Nach dem erschütternd brachialen ersten Teil ihrer Albumserie „The Suns Of Perdition“ haben die kanadischen Black-Metaller PANZERFAUST mit „Chapter II: Render Unto Eden“ ein subtileres und atmosphärischeres Album, das allerlei interessante Themen aufgreift, veröffentlicht. Den Release der Platte haben wir uns zum Anlass genommen, um Gitarrist Brock Van Dijk ein paar Fragen zu stellen – ein Gespräch über die Parallelen zwischen dem Songwriting der Band und dem Schreiben einer Romanreihe, religiöses Rosinenpicken, Rechtsextremismus im Black Metal und den Glauben an das Gute im Menschen.
Wie geht es dir derzeit? Wie kommt ihr als Band mit den Einschränkungen unter der Coronapandemie zurecht?
Es ist mir ein Vergnügen. Es geht mir gut, danke. Wir haben gerade alle Instrumentalparts für den dritten Teil der „The Suns Of Perdition“-Serie fertiggestellt. Die Pandemie hat uns nicht im Geringsten gebremst. Glücklicherweise haben wir uns im Guten wie im Schlechten die Bürde hoher Ambitionen auferlegt, die uns in diesen turbulenten Zeiten mehr als beschäftigt.
Eure Musik wird oft mit polnischem Black Metal wie jenem von Mgła verglichen. Stört es dich, wenn eure Kunst nicht für sich allein betrachtet wird?
Das stört mich überhaupt nicht. Manche mögen sagen, dass sich Vergleiche mit dem polnischen Black-Metal-Sound anbieten, während andere Leute Vergleiche zu Genres gezogen haben, die sich nicht unbedingt im Black-Metal-Rahmen befinden. Abgesehen davon habe ich großen Respekt vor dem, was Mgła erreicht haben. Von dem, was ich in den Texten gelesen habe, kann ich sagen, dass M. (von Mgła) viele der gleichen literarischen Einflüsse hat. Ich würde gerne ein Gespräch über einige dieser Ideen führen. Eines Tages.
Mit „The Suns Of Perdition – Chapter II: Render Unto Eden“ habt ihr den zweiten Teil eurer geplanten Tetralogie veröffentlicht. Wie seid ihr diesen vierteiligen Albumzyklus angegangen? Habt ihr parallel an den vier Platten zu arbeiten begonnen oder kreiert ihr eines nach dem anderen?
In gewisser Weise sind es beide Wege, die du angedeutet hast. Einfach gesagt, hatte ich eine enorme Menge an Material, das ich im Laufe der letzten zehn Jahre gehortet habe. Hinzu kommt, dass PANZERFAUST jetzt eine neue Besetzung hat, nämlich die Rhythmusfraktion. Das hat es unserem Apparat ermöglicht, wirklich eine Menge Material zu generieren, das in meinem Unterbewusstsein gesessen hat. Ich bin an dieses vierteilige Album so herangegangen, wie man vielleicht an einen mehrbändigen Roman herangehen würde: Es gibt Elemente in jedem Kapitel, die von einer A-priori-Position kommen, aber der Großteil des Materials ist organisch aus dem War Room heraus entstanden.
Euer neues Album scheint sehr gute Kritiken bekommen und sich gut verkauft zu haben. Hättest du vorab erwartet, dass ihr mit der Platte derart erfolgreich sein würdet?
Ich will auf keinen Fall selbstbeweihräuchernd klingen, aber ich kann nur sagen, dass wir uns bei diesem neuen Album selbstbewusster gefühlt haben, als wir es in der Vergangenheit je waren.
Ausgehend von den Songtiteln befasst ihr euch auf „Render Unto Eden“ wieder mehr mit religiösen und philosophischen Themen als auf dem ersten Teil „War, Horrid War“. Was ist der rote Faden zwischen den Inhalten der neuen Songs?
Ich habe mich schon immer dazu hingezogen gefühlt, über die Extreme der menschlichen Erfahrung zu schreiben. Sei es historisch, philosophisch oder persönlich. Während „Suns I“ mehr das Historische beschreibt, erforscht „Suns II“ das Philosophische. Ich will nicht zu viel verraten, aber vielleicht kannst du daraus die Richtung ableiten, in die „Suns III“ gehen wird.
