Am 24. Januar erscheint das neue Album der belgischen Oceans Of Sadness mit dem Titel „Send In The Clowns“. Zu dieser Gelegenheit führte ich ein Interview mit Sänger Tjis, in dem es vorwiegend um das neue Album geht.
Hallo Tjis, hier Stefan von Metal1.info, schön mit dir zu reden. Wie sind die ersten Reaktionen zu euerem neuen Album „Send In The Clowns“ ausgefallen? Ich kenne das Album ja schon und mag es wirklich sehr, eine der ersten Überraschungen 2005.
Danke für die Komplimente!
Das ist das erste mal, dass Oceans Of Sadness wirklich Aufmerksamkeit außerhalb Belgien und Holland bekommt, es ist also ziemlich aufregend für uns. Die meisten Reviews aus Deutschland sind okay, manche wirklich gut, andere ziemlich schlecht, aber das ist wohl normal, wenn man Musik wie wir macht. Der Hörer muss schon musikalisch recht aufgeschlossen sein und es dauert schon seine Zeit, bis man alle Strukturen und Details, die wir in unsere Songs packen, in sich aufsaugen kann. Die Reviewer, die sich Zeit nehmen, schreiben wirklich cooles Zeug über „Send In The Clowns“, die anderen, die dem Album nur eine Chance geben, wissen gar nicht, was sie alles verpassen. Aber irgendwie kann ich das auch verstehen… Jeden Monat gibt es so viele neue Veröffentlichungen, die besprochen werden müssen. Die traurige Konsequenz bei der Sache ist leider, dass manche Perlen so einfach untergehen, nur weil die Schreiber nicht genug Zeit haben, sich wirklich in ein Album reinzuhören. Wie Metallica schon gesagt haben, „Sad but true“.
Kannst du uns etwas über die Produktion und die Aufnahmen erzählen? Irgendwas besonderes?
Die Produktion ging recht schnell über die Bühne, weil wir zum Zeitpunkt der Aufnahmen keinen Plattenvertrag unterschrieben hatten. Wir konnten aber nur zwei Wochen für die Aufnahmen verwenden, und das ist NICHTS im Vergleich zu der Zeit, die andere Bands haben, aber leider ist die Welt nicht so romantisch wie sie manche von uns gerne hätten und das hat eben alles mit Geld zu tun… Realität ist etwas härter als Idealismus.
Also denke ich, dass wir gute Arbeit geleistet haben, wenn man das berücksichtigt. Unser nächstes Album muss natürlich solch eine professionelle Produktion bekommen. Im Moment läuft alles gut mit dem aktuellen Album, es wird sich alles zeigen in der nächsten Zeit… Wir haben noch immer einige Tricks in unseren Ärmeln, also macht euch bereit für einige wilde Sachen in der Zukunft!
Das ist euer drittes Album, aber hier in Deutschland seid ihr immernoch recht unbekannt. Glaubst du, das wird nun besser? Wie ist euer Status in Belgien?
In Belgien und Holland haben wir unsere feste Fanbasis, die hinter uns steht. Über die Jahre haben wir sehr viel gespielt und das hat auf verschiedene Weisen seine Eindrücke hinterlassen. Wir haben schon beim allmächtigen Dynamo Open Air in Holland vor ein paar Jahren gespielt, beim belgischen Graspop Metal Meeting waren wir schon zweimal und sind sogar eingeladen worden, dieses Jahr ein drittes mal zu spielen, was wirklich großartig ist! Neben diesen Festivals haben wir viele Shows als Support für große Bands wie Dimmu Borgir, Obituary, Grip Inc und viele andere gespielt. Jetzt ist für uns wirklich der Zeitpunkt gekommen, in Deutschland, Frankreich, Spanien und in den anderen Ländern Fuß zu fassen. Hoffentlich interessieren sich in Zukunft viele Leute für Oceans Of Sadness, wir jedenfalls sind bereit dafür!
Möglicherweise eine recht oft gestellte Frage, aber gibt es in euerem Heimatland eine Szene, die man halbwegs mit der deutschen vergleichen kann? Die belgischen Bands, die ihr im Booklet genannt habt, sind mir jedenfalls alle unbekannt.
