir völlig mit Dreck bedeckt. Wir versuchen, den Dreck aus bedeutsamen Orten zu beziehen – zum Beispiel auf der Tour, die du erwähnst, aus den Schützengräben von Verdun. Wir haben auch eine unkonventionelle Bühnenanordnung: Goliath steht erhöht hinter dem Schlagzeug und überragt die Band. Diese Elemente machen den Auftritt authentisch.

Panzerfaust auf dem Dark Easter Metal Meeting

Soweit ich auf Bildern sehen konnte, ist Goliath (Gesang) das einzige Bandmitglied, das sein Gesicht konsequent verbirgt. Was steckt dahinter? Gehört das zur Atmosphäre, oder gibt es eine tiefere Bedeutung?
Die Figur Goliath ist eine visuelle Darstellung von etwas, das zwischen Menschlichem und Abstraktem steht. Sein Charakter – oder besser gesagt seine Maske – symbolisiert das Schicksal gefallener Männer. Mit jedem neuen Kapitel gibt es auch eine neue Maske. Das erlaubt ihm, den Geist des jeweiligen Gesichts anzunehmen. Panzerfaust auf dem Dark Easter Metal Meeting

Wenn ihr so viel unterwegs seid, wie haltet ihr das körperlich durch? Seid ihr nicht irgendwann völlig erschöpft?
Betriebliche Erschöpfung ist eine sehr reale Sache. Jeder, der diesen Beruf ausübt, wird dir sagen, dass Adrenalin und Alkohol die einzigen Heilmittel sind.

Zurück zur Musik: „To Shadow Zion“ ist eine gnadenlose Abrechnung mit der Menschheit, letztlich sogar ein Aufruf, die eigenen Fehler anzuerkennen. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage scheint euer neues Album geradezu erschreckend passend. Wie nehmt ihr die aktuellen Krisen, Kriege und den globalen Rechtsruck wahr?
Ich fürchte, dass die Nachkriegsordnung, die unsere Zivilisation ermöglicht hat, zunehmend zerfällt. Während das Vertrauen in Institutionen schwindet und die Prinzipien, auf denen unsere Gesellschaften beruhen, aufgegeben werden, suchen die Menschen nach alternativen Lösungen. Die letzten zehn Jahre haben eine starke Linksverschiebung im öffentlichen Diskurs gebracht – und nun schlägt das Pendel mit gleicher Kraft in die andere Richtung zurück. Extremismus in beide Richtungen nützt nur den Demagogen.

Was könnte der Menschheit helfen, besser mit ihrer eigenen Verdrängung umzugehen?
Wenn Menschen einander einfach mit ehrlichen Absichten zuhören würden, könnten viele der pathologischen Muster, die die schlimmsten Instinkte der Menschheit hervorbringen, eingedämmt werden.

Gibt es Pläne für die Zukunft von PANZERFAUST?
Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Ideen formen sich ständig in meinem Kopf – die Zeit wird es zeigen.

Zum Schluss noch unser Metal1-Brainstorming:

Trump? Ich bin optimistisch, was sein Umfeld betrifft (RFK, Tulsi Gabbard).
Dritter Weltkrieg? Muss um jeden Preis verhindert werden.
Oppenheimer? (nicht der Film): Eine Fallstudie über die Komplexität des menschlichen Geistes.
Die deutsche Black-Metal-Szene? War uns immer sehr wohlgesonnen!
PANZERFAUST in fünf Jahren? Eine möglicherweise große Ernte einfahren.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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