In dem Album finden sich allerlei Verweise, die sicherlich vielen nicht geläufig sind – so etwa auf „Pascal‘s Wager“, in dem ihr Blaise Pascals umstrittenes Argument für den Glauben an Gott aufgreift. Wie wirst du selbst auf solche Dinge aufmerksam?
Ich bin in die Literatur eingetaucht, seit ich die Band gegründet habe. Ich war damals 14 und fing gerade an, die grundlegenden Werke der westlichen Philosophie und die Geschichte der Konflikte des letzten Jahrhunderts zu lesen. Diese Dinge haben mich seither mein ganzes Leben lang begleitet. In einer Welt, die fast vollständig vom Visuellen dominiert wird, bin ich stolz darauf, dass ich immer noch Bücher lese. Man kann nie genug lernen.
In euren Songtexten zeigt ihr euch oft sehr geradeheraus antireligiös. In einer immer säkularer werdenden Welt spielt Religion für viele jedoch gar keine Rolle mehr. Warum habt ihr dennoch das Bedürfnis, euch damit auseinanderzusetzen?
Es stimmt, was du sagst, dass die Welt im klassischen Sinne immer säkularer wird. Aber da die Kirchen in der Welt immer leerer werden, wird diese psychologische Leere oder der religiöse Instinkt stattdessen mit anderen Mitteln bedient. Manchmal manifestiert es sich politisch oder im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. Zunehmend stelle ich fest, dass es sich in einer Art religiösem Cafeteria-Stil äußert, bei dem sich die Menschen Elemente aus verschiedenen Glaubensformen herauspicken, die sie für ihre eigene Konstitution ansprechend finden. Es zeigt sich einfach, dass der religiöse Mensch immer mit sich selbst im Zwiespalt war und sein wird.
Insbesondere auf „War, Horrid War“ habt ihr das Thema Krieg auf sehr erschütternde, ungeschönte Weise behandelt. Denkst du, dass andere Metal-Bands solche Dinge oft zu sehr glorifizieren oder verklären, indem sie über vermeintliche Heldentaten singen?
Es gibt natürlich ein Element des Krieges, das sich für Heldentum und Tapferkeit anbietet. Auf der anderen Seite, was ich für tiefgründiger halte, sind das Elend und der Schrecken, die er mit sich bringt. „War, Horrid War“ versucht, dies auf eine unpolitische und unverfälschte Art und Weise zu erkunden.
In euren Songtexten zeichnet ihr oft Bilder eines endlosen Kreislaufs menschlicher Grausamkeit. Ist der Glaube an das Gute im Menschen aus deiner Sicht ein Irrglaube?
Ich denke nicht, dass die gutartige Komponente der menschlichen Natur ohne Wert ist. Wenn wir ehrlich sind, können wir wohl alle zugeben, dass es in der Tat eine angeborene Güte in einem gewissen Aspekt der Menschheit gibt. Aber natürlich gibt es auch das Gegenteil, was Freud als destrudo bezeichnete. Der Wille, Böses zu tun; der Wille, zu dominieren.
Aufgrund eures Bandnamens und eurer Selbstdarstellung kam in der Vergangenheit mitunter die Befürchtung auf, ihr wärt rechtsextrem, was ihr jedoch unter Verweis auf eure Texte verneint habt. Nun gibt es jedoch viele Bands, die ihre rechte Ideologie in einen Mantel der Mehrdeutigkeit hüllen. Wie kann man als Hörer deiner Meinung nach Bands, die Extremismus gutheißen, von solchen, die ihn nur darstellen und ihm dabei womöglich sogar entgegentreten, sicher unterscheiden?