Das ist genau der Grund, warum wir diese Bands erwähnt haben, belgische Bands bekommen nicht die Chance, ernsthaft außerhalb der Landesgrenzen auf sich aufmerksam zu machen. Unsere Szene ist natürlich viel kleiner, aber nicht weniger fanatisch als die deutsche. Es gibt wirklich einige Bands, die das Zeug dazu haben, sich einen Platz auf der internationalen Metalkarte zu sichern, wenn’s drauf ankommt. Bands wie In-quest, Axamenta oder Panchrysia sind es wert, gekannt zu werden und sie arbeiten sehr an dem, was sie tun, also hoffe ich dass du in naher Zukunft von ihnen hören wirst! Sie sind, wie Oceans Of Sadness, recht einzigartig in ihrer Richtung, an genau das brauchen wir in der Zukunft, wir brauchen neue Einflüsse anstatt Light-Versionen von Gruppen, die schon ihre Erfolge gefeiert haben. Man muss nur ein wenig drüber nachdenken, neuer Stoff wird an die Oberfläche kommen. Ich bin lieber ein Pionier als ein Mitläufer, ganz egal, dass dann alles etwas länger dauert, was man macht. Der positive Nachgeschmack ist dafür doppelt so gut.
Auf der Rückseite eueres Albums steht „send in the clowns, cause the world has gone mad“. Habt ihr deshalb diesen wirklich metal-untypischen Albumtitel gewählt? Wollt ihr mit euerer Musik etwas ein klein wenig besser machen?
Ja, tatsächlich, daher kommt der Albumtitel. Es ist wie ein Gedicht eines kleinen Kindes, das ich vor einiger Zeit geschrieben habe, es fast das gesamte lyrische Konzept des Albums zusammen. Aber ich weiß nicht, ob unsere Musik auf irgendeine Weise diesen Wahnsinn lindern kann. Ich denke eher, unsere Musik könnte als Ausdruck für die Wut und Verrückheit dienen, die Texte sind auch ziemlich schizophren… Ich denke also, du kannst es interpretieren wie du willst, es gibt nicht nur eine Wahrheit, es gibt mehrere Versionen der Wahrheit.
Euere Musik ist nur schwer einzuordnen. Wie würdest du eueren Stil und euere Ziele beschreiben? Oder wollt ihr einfach nur euer eigenes Ding machen und wie keine andere Band klingen?
Ich nenne es gerne „Crazy Fucked-up Rollercoaster-Metal“, aber ich weiß nicht so recht, ob die Mehrheit im Metal das als eigenes Genre anerkennen wird, haha! Unsere Absicht ist, unser eigenes Genre oder unseren eigenen Stil zu perfektionieren. Wir mögen viele verschiedene Musikrichtungen und das zeigt sich auch in unseren Songs. Wenn du uns bitten würdest, ein „Thrash“- oder „Black“-Stück zu schreiben, könnten wir das wohl nicht, ohne wieder in eine andere Richtung auszubrechen, wir sind da ein bisschen zu unkonventionell dafür. Wir wollen uns das, was wir tun, nicht einfacher machen, es endet immer in einer Vermischung an verschiedenstem Zeug. Aber ich denke, wer einmal unsere Musik kennt, der hört sie auch unter 1000 anderen heraus. Mit jedem Album wachsen und wachsen wir in dem, was wir tun, und wie es scheint, ist der Himmel die einzige Grenze.
Warum habt ihr diese drei elektronischen Zwischenspiele eingebaut? Meiner Meinung nach passen sie nicht so recht zum restlichen Material, auch wenn es durchaus einige elektronische Momente gibt.
Du kannst diese Zwischenspiele als Verdeutlichung unserer Absichten sehen oder einfach als Ruhepausen des Albums. Die Songs an sich sind recht anstrengend und ich denke, der Hörer würde sich selbst erwürgen und durchdrehen, wenn wir diese Pausen nicht eingebaut hätten.
Aufgrund deiner Stimmvielfalt erinnert ihr mich etwas an Into Eternity aus Amerika. Kennst du die? Auf der Bühne haben sie bis zu vier Sänger, du aber machst auch live alle Gesänge alleine, richtig?