Ich verstehe die Krux an deiner Frage. Es gibt sicherlich Bands, die solche Ansichten – teilweise recht überzeugend – in Mystik oder Zweideutigkeit hüllen. PANZERFAUST ist keine solche Band und war es auch nie. Ich würde sagen, dass der Hörer sich selbst eine Meinung über das Material bilden muss, das er konsumiert. Ich persönlich kann nur für mich und bis zu einem gewissen Grad auch für meine Bandkollegen sprechen, wenn ich sage, dass die Idee des Faschismus für uns antithetisch ist, da die Freiheit der Meinungsäußerung für uns von größter Bedeutung ist. Wir verteidigen das Recht jedes und jeder Einzelnen, seine oder ihre Meinung zu sagen und, was noch wichtiger ist, gehört zu werden. Meine eigene Meinung ist gut genug für mich, und ich werde sie gegen jeden Mob oder eine moralische Mehrheit zu jeder Zeit und an jedem Ort verteidigen. Wenn es jemandem nicht gefällt, kann er eine Nummer ziehen, sich in eine Reihe stellen und mir den Arsch küssen.
Kommen wir auf „Render Unto Eden“ zurück. Die neue Platte klingt ein bisschen weniger brutal und atmosphärischer als „War, Horrid War“. War diese stilistische Veränderung ein bewusste Entscheidung im Hinblick auf die inhaltlichen Themen der Songs?
Es war definitiv eine bewusste Veränderung. Es war einer der Hauptgründe dafür, dass „The Suns Of Perdition“ auf diese Weise strukturiert wurde. Wir hatten von Anfang an einen sehr breiten musikalischen Ansatz und bis zu einem gewissen Grad wäre es für uns einfach unverdaulich, das Material aus den entsprechenden Kapiteln zu mischen. Letztendlich denke ich, dass es viel besser zur Geltung kommt, wenn es auf diese Weise aufgeteilt werden kann.
Bevorzugst du persönlich eher eure brachialeren oder eure atmosphärischeren Songs? Oder machst du da gar keinen Unterschied?
Ich nehme an, es kommt ganz darauf an, wie ich mich fühle. Es gibt eine Zeit für den Krieg und es gibt eine Zeit für die Selbstreflexion.
Zu dem Track „Promethean Fire“ hat Maria „Masha“ Arkhipova von Arkona Gastgesang beigetragen. Warum wolltet ihr gerade ihre Stimme in diesem spezifischen Track haben?
Masha ist eine gute Freundin von mir. Wir haben eine besondere musikalische Verbindung. Als ich „Promethean Fire“ schrieb, kam es mir in den Sinn, sie am Ende des Songs singen zu lassen. Noch heute läuft es mir kalt den Rücken hinunter, wenn ich es höre. Es war eine große Ehre, dass sie ein Teil dieses Songs wurde.
Meines Wissens handelt es sich bei dem Bild auf dem Cover um das Werk „Aufstand“ der deutschen Künstlerin Käthe Kollwitz. Wie seid ihr darauf gestoßen und warum haltet ihr es für die passende Visualisierung des Albums?
Es gab eine Ausstellung von Käthe Kollwitz‘ Arbeiten hier in Toronto in der Art Gallery Of Ontario. Hier wurde ich zum ersten Mal mit ihrer Arbeit vertraut gemacht. Dieses spezielle Werk hat mich in seinen Bann gezogen, weil es unsere Zeit und die Themen, über die ich auf „Suns II“ schreiben wollte, so gut widerspiegelt.
Kannst du uns schon ein paar erste Hinweise darauf geben, was die Fans auf dem dritten Teil der Tetralogie erwarten wird?
Etwas, das – wohl oder übel – gut durchdacht ist.
Zum Abschluss des Interviews würde ich mit dir gerne noch ein kurzes Brainstorming durchgehen. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Post-Rock: Habe ich mir noch nie angehört.
Black Lives Matter: Eine unbestreitbare Meinung, wenn auch manchmal schlecht verteidigt.
Pazifismus: „Der Schlaf der Vernunft bringt Ungeheuer hervor.“
Darkthrone‘s „Panzerfaust“: Ich habe den Zusammenhang zwischen der Musik und dem Titel nie ganz verstanden.
Quarantäne: Das Leben ist scheiße und dann stirbt man.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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