Jep, all die Stimmen kommen von diesem dürren Kerl mit den Dreadlocks… Du kannst dir also vorstellen, wie ich mich nach einer Show fühle, haha. Diese verschiedenen Stimmen waren schon immer meine Art zu singen, und für mich ist das auch ganz normal, dass so zu machen. Aber unterschätz das nicht, nach einem Auftritt fühlt man sich, als hätte man für drei Leute gesungen, das kann ich dir versichern. Das ist ein weiterer Grund, warum man uns live sehen sollte, wir sind eine sehr energiegeladene Band auf der Bühne. Wäre schön, wenn ihr Deutschen das bald selbst rausfinden könntet!
Wie handhabt ihr das Songwriting? Was braucht ein Metalsong, um großartig zu werden? Sind bei euch zuerst die Texte oder die Musik da?
Wir beginnen immer mit der Musik, aber während den Proben finden die Vocals ihren Weg oft automatisch. Manche Textstellen kommen also wie aus dem nichts, andere schreibe ich nachher. Für uns ist es wirklich einfach, Songs zu schreiben, da wir alle das gleiche, unsichtbare Ziel vor Augen haben und auch schon seit fast zehn Jahren zusammen Musik machen. Es ist, als ob einer von uns einen Riff spielt und die Band gleich mit einsteigt.
Das wichtigste ist, die Spannung so lange wie möglich zu erhalten und den Hörer zu überraschen, wie es ihm so vorher noch nie passiert ist. Überraschungen gibt’s bei Oceans Of Sadness jedenfalls haufenweise. Wir wollen uns nie selbst wiederholen, sondern uns immer wieder aufs neue herausfordern als im Lied, das wir gerade eben geschrieben haben. Es passiert auch oft, dass wir einen kompletten Teil eines Stücks über den Haufen werfen, weil er uns nach einiger Probezeit gelangweilt hat, und es ist schließlich nicht unsere Absicht, uns selbst oder den Hörer zu langweilen. Jeder Song muss die Power haben, für immer gut zu sein, dann sind wir zufrieden. Wir glauben, dass Musik aufregend und herausfordernd sein muss.
Hast du ein paar Touranekdoten für uns? Erinnerst du dich noch an dein erstes Konzert überhaupt?
Unsere erste Show überhaupt??? Ich befürchte, daran kann ich mich nicht erinnern… Wir spielen seit über zehn Jahren und ich fürchte, mein Lebensstil ist ein wenig zu heftig, um mich an alles Vergangene zu erinnern, vor allem wenn es so lange her ist und vor allem wenn in der Zukunft noch so viel auf uns wartet. Ich kann dir aber einige ziemlich coole Anekdoten erzählen, die ich nie vergessen werde… Okay, wie wärs mit dieser hier:
In den ersten Jahren der Band, um 1995/1996, haben wir eine Demokassette aufgenommen und zum großen holländischen Magazin Aardschok geschickt.
Überraschenderweise wurden wir als „Demo des Monats“ ausgewählt und kurze Zeit später wurden wir für einen angesehenen Contest für belgische und holländische Bands ausgewählt. Zu dieser Zeit aber haben wir all unsere Songs über Board geworfen und mit einem viel härterem Sound angefangen, damit haben wir Jury und Publikum gleichermaßen überrascht… Dann hatten wir alle Preise gewonnen und, was keiner erwartete, mussten danach auf dem damals mächtigen Dynamo Open Air spielen. Wir waren alle erst um die 16 Jahre alt und hatten nicht mal ne CD oder sonst was! Das war wirklich eine surrealistische Zeit für uns, plötzlich vor 10.000 Leuten zu spielen, von denen auch noch 95% älter waren als wir…
2004 gabs eine Menge guter Veröffentlichungen. Welche davon hast du besonders gemocht?
Die „Lateralus“ von Tool hat mir sehr gefallen, „De-loused in Comatorium“ von Mars Volta war sehr revolutionärer Stoff! Im „richtigen Metal“ gab es auch einige Highlights, zum Beispiel hat das neue Album von Arcturus sehr gerockt… Ich mag Bands, die das Genre aus ihrer eigenen Sicht sehen und nicht das machen, was alle anderen tun. In mehreren Weisen haben diese Bands es schwieriger, die Leute zu erreichen, aber scheiß drauf, Musik ist Kunst, es geht nicht darum, bekannt zu sein.
Was sind deine All Time-Favoriten?
Ich werd versuchen, ein paar zu nennen… „Tales From A Thousand lakes“ von Amorphis, „Nexus Polaris“ von The Covenant“, „Slaughter Of The Soul“ von At The Gates, „Still Water“ von Opeth, „Whoracle“ von In Flames… Und viele mehr natürlich, aber das würde wohl zu lange dauern, sie alle aufzuzählen.
Geht ein wenig vom Thema weg, aber wie steht’s um deine Gesundheit? Bist du noch immer im Krankenhaus?
Ich bin von meiner letzten Behandlung vor zwei Tagen zurück gekommen (und beantworte schon die Fragen von verrückten Leuten von überall her!) und momentan erhole ich mich. Das Problem ist, dass meine beiden Lungen kurz nacheinander zusammenbrachen. Ich hatte ein paar schwere Behandlungen und die Ärzte haben meine Lungen auf meinen Brustkorb geflickt… Normalerweise kann da also nichts mehr passieren.
Es wird etwas dauern, aber bis Ende März werden wir wieder zurück auf den Bühnen sein! Wir werden ein paar Shows der No Mercy-Tour mit Six Feet Under und vielen anderen Bands in Belgien, Holland und Frankreich spielen. Danach werden wir im Sommer ein paar Festivals spielen, hoffentlich auch in Deutschland… wer weiß?
Bitte erzähl uns, wie du vom tragischen Tod von Dimebag Darrel erfahren hast.
Eine Freund hat mir einen Link zu einer Schlagzeile von irgendwo in Amerika gemailt. Hmm, was kann ich darüber sagen…
Ich habe drei Jahre lang als Kunst- und Musik-Therapeut in einem Gefängnis für „kranke Kriminelle“, bin also recht vertraut damit, wie krank Menschen werden können. Ich war umgeben von Psychopaten, Wahnsinnigen, Pädophilen, Schizophrenen… Es ist traurig genug, dass das auch ein Teil unseres Lebens ist. Es ist John Lennon passiert und auch einigen anderen in der Vergangenheit. Es wird immer ausgeflippte Außenseiter geben, und ich fürchte, je hektischer unsere sogenannte Gesellschaft wird, werden mehr solche Dinge passieren. Er war ein großartiger Musiker und es ist sehr traurig, was passiert ist.
Zum Schluss gibt’s auch für dich unser traditionelles Wortspiel. Schreib einfach, was dir bei den Begriffen in den Sinn kommt…
MTV: Opium fürs Volk, eine große Marketingmaschine, die den Lebensweg vieler Leute vorschreibt, die nicht die Kraft haben, selbst etwas zu entdecken.
Metalcore: Ein Widerspruch in sich… Erst hatten wir Hardrock, dann kam der Metal, dann Hardcore und jetzt Metalcore? Es ist nur ein moderner Name für etwas, das es schon gibt. Niemand kann das Rad neu erfinden…
Religion: Gefährlich, geistlich wichtig… Religion ist heutzutage eine Waffe der Massenvernichtung, ich halte mich weit davon entfernt, eine klare Meinung zu äußern.
Alkohol: Viel davon!
Politik: Auch Erwachsene wollen spielen…
Viking / „Humpaa“ Metal: Cool, ist aber inzwischen auch ein Genre mit vielen Kopien geworden… Bald haben wir eine Übersättigung daran, das selbe wie mit diesen Frauen mit beängstigend hohen Opernstimmen im Metal… Nicht wirklich das meine.
Ancient Rites: Eine der ersten belgischen Bands, die Belgien auf die europäische Metallandkarte geschrieben hat. Ich kenne sie und sie arbeiten sehr hart an ihrer Musik.
Manowar: Auch ich hatte meine Manowar-Phase, aber das ist Jahre her…
Dimmu Borgir: Coole Musik, coole Leute in der Band! Wir haben schon einige male die Bühne geteilt… Ich denke, sie haben
den Metal in den letzten Jahren schon ein wenig geprägt.
Metal1.info: Bis vor kurzem kannte ich die Seite nicht, sieht aber cool aus und ich hoffe, ihr unterstützt Oceans Of Sadness von jetzt an bis in alle Ewigkeit.
Danke für deine Zeit, alles gute mit der Band und sonst so, vielleicht sieht man sich mal in Deutschland!
Wir hätten wirklich gerne die Chance, uns bald auf deutschen Bühnen zu beweisen, denn ich bin mir sicher, dass wir euch aus den Socken hauen werden! Hell yeah!